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AKTUELLES:
Bildungsarbeit
für Kinder und Jugendliche
zum Nationalsozialismus
und zum Rechtsextremismus
Zuletzt AKTUALISIERT am 13.04.2025 !
Seiteninhalt:
- NS- und Rechtsextremismus-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach
- Online-Artikel zur Bildungsarbeit für Kinder und Jugendliche zum Nationalsozialismus und zum Rechtsextremismus
2.1 Online Artikel zur NS-Bildungsarbeit für Kinder und Jugendliche in Mosbach und Baden-Württemberg
2.2 Online Artikel zur NS-Bildungsarbeit für Kinder und Jugendliche
Siehe auch:
- Öffentlichkeitsarbeit zum Nationalsozialismus und Rechtsextremismus >>>
- Bildungsarbeit zum Nationalsozialismus und Rechtsextremismus >>>
- Bildung für Kinder und Jugendliche zum Nationalsozialismus und Rechtsextremismus >>>
- NS-Gegenwart >>>
- Rechtsextremismus >>>
- Rassismus und Diskriminierung >>>
- Nationalsozialismus in Mosbach - Baden >>>
- Reparationen, Entschädigungen, Restitutionen >>>
Das KZ Sachsenhausen als außerschulischer Lernort
Examensarbeit aus dem Jahr 2010 im Fachbereich Didaktik - Geschichte, Note: 1,0, Technische Universität Dresden (Institut für Geschichte ), Sprache: Deutsch, Abstract: Das Anliegen der folgenden Arbeit ist es, die Bedeutung von historischen Orten - wie dem des ehemaligen Konzentrationslagers Sachsenhausen bei Berlin - als außerschulische Lernorte darzustellen. Darüber hinaus soll der Wert eines Gedenkstättenbesuches als wichtiges Element historisch-politischer Bildung herausgearbeitet werden. Der erste Teil der Arbeit versucht demnach eine ausführliche theoretische Abhandlung über außerschulisches Lernen, historisches Lernen sowie über Gedenkstätten und deren Pädagogik zu bieten. Es gilt zum einen Begriffe wie außerschulische Lernorte, historische Lernorte und den der Gedenkstätten zu definieren sowie zu klären und zum anderen auf das methodische Vorgehen und Besonderheiten im Umgang mit diesen einzugehen. Auf diese Weise soll es gelingen die Notwendigkeit des außerschulischen Lernens zu verdeutlichen und im besten Fall dazu zu motivieren einen außerschulischen Lernort wie die Gedenkstätte Sachsenhausen aufzusuchen. Im zweiten Teil der vorliegenden Arbeit soll die Gedenkstätte Sachsenhausen in Oranienburg näher betrachtet werden. Vorausgehen wird eine Darstellung zur Geschichte des Konzentrationslagers. Im Folgenden soll ein umfassender Überblick über die pädagogische Arbeit in der Gedenkstätte Sachsenhausen gegeben werden, wobei vor allem auf die derzeitigen Arbeitsmittel und Angebote eingegangen werden soll. Gerade weil es gegenwärtig keine aktuelle Übersicht über die Angebote für Schulen gibt, sollen die zusammengetragenen Informationen als Hilfestellung bzw. Orientierung für interessierte Lehrer dienen. Darüber hinaus versucht die Arbeit eine Fülle von Hinweisen, Anregungen und Tipps für die inhaltliche und organisatorische Vorbereitung eines Gedenkstättenbesuches in Sachsenhausen zur Verfügung zu stellen. Das Aufzeichnen von durchgeführten Projekten der Gedenkstätte Sachsenhausen soll die Arbeit abrunden.
1. NS- und Rechtsextremismus-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach
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Siehe auch:
- Öffentlichkeitsarbeit zum Nationalsozialismus und Rechtsextremismus >>>
- Bildungsarbeit zum Nationalsozialismus und Rechtsextremismus >>>
- Bildung für Kinder und Jugendliche zum Nationalsozialismus und Rechtsextremismus >>>
- NS-Gegenwart >>>
- Rechtsextremismus >>>
- Rassismus und Diskriminierung >>>
- Nationalsozialismus in Mosbach - Baden >>>
- Reparationen, Entschädigungen, Restitutionen >>>
2. Online-Artikel zur Bildungsarbeit für Kinder und Jugendliche zum Nationalsozialismus und zum Rechtsextremismus
2.1 Online Artikel zur NS-Bildungsarbeit für Kinder und Jugendliche in Mosbach und Baden-Württemberg
Heidelberg
Damit NS-Opfer nicht vergessen werden
Schüler recherchieren zur Geschichte der Sinti und Roma zur Zeit des Nationalsozialismus. Eine Kooperation mit dem Dokumentationszentrum.
05.04.2023 UPDATE: 05.04.2023 06:00 Uhr 2 Minuten, 2 Sekunden
Heidelberg. Wie sehr sie für ihr Projekt brennen, ist Geschichtslehrer Dietmar Schmid und den sechs Schülerinnen und Schülern des Englischen Instituts deutlich anzumerken. Bereits seit September vergangenen Jahres trifft sich die Schülergruppe ein Mal im Monat, um mehr über das Leben der Sinti und Roma zur Zeit des Nationalsozialismus herauszufinden. In Zusammenarbeit mit dem Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma recherchieren und forschen die Elftklässler zu den Lebensgeschichten von zwei außergewöhnlichen Persönlichkeiten, die Opfer von Ausgrenzung und Verfolgung unter den Nationalsozialisten wurden.
Am Ende des Projekts könnte im nächsten Jahr sogar ein Gedächtnisblatt im offiziellen Gedächtnisbuch des ehemaligen Konzentrationslagers Dachau stehen, erzählt Andreas Pflock vom Dokumentationszentrum für Sinti und Roma. Zunächst aber tüfteln die Jugendlichen an einer neuen Website des Dokuzentrums, auf der die Lebensgeschichten verfolgter Sinti und Roma gesammelt werden sollen. Damit dort auch die 1943 geborene Rita Prigmore und der 1913 geborene Jacob Bamberger einen angemessenen Platz bekommen, durchforsten die Schüler Online-Archive, interviewen Verwandte und sprechen mit den Mitarbeitern des Dokumentationszentrums.
In ihrer Arbeit stoßen die Jugendlichen immer wieder auf Herausforderungen. "Vom Ursprung der historischen Quellen weiß niemand so richtig was", berichtet der 16-jährige Noah, der sich vor allem mit dem Leben von Jacob Bamberger beschäftigt. Das, was bisher über die Geschichte des Sinto bekannt ist, sei eher überschaubar.
Bamberger war aktiver Boxer und wurde in verschiedene Konzentrationslager deportiert, unter anderem nach Dachau. Noch Jahre später kämpfte er mit gesundheitlichen Folgen der grausamen Repressalien wie den Meerwasserversuchen. Er widmete sein Leben nach Kriegsende dem Kampf für Wiedergutmachung und Anerkennung der Verfolgung der Sinti und Roma. Bamberger starb 1989 in Heidelberg und wurde Ehrenvorsitzender des Zentralrats. "Es ist beeindruckend, was die Menschen nach dem Konzentrationslager noch aus ihrem Leben gemacht haben", ist Elftklässler Noah fasziniert.
Den Jugendlichen geht es vor allem um persönliche Geschichten, nicht einfach nur um Daten und Fakten. "Wir wollen das Menschliche darstellen", erzählt die 16-jährige Schülerin Mia. Auch zu Rita Prigmore forschen die Schüler. Sie ist heute über 80 Jahre alt und lebt nach vielen Jahren in den USA in Würzburg. Die Recherche gestaltet sich in ihrem Fall anders als bei Bamberger. "Von Prigmore existieren viele aufgezeichnete Reden nach dem Krieg", berichtet die 17-jährige Riya. Selbst im Holocaust-Memorial in Washington D.C. sei eine Rede von ihr archiviert.
Außerdem haben die Schüler das große Ziel, Prigmore als Zeitzeugin eines Tages persönlich zu treffen. Nach der Geburt wurde Prigmore mit ihrer Zwillingsschwester für medizinische Experimente der Nationalsozialisten missbraucht. Die Zwillingsschwester starb, Prigmore überlebte. Sie kämpft seither mit den gesundheitlichen Folgen und setzt sich bis ins hohe Alter für Anerkennung und Wiedergutmachung ein.
"Es ist eine Ehre, die Personen stark machen zu dürfen, die viel geleistet haben", meint Elftklässlerin Mia. So könne man gegen das Vergessen vorgehen. Schüler Noah sieht auch eine Verpflichtung. Deutschland habe in der Vergangenheit so große Fehler gemacht, dass es die eigene Geschichte aufarbeiten müsse. Im Dokumentationszentrum der Sinti und Roma gibt es noch viel zu tun. "Es gibt noch unendlich viele nicht aufgearbeitete Geschichten von Sinti und Roma", sagt Andreas Pflock. Er möchte auch in Zukunft mit Schülern kooperieren und die Aufarbeitung für die Gesellschaft öffnen.
https://www.rnz.de/
Kinder unterm Hakenkreuz – Wie wir den Nationalsozialismus erlebten: Biografisches Kindersachbuch ab 9
Kinder im Nationalsozialismus. Kinder stellen schon früh Fragen zum Nationalsozialismus. Wie können wir ihnen das Grauen jener Zeit vermitteln? Stellvertretend stellen sich hier zehn Kinder vor, die das Dritte Reich und den Zweiten Weltkrieg ganz unterschiedlich erlebt haben. Flankiert werden diese Geschichten von Illustrationen, Fotos und Sachtexten, die die historischen Hintergründe auf behutsame Art und Weise erklären. Dieses Buch zeigt ganz konkret, wie Kinder damals mit Verfolgung und Ausgrenzung, mit Krieg und Flucht, aber auch mit Propaganda innerhalb der Familie umgingen. Heutige Kinder lernen daraus viel über Zivilcourage, Mut und Verzweiflung, Angst und Hoffnung.
PETITION GEGEN NEUE PFLICHTLEKTÜRE FÜR BW-ABITUR
Rassismus: Ulmer Lehrerin will wegen Roman nicht mehr unterrichten
STAND
11.3.2023, 11:18 UHR
ASTRID MEISOLL
Für das Abi an beruflichen Gymnasien in BW sollen Schüler "Tauben im Gras" lesen - ein Buch mit rassistischer Sprache, findet eine Ulmer Lehrerin. Sie hat eine Petition dagegen gestartet.
Für die Abi-Prüfung im kommenden Schuljahr sollen die Schülerinnen und Schüler an den beruflichen Gymnasien in Baden-Württemberg ein Stück deutsche Nachkriegsliteratur lesen, den Roman "Tauben im Gras" von Wolfgang Koeppen.
Die Ulmer Deutsch- und Englischlehrerin Jasmin Blunt müsste diesen Roman also in ihrem Unterricht durchnehmen. Als sie das Buch das erste Mal in der Hand hatte und es durchblätterte, war sie allerdings entsetzt. Quer durch den ganzen Roman entdeckte sie das N-Wort, etwa hundert Mal - ohne Fußnoten oder Erklärungen. Für sie sei das "einer der schlimmsten Tage" ihres Lebens gewesen, sagt die Lehrerin, die Rassismus selbst erlebt hat. Sie weist darauf hin, dass das N-Wort einen Ausdruck von Unterdrückung und Entmenschlichung ist. "Was man sich bewusst machen muss bei dem Thema ist, dass die Sprache tatsächlich den Rassismus transportiert - und zwar in meine Lebenswelt hinein." Das sei nicht abstrakt, sondern betreffe sie direkt, erklärt die Lehrerin. "Das ist ein brutaler Angriff auf meine Menschenwürde."
"Das ist ein brutaler Angriff auf meine Menschenwürde."
Jasmin Blunt, Deutsch- und Englischlehrerin
Der Roman, der 1951 veröffentlicht wurde, zeichnet Ausschnitte aus dem Alltag in einer deutschen Stadt im Nachkriegsdeutschland nach - wahrscheinlich ist München gemeint. US-amerikanische Soldaten waren damals in vielen deutschen Städten aus dem Straßenbild nicht wegzudenken, darunter auch viele Schwarze. Rassistische Beleidigungen waren an der Tagesordnung.
Im Abitur soll Rassismus behandelt werden
Das baden-württembergische Kultusministerium rechtfertigt die Vorgabe des Buches als Pflichtlektüre damit, dass das Thema Rassismus im Abitur behandelt werden solle. Der Roman sei für den Unterricht geeignet und zähle außerdem zur bedeutenden, deutschen Nachkriegsliteratur. Außerdem befinde er sich im öffentlichen Diskurs. Mit ihm könne man den jungen Menschen ganz klar vermitteln, was Rassismus sei.
DIe Literaturprofessorin Magdalena Kißling von der Uni Paderborn widerspricht dem. Die Lehrkräfte sollten das zwar vermitteln, seien aber oft nicht dafür ausgebildet, Rassismus in der Literatur zu erkennen: "Es gibt zu wenig Sensibilität dafür, was die Macht von Sprache ausmacht, und da werden Erfahrungsberichte zu wenig ernst genommen." Außerdem seien entsprechende Konzepte für den Unterricht noch nicht ausgereift genug.
Die grobe Sprache des Romans hat Jasmin Blunt dermaßen verletzt, dass sie gegen die Einstufung des Buches als Pflichtlektüre vorgehen will. Sie hat eine Petition gestartet, mit der sie dafür sorgen will, dass der "Unterricht zu einem sicheren und rassismusfreien Ort für alle" wird - wie es in der Petition heißt.
Lehrerin gibt wegen Buch vorerst Job auf
Für sich selbst hat sie ebenfalls Konsequenzen gezogen. Obwohl sie ihren Beruf liebt, will sie ihn nach zwölf Jahren vorerst nicht mehr ausüben - wegen dieses Buchs. Denn den Roman im Unterricht durchzunehmen, das will sie sich nicht antun. Deshalb hat sie für das kommende Schuljahr einen Antrag auf Beurlaubung ohne Besoldung gestellt. Vom Kultusministerium fühlt sie sich im Stich gelassen. "Ich möchte, dass man mich und alle anderen, die so sind wie ich mitdenkt", sagt sie - und hofft, dass Schüler und Schülerinnen künftig im Unterricht dem N-Wort nicht mehr ausgesetzt sind.
https://www.swr.de/
Die Moorsoldaten: 13 Monate Konzentrationslager
Viele Menschen kennen das antifaschistische Lied Die Moorsoldaten. Der Roman Die Moorsoldaten von Wolfgang Langhoff schildert, wie es entstand. Bereits 1935 schrieb der bekannte Schauspieler und Regisseur Wolfgang Langhoff seinen packenden autobiografischen Bericht "Die Moorsoldaten" über 13 Monate Konzentrationslager und antifaschistischen Widerstand im KZ Börgermoor im Emsland. „Die Moorsoldaten“ – das ist ein Klassiker der antifaschistischen Weltliteratur. Für Jugendliche (ab 12 Jahren) ist es ein lebendiger Anschauungsunterricht zu diesem Abschnitt der deutschen Geschichte. Menschenwürde, demokratische Gesinnung und aktiver Widerstand gegen Unrecht und Unterdrückung – all das wird in diesem Buch lebendig!
Biographisches Lernen am Beispiel der Judenverfolgung in Creglingen und Bad Mergentheim in Klasse 9
Autoren: Sarah Höger/Dr. Michael Hoffmann
- Kompetenzzentrum für Geschichtliche Landeskunde im Unterricht -
Kurzbeschreibung des Moduls:
Das vorliegende Modul richtet sich in erster Linie an Schülerinnen und Schüler der Sek. I. (Klasse 9) , es werden Materialien für das G-, M- und E-Niveau bereitgestellt. Anhand dieses Moduls wird die Judenverfolgung im Dritten Reich beispielhaft anhand der Judenverfolgung im Main-Tauber-Kreis dargestellt. An ausgewählten lokalen Beispielbiographien erschließen die Schülerinnen und Schüler die Eskalationsstufen der Judenverfolgung.
In der ersten Doppelstunde beschäftigen sich die Schülerinnen und Schüler mit dem ersten Pogrom mit Todesfolgen in Württemberg, dem Pogrom in der Stadt Creglingen am 25. März 1933. Anhand der Person des Pfarrers Hermann Umfried untersuchen die SuS im Anschluss beispielhaft den Widerstand gegen die Gräueltaten der Nationalsozialisten.
Die zweite Doppelstunde hat die Flucht aus der Stadt Bad Mergentheim im Anschluss an den Novemberpogrom1938 zum Thema. Anhand einer Podiumsdiskussion beschäftigen sich die Schülerinnen und Schüler mit der Frage „gehen oder bleiben“?
Kontakt
Institut für Bildungsanalysen
Baden-Württemberg (IBBW)
─ Landesbildungsserver ─
Heilbronner Straße 172
D-70191 Stuttgart
Telefax+49 711 6642-1099
E-Mailinfo@mail.schule-bw.de
https://www.schule-bw.de/
Als Hitler das rosa Kaninchen stahl (Rosa Kaninchen-Trilogie, 1)
Berlin, Anfang 1933: Die Nazis stehen kurz vor ihrem entscheidenden Wahlsieg. In letzter Minute reist die neunjährige Jüdin Anna mit ihrer Familie in die Schweiz. Doch vieles von dem, was zu ihrem Alltag gehörte, muss in Berlin bleiben – auch Annas rosa Stoffkaninchen. Und so beginnt für die Familie ein Leben auf der Flucht …
Erinnern – Erfahren – Erlernen
Leitfaden
Pädagogische Ansätze und Konzepte für Jugend und Vermittlungsarbeit an Gedenkstätten. Baden-Württemberg
https://www.gedenkstaetten-bw.de/
Der Leitfaden vermittelt grundsätzliche Erkenntnisse zur Jugend- und Vermittlungsarbeit, stellt didaktische Methoden vor, präsentiert erprobte Einzelbeispiele aus der Praxis und zeigt weiterzuentwickelnde Strategien wie etwa das angestrebte Qualifizierungsprogramm für Jugendguides auf.
Download (PDF, 6,8 MB)
Die Welle: Bericht über einen Unterrichtsversuch, der zu weit ging (Ravensburger Taschenbücher)
Macht durch Disziplin! Macht durch Gemeinschaft! Macht durch Handeln! Wie entsteht Faschismus? Ein junger Lehrer entschließt sich zu einem ungewöhnlichen Experiment. Er möchte seinen Schülern beweisen, dass Anfälligkeit für faschistoides Handeln und Denken nicht etwas ist, das nur andere Menschen betrifft – Faschismus ist hier mitten unter uns und in jedem von uns. Doch die „Bewegung“, die er auslöst, droht ihn und sein Vorhaben zu überrollen: Das Experiment gerät außer Kontrolle. Wichtig für den Schulunterricht: Seitenzählung unverändert!
#Geschichtenebenan
Ein Instagram-Projekt zu Orten der NS-Geschichte in Baden-Württemberg
An vielen Orten finden sich Spuren von Verfolgung und Ausgrenzung unter dem nationalsozialistischen Regime. Im Rahmen des Projekts „#Geschichtenebenan“ dokumentieren Jugendliche in ihrer Heimatstadt solche Orte auf dem eigens dafür erstellten Instagram-Kanal „geschichtenebenan“. Das Projekt findet in Kooperation mit Schulen und Gedenkstätten in Baden-Württemberg statt. Die fotografische Begleitung erfolgt durch Andreas Langen (die arge lola, Stuttgart).
zu den Berichten
https://www.gedenkstaetten-bw.de/
Digitale Angebote des Projekts Lernort Kislau
Online-Geschichtsportal mit Motion Comics und einer Quiz-Reihe „Geschichte bewegt"
Das Projekt Lernort Kislau bietet über das Online-Geschichtsportal und die im Netz abrufbaren Motion Comics hinaus, neuerdings auch eine Quiz-Reihe „Geschichte bewegt" für das Homeschooling an.
https://www.gedenkstaetten-bw.de/digitales-angebot-lernort-kislau
ARBEITSGEMEINSCHAFTEN
Auguste-Pattberg-Gymnasium, Mosbach
Den Arbeitsgemeinschaften kommt am APG ein hoher Stellenwert zu. Sie werden in großer Vielfalt angeboten und sind in besonderer Weise dazu geeignet, Interessen und Stärken der Schülerinnen und Schüler zu fördern und zu entwickeln.
Dieses Angebot variiert ja nach personeller Ausstattung.
AG Geschichte
Schülerinnen und Schüler der 9. und 10. Klassen haben im Rahmen dieser AG die Möglichkeit, an einem Lotsen-Seminar in der KZ-Gedenkstätte Neckarelz teilzunehmen, um sich zu Lotsen ausbilden zu lassen. Sie erfahren an diesem Erinnerungs- und Lernort nicht nur die regionale Geschichte der NS-Zeit vor Ort, sondern gewinnen auch Einblicke in das Berufs- und Arbeitsfeld „Museum“ bzw. „Gedenkstätte“.
Die intensive Beschäftigung mit der Geschichte der „Neckarlager“ und der unterirdischen Fabrik „Goldfisch“, eine Exkursion zu einer anderen Gedenkstätte und ein 1,5-tägiges Rhetorik-Seminar bei einem Rhetorik-Trainer der Landeszentrale für politische Bildung sind Inhalte dieser AG.
https://apg-mosbach.de/ags
N-Wort in der Schullektüre: Wie geht man mit rassistischer Sprache um?
KOMMENTAR VON FELICITAS LACHMAYR
21.03.2023
Die Literatur ist voll von rassistischen Denkmustern. Mit dem Tilgen einzelner Wörter ist nicht viel gewonnen. Was bedeutet die aktuelle Debatte für große Klassiker?
Rassistische Denkmuster, stereotype Charaktere und diskriminierende Sprache durchziehen die Weltliteratur – von Shakespeare über Defoe und Twain bis zu Kant. Das lässt sich nachträglich schwer korrigieren. Wörter können getilgt werden – in Kinderbüchern wurde das bereits erprobt. Aber damit ist nicht viel gewonnen, denn die rassistischen Vorstellungen werden nicht einfach ausradiert. Wie also umgehen mit Werken, die voll sind mit abwertenden Begriffen? Nicht mehr lesen? Umschreiben?
Ein Fall aus Ulm hat die Debatte neu entfacht. Eine Lehrerin will einen Roman der deutschen Nachkriegsliteratur nicht besprechen, weil mehrmals das N-Wort fällt. Man kann die Reaktion als übertrieben abtun und damit Umfragen des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung bestätigen. Demnach reagiert ein Großteil der Deutschen abwehrend, wenn Rassismus offengelegt wird und deutet dies als Einschränkung der Meinungsfreiheit.
Diskriminierende Sprache reproduziert rassistisches Denken
Man kann aber auch respektieren, dass eine Lehrkraft ihre Betroffenheit äußert und ihr zuhören. Als Weiße oder Weißer in einer weißen Mehrheitsgesellschaft erlebt man Rassismus selten selbst. Aber Sprache kann verletzen und ein Buch, in dem dutzende Male unkommentiert das N-Wort fällt, ist als Schullektüre problematisch. Auch wenn es sich um große Literatur handelt, die wie bei Koeppen Rassismus abbilden will.
Der Begriff markiert eine vermeintliche Andersartigkeit, egal ob er bei der Buchbesprechung im Unterricht oder auf dem Pausenhof fällt. Die Verachtung, die in dem Wort steckt, wird reproduziert und Schülerinnen und Schüler of Color werden diskriminiert. Im didaktischen Kontext sollte eine Buchausgabe zumindest Fußnoten und Erklärungen enthalten. Denn Lehrkräfte sind oft nicht geschult, um für das Thema zu sensibilisieren. In der Ausbildung spielt Rassismuskritik kaum eine Rolle.
Das Rasse-Konzept konstruiert vermeintliche Überlegenheit
Nicht nur an Schulen, auch im Alltag fehlt ein Bewusstsein dafür. Wir alle haben diskriminierende Denkmuster internalisiert. Fast die Hälfte der Deutschen glaubt an die Existenz menschlicher Rassen, obwohl es keine biologische Grundlage dafür gibt. Rasse ist ein ideologisches Konzept, um anhand willkürlicher Merkmale eine vermeintliche Überlegenheit zu konstruieren und die Unterdrückung anderer zu rechtfertigen.
https://www.augsburger-allgemeine.de/
Angebote für Schulklassen im Staatsarchiv Ludwigsburg (auch Online-Veranstaltungen!)
Ludwigsburg Führungen für Schüler
Das Staatsarchiv Ludwigsburg bietet regelmäßig Seminare und Führungen für Schulklassen und Gruppen an. In der Regel handelt es sich um fertig konzipierte Veranstaltungen zu lernplanrelevanten Themen, die bei Bedarf auch in gewissem Umfang auf die Interessen der jeweiligen Gruppe abgestimmt werden können. Die Module eignen sich insbesondere zum Einsatz im Geschichts- und Gemeinschaftskundeunterricht bzw. entsprechenden Fächerverbünden; einige Veranstaltungen wurden speziell zum Einsatz im Sprachunterricht (Latein, Französisch) konzipiert. Im Angebot sind auch Führungen für Erwachsene, die bei Interesse aber auch für Schulklassen der gymnasialen Oberstufe durchgeführt werden können. Die Veranstaltungen haben einführenden Charakter und sollen - in spielerischer Form oder an besonders interessanten Beispielen - eine erste Begegnung mit den in einem Archiv verwahrten originalen Geschichtszeugnissen ermöglichen. In der Regel gehört daher zu allen Veranstaltungen ein Blick hinter die Kulissen in Form eines kurzen Besuchs im Magazin, das Archivbenutzern normalerweise nicht zugänglich ist.
Die einzelnen Module dauern in der Regel ca. 90 bis 120 Minuten; Termine können individuell vereinbart werden. Alle Module können auch als Onlineveranstaltung durchgeführt werden. Eine frühzeitige Voranmeldung ist wegen der starken Nachfrage allerdings unbedingt empfehlenswert. Nähere Infos zum Inhalt der Veranstaltungen sowie zu den Anmeldemodalitäten einschließlich der zuständigen Ansprechpartner im Archiv finden Sie auf dieser Seite.
Das Angebot wird ständig erweitert; Anregungen für neue Themen nehmen wir gerne entgegen. Bei allgemeinen Fragen zu unserem archivpädagogischen Programm wenden Sie sich bitte an Frau Dr. Elke Koch (Tel.: 07141/64854-6321, E-Mail: elke.koch@la-bw.de) oder an Frau Sandra Rosenbruch (Tel.: 07141/64854-6322, E-Mail: sandra.rosenbruch@la-bw.de)
https://www.landesarchiv-bw.de/
Angebote für Schulen im Hauptstaatsarchiv Stuttgart
Schulklasse im Hauptstaatsarchiv
Geschichte hautnah – archivpädagogische Angebote des Hauptstaatsarchivs Stuttgart
Die Arbeit mit den einmaligen, originalen und authentischen Quellen der Vergangenheit, die in Archiven aufbewahrt werden, hat einen ganz besonderen Reiz. Geschichte wird im doppelten Sinn "greifbar" und außerdem durch den regionalen und lokalen Bezug authentischer und persönlicher. Im Hauptstaatsarchiv Stuttgart reicht das Archivgut von mittelalterlichen Urkunden über politische Verträge, Karten, Plakate, Filme bis zu digitalen Informationsträgern – vielfältige Quellen, mit denen sich die Vergangenheit rekonstruieren und erforschen lässt. Schülerinnen und Schüler – wie ihre Lehrerinnen und Lehrer! – erhalten an diesem spannenden Lern- und Forschungsort einen unmittelbaren Zugang zur Vergangenheit und lernen das Archiv als "begehbares Gedächtnis" des Landes kennen. Zugleich erfahren sie etwas über den Weg eines Dokuments von seiner Entstehung bis ins Magazin sowie seine Aufbewahrung und Konservierung über Jahrhunderte hinweg. Es gibt also viele Gründe und Möglichkeiten, Archive und ihre Quellen in den Unterricht einzubeziehen.
Programmangebot
Das archivpädagogische Angebot des Hauptstaatsarchivs besteht aus unterschiedlichen Formaten und ist inhaltlich vielfältig. Es setzt sich zusammen aus a) dem Basismodul "Hausführung" und b) verschiedenen inhaltlichen Modulen und die für den Unterricht verwendet werden können. Bei den inhaltlichen Modulen handelt es sich um Workshops, Quellenarbeiten und thematische Präsentationen, deren Intensität und Länge sich unterscheiden bzw. bedarfsorientiert angepasst werden können. Jedes inhaltliche Modul kann mit dem Basismodul "Hausführung" kombiniert werden.
Ergänzend bieten wir auch spezielle Führungen für Schulklassen durch unsere aktuellen Ausstellungen an.
Zielgruppe
Die archivpädagogischen Angebote des Hauptstaatsarchivs richten sich überwiegend an die Mittel- und Oberstufe weiterführender Schulen. Bei Bedarf können auch Führungen für Grundschülerinnen und Grundschüler angeboten werden. Für den Besuch im Archiv ist kein Vorwissen notwendig; allerdings ist es wünschenswert, dass die Besuchergruppe eine grobe Orientierung über die Zeit mitbringt, zu der sie arbeiten soll. Alle Angebote sind kostenlos.
Anmeldung und Information
Die Anmeldung erfolgt per Mail an hstastuttgart@la-bw.de. Weitere Informationen telefonisch unter +49 (0)711/212-4335.
Anmeldungsformular
Basismodul "Hausführung"
Im Rahmen einer altersgerechten Führung erhalten die Schülerinnen und Schüler Einblicke in die Funktionsweise eines Archivs. Der Rundgang führt auch in die sonst nicht öffentlich zugänglichen Magazine und beinhaltet eine Führung durch die Restaurierungswerkstatt. Die Hausführung dauert ca. 1,5 Stunden und kann mit einem der inhaltlichen Module kombiniert werden.
Inhaltliche Module
Das Hauptstaatsarchiv Stuttgart bietet unterschiedliche inhaltliche Module an. Die Programmangebote reichen von kurzen Präsentationen, zum Bei-spiel zu im Unterricht behandelten Themen, über das gemeinsame Lesen eines historischen Schriftstücks bis hin zu einer intensiven Auswertung von Archivalien unter bestimmten Fragestellungen. Viele der Angebote sind als Gruppenarbeiten konzipiert. Die Workshops bzw. Quellenarbeiten können mit dem Basismodul „Hausführung“ kombiniert werden. Darüber hinaus sind thematische Führungen und Quellenarbeiten zu vielen weiteren Themen nach Absprache möglich. Folgende inhaltliche Module wurden bereits vorbereitet:
(Rechts-) Populismus – Merkmale, Hintergründe und Sprache erklärt am Beispiel der Weimarer Zeit bis 1933
Rechtspopulismus
Rechts–) Populismus – ein Begriff, auf den man heutzutage immer wieder in Zeitungen oder den Nachrichten stößt. Doch was ist (Rechts–) Populismus eigentlich? Welche Merkmale bestimmen dieses Phänomen? Wie treten populistische Akteure auf? Und wo liegen die Ursachen für die Entstehung von Populismus? Handelt es sich lediglich um eine gegenwärtige Problematik oder lassen sich auch Parallelen zu anderen Zeiten, insbesondere zur Weimarer Republik, herausarbeiten?
Diesen und weiteren Fragen gehen die Schülerinnen und Schüler in diesem archivpädagogischen Modul gemeinsam nach. Die Schülerinnen und Schüler erhalten dabei, nach einer allgemeinen Einführung zum Thema (Rechts-) Populismus, einen tieferen Einblick in die Weimarer Zeit. In Form einer Quellenarbeit mit zeitgenössischen Archivalien wie Flugblättern und Zeitungsartikeln gewinnen sie Kenntnisse der politischen und gesellschaftlichen Situation Württembergs und Deutschlands von 1918 bis 1933. Ziel dieses Moduls ist es, den Schülerinnen und Schülern die Hintergründe, Sprache und Muster des Rechtspopulismus am Beispiel der Weimarer Zeit zu verdeutlichen. Zugleich können sie zum aufmerksamen Beobachten und Hinterfragen der heutigen politisch-gesellschaftlichen Situation angeregt werden.
Das archivpädagogische Programm eignet sich in erster Linie für die Mittel- und Oberstufe im Zuge des Geschichts- oder Gemeinschaftskundeunterrichts. Das Modul dauert etwa 90 Minuten. Einen allgemeinen Wissenstand zur Weimarer Republik wäre wünschenswert, ist aber für die Bearbeitung der Quellen nicht zwingend notwendig.
Alle Informationen im Überblick:
Zielgruppe: Mittel- und Oberstufe (Geschichts- und Gemeinschaftskunde)
Dauer: 90 Minuten
Art des Programms: Einführung + Quellen- und Gruppenarbeit
Vorkenntnisse: Erwünscht (zum Thema Weimarer Republik)
Jüdische Schicksale in der NS-Zeit in Südwestdeutschland
Juden
1933 lebten in den Ländern Baden, Württemberg und Hohenzollern etwa 31.000 jüdische Bürgerinnen und Bürger. Während des Nationalsozialismus waren sie zur Emigration gezwungen oder wurden in Konzentrations- und/oder Vernichtungslager deportiert. Bis 1945 wurden 8500 Menschen aus dem Territorium des späteren Baden-Württemberg ermordet.
1962 richtete das Land Baden-Württemberg beim Hauptstaatsarchiv Stuttgart eine zeithistorische Dokumentationsstelle ein, deren Aufgabe es war, die Schicksale der jüdischen Bürgerinnen und Bürger aus Südwestdeutschland zu erforschen. Anhand von Akten aus zahlreichen Behörden und Archiven, die von den Mitarbeitern der Dokumentationsstelle systematisch ausgewertet wurden, sowie anhand umfangreicher Korrespondenzen sollten die Einzelschicksale der Verfolgten erfasst werden. Eine besondere Rolle spielten hierbei standardisierte Fragebögen, die direkt an die Gemeinden der einzelnen Landesteile versandt wurden. Bis zum Abschluss des Projekts 1968 konnte die Dokumentationsstelle knapp 90 Prozent der jüdischen Einzelschicksale im deutschen Südwesten in der Zeit des Nationalsozialismus aufklären. Ihre Ergebnisse wurden in sechs Bänden publiziert, die über die Grenzen Baden-Württembergs hinaus große Beachtung fanden.
Das Modul ermöglicht den Schülerinnen und Schülern, jüdische Einzelschicksale in Form von Gruppenarbeiten zu erforschen sowie die Aufarbeitung der NS-Zeit in der Nachkriegszeit kritisch zu reflektieren. Vor der selbständigen Quellenarbeit erhalten die Schülerinnen und Schüler eine Einführung, die sie mit der Arbeitsweise der Dokumentationsstelle und dem historischen Hintergrund der 1960er Jahre vertraut macht.
Das Programm eignet sich in erster Linie für den Geschichtsunterricht in der Mittel- und Oberstufe bzw. für Schülerinnen und Schüler ab der 9. Klasse. Das Programm dauert ca. 90 Minuten. Vorkenntnisse über die Judenverfolgung während des Nationalsozialismus aus dem Geschichtsunterricht sind notwendig.
Alle Informationen im Überblick:
Zielgruppe: Ab Klasse 9 (Mittel- und Oberstufe)
Dauer: Ca. 90 Min.
Art des Programms: Einführung + Gruppen- und Quellenarbeit
Vorkenntnisse: Notwendig (Judenverfolgung während des Nationalsozialismus)
https://www.landesarchiv-bw.de/
Siehe auch:
- Öffentlichkeitsarbeit zum Nationalsozialismus und Rechtsextremismus >>>
- Bildungsarbeit zum Nationalsozialismus und Rechtsextremismus >>>
- Bildung für Kinder und Jugendliche zum Nationalsozialismus und Rechtsextremismus >>>
- NS-Gegenwart >>>
- Rechtsextremismus >>>
- Rassismus und Diskriminierung >>>
- Nationalsozialismus in Mosbach - Baden >>>
- Reparationen, Entschädigungen, Restitutionen >>>
2.2 Online Artikel zur NS-Bildungsarbeit für Kinder und Jugendliche
Thüringen: Eklat bei Buchenwald-Gedenktag! Schülerin erntet Buh-Rufe
von Yasemin Kulen
11.04.2025 - 20:51 Uhr
Bei der Gedenkfeier zum 80. Jahrestag der Befreiung des KZ Buchenwald in Thüringen kommt es zu einem Eklat. Die Reaktionen sind heftig.
Thüringen KZ Buchenwald
© picture alliance/dpa
Zwischen 1937 und 1945 verschleppten die Nationalsozialisten rund 280.000 Männer, Frauen und Kinder in das Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar in Thüringen sowie in 139 Außenlager. Sie ermordeten etwa 56.000 von ihnen oder ließen sie an Hunger, Krankheit, Zwangsarbeit oder medizinischen Experimenten sterben. Am 11. April 1945 befreiten US-Truppen das Lager.
Zum 80. Jahrestag der Befreiung gedachten in Thüringen Überlebende, Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Gesellschaft sowie internationale Gäste der Opfer. Nur noch neun KZ-Überlebende konnten laut Stiftung an der Kranzniederlegung teilnehmen. Der 92-jährige Naftali Fürst, Überlebender der Lager Auschwitz und Buchenwald, richtete eindringliche Worte an die Anwesenden: „Wir sind nur noch sehr wenige, bald werden wir Ihnen endgültig den Stab der Erinnerung weitergeben und damit verleihen wir Ihnen eine historische Verantwortung.“
Thüringen: Kontroverse Rede bei Jugendprojekt
Die Gedenkveranstaltung in Thüringen wurde allerdings von einem Zwischenfall überschattet. Eine junge Teilnehmerin sprach im Rahmen eines Jugendprojekts auf Englisch von einem „Genozid“ in Palästina. Diese Aussage löste Buh-Rufe im Publikum aus.
Der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Jens-Christian Wagner, reagierte unmittelbar auf die Wortwahl. Er sagte laut Deutscher Presse-Agentur (dpa), es müsse um die unschuldig Getöteten dort getrauert werden können – aber von einem ‚Genozid‘ zu sprechen, gerade an einem Ort wie Buchenwald gehöre sich nicht. Die Stiftung bemühte sich um eine Deeskalation der Situation.
Gedenken im politischen Spannungsfeld
Die junge Rednerin betonte bei ihrer Rede in Thüringen, dass aus Buchenwald Lehren gezogen werden müssten. Man müsse auch heute laut werden, wenn Ungerechtigkeit geschehe. Ihre Wortwahl führte jedoch zu einer Debatte über den angemessenen Rahmen politischer Äußerungen bei Gedenkveranstaltungen.
Auch Israels Botschafter Ron Prosor nahm an der Zeremonie in Thüringen teil. Er war zur Kranzniederlegung an den historischen Ort gekommen, an dem das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus im Mittelpunkt stand.
https://www.thueringen24.de/
Todesort von Anne Frank
»Ausländer raus«-Gesänge in Bergen-Belsen
Schüler der neunten Klasse eines Bielefelder Gymnasiums haben im Sommer in der KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen »Ausländer raus« skandiert. Der Schulleiter zeigte die Schüler daraufhin an.
06.04.2025, 11.49 Uhr
- Gedenkstätte Bergen-Belsen: »Solche Vorfälle passieren uns häufiger, als uns lieb ist« Foto: Philipp Schulze / picture alliance / dpa
- Song von Gigi D’Agostino: Mehr als 360 Polizeieinsätze wegen rechtsextremer Gesänge zu »L’amour toujours« Mehr als 360 Polizeieinsätze wegen rechtsextremer Gesänge zu »L’amour toujours«
Das Bielefelder Helmholtz-Gymnasium ist offiziell eine »Schule ohne Rassismus« – gegen mehrere Schüler der Jahrgangsstufe 9 erstattete der eigene Schulleiter Anzeige wegen rassistischer Gesänge in der KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen. In dem ehemaligen Konzentrationslager, das heute als Gedenkstätte dient, starben Zehntausende Inhaftierte, unter ihnen auch Anne Frank. Als die Bielefelder Schüler im Sommer den Ort besuchten, skandierten einige von ihnen die Parole auf dem zentralen Gedenkplatz. Das berichtet die in Bielefeld erscheinende »Neue Westfälische« am Samstag .
Direkt nach dem Singen der Parole in der rassistisch umgedichteten Version des Gigi-D’Agostino-Hits »L’amour toujours« habe das Aufsichtspersonal der Gedenkstätte reagiert und die Jugendlichen zurechtgewiesen. Die mitreisenden Lehrer seien in dem Moment beschäftigt gewesen und hätten von dem Vorfall zunächst nichts mitbekommen. Der Schulleiter des Gymnasiums habe später Disziplinarmaßnahmen verhängt und den Vorfall zur Anzeige gebracht, berichtete die Zeitung weiter.
Der Vorfall hatte sich bereits im Sommer vergangenen Jahres ereignet, ist jedoch erst jetzt durch Recherchen des Blatts öffentlich geworden.
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Dem WDR sagte der Schulleiter, dass sich hier »ein gesamtgesellschaftliches Problem« gezeigt habe. Und: »Solche Vorfälle passieren uns häufiger, als uns lieb ist.« Er führt das Verhalten auf die Nutzung und den Einfluss von Social Media zurück. Die Schüler, die teilweise Migrationshintergrund hatten, seien nicht von der Schule verwiesen worden und seit dem Vorfall auch nicht mehr auffällig gewesen.
Videos mit dem umgedichteten Partyhit werden seit Oktober 2023 im Internet verbreitet. Für einen Skandal sorgte im vergangenen Jahr besonders das Video einer Pfingstparty im Sylter Luxusort Kampen, auf der die Feiernden ebenfalls »Deutschland den Deutschen« skandiert hatten.
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Neue Welle des Antisemitismus: Schutzlos im Land der Täter
Schutzlos im Land der Täter
Im KZ Bergen-Belsen starb unter anderem 1945 auch Anne Frank. Die Familie der Jüdin hatte sich zwischen 1942 und 1944 in einem Hinterhaus an der Amsterdamer Prinsengracht vor den Nazis versteckt. Dort entstand auch das weltberühmte Tagebuch. Die Franks wurden jedoch verraten und von der Gestapo festgenommen. Nur ihr Vater, Otto Frank, überlebte. Er veröffentlichte das Tagebuch seiner Tochter und wandelte das Haus in Amsterdam in ein Museum um.
tgk/afp
Neukirchen bekommt vier neue Stolpersteine als Zeichen gegen das Vergessen
Stand:01.04.2025, 17:03 Uhr
Von: Jana Keßler
Verlegung neue Stolpersteine in Neukirchen. Familie Sonn am 31.03.2025 in der Kurhessenstraße 43. Schülerinnen und Schüler der Malanchthonschule und der Steinwaldschule gedenken der jüdischen Familie Sonn.
Gedenken an die Neukirchener Familie Sonn: Vier neue Stolpersteine wurden von Künstler Gunter Demnig verlegt. Schülerinnen und Schüler der Melanchthon-Schule und der Steinwaldschule begleiten die Feier. © Keßler, Jana
Mit einer kleinen Gedenkfeier wurden Neukirchen vier neue Stolpersteine verlegt. Schülerinnen und Schüler erzählten die Geschichte der Familie.
Neukirchen – Ein Moment des Innehaltens: Seit dem gestrigen Montag erinnern vier neue Stolpersteine an die jüdische Familie Sonn.
Mit einer kleinen Gedenkfeier, begleitet von Musik und bewegenden Worten, wurde die Gedenksteine in der Kurhessenstraße 43 verlegt.
Stolpersteine sollen an die Familie Sonn erinnern
Während Künstler Gunter Demnig die Stolpersteine ins Pflaster einsetzte, trugen Schülerinnen und Schüler der Melanchthon-Schule Steinatal sowie der Steinwaldschule die Geschichte der Familie vor.
Begleitet wurde die Zeremonie von Mitgliedern des Posaunenchors der Melanchthon-Schule. Zahlreiche Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte, sowie Vertreter der Stadt verfolgten die Verlegung. Einige Passanten blieben spontan stehen und lauschten den Worten.
Nach der Begrüßung durch Bürgermeister Marian Knauff berichteten Jugendliche vom Schicksal der Familie Sonn. „Wir wollen heute der Neukirchener Familie Sonn eine Stimme geben“, sagt eine Schülerin zu Beginn.
Verlegung neue Stolpersteine in Neukirchen. Familie Sonn am 31.03.2025 in der Kurhessenstraße 43. Schülerinnen und Schüler der Malanchthonschule und der Steinwaldschule gedenken der jüdischen Familie Sonn.
Die Stolpersteine für die Neukirchener Familie sind in der Kurhessenstraße 43 verlegt worden: von links oben Levi Sonn, Jeanette Sonn, Max Sonn und Theo Sonn. © Keßler, Jana
Neukirchener wollte nach Frankreich ausreisen
Levi Sonn wurde am 20. September 1879 in Neukirchen geboren. Dort heiratete er Jeanette Ronsheim und zog mit ihr die beiden Söhne Max und Theodor groß.
Levi Sonn arbeitete hauptberuflich als Schneider, hatte aber ein geringes Einkommen, weswegen er im Jahr 1932 zum Kreis der Unterstützungsbedürftigen gehörte. Mit der Hoffnung auf neue Arbeit plante Sonn im September 1933 die Ausreise nach Frankreich.
Sein Sohn Max Sonn lebte bereits mit seiner Ehefrau illegal in Paris. Er wurde nach mehreren Verhaftungen in das Lager Gurs am Fuße der Pyrenäen deportiert, wo ein Sammellager für Ausländer eingerichtet war. Nach insgesamt fünf Fluchtversuchen und der Befreiung Frankreichs wanderte er 1947 schließlich in die USA aus.
Schülerinnen und Schüler trugen emotionale Gedichte vor
Es ist ungeklärt, ob sein Vater Levi Sonn jemals in Frankreich ankam. Mit seiner Frau war er später in Köln gemeldet, wo sie im Mai 1940 starb.
Etwas später heiratete Levi Sonn Dora Wolff, mit der er zusammen am 23. Januar 1941 nach Lodz (Polen) deportiert wurde. Levi Sonn wurde schließlich im Mai 1942 in Chelmo in einem Gaswagen ermordet.
Verlegung neue Stolpersteine in Neukirchen. Familie Sonn am 31.03.2025 in der Kurhessenstraße 43. Links Künstler Gunter Demnig mit Bürgermeister Marian Knauff.
Insgesamt 49 Stolpersteine gibt es in Neukirchen. Gunter Demnig (links) hat die Aktion ins Leben gerufen und wird von Bürgermeister Marian Knauff unterstützt. © Keßler, Jana
Zusätzlich zu den Berichten wurden emotionale Gedichte aus Konzentrationslagern vorgetragen. Die Schülerinnen und Schüler mahnten, dass sich die grausamen Verbrechen der NS-Zeit niemals wiederholen und nicht vergessen werden dürften.
Der erste Stolperstein wurde 1994 gesetzt
Nach dem Vortrag richtete sich der Bürgermeister erneut an das Publikum und rief auf, die Erinnerung an die verfolgten Juden zu erhalten.
„Wir müssen alles tun, um die Rechte und Würde aller Menschen zu bewahren“, sagt Marian Knauff. Dafür setzte sich Neukirchen besonders ein durch regelmäßiges Gedenken an die verfolgten Juden. „Das ist uns ganz wichtig.“
Seit 2014 beteiligt sich Neukirchen an dem Projekt „Stolpersteine“, das Gunter Demnig ins Leben gerufen hat. Er hat bereits 1994 in Köln den ersten Stein gesetzt, inzwischen sind mehr als 117.000 Stolpersteine weltweit verlegt.
„Die Stolpersteine sind mit Absicht etwas schief gesetzt, damit sie lebendig wirken“, so Demnig. In Neukirchen gibt es nunmehr insgesamt 49 Stolpersteine. „Es ist wichtig, dass man das Gedenken aufrechterhält“, sagt eine Passantin im Vorbeigehen.
https://www.hna.de/
Kundgebung
Jugend in Salzgitter mit klarer Botschaft gegen Rassismus
21.03.2025, 17:16 Uhr • Lesezeit: 3 Minuten
Kundgebung in Salzgitter
Bei der Kundgebung in Salzgitter begeisterte auch die ehemalige The-Voice-Finalistin Emily Rose das Publikum. Sie engagiert sich zusammen mit ihrem Bruder unter dem Signet „Wir.wollen“ in Anti-Diskriminierungsworkshops mit und für Schulen und Vereine.
© FMN | Rudolf Karliczek
Salzgitter. Vor den Werkstoren von Salzgitter Flachstahl kamen 1000 junge Menschen zusammen. Sie forderten mehr Zusammenhalt – mit klaren Worten.
Es war ein deutliches Signal der jungen Generation für eine demokratische und weltoffene Gesellschaft: Knapp 1000 Schüler und Schülerinnen sowie Auszubildende schlossen sich der Salzgitteraner Großkundgebung zum Internationalen Tag gegen Rassismus an. Das schrieb die IG Metall Salzgitter-Peine in einer Pressemitteilung.
Zur Veranstaltung vor den Werkstoren hatte demnach der Betriebsrat der Salzgitter Flachstahl zusammen mit der IG Metall und das lokale „Bündnis für Demokratie und Toleranz“ aufgerufen.
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Kundgebung in Salzgitter: Auch Frank Klingebiel war angekündigt
Die Vorsitzende der Jugend- und Auszubildendenvertretung der SZFS, Selin Cakir, begrüßte neben den Jugendlichen auch zahlreiche Beschäftigte der Flachstahl GmbH, von Alstom, Volkswagen, MAN und anderen Betrieben. Den angekündigten Oberbürgermeister, Frank Klingebiel, musste sie wegen Krankheitsgründen entschuldigen.
Den Auftakt machten der Mitteilung zufolge die Schirmherren der Veranstaltung, der Betriebsratsvorsitzende Hasan Cakir und Arbeitsdirektor Jens Loock. „Der 21. März als internationaler Tag gegen Rassismus erinnert uns jedes Jahr daran, dass wir uns weiterhin gegen jede Form von Diskriminierung und Intoleranz einsetzen müssen“, sagte Cakir. Loock brachte es darauf mehrfach auf die kurze Formel: „Say No to Racism!“
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Gegen Rassismus, für Vielfalt: Junge Menschen setzen ein Zeichen in Salzgitter
Mit zahlreichen Infoständen und Mitmachaktionen präsentierten Schülerinnen und Schüler sowie Organisationen im Rahmen der Veranstaltung ihre Beiträge zum Tag gegen Rassismus. Die große Bühne gehörte an diesem sonnigen Tag den jungen Menschen, die mit engagierten Rede- und Kulturbeiträgen das Thema Rassismus aus ihrer Sicht schilderten.
Den Anfang machte die Jugendvertreterin Gaye Yalcinkaya mit einem bewegenden Gedicht über ihre persönlichen Diskriminierungserfahrungen unter dem Motto „Mein Name ist Vielfalt“. Viele weitere Wortbeiträge drehten sich zudem um das Thema alltäglicher Diskriminierung, den „leisen Rassismus“.
Mit Kurzbeiträgen brachten sich außerdem Cem Ince für den Ortsmigrationsausschuss der IG Metall, Jesse Holtmeyer für das Salzgitteraner „Bündnis für Demokratie und Toleranz“ sowie ein Schülervertreter der IGS Salzgitter ein. Zudem habe es ein abwechslungsreiches Musik- und Kulturprogramm gegeben, heißt es in der Mitteilung.
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Für Demokratie und Frieden: Nächster Termin in Salzgitter steht schon
„So zahlreiches Engagement – gerade von jungen Menschen – machte allen Mut, dem Rechtsruck in der Gesellschaft auch im Alltag entschieden entgegenzutreten und Menschenwürde und Demokratie gegen alle Anfeindungen zu verteidigen“, schreibt die IG Metall Salzgitter-Peine.
Das „Bündnis für Demokratie und Toleranz“ kündigte derweil schon den nächsten Termin an: Mit einem „Friedensfest“ in der Innenstadt von Lebenstedt soll am Donnerstag, 8. Mai, an die Befreiung vom Nationalsozialismus gedacht werden. Das Fest soll der Verteidigung von demokratischer Freiheit und Frieden dienen – und ein weiteres positives Zeichen für Weltoffenheit, Respekt und Vielfalt in der Stadt setzen.
https://www.braunschweiger-zeitung.de/
Einweihung der Geschichts- und Erinnerungstafel auf dem Friedhof in Steinlah
Erinnerung an die Opfer der Zwangsarbeit im Salzgittergebiet
20.03.2025
Schülerinnen und Schüler der Carl-Gotthard-Langhans-Schule, ganz rechts Schulleiter Stefan Volkmann und die Abgeordneten Jan Schröder und Marcus Bosse
Die Grabstätte sieht aus wie ein großes Familiengrab. Nichts deutete bislang darauf hin, dass an diesem Ort 23 Zwangsarbeiter beerdigt worden sind. Ein Projekt der Carl-Gotthard-Langhans-Schule aus Wolfenbüttel, der berufsbildenden Schule des Landkreises Wolfenbüttel, schafft nun endlich Aufklärung.
Schülerinnen und Schüler aus den Bereichen Sozialpädagogik, Wirtschaft, Technik und Holztechnik haben über die Zwangsarbeit im Erztagebergbau der Haverlahwiese geforscht und den Text der Tafel verfasst. Das geschah im Rahmen des Politikunterrichts der Lehrer Paul Schumann, Udo Hillert und Alexander Kohl. Das Stahlgestell wurde von der Berufsfachschule Metalltechnik gefertigt. Und sogar die Finanzierung der Tafel speiste sich aus dem Engagement der Schülerinnen und Schüler: aus dem Preisgeld des Sally Perell Preises des VW-Werks Braunschweig. Die Carl-Gotthard-Langhans-Schule erhielt den Preis vor zwei Jahren als Auszeichnung für die Geschichts- und Erinnerungstafel, die die Schule für Opfer des Nationalsozialismus auf dem Friedhof Lindener Straße in Wolfenbüttel erarbeitet hatte.
Schulleiter Stefan Volkmann (links) hebt die Leistung seiner Schülerinnen und Schüler hervor. Die Tafel als Ganzes ist ihr Werk: Berufsfachschule Metalltechnik fertigte das Gestell, die anderen Klassen haben den Inhalt erarbeitet.
André Beims, Bürgermeister von Haverlah-Steinlah, dankte den Schülerinnen und Schülern für ihr Engagement und für die Aufwertung, die der Friedhof durch die Tafel bekommen habe. Der Bürgermeister der Samtgemeinde Baddeckenstedt Frederik Brandt stellte das Schicksal der Opfer in den Mittelpunkt. Ein Drittel von ihnen war jünger als 21 Jahre, mithin in dem Alter der Schülerinnen und Schüler. Sie lebten unter heute unvorstellbaren Bedingungen und starben an „allgemeiner Schwäche“ oder wurden wie der achtzehnjährige Gregoryi Leszenko „auf der Flucht erschossen“. Die Tafel sei ein Beitrag, diese Vergangenheit nicht zu vergessen.
Bürgermeister André Beims (ganz links) und Samtgemeindebürgermeister Frederik Brandt dankten den Schülerinnen und Schülern für ihr Engagement.
Die beiden Abgeordneten des niedersächsischen Landtags, Jan Schröder und Marcus Bosse, griffen diesen Gedanken auf: „Die Geschichts- und Erinnerungstafeln des Volksbunds halten die Geschichte lebendig, damit das, was war, nicht in Vergessenheit gerät.“ Die Beschäftigung mit den Einzelschicksalen mache die verbrecherische Natur des Nationalsozialismus offensichtlich. Damit werde auch ein Beitrag geleistet, der Verharmlosung der nationalsozialistischen Diktatur oder Forderungen nach einer Wende in der Erinnerungskultur entgegenzuwirken.
Marcus Bosse (MdL) warnt vor der Verharmlosung der nationalsozialistischen Diktatur.
So haben auch die Schülerinnen und Schüler ihre Arbeit verstanden. Melissa Köpp, Jonas Rabe, Johann Hampel und Arjen Naujok erklärten: „Diese Gedenktafel ist nicht nur ein Stück Metall – sie ist ein Zeichen der Erinnerung und Verantwortung. Wir dürfen die Vergangenheit nicht verdrängen, sondern müssen sie als Mahnung verstehen. Jeder von uns kann etwas tun: indem wir uns informieren, uns für Menschenrechte einsetzen und uns gegen Hass und Ausgrenzung stellen. Lasst uns gemeinsam dafür sorgen, dass die Fehler der Vergangenheit nicht in Vergessenheit geraten – und dass wir sie niemals wiederholen.“
Stellvertretend für ihre Mitschülerinnen und Mitschüler erklärten Melissa Köpp, Jonas Rabe, Johann Hampel und Arjen Naujok warum sie sich in dem Projekt des Volksbunds engagiert haben: „Wir dürfen die Vergangenheit nicht verdrängen, sondern müssen sie als Mahnung verstehen. Jeder von uns kann etwas tun: indem wir uns informieren, uns für Menschenrechte einsetzen und uns gegen Hass und Ausgrenzung stellen.“
Der Ehrenvorsitzende des Bezirksverbands Braunschweig, Walter Johannes Herrmann, schloss die gut besuchte Veranstaltung mit dem Totengedenken.
https://niedersachsen.volksbund.de/
Neuntklässler erforschen das Vermächtnis der Namensgeberin der Anne-Frank-Schule
Stand:18.03.2025, 11:07 Uhr
Anne-Frank-Schule Wanfried Eschwege Exkursion FrankfurtFoto: Anne-Frank-Schule/nh
Historische Bildung und praktische Erfahrung kombinierte die Exkursion der Anne-Frank-Schule nach Frankfurt mit ihren Seminaren und Workshops. © Anne-Frank-Schule/nh
Intensiv haben sich Jugendliche der neunten Klassen der Anne-Frank-Schule in Eschwege und des Standorts Wanfried mit Anne Frank beschäftigt.
Eschwege/Wanfried/Frankfurt – Anne Franks Tagebuch ist nicht nur ein Zeugnis ihrer Zeit, sondern auch ein eindringlicher Appell an zukünftige Generationen, sich aktiv mit Menschlichkeit, Toleranz und Widerstand auseinanderzusetzen. In diesem Sinne unternahmen kürzlich die Gymnasialklassen des 9. Jahrgangs der Anne-Frank-Schule Eschwege sowie die gemischte Klasse 9 aus Gymnasial- und Realschülern des Standorts Wanfried eine zweitägige Studienreise, die das Leben und Vermächtnis von Anne Frank in den Mittelpunkt stellte und zugleich aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen beleuchtete.
Der erste Tag führte die Gruppe zur Justus-Liebig-Universität Gießen. Hier nahm sie an einem Workshop mit dem Titel „Was kam nach dem Tagebuch?” teil, gestaltet von Prof. Dr. Sascha Feuchert, Leiter der Arbeitsstelle Holocaustliteratur (AHL) an der Universität. Ein Experiment verdeutlichte die Lebenssituation im Hinterhaus: Durch Messung der Lautstärke im Hörsaal konnten die Schülerinnen und Schüler nachempfinden, wie leise die Untergetauchten sein mussten, um unentdeckt zu bleiben. Im Seminar „Bergen-Belsen: Annes letzte Station” setzten sie sich intensiv mit dem Dokumentarfilm „Yvonne Polláková – ein slowakisches Mädchen im KZ Bergen-Belsen” auseinander. Ein Schwerpunkt lag dabei auf dem Vergleich der Lebensgeschichten von Yvonne Polláková und Anne Frank, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede herauszuarbeiten.
Die Zusammenarbeit zwischen der Anne-Frank-Schule und der Arbeitsstelle Holocaustliteratur begann mit einer von Studienrätin Katharina Theophel initiierten Fortbildung für Lehrkräfte zum Thema „Holocaustliteratur im Unterricht”. Diese initiale Veranstaltung legte den Grundstein für die Exkursion und weitere geplante Projekte, die das Andenken an Anne Frank lebendig halten und den Namen der Schule mit Leben füllen. Die Studienrätin betont: „Es ist unser Auftrag und unsere Verantwortung, die Geschichte Anne Franks nicht nur zu lehren, sondern sie erlebbar zu machen, um unseren Schülerinnen und Schülern die Relevanz für ihre eigene Lebenswelt aufzuzeigen.”
Am zweiten Tag besuchte die Gruppe das Anne-Frank-Zentrum in Frankfurt. Dort erkundeten die Schülerinnen und Schüler das Lernlabor „Anne Frank. Morgen mehr”, das sich mit aktuellen Themen wie Hatespeech, Rassismus und Diskriminierung auseinandersetzt. Durch interaktive Stationen, die an Annes Tagebucheintrag „Morgen mehr.” angelehnt sind, wurde der Bogen von ihrer Geschichte zu heutigen gesellschaftlichen Herausforderungen gespannt. Die Stationen regten zur Reflexion über den Umgang mit Vorurteilen und Ausgrenzung an.
Die Studienreise bot den Jugendlichen zudem einen authentischen Einblick in das Universitätsleben. Die Kombination aus historischer Bildung und praktischer Erfahrung machte die Exkursion zu einem besonderen außerschulischen Lernort. Unterstützt wurde die Reise von den Lehrkräften Verena Diegel-Müller mit FSJlerin Jeanette Stebner für die 9a, Hendrik Bergmann für die 9b sowie Claudia Gorges und Stefan Schröder für die 9GR. Neuntklässlerin Helene Kachel sagt: „Die Workshops haben uns gezeigt, wie wichtig es ist, aus der Vergangenheit zu lernen und Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen.” Schülerin Alina Reinhardt ergänzt: „Es war beeindruckend, die Geschichte Anne Franks auf diese Weise zu erleben und darüber nachzudenken, was wir heute gegen Diskriminierung tun können.” (ms/red)
https://www.hna.de/
NS-Zeit greifbarer für Schüler: KZ-Gedenkstätte Ahrensbök kämpft gegen das Vergessen
17. März 2025
Rund 40 Prozent der 18- bis 29-Jährigen in Deutschland wissen nicht, dass im Dritten Reich rund sechs Millionen Jüdinnen und Juden ermordet wurden. Das geht aus einer aktuellen Umfrage der Jewish Claims Conference hervor. Gegen dieses Vergessen kämpft die Gedenkstätte Ahrensbök (Schleswig-Holstein). In dem ehemaligen Konzentrationslager können Schüler:innen an Workshops teilnehmen, die ihnen die Geschichte näherbringen.
https://www.sat1regional.de/
Rechtsterrorismus
Neues Bildungsangebot zum NSU-Komplex für Schüler
dpa 11.03.2025 - 09:49 Uhr
Vor dem Landtag steht ein Mahnmal, das an die Opfer der rechtsextremen Terrorzelle NSU erinnert. Ein neues Seminar soll Schülerinnen und Schülern die Geschichte des NSU-Komplexes näherbringen.
Rechtsterrorismus: Neues Bildungsangebot zum NSU-Komplex für Schüler
Der Erinnerungsort für die Opfer des NSU: Er wurde am 19. Juni 2024 unweit des Thüringer Landtags eingeweiht. (Archivbild) Foto: Martin Schutt/dpa
Erfurt (dpa/th) - Mit einem neuen Seminarangebot soll in Thüringen die Erinnerung an die Opfer des NSU gestärkt und auch das Versagen von Polizei und Justiz bei den Ermittlungen thematisiert werden. Die Landeszentrale für politische Bildung und der Erinnerungsort "Topf & Söhne" haben ein entsprechendes Seminar erarbeitet, wie die Leiterin des Erinnerungsortes, Annegret Schüle, der Deutschen Presse-Agentur sagte.
Schüler ab der zehnten Klasse könnten in dem Seminar die Geschichte und die Hintergründe des NSU-Komplexes kennenlernen, wobei zunächst vor allem die Biografien der Mordopfer im Fokus stünden. "Durch diesen stark betroffenenzentrierten Einstieg wird generell die Empathie mit Menschen gefördert, die von Rassismus betroffen sind", sagte Schüle.
Rechtes Terror-Trio aus Jena
Der "Nationalsozialistische Untergrund" (NSU) war eine rechtsextreme Terrorzelle, die aus Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe bestand. Die drei waren in den 1990er Jahren in Jena aufgewachsen, hatten sich dort radikalisiert und waren dann in den Untergrund gegangen. Zwischen 1999 und 2007 ermordeten sie zehn Menschen und verletzten weitere durch drei Sprengstoffanschläge.
Staatsversagen bei Ermittlungen
Die Ermittlungen von Polizei und Justiz wegen dieser Taten richteten sich jahrelang aber auf das Umfeld der Ermordeten. Den Opfern und ihren Familien wurde unterstellt, in kriminelle Machenschaften verwickelt zu sein. Rechtsextreme und rassistische Motive ließen die Ermittler außer Acht.
Bei einer Trauerfeier für die NSU-Opfer in Berlin 2012 hatte die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel die Verbrechen eine "Schande für unser Land" genannt und auch daran erinnert, wie sehr die Hinterbliebenen von Polizei und Justiz kriminalisiert worden waren. "Diese Jahre müssen für Sie ein Alptraum gewesen sein", sagte Merkel damals. "Das ist besonders beklemmend, dafür bitte ich Sie um Verzeihung."
Versäumnisse der Sicherheitsbehörden
Nach Angaben von Schüle sollen sich die Schüler im Seminar damit auseinandersetzen, wie weit die Tatmotivation des NSU-Trios und die damaligen Ermittlungsrichtungen auseinander klafften und wie vehement die Behörden Rassismus als Tatmotiv ausschlossen. "Die Teilnehmenden hinterfragen die Verantwortung des Verfassungsschutzes und reflektieren, dass die Morde bei einer konsequenten Ermittlung und Weitergabe von Informationen durch die Sicherheitsbehörden möglicherweise hätten verhindert werden können", sagte Schüle. Zudem bette das Seminar die Taten des NSU in die Geschichte anderer rechtsextremer Terrortaten in Deutschland ein.
Das Seminar ist ein weiteres Element der Erinnerung an die NSU-Opfer in Thüringen. Im Sommer 2024 war vor dem Thüringer Landtag ein Mahnmal zum Gedenken an die Opfer des NSU-Terrors eröffnet worden.
https://www.insuedthueringen.de/
Parolen und Hakenkreuze an Grundschule: Staatsschutz ermittelt
Stand:11.03.2025, 14:14 Uhr
Von: Vanessa Moesch
Schmierereien Bernadusschule Niederense
Schmierereien finden sich an einer Wand in einer Nische der Bernhardusgrundschule. © Peter Dahm
So leicht können die Schmierereien wohl nicht beseitigt werden. An der Bernhardusschule in Niederense haben unbekannte Täter rechtes Gedankengut an eine Wand gesprüht.
Niederense – Rechtes Gedankengut zwischen Turn- und Schwimmhalle entdeckten nun eine Pausenaufsicht und der Hausmeister der Bernhardusschule in Niederense und verständigten die Polizei.
Im Zeitraum vom Freitag, 7. März, 14 Uhr, bis Montag, 10. März, 12.15 Uhr besprühten unbekannte Tatverdächtige eine Wand der Bernhardusgrundschule in Niederense unter anderem mit Hakenkreuzen. „Wer das jetzt säubert, ist noch nicht klar“, erklärt Schulleiterin Stefanie Neumann auf Anzeiger-Nachfrage. Entweder übernimmt die Aufgabe der Bauhof der Gemeinde, der Hausmeister oder eine externe Firma, die beauftragt werden müsste.
Staatsschutz ermittelt: Verbotene Symbole
Die Schmierereien sind nun Aufgabe des Staatsschutzes Dortmund. „Hakenkreuze und weiteres rechtes Gedankengut an Wände oder sonstige Oberflächen zu sprühen ist eine Straftat. Da es sich um verbotene Symbole handelt, ermittelt in solchen Fällen immer der Staatsschutz“, erklärt Matthias Weidemann, Pressesprecher der Polizei.
Zeugen, die in diesem Zeitraum Beobachtungen an der Grundschule gemacht haben, werden gebeten, sich an die Polizei zu wenden.
Weitere Tat in Anröchte: Steinplatten beschädigt
Auch am Rathausplatz in Anröchte haben unbekannte Täter zugeschlagen. Dort wurden im Zeitraum vom 7. März bis zum 9. März mehrere Steinplatten beschädigt. Die Täter ritzten laut Polizeibericht unter anderem Hakenkreuze hinein. Zeugen, die Angaben zu der Sachbeschädigung machen können, werden gebeten, sich unter der Telefonnummer 02941/ 91000 an die Polizei zu wenden. Auch hier übernimmt die weiteren Ermittlungen der Staatsschutz in Dortmund.
Erst kürzlich wurden im Kurpark in Werl ebenfalls an etlichen Stellen Nazi-Symbole hinterlassen.
https://www.soester-anzeiger.de/
Geschichten hinter den Stolpersteinen: Jüdische Schicksale greifbar machen
Stand:04.03.2025, 15:00 Uhr
Von: Katja Burgemeister
Erkunden mit ihren Mitschülern von der Sekundarschule nicht nur das Soester Stadtarchiv, sondern holen hier auch die Schicksale hinter den Stolpersteinen zum Vorschein: Leon Müllers, Max Westhoff und Justus Westerhoff.
Erkunden mit ihren Mitschülern von der Sekundarschule nicht nur das Soester Stadtarchiv, sondern holen hier auch die Schicksale hinter den Stolpersteinen zum Vorschein: Leon Müllers, Max Westhoff und Justus Westerhoff. © Katja Burgemeister
Schüler der Sekundarschule Soest entdecken im Stadtarchiv die Schicksale jüdischer Menschen. Die Ergebnisse der Arbeiten sollen bald online verfügbar sein.
Soest – Sie betreten noch etwas schüchtern den Gang zwischen den Hochregalen im Keller des Stadtarchivs und schauen sich skeptisch um. Überall Kisten mit Aufschriften, Ordner und Akten. Dann zieht Tobias Westhoff vom Stadtarchiv vor der Nase der drei Schüler der Sekundarschule eine der Kisten heraus, holt eine Akte hervor und drückt sie ihnen in die Hände. Leon, Justus und Max beginnen sofort zu lesen. „Irre, schaut mal, das ist alles auf Hebräisch!“, ruft einer von ihnen. Ganz oben in dem Aktensammler liegt das Studien-Zeugnis eines jüdischen Mannes, der in Soest aufgewachsen ist und 1934 nach Israel auswanderte.
Schicksale hinter den Stolpersteinen: Jüdische Schicksale greifbar machen
Die drei Schüler wollten eigentlich nur eine Stippvisite ins Stadtarchiv machen. Jetzt kann sie ihr Lehrer Konstantin Krummel kaum noch von den Blättern und Fotos trennen, in die sie sich in Windeseile vertieft haben.
Soester Schüler reinigen im Gedenken an den Holocaust die „Stolpersteine“
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Die kleine Episode ist typisch für das besondere Kooperationsprojekt, das es seit drei Jahren zwischen der Sekundarschule und dem Stadtarchiv gibt.
Geschichte erleben zwischen Rollregalen
Schon eine halbe Schülergeneration ist in ganz ähnlicher Weise zwischen den Rollregalen von der Faszination der Geschichte und den Schicksalen jüdischer Menschen, die oft nicht weit von ihren Elternhäusern entfernt gelebt haben, gefangen genommen worden. Den Anlass dafür gaben die Stolpersteine, die überall in der Soester Altstadt an individuelle jüdische Lebensläufe erinnern.
80 Jahre nach Kriegsende ist die Frucht dieser Zusammenarbeit kurz davor, „online“ zu gehen und die Schicksale hinter den relativ anonymen Messingsteinen mit Namen und Lebensdaten für jeden greifbar zu machen.
„Wir haben mit den Schülern regelmäßig an dem Putzprojekt für die Stolpersteine teilgenommen, was damals noch relativ inhaltsleer dem Unterricht gegenüberstand“, erinnert sich Schulleiter Jörg Fitzian. Die Lehrer Christian Linde und Konstantin Krummel hatten dann die Idee, sich an das Stadtarchiv zu wenden, um die Lebensläufe hinter den Daten und Fakten greifbar zu machen. Tobias Westhoff griff die Initiative begeistert für das Stadtarchiv auf: „Dafür sind wir schließlich da!“
In jeder Akte steckt ein Schicksal
Was sich zunächst noch sehr allgemein mit dem jüdischen Leben in Soest befassen sollte, bekam schnell eine feste Struktur und ein konkretes Ziel. Alle Schülerinnen und Schüler der 9. Klassen, die sich für das Thema interessierten, lernen zunächst mit Führungen und Besuchen das Stadtarchiv näher kennen.
Stopersteine digital
Die Schüler der Sekundarschule haben bereits so viele Steckbriefe erstellt, dass Tobias Westhoff vom Stadtarchiv zusammen mit Schulleitung und Lehrern an den nächsten Schritten des Projekts arbeitet. „Wir haben schon Gespräche mit der Tourist-Info aufgenommen über die Möglichkeit, die Ergebnisse in Kartenform in die Soest App zu integrieren“, so Westhoff. Dann könnte mit einem Klick an jedem Standort eines Stolpersteins der zugehörige Steckbrief aufgerufen werden. „Das Projekt ist fließend und wächst immer weiter“, betont auch Schulleiter Jörg Fitzian. So ist geplant, in Zukunft auch Fahrten nach Auschwitz in das Projekt zu integrieren.
Dann beschäftigen sie sich, unterstützt von einer Schritt-für-Schritt-Anleitung ihrer Lehrer, mit gezielt ausgewählten und vorbereiteten Akten. In jeder Akte steckt das Leben eines jüdischen Menschen, an den auf einem Stolperstein erinnert wird.
Ergebnis ist individueller Steckbrief
Das Ergebnis ist ein individueller Steckbrief zu jedem Lebenslauf. „Das fühlt sich schon komisch an, wenn man plötzlich ein Bild von dem Menschen mit seinen Freunden oder seiner Familie in der Hand hält und weiß, dass er ein paar Jahre später in einem Konzentrationslager ermordet wurde“, schildert Max dem Archivar von seinen Erlebnissen mit den Akten.
„Man denkt, so ein Archiv ist verstaubt und langweilig, aber die Arbeit mit den Akten ist richtig spannend“, ergänzt Mitschüler Leon Müllers.
Spannend in der Blick in die Akten für die Schüler. Dabei kommen die persönlichen Schicksale der Menschen hinter den Zahlen und Fakten zum Vorschein. Stadtarchivar Tobias Westhoff (2. von rechts) hilft ihnen dabei.
Spannend in der Blick in die Akten für die Schüler. Stadtarchivar Tobias Westhoff (2. von rechts) hilft den Schülern dabei. © Katja Burgemeister
Was sie in bebilderte Texte verwandeln, lässt sie nicht kalt. „Das ist schon erschütternd, was man da liest. Und man nimmt es mit nach Hause, erzählt es den Eltern und Freunden“, sagt Justus. Viele Freunde von anderen Schulen wissen gar nicht, dass es dieses Projekt gibt und was sie dort erarbeiten. „Sie fragen dann nach und wollen mehr darüber wissen.“
Auch die Lehrer lernen noch einiges dazu. „Man sieht hier schon bei der Durchsicht der Akten, dass die Nationalsozialisten sehr gründlich darin waren, Spuren zu beseitigen“, schildert Konstantin Krummel.
https://www.soester-anzeiger.de/
Realschüler befassen sich mit Krieg in Sonsbeck
Erzählungen vom Unvorstellbaren
Sonsbeck · 18 Jugendliche der Privaten Realschule haben sich anlässlich des 80. Jahrestages der Befreiung Sonsbecks aus der Nazi-Herrschaft mit den damaligen Ereignissen auseinandergesetzt. Dabei bekamen sie mitunter sehr persönliche Einblicke.
25.02.2025 , 17:24 Uhr 3 Minuten Lesezeit
Julien Schug (v.l.), Bastian Oldokat und Mina Alay zeigen Tafeln mit Bildern, die Sonsbeck vor und nach dem Zweiten Weltkrieg sowie nach dem Wiederaufbau zeigen.
Julien Schug (v.l.), Bastian Oldokat und Mina Alay zeigen Tafeln mit Bildern, die Sonsbeck vor und nach dem Zweiten Weltkrieg sowie nach dem Wiederaufbau zeigen.
Foto: Ostermann, Olaf (oo)
Beate Wyglenda
Die reine Zahl ist erschreckend genug: 85 Prozent des Sonsbecker Ortskerns wurden zerstört, als britische Bomber die Gemeinde im Frühjahr 1945 massiv unter Beschuss nahmen, ehe diese am 6. März aus der Nazi-Herrschaft befreit werden konnte. Eine unvorstellbare Dimension – gerade für Menschen, die das Glück haben, seit 80 Jahren in Frieden, Freiheit und Demokratie zu leben. Auch für Mina (14) und Bastian (16) waren die Schrecken des Krieges kaum begreifbar. Zusammen mit 16 weiteren Neuntklässlern der Privaten Realschule Sonsbeck haben sie sich daher mit Unterstützung des Vereins Denkmal an Sonsbeck mit den Schicksalen und Menschen hinter der abstrakten Zahl auseinandergesetzt. Die Ergebnisse werden am Donnerstag, 6. März, bei der Gedenkveranstaltung im Kastell anlässlich des Jahrestages der Befreiung Sonsbecks präsentiert.
Insbesondere für Mina war das mehrwöchige Projekt emotional. Die 14-Jährige hat sich mit den Tagebucheinträgen der Landwirtin Maria Cleven befasst und der Zeitzeugin für die neue Filmproduktion des Vereins Denkmal an Sonsbeck in Zusammenarbeit mit der VTS Medienproduktion ihre Stimme geliehen. In der Ich-Perspektive liest das Mädchen aus dem Tagebuch vom Leben auf dem Coenenhof, dem Umgang mit den Tieren während der Kriegswirren, von Flucht und Angst. „Die Erzählungen waren zum Teil schockierend“, sagt Mina. „Besonders die Erzählung, wie Maria Cleven ihr Haus verlassen und zusammen mit fremden Menschen auf einem anderen Hof Schutz suchen musste, haben mich sehr berührt.“ Aufregend sei zudem die erstmalige Erfahrung im Tonstudio gewesen.
Info
Neuer Film wird am 6. März gezeigt
Gedenkveranstaltung Der Verein Denkmal an Sonsbeck richtet eine Gedenkveranstaltung unter dem Titel „80 Jahre Freiheit“ am Donnerstag, 6. März, um 19 Uhr im Kastell aus. Dabei werden unter anderem auch die Realschüler ihre Projektergebnisse vorstellen und es wird der neue Film „Aus dem Tagebuch der Maria Cleven“ gezeigt.
Auch andere Zeitzeugenberichte standen den Realschülern zur Verfügung, beispielsweise von dem Regime-kritischen Pfarrer Wilhelm Bültjes, der durch die Umwandlung des Katholischen Jugendheims in ein Kino eine Enteignung als Hitlerjugend-Heim verhindern konnte. Ebenfalls Kindheitserinnerungen des späteren Sonsbecker Gemeindedirektors Herbert Veltkamp ließen die Jugendlichen die Ereignisse besser verstehen. In seinen Berichten erzählt Veltkamp unter anderem von der Blinddarm-Operation seines Bruders im Licht eines Notstromaggregats, von „gefährlichen Spielplätzen“ in Schützengräben, von der Entscheidungsschlacht am Niederrhein, als sich die Familie in einem Keller in Uedem verschanzte, der nach einem Granateneinschlag jedoch teilweise einstürzte.
„Wir haben sehr viel darüber gelernt, was damals alles passiert ist“, sagt der 16-jährige Bastian, der sich durch das Projekt auch nochmals intensiver mit der eigenen Familiengeschichte auseinandergesetzt hat. Der Realschüler erfuhr, dass eine Bombe auch das Haus seines Opas in Weeze getroffen hatte. „Die ist in der Toilette gelandet, zum Glück aber nicht explodiert“, erzählt er. David (14) steuerte dem Projekt einen Original-Wehrpass seines Ururgroßvaters bei, der in Russland in Kriegsgefangenschaft war.
Drei Jahre Ukraine-Krieg: Gedenken im Niedersächsischen Landtag
Für Realschulleiterin Sonja Laarmanns und Geschichtslehrer Bernd Druyen, der das Schulprojekt betreute, war die Zusammenarbeit mit dem Denkmalverein ein „Riesen-Gewinn“, wie sie sagten. „Diese Herangehensweise erzeugte eine Betroffenheit, die das Thema Krieg und Zerstörung, etwas, das scheinbar ganz weit weg ist, mitten ins Bewusstsein der Jugendlichen rückt“, erklärte Laarmanns. Bastian hat ein klares Fazit für sich gezogen: „So etwas darf sich nie wiederholen.“
(beaw wer)
https://rp-online.de/
Polizei ermittelt in Potsdam: Naziparolen und falsche Hakenkreuze auf Schulfassade geschmiert
Betroffen von Hassbotschaften sind unter anderem die Beruflichen Schulen auf Hermannswerder. Täter malten Hakenkreuze wiederholt falsch.
Von Klaus D. Grote
25.02.2025, 18:08 Uhr
An die Fassaden der Beruflichen Schulen Hermannswerder wurden in den vergangenen Wochen wiederholt Naziparolen und Hakenkreuze geschmiert. Das meldete die Schule unter anderem auf Instagram. Erstmals wurden solche Schmierereien nach dem Wochenende vom 15. und 16. Februar entdeckt. Die Polizei sei informiert worden, teilte die Schule mit.
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Die Polizeidirektion West bestätigte den Vorfall. An dem genannten Wochenende habe es ähnliche Schmierereien auch an einem Schulgebäude in Bornstedt sowie an einem Veranstaltungsgebäude in der Berliner Vorstadt gegeben. In allen drei Fällen werde ein möglicher politisch motivierter Hintergrund geprüft, teilte die Polizei mit. Es seien Strafanzeigen wegen Sachbeschädigung aufgenommen worden.
Strafanzeigen aufgenommen: rechte Schmierereien an den Beruflichen Schulen Hermannswerder. © privat
Die Polizei habe die zum Teil verfassungswidrigen Schmierereien, darunter ein Hakenkreuz, übermalt, bevor die Schüler sie endgültig beseitigten, hieß es aus der Schule. Am vergangenen Sonntag sei es erneut zu Schmierereien gekommen. Die Polizei nennt 15 verfassungsfeindliche Symbole, die einen politischen Hintergrund vermuten ließen. Es sei ein Sachschaden im vierstelligen Bereich entstanden.
Beruflichen Schulen Hermannswerder: laut Polizei mit 15 verfasssungsfeindlichen Symbolen beschmiert. © privat
Die Berufsschule geht davon aus, dass es sich in beiden Fällen um den oder dieselben Täter handelt, da jeweils das Hakenkreuz falsch gemalt worden sei.
Es seien unter anderem die Wörter „Remigration“, „Hitler“, „Jude“, SS-Runen, Zahlencodes mit eindeutig rechtsextremem Hintergrund und Hassbotschaften wie „Eure Vielfalt kotzt an“ auf die Eingangtür und Außenwände geschmiert worden. Die Schule habe sich immer wieder klar für Vielfalt, Demokratie, gegen Rassismus, aber nie gegen eine einzelne Partei positioniert, teilt eine Lehrkraft mit.
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Erfurter Schüler besuchen Auschwitz – was sie dort erleben
23.02.2025, 07:30 Uhr • Lesezeit: 4 Minuten
Ein Kommentar von Maja Kähler, Laila-Sophie Fazio und Maximilian Funke*
Erfurter Schüler fahren nach Auschwitz
Bei Führungen durch die ehemaligen Lager Auschwitz und Birkenau gewannen die Schüler einen tiefen Einblick in die Verbrechen der Nationalsozialisten.
© Gemeinschaftsschule 7 | Danny Meyer
Erfurt. Für die Gemeinschaftsschule in Kerspleben war die Reise eine Premiere. Es soll nicht die letzte gewesen sein. Ein Gastbeitrag
Was hat das mit mir zu tun? Diese Frage stellten sich die Schüler der Gemeinschaftsschule 7 in Erfurt-Kerspleben in Hinblick auf den Holocaust. Ende Januar unternahmen Jugendliche aus den Klassenstufen neun und zehn eine Gedenkstättenfahrt nach Oświęcim. Ziel dieser Reise war es, nach nunmehr 80 Jahren der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz mehr über die Verbrechen des Nationalsozialismus zu erfahren und ein tiefergehendes Verständnis für die Geschichte und der damit einhergehenden Verantwortung für die Gegenwart zu entwickeln.
Während des fünftägigen Aufenthaltes galt es, den Ort zu erkunden und neues Wissen über den Zweiten Weltkrieg zu erlangen. Gemeinsam mit zwei Lehrkräften und zwei Elternteilen besuchten 15 Schüler diesen geschichtlich geprägten Ort in Polen.
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Zerstörte Baracken und Gaskammern, zerbombte Flächen
Die Ankunft erfolgte am ersten Tag am späten Nachmittag. Die Unterkunft lag nur wenige Minuten vom Stammlager der Gedenkstätte Auschwitz entfernt. Am zweiten Tag stand am Vormittag ein Besuch im Museum an, das an die Bevölkerung der Stadt Oświęcim erinnert. Eigenständig erarbeiteten sich die Teilnehmer mit kleinen Tablets Wissen aus einer Vielzahl an thematischen Bereichen.
Erfurter Schüler fahren nach Auschwitz
Auf bedrückende Art lebendig werden die Verbrechen der NS-Zeit in der Gedenkstätte.
© Gemeinschaftsschule 7 | Danny Meyer
In einer dreistündigen Führung besichtigte die Gruppe am Nachmittag das Stammlager Auschwitz. Am nächsten Tag führte derselbe Mitarbeiter alle Teilnehmer über das riesige Gelände des ehemaligen Vernichtungslagers Birkenau. Man sah neben zerstörten Baracken und Gaskammern freigeräumte und zerbombte Flächen sowie die berüchtigte Rampe an den Bahngleisen, an der die ankommenden Häftlinge ausgeladen und selektiert worden sind.
In Gesprächsrunden über das Erlebte ausgetauscht
Die Schüler zeigten sich tief betroffen von den Eindrücken und es entstand ein unbehagliches Gefühl durch den Anblick beider Gedenkstätten. In täglichen Gesprächsrunden, die den Austausch über das Erlebte und Gesehene ermöglichten, spiegelte sich die emotionale Verarbeitung der Erlebnisse wider. Auch der Film „Der letzte Zug“, den sich die Gruppe am ersten Abend gemeinsam ansah, verlieh den Besichtigungen eine besondere Tiefe.
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Mehrere Workshops zu Themen wie „Medizin im KZ“, „Flucht und Fluchtversuche aus dem KZ“ und „Täter in Auschwitz“ ermöglichten ebenso eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Schicksalen der Opfer und den Strukturen innerhalb der Lager. Am vierten Tag besuchte die Gruppe die Stadt Krakau. Eine Stadtführerin zeigte das jüdische Viertel und anschließend die sehenswerte Altstadt. Die zusätzliche Freizeit wurde dazu genutzt, um die Stadt eigenständig zu erkunden und landestypische Speisen zu probieren. Nach diesen aufregenden vier Tagen ging es zurück nach Erfurt.
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Ruth und Hanne-Lore Cars (von links) mit ihrer Mutter Elsa. Die Mädchen wurden gemeinsam mit ihrem Vater und 15 weiteren Erfurtern am 31. Januar 1945 nach Theresienstadt deportiert.
Holocaust-Gedenken
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Diese Gedenkstättenfahrt wurde mit der Unterstützung der Bethe-Stiftung und des Thüringer Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur ermöglicht. Fortan soll die Gedenkstättenfahrt nach Oświęcim Teil des Konzeptes der Gemeinschaftsschule 7 werden, um den Schülern die Möglichkeit zu bieten, sich intensiv mit dem menschenverachtenden Charakter der NS-Diktatur auseinanderzusetzen.
Auch wenn die Schrecken der Konzentrationslager schon seit Jahrzehnten Vergangenheit sind, kann eine solche Fahrt dennoch dafür sensibilisieren, dass Freiheit und Toleranz – trotz des Wissens um den Holocaust – nicht selbstverständlich sind. Diese Erkenntnis ist gleichzeitig eine Antwort auf die Frage: Was hat das mit mir zu tun?
* Die Autorinnen und der Autor sind Schüler der Klasse 10b der Gemeinschaftsschule 7
https://www.thueringer-allgemeine.de/
Vor allem »Propagandastraftaten«
Zahl der rechtsextremen Straftaten an Schulen in Sachsen-Anhalt mehr als verdoppelt
In Sachsen-Anhalt gibt es immer mehr rechtsextreme Vorfälle an Schulen. 2024 registrierte die Polizei 176 rechtsmotivierte Straftaten. Besonders häufig geht es um verfassungswidrige Symbole.
14.02.2025, 15.18 Uhr
Durchgestrichenes Hakenkreuz (Symbolfoto) Foto: Patrick Pleul / picture alliance / dpa
- Die Zahl rechtsextremer Vorfälle ist an den Schulen in Sachsen-Anhalt deutlich gestiegen. 2024 hat die Polizei 176 rechtsmotivierte Straftaten registriert, im Jahr zuvor waren es noch 74. Die Zahlen stammen aus der gemeinsamen Antwort des Innen- sowie des Bildungsministeriums auf eine Kleine Anfrage der Linkenfraktion im Landtag, die dem SPIEGEL vorliegt. Zuvor hatte der MDR berichtet.
Beim größten Teil der erfassten Straftaten handelt es sich demnach um »Propagandastraftaten«, also das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen. Aufgeführt werden aber auch 13 Volksverhetzungen sowie jeweils drei Sachbeschädigungen und Körperverletzungen.
Schulen im Fokus der rechtsextremistischen Szene
Der Anstieg folge einem bundesweiten Trend, so die zuständigen Ministerien. Bildungseinrichtungen seien in den Fokus der rechtsextremistischen Szene geraten. Öffentlichkeitswirksame Vorfälle und Straftaten, an denen Personen mit Migrationshintergrund beteiligt seien, würden intensiv in sozialen Medien thematisiert und geteilt. »Über diese virtuellen Kanäle und unter Verwendung von szenetypischen Zeichen und Symbolen versuchen Rechtsextremisten, auch bei jüngeren Personen anschlussfähig zu werden«, heißt es in der Antwort auf die Kleine Anfrage.
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Der Linken-Landtagsabgeordnete Stefan Gebhardt, der die Kleine Anfrage gestellt hatte, sieht die Landesregierung angesichts der Zahlen zum Handeln gezwungen. Schulen sollten ein Raum des Lernens, der Verständigung, der Diskussion und der Bildung sein. »All dies steht auf der Kippe, wenn ein Klima der Angst Einzug hält, egal ob durch menschenverachtende Worte, Taten oder Symbole«, sagte Gebhardt. Als mögliche Maßnahmen schlägt er mehr politische Bildung, mehr Schulsozialarbeit, mehr Debattenräume, mehr Demokratie und schlicht mehr Miteinander an Schulen vor.
https://www.spiegel.de/
80 Jahre Befreiung von Auschwitz
Schüler gedenken Opfern des Nationalsozialismus
14.02.2025
Geldern. Rund um den 80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz fanden am Friedrich-Spee-Gymnasium eine Reihe von Aktionen statt.
Bei einem Spaziergang durch die Stadt entdeckten die Schüler Orte, die an das jüdische Leben erinnern. ⇥
© FSG
Anlässlich des 80. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz hat das Friedrich-Spee-Gymnasium in Geldern eine Reihe von Aktionen durchgeführt, um die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus wachzuhalten und die Schüler für Themen wie Toleranz und Freundschaft zu sensibilisieren.
Seit Beginn des Jahres haben die Jahrgangsstufen 6 bis 10 altersgerechte Exkurse zum Nationalsozialismus unternommen. Die sechsten Klassen haben beispielsweise Informationen gesammelt und sahen einen Kurzfilm, der die Schwierigkeiten von Freundschaften im Nationalsozialismus beleuchtet. Im Anschluss daran diskutierten sie, wie die Menschen besser zusammenleben können und was eine gute Freundschaft ausmacht. Zum Abschluss wurden die Schüler kreativ. Es wurde gebastelt, genäht und mit Legosteinen gebaut – alles mit dem Ziel, die Werte von Freundschaft und Zusammenhalt zu fördern. Seit dem 27. Januar werden die Objekte in der Pausenhalle präsentiert.
Die neunten Klassen bereiteten für die siebten Klassen einen Spaziergang durch die Stadt vor, der zu Orten führte, die an das jüdische Leben erinnern. Die zehnten Klassen setzten sich unter anderem mit den Widerstandsgruppen und dem jüdischen Leben vor dem Nationalsozialismus auseinander. Ihre Ergebnisse waren ebenfalls in der Pausenhalle zu sehen.
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Eine besondere Aktion für die Eltern war die Präsentation eines Gesprächs mit Eva Weyl, einer Überlebenden des Durchganglagers Westerbork in den Niederlanden. Sie ermunterte die Schüler zu einem friedvollen Miteinander. Die Eltern konnten sich einen Mitschnitt des Gespräches anschauen.
Das Friedrich-Spee-Gymnasium wollte mit den Aktionen ein starkes Zeichen gegen das Vergessen setzen und eine Kultur des Gedenkens fördern. Mit Erfolg. Die Schüler äußerten bereits den Wunsch, ähnliche Projekte im nächsten Jahr wiederholen zu wollen.
https://rp-online.de/
Jenseits der Hoffnung
Stand:03.02.2025, 12:14 Uhr
Von: Nina Baucke, Mareike Bannasch
Schriftzug über einem Tor am Eingang zum Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau.
„Arbeit macht frei“: Kaum ein Ausdruck fasst die Grausamkeit der Nationalsozialisten besser zusammen als der Schriftzug über einem Tor am Eingang zum Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau. © Steööa Von Saldern
Die keisverdener Jugendlichen Marian Bakalov und Melanie Yüksel beschäftigen sich bei der Jugendbegegnung in Auschwitz mit dem erschütternden Thema der Judenvernichtung.
Die nationalsozialistische Diktatur, der Holocaust und die damit verbundene Ermordung von sechs Millionen Juden: Irgendwann taucht dieser Themenkomplex auf dem Stundenplan eines jeden Schülers in Deutschland auf. Danach Klassenarbeit – und das war es dann? „Sachliche Informationen sind wichtig, aber so lange wir das nicht wirklich an uns heranlassen, werden wir es auch nicht verstehen und auch nicht die nötige Empathie haben“, sagt Melanie Yüksel. Die 18-jährige Schülerin am Cato-Bontjes-van-Beek-Gymnasium in Achim hat über Ulrike Huhn vom Lernort Demokratie in Verden einen Platz bei der Internationalen Jugendbegegnung ergattert.
Ebenso wie Marian Bakalov, der den Geschichts-LK des Domgymnasiums in Verden besucht: „Ich wurde am 3. Oktober geboren und habe ich mich immer gefragt, warum ich an meinem Geburtstag freihabe. Von diesem Datum aus hat sich mein Interesse für Geschichte entwickelt.“
Auf Einladung des Deutschen Bundestages machten er und Yüksel sowie rund 90 Jugendliche, unter anderem aus Österreich, Deutschland, Polen und Ungarn sich auf den Weg nach Polen, genauer gesagt nach Oswiecim. Jenem Ort, den die Nationalsozialisten einst eingenommen hatten, es in Auschwitz umbenannten und dort das Konzertrations- und Vernichtungslager bauten.
Dort wurden Gefangene aus ganz Europa, 90 Prozent davon Juden, interniert – zwischen 1,1 oder 1,5 Millionen fanden während der Arbeitseinsätze, durch Krankheiten und Hunger oder direkt nach Ankunft in den Gaskammern den Tod. Bis heute steht Auschwitz-Birkenau damit wie kaum ein anderer Ort für den Vernichtungswillen der Nationalsozialisten.
Drei Jugendliche
Melanie Yüksel (v.l.), Ulrike Huhn und Marian Bakalov in der Internationalen Jugendbegegnungsstätte in Oswiecim (Auschwitz). © Stella Won Saldern
Dies wusste natürlich Bakalov vorher, dennoch bekam er durch den Besuch in Polen ein völlig neues Verständnis für die Dimensionen des Massenmordes. „Was man dort fühlt, kann man mit Worten gar nicht beschreiben“, erinnert sich der Gymnasiast. „Wenn man die Schuhberge oder die Haar-Haufen sind, dann wirkt das viel mehr nach als die reinen Zahlen.“ Yüksel nimmt der Besuch sichtbar mit: „Ich konnte die Vorstellung in meinem Kopf von den Menschen und dem, was ihnen dort passiert ist, nicht stoppen. Was wir in der Schule darüber gelernt haben, vermittelt nicht einmal annähernd, wie es dort wirklich ist – und auch das, was dieser Ort und die Auseinandersetzung mit einem macht.“ Als sie während des Rundgangs auf dem Gelände anfing, zu frieren, wurde ihr das besonders bewusst: „Ich stand da in dicker Winterjacke, während die Menschen früher hier nur die dünnen Anzüge oder auch mal gar nichts anhatten.“
Was man dort fühlt, kann man mit Worten gar nicht beschreiben.
Marian Bakalov
Insgesamt sechs Stunden waren die jungen Erwachsenen auf dem Gelände des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau unterwegs, bekamen zwei Führungen à jeweils drei Stunden. Doch nicht nur das: die Besucher hatten auch die Gelegenheit, mit einer Zeitzeugin zu sprechen. Die Polin wurde im Konzentrationslager geboren, bekam bereits als Säugling die Nummer tätowiert und unbekannte Flüssigkeiten gespritzt. Wenngleich die Frau vor allem aus den Erinnerungen ihrer Mutter schöpfen konnte, ist das Bakalov das Gespräch dennoch eindrücklich im Gedächtnis geblieben. „Dadurch, dass wir ihr Fragen stellen konnten, habe ich einen viel engeren Bezug zu dem Leiden der Menschen bekommen.“
Ein anstrengender, aber auch sehr intensiver Besuch, für den Bakalov insbesondere dem Bundestag sehr dankbar ist. „An so einer Veranstaltung teilnehmen zu können, ist ein Privileg. Ich habe dort Leute getroffen, die die gleichen Interessen haben, und wir haben uns alle sehr verbunden miteinander gefühlt“, erzählt der 18-Jährige. Auch für Yüksel war der Austausch mit anderen entscheidend: „Ich konnte die Eindrücke so viel besser verarbeiten.“ Mit den Erfahrungen aus den sieben Tagen der Begegnung im Rücken weiß sie: „Ich will einen positiven Einfluss auf die Welt haben.“ Für sie ist klar: „Wir können nie sagen: ,Es ist jetzt auch mal gut!‘“
Melanie Yüksel
Nicht nur Polen stand auf dem Programm der Reisegruppe, sondern auch der Besuch der zentralen Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus im Deutschen Bundestag. Eine ganz besondere Erfahrung für den Gymnasiasten Bakalov. „Es war schon sehr besonders, all die Politiker hautnah zu sehen. Man kennt sie ja sonst nur aus dem Fernsehen.“ Zu der Gedenkfeier waren ebenfalls Überlebende des Nazi-Terrors geladen, unter anderem Roman Schwarzmann aus Odessa. Er konnte den Jugendlichen hautnah von den Verbrechen der Nationalsozialisten erzählen.
Ein alter Mann spricht in ein Mikrofon
Roman Schwarzmann spricht in Berlin mit den Jugendlichen. © Stella Won Saldern
„Das hat mir viel mehr mitgegeben, als die Gedenkstunde im Bundestag“, erinnert sich Yüksel an das Gespräch mit dem Überlebenden. „Das war eine Erfahrung, die mich richtig berührt hat.“
Auch Bakalov beschäftigt dieser Termin noch immer, auch wegen des Votums am Mittwochnachmittag. Darauf angesprochen, wie es ihm damit geht, dass CDU und FDP gemeinsam mit der AfD einen Entschließungsantrag zur Migrationspolitik nur Stunden später durch den Bundestag gebracht haben, findet er deutliche Worte. „Ich bin sehr enttäuscht gewesen. Es kommt mir vor, als hätten die Leute gar nicht zugehört, als die Zeitzeugen gesprochen haben.“ Doch nicht nur das: „Es hat mich auch hoffnungslos für die Zukunft gemacht.“
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Schüler machen Stolpersteine wieder sichtbar
Nachrodt-Wiblingwerde
Von Lydia Machelett, 30.01.2025
Die Schüler der 6c der Lenneschule reinigten in Altena Stolpersteine. - Foto: Lenneschule
Ein komisches Gefühl ist es schon für die Schüler. Während sie die kleine goldene Metallplatte vor dem Haus in der Altenaer Innenstadt putzen, wird ihnen bewusst, dass hier eine Familie gelebt hat, die Opfer des Nationalsozialismus wurde. Sie wurden getötet. Den Schülern der 6c der Lenneschule verstehen, warum es so wichtig ist, die Erinnerungen wachzuhalten und setzten jetzt aktiv ein Zeichen.
Mit Schwamm und Eimer ziehen die Nachrodter Schüler durch die Altenaer Innenstadt. Im Rahmen des Holocaust-Gedenktages entschieden sich die Kinder der Klasse 6c der Lenneschule gemeinsam mit ihrer Klassenlehrerin Thenia Molochidis, Stolpersteine in Altena zu reinigen. „Zur Vorbereitung schaute sich die Klasse die Sendung mit der Maus über den Stolperstein von Felix Nussbaum an. Danach lud die Klasse die Stolpersteine NRW-App herunter, wählte die Route in Altena aus und sah sich eine Reinigungsanleitung in der App an“, berichtet Schulleiterin Gudrun Reinecke-Bartelt. Gesagt, getan: Es ging nach Altena, um die Route zu suchen und mit der Arbeit zu beginnen.
Stolpersteine sind kleine goldglänzende Steine. Die Idee dazu hatte 1992 der Künstler Gunter Demnig. Die Aktion wuchs und wuchs. Inzwischen sorgt ein dreizehnköpfiges Team rund um den Künstler dafür, dass jedes Schicksal gut recherchiert und jeder Stein würdig platziert wird. Um den Menschen eine Ehre zu erweisen, wird jeder Stolperstein von Hand gefertigt. „Wir wollen gegen die Massenvernichtung durch die Nationalsozialisten argumentieren, indem wir den gepeinigten Menschen ihren Namen, ihr Gesicht und einen Platz in der Mitte der Gesellschaft wieder zurückgeben“, erklärte der Künstler zu Beginn der Aktion in den 90er-Jahren.
Fotogalerie:
Fotos: Lenneschule Nachrodt-Wiblingwerde
„Mehrere Menschen, die in der Fußgängerzone unterwegs waren, hielten an und lobten die Schüler*innen für ihren Einsatz. Eine Dame spendete sogar Geld für die Klassenkasse. Ein anderer Herr sagte den Schüler*innen, dass er nun dank ihnen wisse, dass es in Altena Stolpersteine gebe, und bedankte sich dafür, dass sie diese wieder sichtbar gemacht haben“, berichtet die Klassenlehrerin. Die Schüler haben aus der Aktion gelernt: „Ich habe gelernt, dass die Stolpersteine eine Bedeutung haben und die Namen der Menschen, die in den Häusern lebten und deportiert wurden, darauf stehen, damit wir sie nicht vergessen“, erzählt beispielsweise Malika. Luca findet die Aktion richtig cool und freut sich schon darauf, die Stolpersteine der nächsten Stationen wieder sichtbar zu machen.
https://lokaldirekt.de/
Zentralrat der Juden: Lehrer im Umgang mit Antisemitismus schulen
DTS Nachrichtenagentur
25. Januar 2025
Der Zentralrat der Juden in Deutschland spricht sich dafür aus, bundesweit Lehrer im Umgang mit Antisemitismus auszubilden.
Zentralrat Der Juden: Lehrer Im Umgang Mit Antisemitismus Schulen
Gang in einer Schule (Archiv), via dts Nachrichtenagentur
Zentralratspräsident Josef Schuster sagte dem „Tagesspiegel“ (Samstagsausgabe) mit Blick auf Menschen, die mit der Shoah nichts zu tun haben wollen: „Ich glaube, wenn eine solche Einstellung erst mal verfestigt ist, dann wird es schwer. Deswegen halte ich unverändert die frühe Bildung für das wirksamste Mittel.“ Er hoffe, so Schuster, „dass es grundsätzlich nicht zu einer so großen Geschichtsvergessenheit in Deutschland kommt, dass dies einer rechtspopulistischen, rechtsextremen Partei weiteren Zulauf ermöglicht“.
Aber man dürfe und könne hier auch nicht verallgemeinern, ergänzte der Zentralratspräsident. „Es gibt nicht den einen AfD-Anhänger. Es gibt einen Teil der Anhängerschaft der AfD, den man sicherlich nicht erreichen kann. Ich sehe immer noch einige, bei denen auch Unzufriedenheit mit politischen Gegebenheiten eine Rolle spielt.“ Schuster fügte hinzu, nachdem der Umgang mit Antisemitismus in Bayern in die Lehramtsausbildung aufgenommen wurde, zeigten nun auch andere Bundesländer Interesse. „Ich halte ein solches Modul in der Lehrerausbildung für essenziell“, sagte Schuster, „nicht nur für Grund- und Hauptschulen. Häufig ist ein Biologie- oder Chemielehrer hervorragend auf sein Fach vorbereitet, aber weiß nicht, wie er auf antisemitische Vorfälle reagieren soll, etwa wenn das Wort `Jude` auf dem Pausenhof als Schimpfwort benutzt wird.“ Schuster erklärte: „Ich hoffe, dass dieser Zusatzstudiengang weiter verbreitet wird.“
https://presse-augsburg.de/
80 Jahre nach Auschwitz: Wie erlebt eine Schulgruppe den Besuch?
Stand: 24.01.2025, 17:25 Uhr
Von: Florian Weber
1,8 Millionen Menschen haben im vergangenen Jahr die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau besucht – fast viermal so viele wie noch vor 30 Jahren. © IMAGO/ZUMA Press Wire
Die Lehren aus Auschwitz sind wichtiger denn je. Wie gehen junge Leute damit um? Unser Reporter hat Schülerinnen und Schüler begleitet. Von Florian Weber.
Am Abend, als die Gruppe im Gemeinschaftsraum im dritten Stock ihrer Unterkunft in Oswiecim in einem Stuhlkreis zusammensitzt, ist es still. So still wie eigentlich nie, wenn zwanzig Schüler und Schülerinnen zusammensitzen. Niemand unterbricht. Alle hören bis zum Schluss zu, bis nach mehr als einer Stunde alle gesagt haben, was sie sagen wollten. Zum Tag, zum Erlebten.
„Ich bin froh, dass ich da heute nicht alleine durchmusste, sondern Menschen bei mir hatte, denen ich vertraue“, sagt eine Schülerin.
„Für mich haben Wörter wie Grausamkeit heute noch mal ein ganz anderes Ausmaß bekommen. Ich hab das erste Mal gespürt, was solche Wörter bedeuten können“, sagt eine andere.
„Ich hab mich ein bisschen wie ein Eindringling gefühlt. Es hat sich angefühlt wie Sightseeing, als wäre man in einer Burg oder so. Das war irgendwie ein komisches Gefühl“, sagt eine dritte. Die Schüler und Schülerinnen sind 16 bis 18 Jahre alt und gehen auf das Humboldt-Gymnasium in Bad Homburg (Hessen). Wer genau in der abendlichen Runde was sagt, soll nicht in der Zeitung stehen. Die Runde soll ein vertraulicher Ort sein. Deswegen nur die Aussagen, keine Namen.
KZ Auschwitz
In Oswiecim (deutsch: Auschwitz) befand sich das größte nationalsozialistische Konzentrations- und Vernichtungslager. Mindestens 1,3 Millionen Menschen wurden nach Auschwitz deportiert. Von ihnen wurden rund 900 000 sofort nach ihrer Ankunft erschossen oder in den Gaskammern ermordet. Etwa 200 000 weitere Häftlinge starben an Hunger und Krankheiten oder wurden nach kurzer Zeit in die Gaskammern geschickt.
Im Mai 1940 wurde das Konzentrationslager (KZ) in einem Vorort der Stadt Auschwitz in Ostoberschlesien im von den Deutschen besetzten Polen errichtet, zunächst für politische Gefangene aus Polen. Nachdem die NS-Führung im Jahr 1941 die Ermordung der europäischen Jüdinnen und Juden beschlossen hatte, wurde Auschwitz zum zentralen Ort für den Massenmord bestimmt.
Gaskammern wurden im Lager Brzezinka (Birkenau) errichtet, drei Kilometer vom Stammlager Auschwitz entfernt. In mehreren Außenlagern mussten die Zwangsarbeiter von Unternehmen hausen.
Am 27. Januar 1945 wurden die Überlebenden im KZ Auschwitz durch Truppen der sowjetischen Roten Armee befreit. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich nach Angaben der Claims Conference noch etwa 7000 kranke und erschöpfte Häftlinge im Stammlager und seinen Nebenlagern. Vorher hatte die nationalsozialistische SS („Schutzstaffel“), die die Konzentrationslager betrieb, Zehntausende Häftlinge auf „Todesmärsche“ geschickt.
Im Jahr 1963 begann der erste Auschwitz-Prozess in Frankfurt gegen 21 SS-Männer und einen Funktionshäftling, die zum Personal des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz gehört hatten. Der Prozess war wesentlich vom hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer in Gang gesetzt worden.
Die Frankfurter Rundschau hatte einen Anteil daran, dass der Prozess möglich wurde. FR-Korrespondent Thomas Gnielka erhielt von einem Überlebenden Erschießungslisten aus Auschwitz mit den Namen und Daten der Mörder. Gnielka reichte die Dokumente an Bauer weiter.
Seit 1996 ist der 27. Januar der offizielle Tag des Gedenkens für die Opfer des Nationalsozialismus. Der damalige Bundespräsident Roman Herzog hatte ihn proklamiert und gemahnt: „Die Erinnerung darf nicht enden; sie muss auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen.“ pit
Es ist Dienstag, seit zwei Tagen hängt der Nebel tief über Oswiecim, wo heute nur noch eine einzige Jüdin wohnt. Die Gruppe muss früh los. Die Tour durch die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau soll um 9 Uhr beginnen. Der Fußweg von der Unterkunft dauert 17 Minuten und führt an einer zugigen Straße entlang. An einigen Stellen sind die Bürgersteige vereist. Wiesen sind mit Schnee bedeckt. Rechts plätschert die Sola, einer von zwei Flüssen der Stadt. Links versperrt eine Mauer mit Stacheldraht den Blick aufs ehemalige Lager. Es ist eine beklemmende Mischung aus Natur-Idylle und grauer Bedrückung. Dann endet die Mauer.
Die Gruppe geht weiter, Wohnhäuser tauchen auf der linken Straßenseite auf. Im Garten des ersten Hauses, bei dem manche Grashalme die Mauer des Lagers berühren, sägt ein Mann mit Zigarette im Mundwinkel Bretter. Hier ist kein Schild angebracht und auch sonst kein Hinweis, aber diese Kleinstadtvilla mit der Hausnummer 88 ist das Haus, in dem von Mai 1940 bis Dezember 1943 Lagerkommandant Rudolf Höß mit seiner Frau und den fünf Kindern gewohnt hat. Er war einer der Köpfe des Massenmords. Seine Kinder beschrieben ihn auch nach dem Krieg noch als liebenden Familienvater. Von den Schülern und Schülerinnen nimmt das Haus kaum jemand wahr.
Weg von der zugigen Straße, vorbei an einer Reklame für das örtliche Fast-Food-Restaurant, biegt die Gruppe auf einen Parkplatz ab. Madeleine Rohe, 28, und Philipp Kütemeier, 31, rufen die Gruppe vor dem Eingang zur Gedenkstätte zusammen. Die Lehrerin und der Lehrer begleiten die Gruppe.
Frau Rohe war vor fünf Jahren schon mal hier. Herr Kütemeier vor 14 Jahren. Die Besuche, sagen sie, seien für sie so prägend gewesen, dass sie ihren Schülern und Schülerinnen ebenfalls die Chance geben wollten, hierherzukommen.
Also haben die beiden eine AG gegründet, Förderungen eingesammelt („und festgestellt, dass es kaum Förderungen gibt“) und an einigen Freitagen von 13:40 bis 18 Uhr Themen rund um den Holocaust mit der Gruppe behandelt. Zeitzeugenberichte, Dokumentationsfilme, Todeszahlen. „Wir haben monatelang auf diesen Tag hingearbeitet“, sagt Herr Kütemeier.
Jugendliche in Auschwitz: „Die Stimmung ist komisch“
Der Platz vor der Gedenkstätte ist ein geschäftiger Ort. 2024 haben mehr als 1,8 Millionen Menschen die Gedenkstätte besucht, fast viermal so viel wie noch vor 30 Jahren. Es wurde angebaut. Hier ein großes Restaurant, da moderne Toilettenhäuschen, vor denen sich eine lange Schlange bildet. Daneben ein Mann, der sich einen Schokoriegel aus einem Snackautomaten zieht. Überhaupt stehen hier überall Snackautomaten. Dazu ein stabiler Lärmpegel, in der Gruppe geht es aber recht still zu.
„Die Stimmung ist komisch. Gestern waren alle gut gelaunt, fröhlich und laut. Heute ist das nicht mehr so“, sagt Aaron. Andere unterhalten sich über die Anreise mit dem Nachtzug von Frankfurt aus. 16 Stunden, das Licht im Zug sei über Nacht an geblieben. Erholsamen Schlaf habe kaum jemand gefunden.
Eine mittelalte Frau stellt sich vor: „Ich heiße Lucyna Filip.“ Sie ist eine von mehr als 340 Guides, die Touren durch die Gedenkstätte anbieten. Auf Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch und Polnisch. Lucyna spricht heute Deutsch, obwohl es nicht ihre Muttersprache ist.
„Ich bin dankbar dafür, dass ich nicht begreifen kann, was die Opfer damals durchgemacht haben“, sagt eine der Schülerinnen aus der Gruppe.
„Ich bin dankbar dafür, dass ich nicht begreifen kann, was die Opfer damals durchgemacht haben“, sagt eine der Schülerinnen aus der Gruppe. © Florian Weber
Die Gruppe folgt Lucyna und muss durch eine Sicherheitskontrolle wie am Flughafen. Handys und Kameras müssen in abgegriffene blaue Wannen, die Schüler und Schülerinnen durch einen Körperscanner. Nichts piept. Alle dürfen weiter. Treppe runter. Die Gruppe sammelt sich wieder. Alle bekommen einen dünnen Kopfhörer, damit auf dem Gelände nicht geschrien werden muss. „Alle auf Kanal 21 schalten“, ertönt Lucynas Stimme aus den Kopfhörern derer, bei denen Kanal 21 schon voreingestellt war. Ein schweres Metalltor öffnet sich. Vom warmen Infocenter geht es hinaus in den kalten südpolnischen Winter. Es sind minus drei Grad Celsius. Es geht los.
Ein langer Gang führt zurück ans Tageslicht. Graue, leicht schräg nach oben laufende Wände engen den Weg links und rechts ein. Aus kleinen, in der Wand eingelassenen Lautsprechern schallen Namen:
Arthur Mendel.
David Weintraub.
Fritz Aal.
Es sind die Namen derjenigen, die im Tötungslager ihr Leben gelassen haben. „Das hört sich ein bisschen an wie die Namensliste in der Schule“, sagt Deniz.
Oben angekommen, betritt die Gruppe den vereisten Boden des Lagers und blickt auf eine weite Wiese und hohe Birken. Die Gruppe biegt links hinter einem unscheinbaren Verwaltungsgebäude ab. Der Schriftzug über dem Eingangstor des ehemaligen Vernichtungslagers Auschwitz I wird sichtbar: „Arbeit macht frei.“
Die Ruhe in Auschwitz ist Teil der Beklemmung
Und plötzlich ist alles so nah. Dieser Schriftzug, der auf dem Kopf stehende Buchstabe B, den der ehemalige Auschwitz-Häftling und Kunstschlosser Jan Liwacz aus Protest umdrehte, nachdem er den Auftrag von der SS erhalten hatte, diesen Schriftzug für das Lager anzufertigen, in dem er selbst eingesperrt war und später ermordet wurde. Die Augen der Schülerinnen und Schüler weiten und die Gesichtszüge leeren sich. Die Gespräche enden. Es ist der Moment, über den eine Schülerin am Ende des Tages sagen wird, dass sie gemerkt habe, dass es nur die Zeit ist, die sie und ihre Mitschüler:innen von den Gefangenen trennt.
Das Lager ist, obwohl sich zahlreiche geführte Gruppen durch die breiten Gassen des ehemaligen Kasernengeländes bewegen, ein stiller Ort. Die Ruhe ist Teil der Beklemmung, die die meisten Besucherinnen und Besucher hier empfinden. Auf der einen Seite haben die Deutschen hier Menschen erschossen, gefoltert, erniedrigt, vergast. Lucyna deutet nach rechts auf einen Platz und sagt, dass dort früher Menschen gehängt wurden. Auf der anderen Seite sind mittlerweile in manchen der früheren Kasernengebäude moderne Toiletten und leuchtende Notausgangsschilder. Und Leute – nicht die Schüler und Schülerinnen – stellen sich vor den verrosteten Stacheldraht und posieren für Fotos, die sie später auf Instagram hochladen werden.
Wie umgehen mit dieser Gleichzeitigkeit des Grauens und dessen so sichtbarem Auszug? Eine der Schülerinnen wird später sagen: „Als ich durch diesen Ort gegangen bin und trotzdem so lockere Konversationen hatte, habe ich mich gefragt, ob es richtig ist, dass wir uns trotzdem das Recht herausnehmen, einfach dort hinzugehen.“
Die meisten der Schüler und Schülerinnen gehen durch das Lager, als wären sie allein. Sie sprechen kaum. Die Vergangenheit – sie kommt ihnen nah durch Lucynas Stimme in den Kopfhörern, durch die Fotos der kahlgeschorenen Gefangenen und durch die Nahaufnahmen von Kindergesichtern während der Selektion.
Vor dem Eingang zu Auschwitz 1: Max (links) und Vivien (rechts). © Florian Weber
Die Führung dauert mehrere Stunden und geht trotzdem rasch vorüber. Steht man zu lange in einem Raum, vermischt sich Lucynas Stimme mit der eines anderen Guides, der die nächste Gruppe durch die Backsteinbauten führt. Es gibt Momente, da wünscht man sich, man hätte mehr Zeit. Und es gibt Momente, die sind so beklemmend, dass man so schnell wie möglich entfliehen möchte.
In Block vier, in der oberen Etage, hinter einer Glasscheibe, türmt sich ein Haufen leerer Büchsen Zyklon B auf. Das Gas, das die Nazis für ihren Massenmord verwendet haben. Als die Gruppe noch vor der Glasscheibe steht, sagt Lucyna: „Im nächsten Raum bitte keine Fotos.“ Die ersten Schülerinnen gehen um die Ecke. Ihr Blick wandert auf eine kleinere Vitrine auf der rechten Seite. Mehrere Zöpfe aus Menschenhaar liegen da. Dann, als sich einige Schülerinnen umdrehen, fließen Tränen. In einer zweiten, riesigen, sich über die komplette Wand eines Raumes erstreckenden Vitrine liegen so viele Menschenhaare, dass sie im ersten Moment gar nicht als solche zu erkennen sind. „Zwei Tonnen“, sagt Lucyna. Bei der Befreiung des Lagers fanden die Alliierten sieben Tonnen Menschenhaar. Die Nazis stellten damit Textilien und Garn her.
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Buch: Knochenmänner im Auschwitzland
Am Abend nach der Führung werden die meisten Schüler und Schülerinnen diesen Raum als den Ort bezeichnen, der sie am meisten beschäftigt hat. Eine Schülerin wird sagen: „Was mich an den Haaren stört, ist, dass man den Opfern auch noch ihre Menschlichkeit nimmt, einfach weil man es kann. Ich hab das Gefühl, wenn man den Opfern die Wertsachen nimmt, stört mich das nicht, aber jemandem die Haare abzuscheren, einfach weil man kann, fühlt sich so entmenschlichend an. So wie ein Haufen Zeugs.“
Im nächsten Gebäude, Block fünf, stehen Hunderte Koffer, die gestapelt hinter einer Glasscheibe liegen, ein Berg Schuhe und Tausende ineinander verworrener Brillengestelle.
Danach: Pause vor Block 18. Die Schüler und Schülerinnen sitzen auf einer Treppe unweit des Blocks, in dem der Mediziner Josef Mengele Zwillinge zusammennähen ließ und versuchte, die Augenfarben von Kindern infektiös zu verändern. Das Leid, mit dem die Gruppe hier konfrontiert ist, lässt sich gar nicht abbilden.
Die Schülerinnen und Schüler gehen noch durch Block 11. Der Todesblock, in dem die Nazis 1941 erstmals Zyklon B getestet und damit 600 sowjetische Kriegsgefangene vergast haben. Vorbei an der Todeswand, wo mehr als 20 000 „unerwünschte“ Häftlinge erschossen wurden. Dann durch die einzige Gaskammer in Auschwitz 1, vorbei an den Öfen, in denen die Leichen anschließend verbrannt wurden. Das Haus von Rudolf Höß ist von hier aus zu sehen. Und dann, am Nachmittag, gehen die Schüler und Schülerinnen noch über das Gelände von Auschwitz II, das weniger erhalten, aber mehr als zehnmal so groß ist wie Auschwitz 1.
Das Unbegreifliche, der Schrecken – es kommt hier so nah, dass man sich durchaus fragen kann, wie sinnvoll es überhaupt ist, sich all jenes hautnah anzuschauen. Am Abend, als die Schülerinnen und Schüler im Stuhlkreis zusammensitzen, finden sie ihre Antworten darauf. „Damit wir das alles nicht vergessen“, sagt ein Schüler. Eine Schülerin sagt: „Ich bin ein Stück dankbarer rausgegangen, als ich reingegangen bin. Ich finde, man nimmt sein eigenes Leben danach anders wahr.“
https://www.fr.de/
Umfrage in mehreren Staaten
Viele junge Menschen wissen wenig über den Holocaust
Stand: 23.01.2025 16:47 Uhr
Was ist der Holocaust? Wie viele Jüdinnen und Juden wurden durch das NS-Regime ermordet? Vor allem junge Menschen in den USA und einigen EU-Ländern zeigen bei diesen Fragen deutliche Wissenslücken. Etwa sechs Millionen Jüdinnen und Juden wurden vom nationalsozialistischen Deutschland systematisch verfolgt und ermordet. Doch rund 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs schwindet das Wissen um den Holocaust und die Schoah zusehends - vor allem bei der jüngeren Generation. Zu diesem Schluss kommt eine Umfrage der Jewish Claims Conference. In der Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen gaben bei der Befragung in Deutschland etwa 40 Prozent an, nicht gewusst zu haben, dass etwa sechs Millionen Jüdinnen und Juden in der Zeit des Nationalsozialismus ermordet wurden. 15 Prozent glaubten, es seien weniger als zwei Millionen gewesen. Zwei Prozent aller in der Bundesrepublik befragten Bürgerinnen und Bürger waren der Auffassung, der Holocaust habe überhaupt nicht stattgefunden. Insgesamt glaubten in sieben der acht untersuchten Länder mindestens 20 Prozent der Befragten, dass zwei Millionen oder weniger Jüdinnen und Juden während des Holocaust ermordet wurden. In Rumänien waren es 28 Prozent, nahezu ebenso viele mit 27 Prozent in Ungarn und in Polen gaben das 24 Prozent der Teilnehmenden der Umfrage an. In Deutschland waren es 18 Prozent.
Der Holocaust-Index der Claims Conference
Die Conference on Jewish Material Claims Against Germany, kürzer auch Jewish Claims Conference oder Claims Conference genannt, ist ein Zusammenschluss mehrerer jüdischer Organisationen. Sie wurde 1951 gegründet und hat ihren Hauptsitz in New York.
Die Mitglieder setzen sich für Entschädigungen für Holocaust-Überlebende in aller Welt ein. Im vergangenen Jahr verteilte sie nach eigenen Angaben mehr als 535 Millionen US-Dollar an Entschädigungen an mehr als 200.000 Überlebende in 83 Ländern.
Für die aktuelle Umfrage zum Wissen über Holocaust und Schoah führte die Organisation eine repräsentative Umfrage in acht Ländern durch. Dabei wurden zwischen dem 15. und 28. November 2023 in jedem Land etwa 1.000 Menschen befragt. Zu den untersuchten Ländern gehören die Vereinigten Staaten, das Vereinigte Königreich, Frankreich, Österreich, Deutschland, Polen, Ungarn und Rumänien.
Große Unterschiede beim Holocaust-Begriff
In Frankreich gaben 46 Prozent der Befragten zwischen 18 und 29 Jahren an, noch nie von dem Begriff Schoah gehört zu haben. In allen anderen Ländern wurde nach dem Begriff Holocaust gefragt, der in Frankreich jedoch kaum gebräuchlich ist. In Österreich gaben 14 Prozent der Befragten zwischen 18 und 29 Jahren an, noch nie vom Holocaust gehört zu haben, in Rumänien 15 Prozent. In Deutschland gab mit zwölf Prozent etwa jede oder jeder Zehnte an, der Begriff Holocaust sei unbekannt. Im Vereinigten Königreich waren es hingegen nur fünf Prozent, noch wenigeren war der Begriff in den USA (drei Prozent), Polen (zwei Prozent) und Ungarn (ein Prozent) unbekannt. Die Befragten hatten dabei vier Antwortmöglichkeiten, auf die Frage, ob sie den Begriff Holocaust beziehungsweise Schoah kennen. Die Antworten "Ja, definitiv" und "Ja, ich glaube" wurden in einer Studienzusammenfassung zu "Ja" zusammengefasst. Die Antworten "Nein, definitiv nicht" und "Nein, ich glaube nicht" wurden in der Zusammenfassung zu "Nein" zusammengefasst. Aufgrund von Rundungen kann es dabei zu minimalen Abweichungen der Prozentangaben kommen.
Schoah und Holocaust
Schoah oder Shoa ist das hebräische Wort für Katastrophe beziehungsweise Untergang. Im Hebräischen wird es ausschließlich für die Massenvernichtung der Jüdinnen und Juden unter der nationalsozialistischen Herrschaft verwendet. Der Begriff Holocaust bezieht auch die systematische Verfolgung und Vernichtung von anderen Bevölkerungsgruppen, etwa der Sinti und Roma oder politisch Verfolgter, mit ein. Zu den Opfern der Nationalsozialisten gehören auch Millionen sowjetischer Zivilisten und weitere Gruppen.
In fast allen Ländern, in denen die Umfrage im November 2023 durchgeführt worden war, herrschte bei der Hälfte oder einer Mehrheit der Befragten die Sorge, dass sich etwas wie der Holocaust wiederholen könnte. Vor allem in den USA äußerte eine Mehrheit von 76 Prozent diese Angst. In Großbritannien waren es 69 Prozent, in Frankreich 63 Prozent und in Österreich 62. In Deutschland gaben 61 Prozent der Teilnehmenden an, dass bei ihnen diese Sorge bestehe.
Zentralrat der Juden alarmiert über Unwissenheit
Der Zentralrat der Juden in Deutschland zeigte sich alarmiert über die Ergebnisse der Umfrage. "Der besorgniserregende Anstieg antisemitischer verbaler und körperlicher Gewalt, den wir in Deutschland beobachten, hat seine Wurzeln zu einem großen Teil in der Desinformation und dem Mangel an Informationen über den Holocaust", sagte Zentralratspräsident Josef Schuster. Die Studie zeige die Dimension des fehlenden Wissens, insbesondere mit Blick auf junge Erwachsene.
Politik, Bildung und Medien müssten gemeinsam gegensteuern.
Auch Bundesfamilienministerin Lisa Paus zeigte sich besorgt. "Wenn junge Menschen mit den Begriffen Holocaust oder Shoah nichts mehr anfangen können, ist das zutiefst beunruhigend", so die Grünen-Politikerin. "Es gehört zum demokratischen Grundverständnis Deutschlands, dass wir die Erinnerung wach halten und das Wissen über die Verbrechen des Nationalsozialismus früh an die nächste Generation weitergeben - in den Schulen oder auch in der Ausbildung. "Viele Unternehmen würden bereits seit Jahren ihre Auszubildenden dabei unterstützen, sich an authentischen Orten mit der NS-Geschichte auseinanderzusetzen. "Ich würde mir wünschen, dass das zur Regel wird", so Paus. "Unsere Demokratie steht erneut unter Druck. Wir reagieren darauf mit Programmen wie "Demokratie leben!" oder "Jugend erinnert".
Gedenkstätten planen Veranstaltungen
In Deutschland planen mehrere Gedenkstätten anlässlich des 80. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar besondere Veranstaltungen. Im vergangenen Jahr hatten viele der Gedenkstätten eine anhaltend hohe Zahl an Besucherinnen und Besucher verzeichnet, wie eine Umfrage der Nachrichtenagentur epd ergab. Das gilt etwa für die KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen in Brandenburg, die 2024 fast eine halbe Million Besucher und Besucherinnen zählte. Auch die KZ-Gedenkstätte Dachau in Bayern, die mehr als 900.000 Menschen besuchten, sprach von einem "stetig steigenden Interesse". Das Berliner Dokumentationszentrum "Topographie des Terrors" verzeichnete 2024 hingegen einen Besucherrückgang um knapp 21 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das Zentrum war mit knapp 1,63 Millionen Gästen im vergangenen Jahr aber der am meisten besuchte Ort des Gedenkens und der Information über das Nazi-Regime.
Margot Friedländer
Player: video "Finde, dass mehr laut sein sollten", Margot Friedländer zu Protesten gegen Rechtsextremismus und jüdischen Leben in Deutschland
interview
26.01.2024
Holocaust-Überlebende Friedländer
"So hat es ja damals auch angefangen"
Die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer äußerte sich tief bestürzt über zunehmenden Antisemitismus. mehr
Kaum noch lebende Zeitzeugen
Das Bemühen, über die Zeit des Nationalsozialismus und den Holocaust zu informieren, wird durch die schwindende Zahl der Zeitzeugen erschwert. Schätzungen der Claims Conference leben heute weltweit noch etwa 245.000 jüdische Holocaust-Überlebende in mehr als 90 Ländern. Mit 49 Prozent lebt ein Großteil von ihnen demnach in den USA. Fast alle der Zeitzeugen erlebten die Ereignisse als Kinder. Transparenzhinweis: Nach der Erstveröffentlichung haben wir Angaben zu den Ergebnissen der Befragung konkretisiert und einen Absatz zur Methodik hinzugefügt.
Dieses Thema im Programm:
Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 23. Januar 2025 um 05:30 Uhr.
Ein Herbstblatt liegt auf einen Stolperstein, der im Boden eingelassen ist.
Player: videoGedenken an Reichspogromnacht in München
12.11.2024 • 10:12 Uhr
Digitales Gedenken
Eine App erklärt die Geschichte der Opfer
Die Holocaust-Überlebende Eva Szepesi im Bundestag
Player: videoHolocaust-Gedenken: Überlebende mahnt "Nie wieder ist jetzt!"
31.01.2024 • 12:20 Uhr
Gedenken im Bundestag
"Es begann mit Wegschauen"
Claudia Roth und Bärbel Bas beim Gedenktag in Auschwitz.
Player: videoBundestagspräsidentin Bas gedenkt in Auschwitz der ermordeten Sinti und Roma
02.08.2024 • 17:18 Uhr
Gedenken an ermordete Sinti und Roma
Von Schmerz, Scham und Diskriminierung
Menschen mit Israel-Flaggen stehen auf den Gleisen in Auschwitz.
Player: videoTausende beim "Marsch der Lebenden" in Auschwitz
06.05.2024 • 17:45 Uhr
"Marsch der Lebenden" in Auschwitz
Jüdinnen und Juden erinnern an Holocaust-Opfer
Eine Hauswand in Prag mit einer großen Aufschrift "Roma lives matter "
Player: videoGedenken an ermordete Sinti und Roma: Zentralratsvorsitzender beklagt anhaltende Diskriminierung
02.08.2021 • 10:33 Uhr
https://www.tagesschau.de/
Neonazis werden immer jünger – auch bei Protest gegen Anti-AfD-Demo in Kassel
Stand: 22.01.2025, 07:55 Uhr
Von: Matthias Lohr
So wollte die Gruppe „Jung Stark Hessen“ nach Kassel locken: In Kassel wollten die Neonazis am Samstag gegen die Demo für Demokratie protestieren. © Screenshot: Instagram
Vor der Groß-Demo gegen Rechtsextremismus in Kassel mobilisierten Neonazis zum Gegenprotest. Unter ihnen waren vor allem Jugendliche. Schon 15-Jährige finden Anschluss. Wie kann das sein?
Als Beweis dafür, dass sie am Samstag in Kassel waren, haben junge Rechtsextreme ein Foto auf Instagram gepostet. Es zeigt mehr als ein Dutzend schwarz gekleideter Jugendlicher vor dem Himmelsstürmer am Kulturbahnhof. Einige von ihnen formen mit Daumen und Zeigefinger einen Kreis und spreizen die anderen Finger ab. Das White-Power-Zeichen gilt als Code der rechtsextremen Szene.
Die Teenager kamen aus Mittelhessen, dem Schwalm-Eder-Kreis und auch aus Kassel. Einer war gerade einmal 15 Jahre alt. Auch die meisten anderen waren kaum älter. Zuvor hatten sie auf Instagram aufgerufen, nach Kassel zu kommen, „damit wir diesen linken Wahnsinn endlich beenden können“, wie es hieß. Gemeint war die Demonstration gegen Rechtsextremismus, an der am Samstag auf dem Friedrichsplatz laut Polizei 7000 Menschen teilnahmen. Mindestens eine Gruppe Jugendlicher versuchte tatsächlich, vom Hauptbahnhof zum Demonstrationszug zu gelangen. Doch in der Nähe des Lutherplatzes wurde sie von Polizisten aufgehalten.
Ablehnung des Klimaschutzes und Hasse auf queere Community
Die Mobilisierung für den Gegenprotest, der dann letztlich ausfiel, kam laut dem Rechtsextremismus-Experten Sascha Schmidt von zwei neuen Gruppen, die bislang in Hessen gar nicht in Erscheinung getreten sind: „Jung Stark Hessen“ und „Deutsche Jugend voran“. Ihre hessischen Accounts gibt es erst seit Dezember beziehungsweise Juli.
Schmidt arbeitet als Abteilungsleiter für Rechtsextremismus beim Deutschen Gewerkschaftsbund Hessen-Thüringen und hat bereits vorigen Sommer ein neues Phänomen beobachtet. Damals formierte sich der Protest der rechten Szene vor allem in den ostdeutschen Bundesländern gegen CSD-Veranstaltungen: „Ein zentrales Thema dieser jungen Bewegung neben der Ablehnung des Klimaschutzes ist der Hass auf die queere Community. Mittlerweile gibt es in weiten Bereichen der Gesellschaft eine polarisierende Debatte über das Gendern und Diversität. Hier können sie andocken.“
„Wir haben einen kräftigen Schub der jungen Generation“
Schmidt sagt, man habe es nun auch in Hessen mit jungen Neonazis zu tun, die den White-Power-Gruß und eine hohe Gewaltbereitschaft zeigen. So waren die Täter der „Elblandrevolte“, die den Dresdner SPD-Europaabgeordneten Matthias Ecke im Mai 2024 schwer verletzten, zwischen 15 und 20 Jahren. Zumindest einige dieser neuen Rechtsextremen bewegten sich im Umfeld der neonazistischen Partei „Der III. Weg“. Mobilisiert wird vor allem über Instagram und Tiktok. Schmidt glaubt, dass „wir gerade eine Gegenbewegung zur Generation der Jugendlichen erleben, die sich bei Fridays for Future engagiert hat“.
Dass es so viele junge Leute in der rechten Szene gibt, erinnert mich an die frühen 90er-Jahre, die Baseballschlägerjahre, in denen es viele Brandanschläge gab.
Sascha Schmidt
Der Befund, dass junge Menschen nun rechts denken und wählen, überraschte schon im vorigen Jahr. Der Jugendforscher Klaus Hurrelmann veröffentlichte damals mit zwei anderen Wissenschaftlern die „Trendstudie Jugend in Deutschland“ und stellte fest: „Wir haben einen kräftigen Schub der jungen Generation zu rechten und rechtsextremen Positionen.“ Auch Schulleiter berichten immer wieder über rechtsextreme Vorfälle. Am Wilhelmsgymnasium skandierten einige Schüler im Sommer rechte Parolen. Schulleiter Uwe Petersen sagt, man habe das im Unterricht aufgegriffen. Danach sei nichts mehr vorgefallen. Schon länger stellt er fest, dass Diskussionen nicht mehr den offenen Diskurs hätten, man respektiere andere Meinungen nicht mehr: „Ich befürchte, dass das Schule machen wird.“
Eine besorgte Mutter schrieb der HNA gerade, dass sie sich um ihre 17 und 22 Jahre alten Söhne Sorgen mache. Sie habe sie im Sinne demokratischer Werte erzogen. Geschlecht und Hautfarbe seien egal gewesen. Nun würde sie immer mehr „AfD-Sprech“ von ihnen hören. Als die beiden die Fragen des Wahl-O-maten beantworteten, empfahl der ihnen die AfD. Ihre Söhne würden die Fake News, die sie rund um die Uhr auf Tiktok mitbekämen, nicht hinterfragen. Experte Schmidt empfiehlt in solchen Fällen: „Man muss immer versuchen, miteinander im Gespräch zu bleiben. Auch Beratungsangebote können hier helfen.“
Spontanversammlung von Gruppe in der Kasseler Nordstadt verboten
Die Gruppe, die sich am Samstag mit dem White-Power-Gruß fotografieren ließ, wurde dann auch noch in der Nordstadt auffällig. Laut Ortsvorsteher Ali Timtik skandierten die Jugendlichen in der Nähe des Halitplatzes: „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus.“ Die Polizei hatte sie durch die Stadt begleitet, wie eine Sprecherin erklärt. Eine Spontanversammlung am Kulturbahnhof war ihnen bereits vorher untersagt worden. Insgesamt soll es sich um 22 Jugendliche und junge Erwachsene gehandelt haben. Timtik ist immer noch wütend über den Vorfall: „Solche Parolen will ich in meinem Stadtteil nicht hören.“ (Matthias Lohr)
https://www.hna.de/
Rüge für rassistisches AfD-Video
Der Schaden ist längst angerichtet
Hanno Fleckenstein
Die AfD in Brandenburg muss ein Wahlwerbevideo für Kinder und Jugendliche sperren. Der Fall zeigt, wie schwierig es ist, Hetze im Netz zu verhindern.
20.1.2025
16:30 Uhr
Menschen demonstrieren mit Regenbogenfahnen und Plakaten, auf einem steht "Das B in AfD steht für Bildung"
In Potsdam unbeliebt: Demonstration gegen die AfD vor dem Brandenburger Landtag Mitte Januar
Foto: Jens Kalaene/dpa
Die AfD betreibt rassistische Hetze. Diese Erkenntnis hat in etwa den gleichen Nachrichtenwert wie die Feststellung, dass Wasser nass ist. Wirklich überraschend ist es also nicht, dass die Kommission für Jugendmedienschutz nun in einem AfD-Wahlkampfvideo „pauschale Stereotype“ entdeckt hat.
Schon eher erstaunlich ist, dass das jetzt Konsequenzen haben könnte: Der für den Clip verantwortliche AfD-Landesverband Brandenburg muss das Video löschen oder verhindern, dass Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre darauf zugreifen können, wie die Kommission am Montag bekanntgab. Die Überprüfung habe nämlich ergeben, dass es „entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte“ enthält, die Heranwachsende noch nicht einordnen könnten.
Das unverhohlen mit Künstlicher Intelligenz (KI) generierte Filmchen zeigt, was laut AfD-Weltbild so alles auf dem Spiel steht. Das geht ungefähr so: Entweder haben in Zukunft blonde Menschen in sonnigen Gärten eine gute Zeit, oder mit Niqab verschleierte Personen marschieren in Formation durch dunkle, verwüstete Straßenzüge.
Die Parolen, die Angstmache: Vieles an dem Video ist verstörend – aber bewegt sich auf demselben Niveau wie eine x-beliebige Wahlkampfrede eines AfD-Kandidaten. Was die Alarmglocken bei den Jugendschützer*innen schrillen ließ, waren wohl die vor rassistischen Stereotypen triefenden KI-Bilder von Geflüchteten und Musliminnen sowie die effekthascherische Gegenüberstellung von Gut und Böse.
Der Unterschied zwischen Regulierung und Zensur
Doch der Schaden ist längst angerichtet. Das Video stammt aus dem Landtagswahlkampf der AfD in Brandenburg, ist seit Mitte September 2024 online und auch am Montag abrufbar. Auf Facebook ist es mit 30.000 Views einer der meistgesehenen Clips der Brandenburger AfD der vergangenen Monate, auf Instagram und Tiktok hat es jeweils hunderte Likes.
Warum dauert es so lange, offensichtlich rassistisches Material zumindest für Heranwachsende zu sperren? „Rechtsprechung braucht einfach Zeit“, erklärt am Montag eine Sprecherin der zuständigen Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) der taz. Regulierung könne schließlich nur im Nachhinein erfolgen – und sei rechtlich anfechtbar. „Anders als etwa Zensur, die Inhalte im Vorfeld verhindern würde.“
Die wittert die AfD sowieso immer und überall. Deshalb ist es wenig verwunderlich, dass Brandenburgs AfD-Chef René Springer am Montag wie bestellt „einen schweren Eingriff in die Meinungsfreiheit“ beklagt und von einer – Achtung, hier kommt der Kampfbegriff – „Zensurmaßnahme“ der MABB spricht. Springer kündigt sodann auch an, vor dem Verwaltungsgericht zu klagen sowie eine einstweilige Verfügung zu beantragen, um die Anordnung zur Sperrung des Clips auszusetzen.
Egal, wie der Rechtsstreit ausgeht: Die AfD lacht sich schon jetzt ins Fäustchen. Denn das Video ist bloß eine weitere wohlkalkulierte Grenzüberschreitung – eine Taktik, die die AfD perfekt beherrscht. Die Rüge der Jugendschützer schafft Aufmerksamkeit und stärkt die Opfererzählung der Rechtsextremen, mitten im Wahlkampf.
https://taz.de/
»Entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte«
Jugendschutzkommission rügt AfD für rassistisches Wahlkampfvideo
Die AfD in Brandenburg muss einen Wahlclip für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren unzugänglich machen. Das entschied die Kommission für Jugendmedienschutz. Die Kritik ließe sich auf zahlreiche AfD-Videos ausweiten.
20.01.2025, 07.34 Uhr
- Die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) der Landesmedienanstalten hat die AfD in Brandenburg für einen rassistischen Clip gerügt. Die Partei muss nun das Video von ihren sozialen Kanälen entweder löschen – oder mit technischen Mitteln verhindern, dass Kinder und Jugendliche darauf Zugriff haben. Das hat die KJM entschieden.
Eine Überprüfung durch das Gremium ergab demnach, dass der Clip »entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte« enthalte, mit denen »pauschale Stereotype« bedient würden. Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren könnten diese noch nicht einordnen und sollten sie daher nicht sehen.
Brandenburger Landtag: AfD-Mann will Vorsitz im Bildungsausschuss – und scheitert Von Silke Fokken
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Le Pen, Meloni, Kickl: Wie Europas Rechte so mächtig werden konnten Von Frank Thadeusz
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Rechtspopulistische Erfolge: »Populismus ist wie der betrunkene Gast einer Abendgesellschaft« Ein Interview von Martin Pfaffenzeller und Frank Thadeusz
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In dem Video würden Menschen mit dunkler Hautfarbe pauschal in bedrohlichen Darstellungen gezeigt, sagte die Direktorin der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB), Eva Flecken, der Nachrichtenagentur dpa. Solche pauschalen Darstellungen tauchen so ähnlich auch in vielen anderen AfD-Videos immer wieder auf. Im konkreten Fall dürfte der Wunsch nach Entfernung sowieso zu spät kommen. Es handelt sich um einen Clip aus dem Landtagswahlkampf 2024.
»Es handelt sich nicht um Zensur«
Die MABB hatte ein medienrechtliches Aufsichtsverfahren zu dem im September veröffentlichten AfD-Video eingeleitet und den Inhalt auf potenzielle Verstöße gegen den Jugendmedienschutzstaatsvertrag überprüft. Nach Anhörung der Betroffenen übergab sie den Fall der Kommission für Jugendmedienschutz, die in ihrem Beschluss die Entwicklungsbeeinträchtigung nun feststellte.
Die AfD Brandenburg kann gegen den Bescheid juristisch vorgehen und Klage vor dem Verwaltungsgericht einreichen. »Es handelt sich nicht um Zensur«, sagte der KJM-Vorsitzende Marc Jan Eumann, der auch Direktor der Medienanstalt Rheinland-Pfalz ist.
Vielmehr gehe es um eine nachträgliche Prüfung von Inhalten auf Basis gesetzlicher Regelungen zum Jugendmedienschutz. Das Video sei auch nicht verboten worden. Es sei schlicht nicht für jede Altersgruppe geeignet.
mrc/dpa
https://www.spiegel.de/
Ostdeutsche Schülervertretung
Mangelnde politische Bildung für Rechtsruck mitverantwortlich
Planspiele, Debatten, Schüleraustausche: Die ostdeutschen Schülervertretungen fordern mehr politische Bildung im Klassenzimmer. Bislang würden Schülerinnen und Schüler mit Populismus und Desinformationen alleingelassen.
20.01.2025, 17.30 Uhr
Schule als Ort der Aufklärung: Die ostdeutschen Landesschülervertretungen haben sich in einem gemeinsamen Positionspapier für mehr politische Bildung im Unterricht ausgesprochen. »Extremistische Narrative schließen die Lücke, die mangelnde politische Bildung hinterlässt«, schreiben die Vertreter von Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern in Bezug auf den Rechtsruck bei jungen Wählerinnen und Wählern bei den vergangenen Landtagswahlen. Das Schreiben haben sie am Montag auf einer Pressekonferenz in Berlin vorgestellt.
Bereits bei der Europawahl im Juni 2024 war die AfD bei den jungen Wählerinnen und Wählern die zweitstärkste Kraft. Seitdem wird viel diskutiert und berichtet über den Rechtsruck unter der Jugend in Deutschland.
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Rechte Jugend: Wenn auf dem Schulhof »Ausländer raus« gegrölt wird
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Eine zunehmend antieuropäische Einstellung bei Schülerinnen und Schülern in Ostdeutschland führen die sechs Schülervertretungen auf die unzureichende Behandlung im Unterricht zurück: »Ohne ein tieferes Bewusstsein für Europas Bedeutung als Garant für Frieden und Wohlstand, besonders in herausfordernden Zeiten, droht in Zukunft ein schwindendes europäisches Verständnis.«
Schule sei ein zentraler Ort für Wertevermittlung und Bildung, »der junge Menschen zu selbstbewussten, reflektierten und engagierten Demokrat:innen formen sollte«, heißt es weiter.
Demokratie müsse »durch Planspiele, Debatten, Schüleraustausche und Kooperationen mit zivilgesellschaftlichen Organisationen« erlebbar gemacht werden. Zudem fordern die Landesschülervertretungen eine umfassende Medienbildung, damit die Schülerinnen und Schüler die Informationen aus sozialen Netzwerken richtig einordnen und bewerten könnten.
Den Appell schreiben die Vertretungen aus einer Sorge heraus, dass die Demokratie durch Populismus, Desinformationen und Konflikte erschüttert werde. Bislang würden Schülerinnen und Schüler »mit diesen Problemen von der Bildungspolitik im Stich gelassen«.
»Was heute in den Klassenzimmern passiert, entscheidet über die Gesellschaft von morgen«, schreiben die sechs Landesschülervertretungen. Die Zeit zu handeln, sei jetzt.
sun
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Holocaust-Gedenktag am 27. Januar
Zeitzeugin macht Schüler zu Zweitzeugen
Kamp-Lintfort · Die Holocaust-Überlebende Eva Weyl hat das Georg-Forster-Gymnasium in Kamp-Lintfort besucht und teilte ihre Geschichte mit den Schülern. Eingeladen hatte sie Geschichtslehrer Marc Glorius. Was sie berichtete, rüttelte auf. Sie appellierte an die persönliche Verantwortung jedes Einzelnen.
16.01.2025 , 13:39 Uhr 4 Minuten Lesezeit
- Seit 2016 kommt Weyl regelmäßig zu ihrem Zeitzeugenvortrag mit Gespräch in die Schule nach Kamp-Lintfort.
- Foto: Norbert Prümen
- Von Olaf Reifegerste
- Anlässlich der 80. Wiederkehr des Holocaust-Gedenktages am 27. Januar besuchte die mit deutschen Wurzeln im niederländischen Arnheim geborene Eva Weyl das Georg-Forster-Gymnasium in Kamp-Lintfort. Eingeladen dazu hatte sie Marc Glorius, Geschichtslehrer an der Schule und zugleich Vorsitzender der Fachschaft Geschichte, um im Rahmen des Geschichtsunterrichts den aktuellen Q2-Schülern der Jahrgangsstufe 12 eine andere Form von Unterricht anzubieten. Mit der Holocaust-Überlebenden Weyl gelingt es, die persönliche Erinnerungskultur der Zeitzeugin in Form von Demokratieerziehung an die Nachkriegsgenerationen weiterzugeben.
- 55 zukünftige Abiturienten der Q2 und fünf angereisten Schülern vom Leistungskurs Geschichte aus dem Moerser Gymnasium Rheinkamp kamen mit Eva Weyl ins Gespräch.
Foto: Olaf Reifegerste
Weyl ist am 7. Juni 1935 in Arnheim in den Niederlanden geboren. Ihre Eltern, der Vater stammte aus Kleve, die Mutter aus Freiburg im Breisgau, sind zuvor aus Deutschland in die Niederlande emigriert. Ihre Großväter – beide Großmütter starben früh – kamen bald in die Niederlande nach, wo Eva mit ihrer Familie eine schöne Kindheit verlebte – bis alle 1942 in das Durchgangslager Westerbork deportiert wurden. Doch auch hier hatte sie das Glück, von ihren Eltern so gut es ging beschützt zu werden und dort eine Schule zu besuchen, während die Familie mehreren Deportationen knapp entgehen konnte. Nach dem Krieg studierte Weyl in Amerika und in der Schweiz und heiratete. Heute lebt sie in Amsterdam.
Seit 2016 kommt Weyl regelmäßig zu ihrem Zeitzeugenvortrag mit Gespräch in die Schule nach Kamp-Lintfort und trifft dort auf eine Zuhörerschaft, die dem Bericht ihres jungen Lebens ab der Reichspogromnacht am 9. November 1938, denn damit begann der Holocaust, bis zur Befreiung am 12. April 1945 durch die Alliierten aus dem etwa 50 Kilometer südlich von Groningen gelegenen Konzentrationslager in Westerborg, hoch konzentriert und ungemein interessiert zuhört.
Nicht anders ging es zu in den 90 Minuten Vortrag und Gespräch mit 55 zukünftigen Abiturienten der Q2 und fünf angereisten Schülern vom Leistungskurs Geschichte aus dem Moerser Gymnasium Rheinkamp. Wieder war es mucksmäuschenstill bei Weyls wuchtigen Erzählungen und Geschichten in Wort und Bild auf ihren Alltag und ihr Leben damals. Und sie macht das in einer geschichtsträchtigen Art und Weise, wie es Geschichtsbücher niemals können: privat, persönlich, emotional und authentisch, aber niemals belehrend oder moralisch oder gar ideologisch werdend.
Natürlich stellte sie auch Zahlenwerke in den Raum, die erschreckend waren und das allein numerische Ausmaß der Gräueltaten der Nationalsozialisten an den Juden, aber auch an Sinti und Roma sowie Andersdenkenden verübten, deutlich machte. Lebten 1933 in Deutschland 500.000 sowie in den Niederlanden 140.000 Juden, waren es zu Kriegszeiten, als Nazideutschland alle seine Nachbarländer überfallen und besetzt hatte, elf Millionen im sogenannten Deutschen Reich. Davon wurden bis Kriegsende 1945 insgesamt sechs Millionen ermordet.
Wer heizt wie in Deutschland?
Das Todesurteil zur systematischen Ausrottung aller Juden sei durch die Wannseekonferenz am 20. Januar 1942 erfolgt, berichtete Weyl. Fünfzehn hochrangige Vertreter NS-Reichsregierung und der SS-Behörden kamen damals nämlich zusammen, um den begonnenen Holocaust an den Juden im Detail zu organisieren und die Zusammenarbeit der beteiligten Instanzen zu koordinieren. „Vorlage für die in Ausschwitz, Bergen-Belsen, Theresienstadt, Dachau und weiteren Orten gebauten Mordfabriken war das Modell vom Auto und seiner Abgase. Auf diese Weise wurde der Mord industrialisiert“, sagte sie. Westerborg aber war unter dem Kommandeur Albert Konrad Gemmeker keine Mordfabrik, sondern ein Durchgangslager, von wo aus 80.000 Juden letztlich in Ausschwitz ermordet wurden.
Immer wieder betonte Weyl in ihren Ausführungen, dass sich die Jugendlichen bitte nicht von ihr angegriffen fühlen sollten. „Ihr habt aber eine Verantwortung, dass so etwas nicht wieder passiert“, sagte sie. „Ich bin eine Zeitzeugin und ihr werdet heute durch mich zu Zweitzeugen. Wir brauchen euch, damit Geschichte am Leben gehalten wird und wir in Freiheit leben können.“ Dieser, ihr Appell war nicht zu überhören.
(reife aka )
https://rp-online.de/
Holocaust-Opfer in Schwalmtal-Waldniel
Dunkle Geschichte gerahmt und konserviert
Schwalmtal · Die Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftshauptschule Schwalmtal gestalten Bilderrahmen, um an die Opfer der NS-Psychiatrie in Waldniel-Hostert zu erinnern. Wie das Projekt konkret aussieht.
08.01.2025 , 17:43 Uhr 4 Minuten Lesezeit
- Nikolai Gebauer, Waltraud Kremer und Lena Rost (v. l.) beschäftigen sich mit dem Schicksal von Heinrich.
- Foto: Maren Kaster
- Von Maren Kaster
- Mehr als 500 ermordete Menschen – Zu diesem grausigen Ergebnis kam man nach dem Holocaust in der sogenannten „Abteilung Waldniel“, wie die ehemalige Heil- und Pflegeanstalt in Waldniel-Hostert von den Nazis genannt wurde. Dort wurden geistig kranke und behinderte Menschen getötet, 99 von ihnen waren Kinder.
Bereits seit 1987 organisiert die Gemeinschaftshauptschule Schwalmtal eine Gedenkfeier anlässlich der Befreiung von Auschwitz. Zu diesem Anlass befassen sich Schülerinnen und Schüler der neunten und zehnten Klassen intensiv mit dem Thema Holocaust und den Opfern in der Einrichtung in Waldniel.
INFO
Daten zur Gedenkveranstaltung
Die Gedenkveranstaltung findet am Montag, 27. Januar, um 9.15 Uhr in der Kirche St. Maria Himmelfahrt, Waldnieler Heide 20 in Schwalmtal, statt.
In diesem Jahr jährt sich die Befreiung zum 80. Mal. Deshalb habe man sich auch zu Ehren der Menschen, die in Waldniel umkamen, eine besondere Aktion überlegt, sagt Fiona Schultze, Pressesprecherin der Gemeinde Schwalmtal. „Wir wollten die Sache greifbar machen und etwas gestalten, das am Ende präsentiert werden kann.“
Insgesamt sollen sieben Bilderrahmen gestaltet werden, wobei sich jeder der Rahmen mit einem konkreten Schicksal befasst. „Am Ende soll eine Wanderausstellung entstehen“, sagt Schultze. „Zuerst wird sie am 27. Januar zur Gedenkveranstaltung in der Kirche zu sehen sein.“ Später werde man sie auch in der Schule sehen können und in Räumlichkeiten der Gemeinde.
Wie umfangreich das Projekt organisiert ist, wird an der Zahl der Menschen, die daran mitwirken, deutlich. Neben den Schülerinnen und Schülern ist auch Peter Zöhren, der Leiter der Gedenkstätte in Waldniel, der Heimatverein, Bürgermeister Andreas Gisbertz und die Lebenshilfe anwesend. Letztere wird vertreten von Sebastian Hackenberg und Waltraud Kremer, die selbst eine geistige Beeinträchtigung hat und in einer Wohngruppe der Lebenshilfe lebt. Sie wünscht sich, dass die Rahmen auch bei ihr zu Hause aufgehängt werden. Deshalb wird die Ausstellung auch in die Wohngruppe der Lebenshilfe wandern.
"Ich war sechs, als der Holocaust begann"
Hackenberg unterstützt die Schüler vor allem durch eine thematische Einteilung. Denn die Kinder in Hostert wurden auf unterschiedliche Weise ermordet. Beispielsweise geplante Mangelernährung, Medikamentenmissbrauch oder menschenunwürdige Lebensbedingungen. „Einigen Kindern wurde das Beruhigungsmittel Luminal verabreicht. Das kommt auch heute noch zum Einsatz, beispielsweise bei Epileptikern“, sagt Hackenberg. „Wenn es über einige Tage in zu hohen Dosen eingenommen wird, kollabiert die Lunge der betreffenden Person. Die Angehörigen bekamen dann oft nur die Nachricht, dass ihr Kind an einer Lungenentzündung gestorben ist.“
Für Hackenberg sei es spannend, vor Ort dabei zu sein, besonders, weil man sehe, wie normal die Schüler mit den Menschen aus der Wohngruppe umgehen. „Mir persönlich liegt viel daran, hier zu sein, weil man auf der einen Seite sieht, dass wir heute in einem System leben, das ein lebenswertes Dasein für Menschen mit Behinderung möglich macht. Auf der anderen Seite ist es immer noch sehr wichtig, auch nach 80 Jahren daran zu erinnern, was damals passiert ist.“ Er bestreitet nicht, dass es in Sachen Inklusion noch einiges zu tun gibt. „Inklusion kann immer noch besser werden, aber hier wird klar, dass wir nicht bei null anfangen.“
Kremer unterstützt die Schülergruppe, die sich mit dem Schicksal von Heinrich beschäftigt. Er ist ein Beispiel für die ‚geplante Mangelernährung’: Im Februar 1941 wurde Heinrich nach Waldniel verlegt. Zu diesem Zeitpunkt war er 20 Jahre alt, 1,55 Meter groß und wog 41 Kilo. Der zuständige Arzt diagnostizierte: „tief stehender Schwachsinniger, unrein, dauernde Pflege erforderlich“. Ein gutes Jahr nach seinem Eintreffen in Waldniel wog er mehr als zehn Kilogramm weniger und starb laut Aussage der Einrichtung an Herzschwäche. In Wahrheit starb er aber an Marasmus, worunter man einen Proteinmangel beziehungsweise Energiemangel versteht, der zum Abbau aller Energie- und Eiweißreserven führt.
(mka)
https://rp-online.de/
Das Grauen des Holocaust im Kino
Stand:02.01.2025, 13:00 Uhr
Von: Olaf Weiss
Filmszene mit Oskar Schindler (Liam Neeson, links) und sein jüdischer Buchhalter Itzhak Stern (Ben Kingsley)
Filmszene: Fabrikbesitzer Oskar Schindler (Liam Neeson, links) und sein jüdischer Buchhalter Itzhak Stern (Ben Kingsley) beim Zusammenstellen der Liste von über 1100 jüdischen Arbeitern, die Schindler retten will. © dpa-Bildfunk
Was war der Holocaust? Und wie lief die systematische Tötung von Juden durch die Nazis ab? Der Film „Schindlers Liste“ gibt sehr anschaulich Antworten auf diese Fragen. Fabio Peter hat organisiert, dass Ende Januar 1000 Schüler aus Northeim und Umgebung den unter anderem mit sieben Oscars ausgezeichneten Film von Steven Spielberg aus dem Jahr 1993 zu sehen bekommen.
Northeim – Die Idee zu dem Projekt hatte der Abiturient, als ihm deutlich wurde, dass Schüler heutzutage ihren Abschluss machen können, ohne in einer KZ-Gedenkstätte gewesen zu sein. Dabei sei aktuell gerade wichtig, zu zeigen, wozu Fremdenhass und Rassismus führen könne, sagt er. Die nüchterne Darstellung in Geschichtsbüchern könne das nur bedingt leisten.
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Seine Seminarfach-Lehrerin Frau Elke Schröder habe ihm den Anstoß gegeben. Sie habe erzählt, dass der Film schon in Osnabrück gratis für Schüler gezeigt wird, berichtete Peter. „Als ich dann meine Idee äußerte, stand stand sie mir stets zur Seite.“
Fabio Peter und der Leiter der KZ-Gedenkstätte Buchenwald, Prof. Jens-Christian Wagner. Foto Fabio Peter
Besuch in Buchenwald: Fabio Peter und der Leiter der KZ-Gedenkstätte, Professor Jens-Christian Wagner. © Fabio Peter
Er hat bereits Zusagen vom Gymnasium Corvinianum, der KGS Moringen und der Goetheschule in Einbeck, Schüler in die Vorstellungen von „Schindlers Liste“ in der Neuen Schauburg zu schicken. Auch die Thomas-Mann-Schule, die Oberschule Northeim und die beiden Berufsbildenden Schulen in Northeim wollen die Vorstellungen nutzen. Dank einer Reihe von Sponsoren werden die Vorstellungen kostenlos für die Schüler sein.
Am 28., 29. und 30. Januar soll es jeweils zwei Vorstellungen des mehr als drei Stunden langen Films geben. Die Termine seien bewusst gewählt, betont Peter. Der 27. Januar ist der Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau durch die Rote Armee 1945. Der 30. Januar ist der Jahrestag der sogenannten Machtergreifung der Nazis 1933.
Original Seite 6 aus „Schindlers Liste“
Schindlers Liste: Das Foto zeigt das Original der Seite 6. © HNA-Archiv
Vor den Vorstellungen soll es Vorträge geben. Am 28. und 29. will nach Peters Worten Stefan Wilbrecht, der Leiter der KZ-Gedenkstätte Moringen sprechen. Für den 30. Januar habe der Leiter der KZ-Gedenkstätte Buchenwald, Prof. Jens-Christian Wagner, zugesagt, zum Thema zu sprechen.
Nach dem Film soll es außerdem Gelegenheit geben, Fragen zu stellen.
Außerdem hofft Peter, auch noch eine Videobotschaft einer KZ-Überlebenden zu bekommen, die jeweils vor dem Film gezeigt werden soll.
Film beruht auf einer wahren Geschichte
Der Film beruht auf der tatsächlichen Geschichte des Geschäftsmanns Oskar Schindler (* 28. April 1908 in Zwittau, Mähren, † 9. Oktober 1974 in Hildesheim). Er rettete den in seiner Fabrik beschäftigten Juden aus dem Krakauer Ghetto das Leben. Zunächst beschäftigte er sie vor allem, weil sie billige Arbeitskräfte waren. Den zuvor opportunistischen Fabrikanten widerte die Behandlung der hilflosen jüdischen Bevölkerung an. Allmählich traten seine finanziellen Interessen gegenüber dem Ziel zurück, so viele Juden wie möglich vor Ermordung zu retten. Die Einstufung seiner Fabrik als „kriegswichtige Produktionsstätte“ bot ihm dafür die Basis.
Die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem erkannte Schindler 1967 für die Rettung der Zwangsarbeiter als „Gerechten unter den Völkern“ an. 1993 erkannte sie diese Auszeichnung auch seiner Ehefrau Emilia zu.
https://www.hna.de/
Die Meldeportale der AfD
Die AfD versucht, Meldeportale gegen Lehrkräfte zu etablieren. Die GEW ermutigt ihre Mitglieder, sich nicht einschüchtern zu lassen. Was Du über die Denunziationsplattformen wissen solltest.
Zuletzt aktualisiert am 17.6.2024
Vor einigen Jahren gab es sie bereits: Sogenannte Meldeportale der AfD, über die Schüler*innen und Eltern anonym parteikritische Lehrkräfte melden sollten. Nun startet die niedersächsische Landtagsfraktion der Rechtsaußen-Partei laut übereinstimmender Medienberichte einen neuen Versuch. Diesmal mit einer eigenen E-Mail-Adresse, statt eines Online-Formulars.
Die AfD versucht damit Lehrkräfte einzuschüchtern und argumentiert mit dem Neutralitätsgebot, das sich aus dem sogenannten „Beutelsbacher Konsens“ ableite. Doch der Beutelsbacher Konsens darf nicht mit dem parteipolitischen Neutralitätsgebot des Staates verwechselt werden. Der Konsens formuliert drei zentrale didaktische Prinzipien politischer Bildung: das Überwältigungs- bzw. Indoktrinationsverbot, das Kontroversitätsgebot sowie das Ziel, dass Schüler*innen zur politischen Teilhabe befähigt werden sollen. Lehrkräfte dürfen ihre eigene politische Meinung ausdrücken, diese aber nicht als allgemeingültig darstellen. Kontroverse Themen müssen multiperspektivisch behandelt werden.
Demokratiebildung ist zentraler Bestandteil des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule. Die Landesschulgesetze beschreiben die Ziele. Lehrkräfte sollen demokratische Werte wie Würde und Gleichheit aller Menschen, Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität vermitteln. Wenn es in der Schule um politische Bildung geht, müssen sich Lehrkräfte nicht neutral verhalten. Es ist wichtig, verschiedene Blickwinkel zu beleuchten. Lehrkräfte sollen auf Basis des Grundgesetzes eine klare Haltung zum Beispiel gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus, Gewaltverherrlichung und menschenverachtende Aussagen zeigen.
Hintergrund
Schon 2018 hatte die rechtspopulistischen AfD mit Meldeplattformen versucht, Lehrkräfte einzuschüchtern. Ein erstes solches Portal ging im September in Hamburg online. Dort konnten Nutzerinnen und Nutzer der AfD-Fraktion melden, wenn sich Lehrkräfte oder andere Beschäftigte an Schulen ihrer Meinung nach nicht neutral verhalten. Aus den Bundesländern und von der GEW kam heftige Kritik. „Da sollen Lehrerinnen und Lehrer eingeschüchtert werden, das ist schon eine beängstigende Entwicklung. Es passt ins Bild, dass eine Partei, die Andersdenkende ausgrenzen will, jetzt Plattformen schafft, auf denen man Leute mit anderen Meinungen denunzieren kann“, sagte das damalige GEW-Vorstandsmitglied Ilka Hoffmann.
Antworten auf die wichtigsten Fragen
Die GEW beleuchtet die gesetzlichen Grundlagen für politische Bildung in der Schule, den Sinn und Zweck des Beutelsbacher Konsens und gibt eine Handlungsorientierung für Lehrkräftte.
https://www.gew.de/
Die AfD argumentiert mit dem Neutralitätsgebot. Darf ich mich als Lehrkraft an Schule oder Hochschule kritisch mit der AfD auseinandersetzen?
- Bedeuten Neutralitätsgebot und Beutelsbacher Konsens nicht, dass ich mich als Lehrkraft politisch immer neutral verhalten muss?
- Wie lautet der Beutelsbacher Konsens?
Wie kann ich mich im Unterricht verhalten?
Sind die Meldeplattformen der AfD überhaupt zulässig?
Was passiert, wenn ich auf einer der Meldeplattformen der AfD gemeldet werde?
Wo kann ich mich beraten lassen?
Mehr zum Thema
AfD startet Infoportal zu angeblicher parteipolitischer Beeinflussung an niedersächsischen Schulen
- von DieNiedersachsen News 22.05.2024 2 Minuten
- Harm Rykena (AfD), spricht im Plenarsaal vom niedersächsischen Landtag während einer Sitzung. / Foto: Michael Matthey/dpa/Archivbild
- Harm Rykena (AfD), spricht im Plenarsaal vom niedersächsischen Landtag während einer Sitzung. / Foto: Michael Matthey/dpa/Archivbild
- Die AfD-Landtagsfraktion hat ein Infoportal gestartet, um angebliche parteipolitische Neutralität an niedersächsischen Schulen zu thematisieren.
Die AfD-Landtagsfraktion hat ein Infoportal gestartet, weil sie die parteipolitische Neutralität an niedersächsischen Schulen als gefährdet erachtet. AfD-Bildungspolitiker Harm Rykena kritisierte am Dienstag in Hannover beispielsweise, dass Schulleitungen zu Demonstrationen gegen die AfD aufgerufen hätten. Bei der Kritik ging es unter anderem auch darum, wie häufig die Partei zu Podiumsdiskussionen an Schulen eingeladen werde.
Ein ähnliches Portal gab es bereits vor mehreren Jahren. Die AfD verlor damals wegen mehrerer Austritte ihren Fraktionsstatus im Landtag und die Seite wurde laut Rykena nicht weiter betrieben. Der Bildungspolitiker betonte, dass es bei dem Infoportal nicht darum gehe, dass die Fraktion selbst Maßnahmen ergreife, wenn sich etwa Schüler oder Eltern dort melden sollten.
Torsten Neumann, Vorsitzender des Verbandes niedersächsischer Lehrkräfte, sagte, es werde von der AfD ein dramatisches Bild politisch übergriffiger Lehrkräfte gezeichnet, «ohne dass empirische Beweise oder konkrete Beispiele diese Behauptung stützen. Dies ist eine pauschale Verunglimpfung der gesamten Lehrerschaft und zielt offenbar darauf ab, Misstrauen und Zwietracht zu säen.»
Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) sagte: «Anders als beim Meldeportal 2018 ruft die Partei nun nicht aktiv zum Melden und Denunzieren von Lehrkräften auf.» Die AfD wolle den Eindruck erwecken, «dass in den Klassenzimmern ein Klima der Angst und der Indoktrinierung herrscht. Das weise ich entschieden zurück.»
Eine Sprecherin des Kultusministeriums teilte mit, es sei ein wichtiges Anliegen, Schulen und die Schülerinnen und Schüler darin zu bestärken und zu unterstützen, sich klar und deutlich für eine Verteidigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung einzusetzen.
CDU-Bildungspolitiker Christian Fühner sagte: «Es soll Misstrauen gesät und damit das Vertrauensverhältnis zwischen Lehrerinnen und Lehrern und Schülern erschüttert werden.» Stefan Störmer, Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), betonte, Lehrkräfte müssten in der Demokratieerziehung politische Werte vermitteln, um Schüler auf eine aktive Teilhabe an der Gesellschaft vorzubereiten. «Gerade bei schwierigen Themen ist es wichtig, alle Perspektiven zu beleuchten, gleichzeitig aber eine klare Haltung gegen Antisemitismus und Rassismus, Gewaltverherrlichung und menschenverachtende Äußerungen zu zeigen. Das gilt auch für die Thematisierung der AfD im Unterricht.»
https://www.dieniedersachsen.de/
Statement zum Start des AfD-Infoportals „Neutrale Lehrkraft“
Vorlesen
Statement der Niedersächsischen Kultusministerin Julia Willie Hamburg zum Start des AfD-Infoportals „Neutrale Lehrkraft“:
„Mit dem Infoportal zeigt die AfD, dass sie vermeintlich dazugelernt hat. Anders als beim Meldeportal 2018 ruft die Partei nun nicht aktiv zum Melden und Denunzieren von Lehrkräften auf. Dennoch handelt es sich hierbei um eine Reaktivierung eben dieses Meldeportals, die Intention und das Ziel bleiben somit gleich, auch wenn es anscheinend nur um Aufklärung von Schülerinnen und Schülern geht. Zugleich will die AfD wieder mal den Eindruck erwecken, dass in den Klassenzimmern ein Klima der Angst und der Indoktrinierung herrscht. Das weise ich entschieden zurück.
Ich werte das Infoportal, das sicher nicht zufällig in der Woche des 75. Geburtstages des Grundgesetzes präsentiert wird, daher als weiteren Versuch, das Schulklima in Niedersachsen zu vergiften und Unsicherheit unter unseren Lehrkräften zu säen. Dies ist ein weiterer bedenklicher Einschüchterungsversuch von engagierten Lehrkräften. Zudem unterschlägt die AfD auf ihrem Infoportal einen bedeutenden Teil, nämlich den Bildungsauftrag und das Eintreten für Demokratie.
Denn Schule ist kein wertneutraler Ort, auch politische Bildung ist nicht neutral, denn sie beruht auf Werten: Grundlegende demokratische Werte wie die Würde des Menschen, Freiheit und Gleichheit und Solidarität, Pluralismus und Gleichberechtigung sind verbindlich für die Demokratiebildung an Schulen.
Es ist daher demokratische Pflicht von Lehrkräften, Demokratie- und Menschenfeindlichkeit ebenso wie Geschichtsrevisionismus entschieden entgegenzutreten und einzuordnen, auch wenn es sich um Positionen politischer Parteien handelt. Verfassungsfeindlichen Aussagen zu widersprechen, ist eine Beamtenpflicht und darf nicht durch falsch verstandene Neutralität unterlassen werden.
Es ist Aufgabe von Lehrkräften, Schülerinnen und Schüler in die Lage zu versetzen, sich mit Hilfe des Unterrichts eine eigene Meinung zu bilden. Dazu gehört auch, Themen kontrovers zu debattieren und die eigene Position zu analysieren. Ziel ist es, die Schülerinnen und Schüler zu mündigen Bürgerinnen und Bürgern heranzubilden. All das ist klar geregelt und allen Lehrkräften bekannt.
In diesem Sinne stärken wir unseren Lehrkräften den Rücken, für Demokratie, für ein Miteinander an Schule zu werben und natürlich auch eine Meinung zu haben und sie zu sagen. Dies gilt natürlich nicht für verfassungs- und demokratiefeindliche Äußerungen. Ich habe aber keinerlei Zweifel, dass unsere Lehrkräfte ihren demokratischen Auftrag uneingeschränkt erfüllen.“
https://www.mk.niedersachsen.de/
Nach Rassismus-Vorfall: Schüler bei Stolpersteinverlegung
AKTUALISIERT AM 04.10.2023-15:26
Nach einem rassistischen Vorfall im Klassenchat an einer Schule in Spremberg (Spree-Neiße) haben Schülerinnen und Schüler an der Verlegung von fünf Stolpersteinen in der Stadt teilgenommen. «Rassismus und Antisemitismus ist ein Thema in der Region, auch in Spremberg, auch an unserer Schule», sagte der Geschichtslehrer der Berufsorientierenden Oberschule Spremberg (BOS), Steve Hübschmann der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch. «Wir hatten wieder jüngst einen Vorfall, dass im Klassenchat sowas kursierte.» Konkret wurde der Lehrer einer siebten Klasse nicht. Als Schule habe man gemeinsam mit den Eltern überlegt, wie man dem entgegenzuwirken könne. Die Verlegung der Gedenksteine sei ein guter Anlass, um der Klasse Geschichte bewusst zu machen. Die Eltern der Schüler hätten dem sofort zugestimmt, betonte er.
In einem TV-Beitrag des ARD-Magazins «Kontraste» vom Mai hatten Schüler an einem Gymnasium in Spremberg von rechtsextremen Vorfällen im Umfeld der Schule berichtet. Im Juni hatten Unbekannte einen Brandanschlag auf eine Kirche in Spremberg verübt, an der eine Regenbogenfahne hing. Der Staatsschutz ermittelt.
Mit der Verlegung der fünf Stolpersteine durch den Künstler Gunther Demnig erinnert die Stadt im Spree-Neiße-Kreis an das Schicksal der jüdischen Mitbürger Nathan und Ellen Bernfeld, Klara und Salo Jacob und Walter Lehmann, die von den Nationalsozialisten ihrer Rechte beraubt, verfolgt, deportiert und ermordet wurden. Auch in Cottbus wurden am Mittwoch neun Stolpersteine verlegt.
Schade findet der Geschichtslehrer, dass es in der 9. und 10. Klasse nur eine Stunde Geschichtsunterricht gebe. Themen wie den Ersten und Zweiten Weltkrieg, Nazi-Deutschland und DDR in insgesamt 50 Stunden in zwei Schuljahren zu unterrichten, sei zu wenig.
Quelle: dpa
https://www.faz.net/
Rechtsextremistische Vereinigung "Die Artgemeinschaft" verboten
27.09.2023, 15:00 Uhr
Bundesinnenministerin Faeser hat die rechtsextremistische Gruppe "Die Artgemeinschaft" verboten. Polizisten durchsuchten am Morgen Wohnungen von 39 Vereinsmitgliedern und Räumlichkeiten der Gruppe in zwölf Bundesländern – auch in Bayern.
Von
BR24 Redaktion
BR24 Redaktion
Über dieses Thema berichtete BAYERN 3-Nachrichten am 27.09.2023 um 08:30 Uhr.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat eine rechtsextremistische Vereinigung verboten, die sich "Die Artgemeinschaft – Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung" nennt. Wie das Ministerium mitteilte, durchsuchten Einsatzkräfte der Polizei am Mittwochmorgen 26 Wohnungen von 39 Vereinsmitgliedern und Räume des Vereins in zwölf Bundesländern – darunter auch in Oberbayern, Mittel- und Unterfranken.
Zum Artikel: Verfassungsschutz sieht Zuwachs der rechtsextremen Szene
Razzia im Landkreis Rhön-Grabfeld bei führendem Mitglied
Eine Leitfigur der Gruppierung kommt offenbar aus Unterfranken, wie es aus Ermittlungskreisen am Mittwoch gegenüber BR24 hieß. Die Person wohne in Hausen im Landkreis Rhön-Grabfeld. Dort fand am Morgen ebenfalls eine Razzia statt, bei der zahlreiche Beweismittel und Datenträger sichergestellt wurden. Durch deren Auswertung sollen Informationen zur Organisationsstruktur der rechtsextremistischen Gruppe und deren Umfeld gewonnen werden. Laut Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) handelt es sich bei der "Artgemeinschaft" um eine bundesweit aktive, neonazistische, neu-heidnische und religiös-völkische Organisation.
Bürgermeister überrascht von Razzia
Fridolin Link (Unabhängige Wählergemeinschaft Hausen), der Bürgermeister der Gemeinde Hausen im Landkreis Rhön-Grabfeld, zeigte sich überrascht, dass im Ortsteil Roth eine Durchsuchung in einem Gebäude der rechtsextremen Gruppierung "Artgemeinschaft" stattgefunden hat. Für die Menschen aus Hausen sei es bedrückend, dass eine derartige Aktion stattgefunden habe. "Razzia heißt ja: Da ist etwas vorgefallen. Ich persönlich habe kein gutes Gefühl", so der Bürgermeister. Zu den Personen, gegen die sich die Razzia gerichtet hat, kann Link wenig sagen. In dem kleinen Ort in der Rhön leben 200 Menschen.
Faeser: Widerwärtige Indoktrinierung von Kindern und Jugendlichen
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) beschreibt die Organisation ähnlich, nämlich als sektenartig, zutiefst rassistisch und antisemitisch. Die "Artgemeinschaft" habe versucht, "durch eine widerwärtige Indoktrinierung von Kindern und Jugendlichen neue Verfassungsfeinde heranzuziehen", sagte Faeser. Ziel der Organisation sei es gewesen, eine rechtsextremistische Weltanschauung auszuleben und zu verfestigen.
Das sei insbesondere durch die Weitergabe der Ideologie an Kinder und Jugendliche mittels einschlägiger Literatur erfolgt, die zum Teil aus der NS-Zeit stamme und nur minimal abgewandelt worden sei.
Die "Artgemeinschaft" verbreitete laut Bundesinnenministerium "unter dem Deckmantel eines pseudo-religiösen germanischen Götterglaubens ihr gegen die Menschenwürde verstoßendes Weltbild". Zentrales Ziel seien Erhalt und Förderung der eigenen "Art" gewesen, welche mit dem nationalsozialistischen Terminus der "Rasse" gleichzusetzen sei. So habe der Verein seinen Mitgliedern Anweisungen zu einer richtigen "Gattenwahl" innerhalb der nord- und mitteleuropäischen "Menschenart" gegeben, um das der rassistischen Ideologie des Vereins entsprechend "richtige" Erbgut weiterzugeben. Menschen anderer Herkunft seien herabgewürdigt worden.
Durch das Betreiben eines vereinseigenen "Buchdienstes" und einer Website sowie mittels sozialer Medien seien auch Nichtmitglieder mit rechtsextremistischem Gedankengut radikalisiert und geworben worden. Das Bundesinnenministerium gibt die Zahl der Mitglieder mit rund 150 an.
Auch Teilorganisationen verboten
Vom Vereinsverbot seien auch alle Teilorganisationen der "Artgemeinschaft" betroffen. Zu den Teilorganisationen gehörten sogenannte "Gefährtschaften", Gilden, Freundeskreise und das Familienwerk e.V. Neben Bayern gab es dem Ministerium zufolge Durchsuchungen in Baden-Württemberg, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen. Das Vereinsverbot sei seit mehr als einem Jahr vorbereitet worden.
Vergangene Woche Dienstag hatte Faeser bereits die rechtsextreme Gruppe "Hammerskins Deutschland" verboten. Damals waren ihren Angaben zufolge 700 Kräfte bei Durchsuchungen im Einsatz.
Mit Informationen von dpa, AFP und epd.
https://www.br.de/
In Telegram-Chat aufgefallen
Kinderzimmer von 13-jährigem Neonazi in Köln durchsucht
Köln · Das Kinderzimmer eines erst 13-jährigen Neonazis in Köln ist Ende August von der Polizei durchsucht worden. Das Jugendamt hat den Jungen aus der Familie genommen, wie jetzt bekannt wurde.
15.09.2023, 15:43 Uhr 2 Minuten Lesezeit
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Die Polizei hat in Köln das Zimmer eines 13-jährigen Neonazis durchsucht.
Foto: dpa/Hendrik Schmidt
Die Polizei hat das Kinderzimmer eines erst 13-jährigen Neonazis in Köln durchsucht. Der Hinweis auf das noch nicht strafmündige Kind sei von einem „deutschen Dienst“ gekommen, sagte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft in Düsseldorf am Freitag auf Anfrage.
Der Schüler habe Gewaltfantasien gezeigt, die sich gegen Flüchtlingsunterkünfte richteten, sagte eine Staatsschützerin der Kölner Polizei. Das Jugendamt habe ihn aus seiner Familie herausgenommen und in einer Einrichtung untergebracht. Ob seine rechtsextremen Einstellungen familiär begünstigt wurden, werde noch untersucht.
Dem „Spiegel“ zufolge hatte der Junge in einer Telegram-Chatgruppe namens „Feuerkrieg Division“ mit mehreren Dutzend Teilnehmern Anschläge gegen Geflüchtete, Juden und Schwarze propagiert. Dort habe er auch Anleitungen zum Bombenbau gepostet und den rechtsextremen Attentäter von Neuseeland verherrlicht, der 2019 zwei Moscheen gestürmt und 51 Menschen ermordet hatte.
Ende August hatte die Polizei schließlich das Kinderzimmer des 13-Jährigen durchsucht. Bombenbauteile oder Sprengstoff habe man dabei aber nicht gefunden, betonte die Polizei am Freitag. Mit 13 Jahren ist der Junge noch nicht strafmündig. Die Ermittler prüfen aber, ob sich in dem Zusammenhang ein Straftatverdacht gegen weitere strafmündige Personen ergibt.
Im Fall des 13-Jährigen gehe es um Gefahrenabwehr. So sei das Projekt „Periskop“ hinzugezogen worden, das ist die in Nordrhein-Westfalen im Mai 2022 eingeführte Früherkennung von potenziellen Amokläufern.
(dpa)
https://ga.de/news/
Antisemitismus an deutschen Schulen
von Stefanie Gargosch
An deutschen Schulen kommt es immer wieder zu antisemitischen Beschimpfungen und Gewalttaten gegenüber Jüdinnen und Juden. Unter anderem ein Problem mangelnder Bildung.
Videolänge:1 min Datum:09.09.2023
Verfügbarkeit:
Video verfügbar bis 09.09.2024
https://www.zdf.de/nachrichten/
Antisemitismus auf dem Schulhof
„Das Wichtigste ist, dass Lehrer den Vorfall nicht ignorieren“
Von Lena Heising
03.09.2023, 12:22 Uhr
Lesezeit 3 Minuten
Spielgeräte liegen auf dem Schulhof der Gemeindschaftsgrundschule Sandstraße in Duisburg.
Was, wenn es auf dem Schulhof zu antisemitischen Äußerungen kommt?
Copyright: picture alliance/dpa
Antisemitische Vorfälle auf Schulhöfen kommen immer noch zu häufig vor, so der Lehrer Florian Beer. Die Sensibilität dafür sei jedoch gestiegen.
MEHR...
https://www.ksta.de/
Skandal an Brandenburger Schule
Gegen Hakenkreuze helfen keine warmen Worte
Der Leitartikel von Armin Himmelrath
Zwei Lehrer machten rechtsextreme Vorfälle öffentlich, wurden bedroht und verlassen nun die Schule – wohingegen die Täter bleiben. So geht die Gesellschaft kaputt.
17.07.2023, 09.14 Uhr
Diesen Artikel weiterlesen mit SPIEGEL+
https://www.spiegel.de/
Hitlergrüße im Geschichtsunterricht, rassistische Bedrohungen gegen die Lehrerin
Stand: 15.07.2023 | Lesedauer: 8 Minuten
Von Ulrich Kraetzer, Alexander Dinger, Martin Lutz
Ein Hetz-Aufkleber zeigt die Fotos der Lehrkräfte Laura Nickel und Max Teske
Quelle: Screenshot WELT
Nach dem Brandbrief zweier Lehrer über rechtsextreme Vorfälle an einer Schule in Brandenburg fordern Politiker eine deutschlandweit einheitliche Erfassung. Eine Auswertung von WELT AM SONNTAG offenbart die wahre Dimension des Problems.
Hitlergrüße im Unterricht, Hakenkreuz-Schmierereien in Schulheften, rassistische Bedrohungen auf dem Pausenhof – das Problem rechtsextremistischer Vorfälle an Schulen ist offenbar größer als angenommen. Laut eine Abfrage von WELT AM SONNTAG ist die Zahl der von den Schulen gemeldeten Vorkommnisse in einigen Bundesländern deutlich gestiegen. Die Bundesländer handhaben die Meldepraxis allerdings sehr unterschiedlich....
https://www.welt.de/
Zahlen aus Ostdeutschland
Mehr rechtsextremistische Vorfälle an Schulen
Stand: 15.07.2023 15:45 Uhr
Hitlergruß oder antisemitische Beschimpfungen: In Brandenburg hat die Zahl rechtsextremistischer Vorfälle an Schulen laut Bildungsministerium stark zugenommen. Das gilt einer Umfrage zufolge auch für andere ostdeutsche Bundesländer. Die Zahl rechtsextremistischer Vorfälle an Schulen in Brandenburg hat sich im Schuljahr 2022/2023 deutlich erhöht. Wie das Bildungsministerium mitteilte, hatten die staatlichen Schulämter bis Anfang Juni 70 solcher Äußerungen oder Vorfälle gemeldet - während im gesamten Schuljahr 2021/22 30 gezählt wurden. Das Ministerium verwies allerdings auch darauf, dass das Schuljahr 2021/2022 noch unter dem Zeichen der Corona-Krise stand.Die "Welt am Sonntag" hatte zuvor über das Thema berichtet. Die Zeitung schrieb unter Berufung auf eine eigene Umfrage von fast 100 gemeldeten Vorfällen in Brandenburg, 91 in Thüringen (etwa 30 mehr als 2021) sowie 48 Vorkommnissen in Mecklenburg-Vorpommern. Die Bildungsministerien der meisten anderen Länder führen laut eigener Aussage hierzu keine Statistiken, wie die "Welt am Sonntag" weiter berichtete.
Eine Gruppe von Menschen mit einem Schild mit der Aufschrift "Kein Hass in der Schule".
Player: videoRechtsradikale Schüler und überfordertes Lehrpersonal
28.06.2023
Rechte Straftaten Minderjähriger
Hitlergruß und Hakenkreuz in der Schule
Nach mehreren rechtsextremen Fällen an Schulen in Brandenburg gibt es ein erstes bundesweites Bild. mehr >>>
Brandbrief von zwei LehrernDie Lehrkräfte Max Teske und Laura Nickel aus Burg im Spreewald in Brandenburg hatten im April in einem Brandbrief tägliche rechtsextremistische Vorfälle an ihrer Schule öffentlich gemacht. Danach waren sie zunehmend Anfeindungen ausgesetzt. Beide Lehrer kündigten am Mittwoch an, die Schule wechseln zu wollen.Konsequentes Vorgehen gefordertDer Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sagte der Zeitung: "Auf Schulhöfen wird 'Du Jude' leider als gängige Beschimpfung verwendet." Jeder Vorfall sei schrecklich und schwer zu ertragen. "Darum brauchen wir eine bundesweite Meldepflicht für antisemitische Vorfälle an Schulen." Thüringens Innenminister Georg Maier erklärte: "Rechtsextremismusvorfälle an Schulen sollten bundesweit einheitlich erfasst werden."
Die Grund- und Oberschule in Burg (Spreewald).
EXKLUSIV
25.05.2023
Rechtsextreme Vorfälle in Brandenburg
Hitlergruß auf dem Abiball
Im April machten Lehrer aus Brandenburg auf rechtsextreme Vorkommnisse im Umfeld einer Schule aufmerksam. mehr >>>
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger hält ein konsequentes Vorgehen für nötig. Die Vorgänge an Brandenburger Schulen "sind ein Alarmzeichen", sagte die FDP-Politikerin der "Welt am Sonntag". "Freiheit, Demokratie, Toleranz und Pluralität sind zentrale Werte unserer Gesellschaft, auch an Schulen." Sie müssten, wo es notwendig sei, verteidigt werden. "Hierzu müssen alle beitragen. Dazu gehört ein koordiniertes und konsequentes Vorgehen aller Verantwortlichen."
Player: videoLehrer verlassen Schule im brandenburgischem Burg nach rechtsextremen Anfeindungen
Sendungsbild | ARD-aktuell3 Min
Lehrer verlassen Schule im brandenburgischem Burg nach rechtsextremen Anfeindungen
Jo Goll, RBB, tagesthemen, 13.07.2023 22:15 Uhr >>>
Dieses Thema im Programm:
Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 13. Juli 2023 um 22:15 Uhr.
https://www.tagesschau.de/
Mehr rechtsextremistische Vorfälle an Schulen in Brandenburg
AKTUALISIERT AM 15.07.2023-13:55
Die Zahl rechtsextremistischer Vorfälle an Schulen in Brandenburg hat sich im Schuljahr 2022/2023 deutlich erhöht. Die vier staatlichen Schulämter meldeten bis Anfang Juni 70 solcher Äußerungen oder Vorfälle, während 30 im gesamten Schuljahr 2021/2022 gezählt wurden, wie das Bildungsministerium am Samstag mitteilte. Zuvor berichtete die «Welt am Sonntag». Die Gesellschaft Wirtschaftsregion Lausitz zeigte sich besorgt über die Entwicklung.
Nach der Auflistung, die auch der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, wurden bis Juni im Bereich des Schulamts Cottbus mit 27 die meisten rechtsextremistischen Fälle gemeldet, im gesamten Schuljahr 2021/2022 waren es dort 3. Das Ministerium verwies darauf, dass das Schuljahr 2021/2022 noch unter dem Zeichen der Corona-Krise stand.
In Brandenburg wurden im Schuljahr 2021/2022 auch 15 antisemitische und 14 fremdenfeindliche sowie 4 weitere extremistische Äußerungen und Vorfälle gezählt. Im Schuljahr 2022/2023 meldeten die Schulämter 6 antisemitische, 15 fremdenfeindliche und ebenfalls 4 weitere extremistische Äußerungen und Vorfälle. An Thüringens Schulen stieg die Zahl der Verwendung verbotener verfassungswidriger Symbole und von Volksverhetzung laut Bildungsministerium auf 91 Fälle im Jahr 2022 nach 55 im Corona-Jahr 2021.
Die Lehrkräfte Max Teske und Laura Nickel aus Burg im Spreewald in Brandenburg hatten im April in einem Brandbrief tägliche rechtsextremistische Vorfälle an ihrer Schule öffentlich gemacht. Danach waren sie zunehmend Anfeindungen ausgesetzt. Der Staatsschutz ermittelt im Fall von Aufklebern. Beide Lehrer kündigten am Mittwoch an, die Schule wechseln zu wollen. Seit Bekanntwerden des Briefes nahmen die Meldungen solcher Vorfälle an Schulen zu.
Der Lehrer Teske kritisierte die Schulbehörden. «Niemand hat sich vor uns gestellt und ganz offen gesagt, dass sie uns unterstützen und alles Mögliche dafür tun werden, dass Rechtsextremismus keinen Platz an Schulen hat», sagte er der «Märkischen Allgemeinen» (Samstag) mit Blick auf das Schulamt in Cottbus und das Bildungsministerium. «Stattdessen gab es zahlreiche Lippenbekenntnisse. Aber das reicht nicht aus.» Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) hatte Kritik zurückgewiesen und erklärt, das Schulamt sei nach dem anonymen Brandbrief in der Schule sofort tätig geworden.
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hält ein konsequentes Vorgehen für nötig. «Die Vorgänge an der Brandenburger Schule sind ein Alarmzeichen», sagte sie der «Welt am Sonntag». Freiheit, Demokratie, Toleranz und Pluralität müssten wenn nötig von allen verteidigt werden. Brandenburgs Verfassungsschutzchef Jörg Müller sagte der Zeitung, die Entwicklung in Burg müsse mit großer Sorge betrachtet werden. Er gehe aber davon aus, dass es sich dabei nicht um eine Brandenburger Besonderheit handle.
Der Rechtsextremismus ist nach Ansicht der Entwicklungsgesellschaft Wirtschaftsregion Lausitz eine der größten Gefahren für die ökonomische Entfaltung der aufstrebenden Region. «Wir sind jetzt schon nicht mehr in der Lage, die offenen Stellen zu besetzen», sagte Geschäftsführer Heiko Jahn der Deutschen Presse-Agentur. «Es ist in unserem Interesse, dass wir weltoffen auftreten, um wirtschaftlich eine Zukunft zu haben.» Jahn warnte: «Ohne ausländische Fachkräfte werden wir unseren Lebensstandard gar nicht halten können.» So blieben ausländische Studenten der Brandenburgischen-Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) nicht in der Lausitz.
Nicht nur an Schulen kommt es zu rechten Vorfällen. In einer Ferienanlage in Heidesee (Landkreis Dahme-Spreewald) meldete die Polizei im Mai mutmaßlich rassistische Anfeindungen gegen Schüler aus Berlin. Unbekannte Täter warfen in Spremberg (Landkreis Spree-Neiße) im Juni einen Brandsatz auf eine Regenbogenfahne - ein Zeichen für Vielfalt -, die am Glockenstuhl einer Kirche hing.
In Brandenburg wird im nächsten Jahr ein neuer Landtag gewählt. Die AfD ist in Südbrandenburg stark. Die Landespartei wird vom Verfassungsschutz seit 2020 als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft, die AfD-Jugendorganisation Junge Alternative seit vergangenem Mittwoch als gesichert rechtsextremistische Bestrebung.
Auch Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hatte davor gewarnt, dass Rechtsextremismus und Rassismus eine Gefahr für die wirtschaftliche Entwicklung sein könnten. Das «Bündnis für Brandenburg», das für eine Willkommenskultur für Zuwanderer wirbt, erneuerte seinen Appell gegen Rechtsextremismus am Freitag.
Quelle: dpa
https://www.faz.net/
Rechte Straftaten Minderjähriger
Hitlergruß und Hakenkreuz in der Schule
Stand: 28.06.2023 06:00 Uhr
Nach mehreren rechtsextremen Fällen an Schulen in Brandenburg gibt es ein erstes bundesweites Bild: Ein Drittel solcher Taten von Minderjährigen findet nach Kontraste-Informationen im Kontext Schule statt.
Von Silvio Duwe und Lisa Wandt, rbb
Ende April haben Lehrer aus Burg in Brandenburg mit einem Brandbrief auf rechtsextreme Vorkommnisse im Umfeld ihrer Schule aufmerksam gemacht. Sie berichteten etwa von Schülern, die den Arm zum Hitlergruß heben, von rassistischen Sprüchen sowie von Hakenkreuzen auf Autos. Nun gibt es erste Zahlen, die zeigen: Derartige Vorfälle an Schulen sind offenbar ein bundesweites Problem.Im Zeitraum 2018 bis 2021 haben sich nach Informationen des ARD-Politikmagazins Kontraste ein Drittel der rechten Straftaten, bei denen minderjährige Tatverdächtige ermittelt wurden, im Umfeld von Schulen ereignet. Das ergab eine Sonderauswertung der beim Bundeskriminalamt (BKA) geführten Statistik Politisch motivierte Kriminalität (PMK), wie die Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Nicole Gohlke mitteilte.Es sei in dem betrachteten Zeitraum zu fremdenfeindlichen, rassistischen oder antisemitischen Äußerungen oder Beleidigungen und teils tätlichen Angriffen gekommen. Als häufigste Delikte werden in der Antwort das Zeigen des Hitlergrußes sowie das Ausrufen von Parolen wie "Sieg Heil" und "Heil Hitler" genannt. Weiter habe es vor allem Schmierereien, Kritzeleien oder Einritzungen von einschlägigen Symbolen und Parolen gegeben. Außerdem seien besonders oft Abbilder und Nachrichten über Messenger-Dienste versendet worden. Konkrete Zahlen nennt die Bundesregierung in ihrer Antwort nicht.Händische SonderauswertungEine automatisierte Auswertung, die Tatorte wie etwa Schulen identifiziert, ist nach Angaben der Bundesregierung in den PMK-Fallzahlen des BKA nicht möglich. Das Bundesinnenministerium teilte auf Anfrage von Kontraste mit, die Sonderauswertung sei händisch erfolgt und für polizeiinterne Zwecke erstellt worden. Da dabei "gewisse Unsicherheiten" bestünden, könnten nur Näherungswerte genannt werden. Insgesamt haben sich demnach Straftaten im Bereich PMK-rechts mit "minderjährigen Tatverdächtigen" von 2018 bis 2020 im "unteren vierstelligen Bereich" befunden; konkret auf das schulische Umfeld bezogen lagen die Zahlen in 2018 und 2019 im "mittleren dreistelligen Bereich", 2020 und 2021 im "(niedrigen) mittleren dreistelligen Bereich".Nachdem die Vorwürfe an der Schule im brandenburgischen Burg Ende April öffentlich wurden, gab es eine bundesweite Debatte darüber, wie es dazu kommen konnte. Auch andere Schulen in Brandenburg sind betroffen, wie Kontraste Ende Mai berichtete. Das zuständige Schulamt in Cottbus nannte in diesem Zusammenhang für seinen Bereich 15 rechtsextreme Vorfälle allein in diesem Schulhalbjahr - alle strafrechtlich relevant.
Im April machten Lehrer aus Brandenburg auf rechtsextreme Vorkommnisse im Umfeld einer Schule aufmerksam. mehr
Das bundesweite Bild würde verdeutlichen, dass "Jugendliche ihre ersten Erfahrungen mit rechten Straftaten, Propaganda, Drohungen und Gewalt in der Schule und ihrem Umfeld" machten, so Anne Brügmann, Projektkoordinatorin des Vereins Opferperspektive in Potsdam gegenüber Kontraste. Schule müsse hier klaren Einhalt gebieten und den Schülerinnen und Schülern vermitteln, dass rechte Straftaten geächtet würden. Denn die Erfahrungen aus der Schule würden die Jugendlichen mit in ihr restliches Leben nehmen, so Brügmann.Immer wieder geht es bei den Delikten auch um Klassenchats, in denen rechte Inhalte ausgetauscht oder geteilt werden, so die Bundesregierung in ihrer Antwort. Delikte dieser Art stiegen im Jahr 2019 laut Bundesinnenministerium bundesweit stark an: Straftaten im Zusammenhang mit "Klassenchats" mit mindestens einem minderjährigen Tatverdächtigen lagen demnach in 2018 im mittleren zweistelligen Bereich, in 2019 und 2020 dann im unteren dreistelligen Bereich. In den Folgejahren sei die Zahl aber wieder zurückgegangen, im Jahr 2021 lag diese im hohen zweistelligen Bereich. Zu den Gründen der Fallzahlentwicklung liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor.Bundesregierung verweist auf Präventionsprogramme"Es ist besorgniserregend, dass der Bundesregierung kein umfängliches Lagebild vorliegt", sagt die Linken-Abgeordnete Nicole Gohlke zu Kontraste. Es brauche dringend eine valide Datengrundlage, um die Dimension dieses Problems einschätzen zu können, so die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag. Außerdem kritisiert sie, derzeit würden die Schulen und Lehrkräfte vielfach allein gelassen. "Die Bundesregierung muss hier mit den Ländern zusammen einen größeren Fokus auf die Prävention und Bekämpfung von Rechtsextremismus legen", so Gohlke. Eine Situation wie in den 1990er-Jahren müsse unbedingt vermieden werden.Das Innenministerium verweist auf diverse präventive Fördermöglichkeiten für junge Menschen, etwa das Bundesprogramm "Demokratie leben!". Zielsetzung sei unter anderem die Förderung pädagogischer Handlungskompetenz von Lehrkräften, um gegen rechtsextreme und antidemokratische Überzeugungen in den schulischen Regelstrukturen vorzugehen. Der Bundesregierung sei es ein Kernanliegen, allen verfassungsfeindlichen Bestrebungen entschieden entgegenzutreten.
Dieses Thema im Programm:
Über dieses Thema berichtete rbb24 in der Sendung Brandenburg Aktuell am 27. April 2023 um 19:30 Uhr.
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„Hitler von Köln“: Aussteiger berichtet: „Haben heute Zustände, von denen Neonazis träumen“
22.06.2023 15:22:00
Früher war AxelReitz „Hitler von Köln“, dann stieg er aus. Und arbeitet nun in der Extremismusprävention. In einem Interview erklärt er, warum er die Stimmung in Deutschland an einem Kipppunkt sieht.
EXPRESS / EXPRESS.DE
Herkunft
Früher war Axel Reitz der „Hitler von Köln“, dann stieg er aus. Und arbeitet nun in der Extremismusprävention. In einem Interview erklärt er, warum er die Stimmung in Deutschland an einem Kipppunkt sieht. „Hitler von Köln“ Aussteiger berichtet: „Haben heute Zustände, von denen Neonazis träumen“ Copyright: picture alliance/dpa Ein ehemaliger Neonazi erklärt, warum er die Stimmung in Deutschland an einem Kipppunkt sieht.
Ein Mann hält auf unserem Archivfoto (2020) eine Reichsflagge bei einem Protest vor der russischen Botschaft hoch.
Früher war Axel Reitz „Hitler von Köln“, dann stieg er aus. Und arbeitet nun in der Extremismusprävention. In einem Interview erklärt er, warum er die Stimmung in Deutschland an einem Kipppunkt sieht. Er war vor über zehn Jahren lang eine zentrale Figur der Neonazi-Szene im Rheinland, von seinem dreizehnten Lebensjahr an war er dort nach eigenen Aussagen aktiv. Die Medien bezeichneten ihn als „Hitler von Köln“.
2012 stieg er aus, zog sich aus der Szene zurück. Heute hält Axel Reitz zum Beispiel Präventionsvorträge an Schulen, ist Referent beim Verein Extremislos e.V. Er kehrte dem Extremismus den Rücken. Und hat ein Buch herausgebracht: „Ich war der Hitler von Köln. Mein Weg aus der Neonaziszene und wie Extremismus effektiv bekämpft werden kann“. headtopics.com
https://headtopics.com/
NEUER LEHRERVERBANDSCHEF
„Multikulturalität in der Schülerschaft nimmt zu. Wir werden von Jahr zu Jahr bunter“
Stand: 20.06.2023 | Lesedauer: 7 Minuten
Sabine Menkens
Von Sabine Menkens
Politik-Redakteurin
Stefan Düll, 58, ist Vorsitzender des Deutschen Lehrerverbands und leitet seit 2014 ein Gymnasium in Neusäß im Landkreis Augsburg (Bayern)
Quelle: ausblenden.de/Marlene Gawrisch
Stefan Düll will als Chef des Lehrerverbands die „allerschlimmsten Zumutungen“ durch die Politik verhindern. Er sagt, wie junge Menschen für den Lehrerberuf gewonnen werden sollten. Die Integration zugewanderter Kinder sieht er als langen Prozess - und die Teilzeitattraktivität des Berufes als Grund für den Mangel. ...
https://www.welt.de/
SCHULWORKSHOPS
Willi-Eichler-Akademie 2023
Rassismuskritik praktisch – postkoloniale Lern- und Erinnerungsorte
Die deutsche Kolonialzeit ist bis heute in mehrfacher Hinsicht relevant – beispielsweise im Bereich globaler wirtschaftlicher Beziehungsgeflechte, beim Thema Flucht und Migration oder wenn es um Rassismus und Identität in Deutschland geht. Die Sichtbarkeit der kolonialen Spuren im Stadtbild ist gerade für junge Menschen ein guter Zugang zur historischen und gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialgeschichte.
Rassismuskritik praktisch – postkoloniale Lern- und Erinnerungsorte
Die deutsche Kolonialzeit ist bis heute in mehrfacher Hinsicht relevant – beispielsweise im Bereich globaler wirtschaftlicher Beziehungsgeflechte, beim Thema Flucht und Migration oder wenn es um Rassismus und Identität in Deutschland geht. Die Sichtbarkeit der kolonialen Spuren im Stadtbild ist gerade für junge Menschen ein guter Zugang zur historischen und gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialgeschichte.
https://www.we-akademie.de/
Antisemitismusbeauftragter Klein
Warnung vor Judenhass an deutschen Schulen
Stand: 27.05.2023 14:23 Uhr
Judenfeindliche Sprüche im Klassenzimmer oder Klischees in Schulbüchern: Antisemitismus zeigt sich auch an den Schulen. Der Antisemitismus-Beauftragte Klein warnt vor Judenhass und fordert eine Meldepflicht für solche Vorfälle. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, und Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger haben vor Judenhass an deutschen Schulen gewarnt. "So wie in unserer Gesellschaft findet sich Antisemitismus leider auch zunehmend in unseren Schulen", sagte die FDP-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
"Das dürfen wir nicht hinnehmen." Lehrer in der PflichtStark-Watzinger sieht die Lehrerinnen und Lehrer besonders in der Pflicht. Sie spielten "eine zentrale Rolle, um jeder Form des Antisemitismus entschieden entgegenzutreten und Schülerinnen und Schüler gut aufzuklären".Klein wies darauf hin, dass Antisemitismus an Schulen auch verbreitet werde. "Er geht nicht nur von Schülern aus, sondern auch von den Lehrkräften. Es kommt mitunter zu fürchterlichen Bemerkungen - überall im Unterricht", sagte er ebenfalls den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Man müsse dringend handeln.Meldepflicht für antisemitische VorfälleDeshalb forderte Klein eine bundesweite Meldepflicht für antisemitische Vorfälle in Schulen und Nachbesserungen in der Lehrerausbildung. Der Umgang mit Antisemitismus und Rassismus müsse zum verpflichtenden, prüfungsrelevanten Bestandteil der Lehramtsausbildung in ganz Deutschland werden. Und drittens müsse man sich genau ansehen, wie in Schulbüchern über das Judentum aufgeklärt wird.In manchen Schulbüchern werde jüdisches Leben beschrieben "wie vor 2000 Jahren: Jungen lesen in der Thora und Mädchen mahlen Korn", kritisierte Klein. "Es gibt auch verheerende bildliche Darstellungen etwa in Religionsbüchern: Juden, die Jesus bei der Bergpredigt zuhören, werden düster gezeichnet." Das geschehe oft unbewusst, dürfe sich bei den Kindern aber nicht festsetzen. "In Schulbüchern muss deutlich werden, dass Juden zu Deutschland gehören."Weitere Schritte gegen Roger WatersNach der Kritik an dem Mitbegründer der Band Pink Floyd, Roger Waters, forderte Klein auch weitere juristische Schritte gegen Waters. "Ich appelliere an die Wachsamkeit von Polizei und Justiz und ermutige zu weiteren Anzeigen", sagte der Antisemitismusbeauftragte. Er rief Konzertveranstalter auf, sich gut zu überlegen, ob sie "Verschwörungserzählern eine Bühne bieten" wollten.
Dieses Thema im Programm:
Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk Kultur am 08. Mai 2023 um 11:08 Uhr.
https://www.tagesschau.de/
Rechtsextreme Vorfälle in Brandenburg
Hitlergruß auf dem Abiball
Stand: 25.05.2023 14:19 Uhr
Im April machten Lehrer aus Brandenburg mit einem Brandbrief auf rechtsextreme Vorkommnisse im Umfeld einer Schule aufmerksam. Inzwischen wurden weitere Fälle gemeldet. Auch andere Schulen sind laut rbb-Recherchen betroffen.
Von Silvio Duwe und Anne Grandjean, rbb
Als anonyme Lehrer im April in einem Brandbrief rechtsextreme Vorfälle an einer Schule in Brandenburg anprangern, beginnt das Rätselraten. Auf welche Schule beziehen sich die Verfasser? Das Schreiben löst bundesweit Entsetzen aus.Damals ist noch nicht bekannt, dass sie die Oberschule in Burg (Spreewald) meinen. Es geht um Hitlergrüße, um Hakenkreuzschmierereien und rassistische Beschimpfungen. Bianca B. kam das bekannt vor. "Es gab Vermutungen, dass es unsere Schule sein könnte", sagt sie dem ARD-Politikmagazin Kontraste und rbb24 Recherche. "Burg ist aus meiner Sicht kein Einzelfall."Ihr Sohn Jakob besucht die neunte Klasse des Erwin-Strittmatter-Gymnasiums im rund 40 Kilometer entfernten Spremberg. Er berichtet von rechtsextremen Vorfällen im Umfeld seiner Schule. "Schüler kleben sich Klebestreifen als Hitler-Bart auf und machen Hitlergrüße und die anderen grüßen zurück." Menschen mit dunklerer Hautfarbe würden als Ratten beschimpft und ihnen gesagt, dass sie "zurückgehen" sollen. "Leute, die sich dagegen positionieren, werden ausgegrenzt", sagt Jakob.Rechtsextreme JugendkulturAuch in Spremberg sollen Schüler Hakenkreuze an Wände geschmiert und in Tische geritzt haben, wie weitere Jugendliche erzählen, mit denen Kontraste und rbb24 Recherche gesprochen haben. Zudem liegen Screenshots aus der dem internen Whatsapp-Chat einer Klasse vor.In der Gruppe teilen Schüler etwa ein Hitler-Meme mit der Aufschrift: "Du bist lustig, dich vergas ich zuletzt". Sie stimmen darüber ab, ob Weiße das N-Wort sagen dürften. Nicht nur ist die Mehrheit der an der Umfrage Teilnehmenden dafür, ein Drittel stimmt für die wohl mindestens genauso rassistische Antwortoption "monkey", also "Affe". Allein im zweiten Schulhalbjahr wurden dem zuständigen Schulamt in Cottbus nach eigenen Angaben 15 rechtsextreme Vorfälle gemeldet.
Max Teske und Laura Nickel
20.05.2023
Rechte Gewalt in Brandenburg
Gegen das Schweigen
Hakenkreuze auf dem Schulhof, Rassismus im Ferienlager: Wie verbreitet ist Rechtsextremismus in Brandenburg? mehr >>>
Meinungsführer und Mitläufer
Wer mit Jugendlichen der beiden Schulen in Burg und Spremberg spricht, dem offenbart sich ein Muster. Da gebe es diejenigen, die gefestigte rechtsextreme Meinungen vertreten. Unter den Gleichaltrigen sollen sie als "cool" gelten. "Die zeigen ihre Positionen, die zeigen, wozu sie fähig sind. Davor haben einige Schüler Angst", sagt eine Burger Schülerin. "Und manche machen mit, weil sie wissen: Wenn nicht, werden sie ausgeschlossen oder gar beleidigt." Immer wieder ist die Rede von "Mitläufern".
Erwin-Strittmatter-Gymnasium in Spremberg
Am Erwin-Strittmatter-Gymnasium in Spremberg wurden rassistische Memes geteilt und Hakenkreuze geschmiert.
Für manche könnte der Rechtsradikalismus ein Weg sein, um dazuzugehören, sich als Teil einer Gruppe zu fühlen. Ein Foto etwa, das im April durch Medienberichte über die Vorfälle in Burg bekannt wurde, zeigt Schüler der Oberschule, wie sie mit dem Hitlergruß für die Kamera posieren. Sie sind erst zwischen 13 und 15 Jahre alt. Entstanden ist das Bild auf einem Sportplatz im Cottbuser Ortsteil Sielow. Die Burger Schulleiterin teilte am Dienstag mit, sie habe sich dazu entschieden, keine Anfragen von Medien zu beantworten.Schüler, die den Hitlergruß zeigenKontraste und rbb24 Recherche liegen zwei weitere Fotos aus dem unmittelbaren Umfeld einer Schule vor, diesmal geht es um ein Cottbuser Gymnasium. Die Aufnahmen sollen beim Abiball entstanden sein. Wieder zeigen junge Menschen den Hitlergruß."Rechtsextreme Ideologie wird in der Region seit Generationen weitergegeben", sagt Anne Brügmann, Projektkoordinatorin der "Opferperspektive" in Potsdam. Der Verein berät Menschen, die von rechter Gewalt betroffen sind. Jene, die zu Beginn der 1990er-Jahre an rassistischen Ausschreitungen und Angriffen auf eine Geflüchtetenunterkunft beteiligt waren, seien ab 2015 wieder bei rechten Kundgebungen mitgelaufen - teilweise mit ihren Kindern, so Brügmann.Heute stünden Väter und Söhne mitunter gemeinsam wegen rechter Straftaten vor Gericht. Brügmann führt das unter anderem auf die mangelhafte Aufarbeitung der "Baseballschlägerjahre" zurück, wie die Nachwendezeit in Ostdeutschland wegen der rechten Gewalt genannt wird.
Symbolbild:Rechtsextreme Demonstrierende halten ein Schild mit der Aufschrift:"Für eine Zukunft meiner 4 Kinder in unserer Heimat Deutschland".(Quelle:imago images)
28.04.2023
Brandenburg
"Es gibt Milieus, in denen das rechte Weltbild an die Kinder weitergegeben wird"
Die Vorfälle von Rassismus und rechtsradikalen Symbolen an einer Schule im Spree-Neiße-Kreis sorgen für Entsetzen. mehr >>>
Rechtsextreme in der Mitte der GesellschaftIm Süden Brandenburgs ist die rechtsextreme Szene nicht nur ideologisch fest verankert und beeinflusst Jugendliche. Die Ideologie dringe vor bis in die Mitte der Gesellschaft, sagt Brandenburgs Verfassungsschutzchef Jörg Müller. Eine Verbindung aus alten Rechtsextremisten, neuen Rechten, Hooligans, Türstehern und Gewerbetreibenden ergebe ein "toxisches Gebilde". In Deutschland gebe es so etwas nicht häufig.Nach Informationen von Kontraste und rbb24 Recherche sollen zum Beispiel Schüler der Oberschule in Burg ihren Abschluss im vergangenen Jahr im "Deutschen Haus" gefeiert haben - auf den ersten Blick eine gepflegte Touristengaststätte mit Biergarten und Veranstaltungssaal.
Symbolbild: Ein Lehrer schreibt das Wort "Demokratie" an eine Tafel.(Quelle:dpa/L.Ducret)
25.05.2023
Brandenburg
Rechtsextremismus ist hier kein Randphänomen
An einer Schule in Spree-Neiße sollen rechtsextreme Vorfälle zum Alltag gehören. mehr >>>
Abiball in einschlägiger Gaststätte
Betreiber ist Daniel G. Fotos zeigen ihn 2018 auf einer als "Trauermarsch" beworbenen rechtsextremen Kundgebung in Chemnitz und bei der Anreise zum "Kampf der Nibelungen", einem rechtsextremen Kampfsportevent im sächsischen Ostritz. Offenbar pflegt G. bis heute Kontakte in die rechtsextreme Kampfsportszene. Anfang Mai dieses Jahres reiste G. zur "European Fight Night" nach Ungarn, wo hunderte Neonazis zusammenkamen.Auch das Deutsche Haus wird als Versammlungsort der Szene genutzt. So fand dort im Sommer 2022 ein Verlagstreffen des Jungeuropa-Verlags statt. Die Referenten stammten aus dem Umfeld des "Instituts für Staatspolitik", der "Identitären Bewegung" und des Vereins "Einprozent" - allesamt vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistische Bestrebungen eingestuft. "Das Deutsche Haus in Burg ist für uns ganz klar ein Anlaufpunkt für Rechtsextremisten", sagt Jörg Müller, Brandenburgs Verfassungsschutzchef. "Es wird ja betrieben von einem bekannten Rechtsextremisten."Zwar soll die Oberschule in Burg mittlerweile ein Schreiben verfasst haben, laut dem sie eine erneute Abschlussfeier im Deutschen Haus nicht gutheiße. Die Entscheidung darüber liegt am Ende aber offenbar bei den Eltern.
Logo der Sendung "Kontraste"
24.05.2023
ARD-Politikmagazin
Dieses Thema im Programm:
Über dieses Thema berichtete BR24 am 26. Mai 2023 um 10:20 Uhr.
https://www.tagesschau.de/
Schüler bei Klassenfahrt bedroht
Polizei identifiziert rassistische Pöbler in Brandenburg
08.05.2023, 11:55 Uhr
Überstürzt muss eine Berliner Schulklasse aus einer Ferienherberge in Brandenburg abreisen, nachdem andere Gäste sie massiv rassistisch beschimpft und bedroht haben. Die Polizei kommt den Jugendlichen zu Hilfe - und stellt für den Staatsschutz die Identitäten der Pöbler fest.
Nach rassistischen Beleidigungen gegen Schüler aus Berlin während eines Ausflugs in Südbrandenburg ermittelt der Staatsschutz wegen Volksverhetzung und Bedrohung. Von 28 Personen seien die Identitäten festgestellt worden, sagte eine Polizeisprecherin. Ob es sich bei allen um Tatverdächtige handele, sei noch unklar.
Die Berliner Schülerinnen und Schüler, die größtenteils einen Migrationshintergrund haben, waren in einer Ferienanlage am Frauensee in der Gemeinde Heidesee (Dahme-Spreewald) untergebracht, als sie in der Nacht zum Sonntag von anderen Gästen rassistisch beleidigt wurden. Eine Gruppe, die laut Polizei aus der Region kam, feierte in derselben Ferienanlage am Frauensee Geburtstag. Aus dieser Gruppe heraus sei die Schulklasse "fremdenfeindlich" beschimpft und bedroht worden, sagte die Polizeisprecherin. Einige der Betroffenen seien erkennbar muslimischen Glaubens und hätten Kopftücher getragen.
Laut "Bild"-Zeitung sollen einige Personen der Geburtstagsgesellschaft versucht haben, in die Herberge, in der die Klasse untergebracht war, einzudringen. Eine körperliche Auseinandersetzung konnte die Polizei nach eigenen Angaben verhindern. Die Klasse fuhr den Angaben zufolge noch in der Nacht nach Berlin zurück. Die Polizei begleitete die Abreise. Ein Lehrer hatte nach der Auseinandersetzung in der Anlage die Eltern der Schüler informiert.
Matheprüfung wird womöglich verschoben
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Übergriff in Südbrandenburg
Im Ferienlager rassistisch bedroht - Schulklasse reist ab
Einem Bericht der "B.Z." zufolge sind die Schülerinnen und Schüler 15 und 16 Jahre alt. Unter Berufung auf einen Vater eines Schülers berichtete die Zeitung, die Eltern hätten ihre Kinder gegen 3 Uhr aus der Unterkunft abholen müssen. "Viele Kinder stehen unter Schock. Sie kannten diese Ausländerfeindlichkeit aus Berlin nicht. Es wird jetzt überlegt, die Matheprüfung am Mittwoch zu verschieben", sagte der Vater der Zeitung. Die Jugendlichen hätten sich eigentlich in Brandenburg auf die Prüfung vorbereiten wollen, schrieb die "B.Z.".
Die Befragung der Schülerinnen und Schüler in Berlin zum Geschehen werde einige Zeit in Anspruch nehmen, sagte die Polizeisprecherin. Polizisten hatten bereits in der Nacht des Vorfalls erste Zeugen befragt.
Quelle: ntv.de, jog/dpa
https://www.n-tv.de/
Rassistisch beleidigte Schüler sollen befragt werden
Erstellt: 09.05.2023, 11:28 Uhr
Ein Einsatzwagen der Polizei steht vor einer Dienststelle. © Friso Gentsch/dpa/Symbolbild
Nach den rassistischen Anfeindungen in einer Ferien- und Freizeitanlage im südbrandenburgischen Heidesee sollen die betroffenen Berliner Schülerinnen und Schüler noch in dieser Woche von der Polizei befragt werden. Brandenburger Polizisten würden dazu in die Hauptstadt fahren, sagte die Sprecherin der Polizeidirektion Süd, Ines Filohn.
Cottbus/Berlin - Zunächst bräuchten die Schüler der zehnten Klasse aber Ruhe, um ihre Matheprüfung bewältigen zu können. Zudem sei der Vorfall sehr „ermittlungsintensiv“, erklärte Filohn. „Wir brauchen etwas Aussagekräftiges, was auch vor Gericht verwendbar ist.“ Der Staatsschutz ermittelt wegen des Verdachts der Volksverhetzung und Bedrohung. Von 28 Personen wurden bereits die Identitäten festgestellt, laut Polizei sollen vier bis fünf Jugendliche „aktiv“ geworden sein.
Die Berliner Schülerinnen und Schüler, die größtenteils einen Migrationshintergrund haben, waren in einer Ferienanlage in Heidesee (Dahme-Spreewald) untergebracht, als sie in der Nacht zum Sonntag von anderen Gästen rassistisch beleidigt wurden. Eine Gruppe, die laut Polizei aus der Region kam, feierte in derselben Ferienanlage am Frauensee Geburtstag. Aus dieser Gruppe heraus sei die Schulklasse „fremdenfeindlich“ beschimpft und bedroht worden, sagte die Polizeisprecherin.
Einige der Betroffenen seien erkennbar muslimischen Glaubens und hätten Kopftücher getragen. Eine körperliche Auseinandersetzung konnte die Polizei nach eigenen Angaben verhindern. dpa
https://www.merkur.de/
Brandenburg
Polizei ermittelt zu mutmaßlich rechten Vorfällen an Brandenburger Schule
Stand: 26.04.2023 12:48 Uhr
Hitlergruß auf dem Sportplatz, Mobbing gegen linke und migrantische Mitschüler, eingeschüchterte Lehrer: Eine Schule im Spree-Neiße-Kreis schlägt Alarm. Inzwischen haben sich weitere Schulen beim rbb gemeldet – und das Schulamt schaltet sich ein.
Offener Brief von Lehrern einer Schule in Spree-Neiße prangert rechtsmotivierte Gewalt an
Polizei ermittelt wegen mutmaßlicher Straftaten
Andere Schulen berichten von ähnlichen Vorfällen
Zuständiges Schulamt will tätig werden, Landrat sichert Unterstützung zu
Player: videoPolizei ermittelt zu mutmaßlich rechten Vorfällen an Brandenburger Schule
Video: rbb24 Brandenburg Aktuell | 25.04.2023 | N. Capelle | imago images/Michael Weber5 Min
Polizei ermittelt zu mutmaßlich rechten Vorfällen an Brandenburger Schule
Nach einem rbb-Bericht über mutmaßliche Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund an einer Schule im Landkreis Spree-Neiße hat die Polizei Ermittlungen aufgenommen.
Lehrkräfte hatten sich mit einem Brief an mehrere Medien, darunter der rbb, gewandt. "Wir wenden uns an die Öffentlichkeit, da wir in unserem Arbeitsalltag als Schulpersonal an einer Schule im Spree-Neiße-Kreis täglich mit Rechtsextremismus, Sexismus und Homophobie konfrontiert werden und nicht mehr länger den Mund halten wollen", heißt es in dem entsprechenden Schreiben.
Auch der Polizei liegt der Brief inzwischen vor. "Die Kriminalpolizei ermittelt zu möglicherweise strafrechtlich relevanten Sachverhalten", sagte Polizeisprecher Maik Kettlitz am Dienstag.
Symbolbild: Schüler stehen auf einem Pausenhof. (Quelle: dpa/Armin Weigel)
Lehrer prangern in offenem Brief rechte Vorfälle an Brandenburger Schule an
Hitler-Gruß, rassistische und rechtsextreme Sprüche: Lehrer einer Schule im Spree-Neiße-Kreis haben sich mit einem offenen Brief an verschiedene Medien gewandt. Darin schreiben sie von täglichen rechten Vorfällen. Von Jo Gollmehr
"Lehrkräfte und Eltern fürchten um ihre Sicherheit"In dem "Brandbrief" zeichnen die Lehrkräfte, die das Schreiben nicht namentlich unterschrieben haben, ein düsteres Bild vom Geschehen an ihrer Schule. Als Beispiele nennt die Lehrerschaft unter anderem die verfassungsfeindliche Verbreitung von rechtsextremen Symbolen, Schriften, Musiktiteln und Gewalt an der Schule. Schulmobiliar werde mit Hakenkreuzen beschmiert, im Unterricht werde rechtsextreme Musik gehört, auf dem Sportplatz der Hitlergruß gezeigt, in den Schulfluren demokratiefeindliche Parolen gerufen.
"Lehrkräfte und Schüler, die offen gegen rechtsorientierte Schüler- und Elternhäuser agieren, fürchten um ihre Sicherheit", heißt es weiter. Die wenigen ausländischen und toleranten Schüler erlebten Ausgrenzung, Mobbing und Gewaltandrohungen. Es herrsche ein Gefühl der Machtlosigkeit und der erzwungenen Schweigsamkeit.
Die Lehrkräfte fordern die Politik auf, mehr Sozialarbeiter an den Schulen einzustellen, mehr demokratiefreundliche Projekte zu fördern, ein niedrigschwelligeres Fortbildungsangebot für Lehrkräfte zu ermöglichen und eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Rechtsextremismus, Homophobie und Sexismus zu zeigen.Schulamt will sich mit Vorfällen befassenNach dem Brandbrief haben sich inzwischen weitere Schulen in Südbrandenburg beim rbb gemeldet, die Ähnliches berichten und nun aktiv werden wollen.
Auch das Schulamt befasst sich mit der Situation. "Wir werden auf jeden Fall tätig", teilte der Leiter des zuständigen Schulamts, Uwe Mader, am Mittwoch mit. Er sei "zutiefst geschockt und entsetzt" über die Lage, die mehrere Lehrer in einem Brief an die Öffentlichkeit beschrieben.
Das Schulamt ist für die Schulen in Südbrandenburg zuständig und dem Brandenburger Bildungsministerium unterstellt. Die Vorwürfe wögen schwer und würden sehr ernst genommen, sagte Ressortsprecherin Ulrike Grönefeld. "Wenn Lehrkräfte den Weg über einen öffentlichen Brief wählen, kann dies auch als ein Hilferuf verstanden werden."
Der Landrat von Spree-Neiße, Harald Altekrüger (CDU), sagte der betroffenen Einrichtung Unterstützung zu. "Schule muss ein Ort bleiben, wo sich Schüler und Lehrkräfte gleichermaßen sicher fühlen und gemeinsam lernen können. Für politischen Extremismus und Gewalt ist hier kein Platz", hieß es in einer Stellungnahme des Landrates am Mittwoch.
Träger der Schule ist der Kreis jedoch nicht. Für konkrete Maßnahmen gebe es engen Kontakt mit dem Schulamt in Cottbus, hieß es weiter. An der betroffenen Einrichtung gibt es laut Altekrüger eine vom Landkreis finanzierte Schulsozialarbeit.
Symbolbild:Rechtsextreme Demonstrierende laufen bei einer Kundgebung mit Reichsflaggen mit.(Quelle:imago images/E.Thonfeld)
Stübgen: Rechtsextremismus stellt in Brandenburg weiter große Gefahr dar
Die Zahl der Menschen, die der Verfassungsschutz in Brandenburg dem Rechtsextremismus zuordnet, hat im Jahr 2022 zugenommen - das zeigt der neue Bericht der Behörde. Einfluss darauf hat auch der Krieg in der Ukraine.mehr
Künftiger Bildungsminister zeigt sich schockiert - Kritik seitens der LinkenDer designierte Brandenburger Bildungsminister, Staatssekretär Steffen Freiberg (SPD), sagte am Dienstag bei einer Pressekonferenz, man sei mit der Schulleitung in Kontakt und versuche zu klären, was vorgefallen ist. Die Berichte nannte er schockierend. Freiberg sagte am Dienstag rbb24 Brandenburg aktuell, das sei nicht nur Mahnung, sondern auch ein Aufruf für alle Demokraten, da einzustehen und die verfassungsmäßige Ordnung zu verteidigen.
Die Linksfraktion im Landtag forderte in Hinblick auf den Brandbrief mehr Engagement des Landes gegen Rechtsextremismus. "Brandenburg hat eben keine ausreichend gelebte Null-Toleranz-Politik gegenüber Rechtsextremismus, Diskriminierung, Homophobie und Sexismus", kritisierte die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Kathrin Dannenberg, am Mittwoch einer Mitteilung zufolge. "Demokratische Werte werden von vielen Erwachsenen, auch von Eltern und Pädagog*innen zu wenig vertreten und vermittelt." Auf Antrag der Linksfraktion befasst sich am Donnerstag der Bildungsausschuss des Landtags mit dem Thema.
Damit aus einem Schneeball keine Lawine wird, ist es wichtig, sich im Kollegium abzusprechen.
Experte empfiehlt frühzeitiges HandelnMarkus Klein, Geschäftsführer von Demos, einem mobilen Beratungssystem zum Rechtsextremismus, appelliert an betroffene Lehrkräfte, so früh wie möglich zu handeln. "Damit aus einem Schneeball keine Lawine wird, ist es wichtig, sich im Kollegium abzusprechen", sagte Klein am Mittwoch im rbb24 Inforadio.
Symbolbild: Fähnchen mit dem Logo der AfD liegen beim Landesparteitag. (Quelle: dpa/D. Karmann)
Verfassungsschutz stuft AfD-Jugendorganisation als rechtsextrem ein
Der Verfassungsschutz stuft die "Junge Alternative" ab sofort als rechtsextrem ein. Es bestehe kein Zweifel, dass die Jugendorganisation der "Alternative für Deutschland" "verfassungsfeindliche Bestrebungen" verfolge.mehr
Er zeigte grundsätzlich Verständnis dafür, dass Lehrerinnen und Lehrer bei rassistischen Äußerungen in einem ersten Impuls erstmal wegsähen: "Das ist durchaus nachvollziehbar, auch aus Selbstschutz - vor allem wenn unklar ist, ob Kollegen und Schulleitung mir den Rücken stärken." Durch den Brandbrief werde im aktuellen Fall allerdings deutlich, dass die Lehrer das Gefühl hätten, alleine zu sein, so Klein. "Das ist ein zentraler Punkt, dass Schulleitung und Kollegium an einem Strang ziehen." Grundsätzlich gebe es Unterstützungsmöglichkeiten für Lehrkräfte, die von Fortbildungen bis Einzelberatungen reichen würden, sagte Klein.
Der Demos-Geschäftsführer sieht aber auch die Politik in der Verantwortung. Rechtextremismus habe sich etwa mit Blick auf die AfD und ihr Handeln verändert. Bestimme Parolen seien inzwischen salonfähig: "Das verändert das Klima und wirkt auch bestimmt auf die Schüler und auf dem Schulhof."
Sendung: rbb24 Inforadio, 25.04.2023, 19:30 Uhr
Rundfunk Berlin-Brandenburg
Quelle: rbb
https://www.tagesschau.de/
SCHULE IN DER AUSEINANDERSETZUNG MIT RECHTSEXTREMISMUS
Tolerantes Brandenburg | Kompetent für Demokratie | Regionale Arbeitsstellen für Ausländrfragen, jugendarbeit und Schule
https://docslib.org/doc/675218/schule-in-der-auseinandersetzung-mit-rechtsextremismus
Schule und Rechtsextremismus
Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung
https://www.politische-bildung-brandenburg.de/
Rechtsextremismus als Herausforderung für Schule und Jugendarbeit : Perspektiven für das Land Brandenburg
Verfasserangaben: Wilfried Schubarth ORCiDGND
ISBN: 978-3-86650-640-4
Publikationstyp: Wissenschaftlicher Artikel
Sprache: Deutsch
Jahr der Erstveröffentlichung: 2007
Erscheinungsjahr: 2007
Datum der Freischaltung: 24.03.2017
Quelle: Rechtsextremismus in Brandenburg : Handbuch für Analyse, Prävention und Intervention ; mit einem Geleitwort von Jörg Schönbohm / Hrsg.: Julius H. Schoeps ; Gideon Botsch ; Christoph Kopke ; Lars Rensmann. - Berlin : Verl. für Berlin-Brandenburg, 2007. - ISBN 978-3-86650-640-4. - S. 330 - 338
Organisationseinheiten: Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät / Sozialwissenschaften
https://publishup.uni-potsdam.de/
Rechtsextremismus: Schule
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Neben Elternhaus und Wohnumfeld ist die Schule die Institution, die Kinder und Jugendliche am intensivsten prägt. Wie können Lehrer und Betreuer frühzeitig darauf hinwirken, dass Schüler keine menschenfeindlichen und intoleranten Haltungen entwickeln? Wie können Vorurteile und rechtsextreme Haltungen wieder abgebaut werden? Und wie können Rechtsradikale mit ihrer Einflussnahme aus dem Schulalltag ferngehalten werden? Einblicke und Ansätze aus der Erfahrung von Schülern, Eltern, Lehrern und Wissenschaftlern.
Seit mehr als drei Jahren kämpft U. Hopf gegen die rechtsextreme Gesinnung ihres Sohnes.
Rechtsextremismus
Hakenkreuze an der Tafel
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Seit mehr als drei Jahren versucht Ute Hopf ihren Sohn aus der Neonazi-Szene herauszuholen. Seine extreme Haltung führte dazu, dass er von der Schule flog. Und für seinen jüngeren Bruder wurde er…
Mangel an Anerkennung und Zugehörigkeitsgefühl treiben viele Jugendliche in rechtsextreme Cliquen.
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"Von Freundschaft ist keine Rede"
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Was treibt junge Leute in die rechtsextreme Szene? Die Suche nach Anerkennung, die ihnen Elternhaus, Schule und Umfeld sonst nicht bieten, analysiert Reinhard Koch von der Arbeitsstelle…
Schüleraktion in Rostock. >>>
Rechtsextremismus
"Kommunikationsfähigkeit ist gefragt"
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Bildungsarbeit gegen Rechtsextremismus ist nicht nur notwendige Bildung im klassischen Sinne, meint der Freiburger Soziologe Prof. Albert Scherr. Sie umfasst viel mehr. Ein Ausschnitt aus Scherrs…
Antisemitische Schmiererei auf dem Schulhof. >>>
Rechtsextremismus
Antisemitismus – immer noch ein relevantes Thema für die Bildungsarbeit?
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Wie sollten Pädagoginnen und Pädagogen im Idealfall mit Schülern umgehen, die sich antisemitisch oder rechtsextrem äußern und verhalten? Empfehlungen von Prof. Albert Scherr und Barbara Schäuble.
Ein Mitarbeiter der Schule haengt am Freitag (14.01.11) in Berlin - Lichtenberg an einem Fenster des Max-Taut-Oberstufenzentrums ein Blatt mit einem durchgestrichenen Hakenkreuz neben eines mit der Aufschrift OSZ gegen Nazis. Die rechtsextreme NPD darf die Raeume einer Schule im Berliner Bezirk Lichtenberg fuer ihren Wahlkampfauftakt 2011 und einen Festakt zur Fusion mit der DVU nutzen. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg wies am Donnerstag (13.01.11) die Beschwerde der Senatsbildungsverwaltung gegen einen Beschluss der Vorinstanz zurueck. Das Verwaltungsgericht Berlin hatte das Land Berlin per einstweiliger Anordnung dazu verpflichtet, der NPD am Samstag (15.01.11) die Aula der Max-Taut-Schule fuer zehn Stunden fuer eine Veranstaltung zur Verfuegung zu stellen. >>>
Rechtsextremismus
Was können Schülerinnen und Schüler tun?
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Immer öfter versuchen Neonazis, an Schulen Fuß zu fassen. "Jammern gilt nicht, man kann mit braunen Typen fertig werden" kommentiert die Schülerin Tilla Masberg in der Schülerzeitung "Q-rage" des…
Schülerzeitung Martinshorn und hervorgerufenen Zeitungsschlagzeilen in Halberstadt. >>>
Rechtsextremismus
Das Martinshorn. Ein Medium mit Mut.
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Dass Schülerzeitungen mehr können, als nur Schulhofplausch auszulösen, beweist seit zwei Jahren die Zeitung Martinshorn des Gymnasiums Martineum in Halberstadt. Regelmäßig gibt es dort…
Eintrag eines bekennenden Nazis im SchülerVZ Anfang Februar 2008, er wurde nach 11 Tagen im Netz entfernt. >>>
Rechtsextremismus
Neonazis und Fremdenhass auf SchülerVZ
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Eine Recherche von stern.de: Zum wiederholten Mal sind beim Online-Netzwerk SchülerVZ Nazi-Symbole aufgetaucht. So haben Mitglieder ihre persönlichen Seiten mit Hakenkreuzen illustriert und dort…
Schüler bei Antinazidemonstration in Delmenhorst 2006. >>>
Rechtsextremismus
Über den Zusammenhang von Anerkennung, Bildung und Demokratie
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Vor allem Anerkennungsdefizite führen bei jungen Menschen Aggressionen herbei und verstärken die Neigung, sich Gruppierungen anzuschließen, die totalitäre Auffasssungen vertreten. Welche…
Transparent in Dessau anlässlich einer Neonazi-Demonstration. >>>
Rechtsextremismus
Muster-Seminar über Rechtsextremismus
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Auch an Universitäten ist Rechtsextremismus zunehmend ein Thema. Ein Musterseminar aus Jena - zur Nachahmung empfohlen. >>>
https://www.bpb.de/
Wolfgang Beutel: Demokratie statt „Rechts“ – Rechtsextremismus als Herausforderung in
Schulprojekten
Im Zusammenhang mit der seit einer Dekade laufenden Debatte um Demokratiepädagogik
(Beutel/Fauser 2007; Haan et al. 2007) ist eines der Kernargumente für Demokratielernen der
Zusammenhang von demokratischer Erfahrung mit der Prävention gegen Fremdenfeindlichkeit,
Rassismus, Antisemitismus und die „Neue Rechte“. Existenz, Umfang sowie Bedrohlichkeit der
fremdenfeindlichen, rechtsextremen, antisemitischen, rassistischen und zumindest in Teilen
gewaltbereiten Jugendkultur sind unübersehbar, bilanzieren Bromba und Edelstein (2001).
So war denn auch das bundesweit Aufmerksamkeit erregende Modellprogramm „Demokratie lernen und
leben“, das von 2001 bis 2007 über 120 Schulen und eine Fülle an Akteuren systematisch in einen
Entwicklungskontext eingebunden hat, nicht nur von der Perspektive des Ziels
„Demokratieerziehung“ bestimmt, sondern von dem maßgeblichen Motiv, die seit Mitte der 1980er Jahre diskutierte „Politikverdrossenheit“ nicht nur als Abwendung der Bürgerschaft und ihrer Jugend
von der Politik und der Demokratie zu beschreiben, sondern zugleich als Rekrutierungspunkte für die
„Neue Rechte“ zu begreifen und damit zugleich für eine neue, gefährlich antidemokratische
Politisierung: „Während allgemein das Interesse an Politik unter deutschen Jugendlichen weiter sinkt,
könnte unbemerkt am rechten Rand eine Politisierung von Jugendlichen stattfinden", formuliert der
Jugendforscher Sturzbecher diese dramatische Hypothese (2001, S. 119) vor dem Hintergrund
empirischer Analysen, die v.a. die Entwicklung von Jugendkultur und Politikverhalten in den neuen
Bundesländern in den Blick nehmen.
Inzwischen wissen wir einerseits von den Gefährdungen jugendspezifischer Gruppenbildungen in den
östlichen Bundesländern, die eine besondere Perspektive auf Fremdenfeindlichkeit und
Rechtsextremismus dort begründen. Wir sehen zugleich jedoch auch, dass in den sozialen
Brennpunkten sowie den Regionen des Strukturwandels in Industrie und Wirtschaft, aber auch in
ländlichen Räumen ohne große Entwicklungsperspektive in den alten Länder ähnliche Phänomene zu
gewärtigen sind: Im Frühjahr 2009 kommt es bspw. zu Auseinandersetzungen zwischen
Rechtsradikalen, die prodemokratische Demonstranten in der Stadt Dortmund gewalttätig angreifen.
Auch im wirtschaftlich nach wie vor vergleichsweise prosperierenden Raum Stuttgart etabliert sich
eine stabile neofaschistische Szenerie, die Jugendliche einschließt.
Kurz gesagt: vieles deutet darauf hin, dass es sich hier um ein Wechselspiel zwischen
Integrationskraft demokratischer Verhältnisse in Politik, Bürgerschaft und Öffentlichkeit mit der
Rückzugstendenz sowie der damit verbundenen antidemokratischen Repolitisierung auch bei
Jugendlichen handelt, dem sich Schule und Lernen stellen müssen. Nicht erst das genannte
demokratiepädagogische BLK-Programm ging davon aus, dass hier „ein direkter Zusammenhang
zutage tritt zwischen wachsender Gewaltbereitschaft und Rechtsextremismus einerseits und
Demokratiefeindlichkeit andererseits… “, weil „… im Rechtsextremismus die grundlegende
Wechselseitigkeit sozialer und politischer Anerkennungsverhältnisse außer Kraft gesetzt ist, auf
denen Demokratie beruht“ (Edelstein/Fauser 2001, S. 16). Bereits das Ende der 1980er-Jahre
etablierte schul- und projektbezogene „Förderprogramm Demokratisch Handeln“ (Beutel/Fauser
2001) hat in der Präsenz von entsprechenden Projekten zeigen können, dass die Erfahrung von
Demokratie mit der Prävention und Intervention gegen Rechtsextremismus und
Fremdenfeindlichkeit zusammenwirkt. Seit Beginn dieses inzwischen über 19 Jahre laufenden
Schulentwicklungsprojektes sind dabei zwei thematische Schwerpunkte in Blick auf diesen
Zusammenhang bemerkenswert: Der Themenkreis „Zusammenleben, Umgang mit Gewalt und
Minderheiten“.
http://schule-demokratie.brandenburg.de/
Alternative Stadtrundfahrt: Hamburg im Nationalsozialismus
in Kooperation mit dem Landesjugendring
[Freitag, 23. Juni um 16:30 Uhr]
Eine ganz besondere politisch-historische Veranstaltung vor Ort, die wir in Kooperation mit dem Landesjugendring durchführen. Entdecke auf dieser Stadtrundfahrt bekannte und unbekannte Orte in Hamburg und Umgebung und ihre Funktion im Dritten Reich (s. das Beitragsbild “Hamburger Stadthaus”, das zum Sitz der Hamburger GeStaPo-Haupt-Zentrale wurde). Dabei werden wir über die wichtigsten Grundzügen der NS-Ideologie und des NS-Machtapparates informieren, du wirst Zeugnisse von den Verfolgungen und Vernichtungen sichtbar erfahren, aber auch die unterschiedlichen und mutigen Formen des Widerstandes kennenlernen
Wir wollen uns auf diese Weise einem besonders düsteren Teil der Hamburger Geschichte anschaulich und kritisch nähern, Ursachen von Gewaltherrschaft verstehen lernen, für aktuelle gesellschaftliche Probleme sensibilisieren und Denkanstöße für präventive Maßnahmen geben.
Melde dich bitte rechtzeitig an, da wir einige organisatorische Absprachen und inhaltliche Vorbereitungen treffen müssen und die Teilnehmerzahl begrenzt ist.
Interesse? Dann melde dich an
per Online-Anmeldeformular
oder ruf uns gerne an: 040 38 59 49.
https://agij.de/
Dürfen wir unseren Kindern die Buchklassiker noch zumuten?
Stand: 24.08.2022 10:29 Uhr
Die Auseinandersetzung um korrekte, nicht-diskriminierende Sprache wird mit viel Emotion geführt. Das gilt auch für Kinderbuchklassiker in Deutschland wie "Pippi Langstrumpf" und "Jim Knopf".
von Patric Seibel
Als Astrid Lindgren das erste Pippi Langstrumpf-Buch veröffentlichte, eroberte das rothaarige Mädchen die Kinderzimmer in aller Welt im Sturm. Pädagogen und Konservative reagierten verschreckt auf diese antiautoritäre Supernova, die die Welt auf den Kopf stellte. Im Zirkus besiegte sie sogar den "starken Adolf" im Ringkampf - und dessen Namen hatte Astrid Lindgren beim Schreiben damals im Jahr 1944 bewusst gewählt.
Drei als Polizisten verkleidete Menschen stehen streng blickend hinter einer Parkbank, auf der Dr. Nepomuk Riva mit einem Kontrabass sitzt und zu ihnen aufschaut. © Isabel Winarsch für VolkswagenStiftung
Rassismus in Kinderliedern: Wie sollten wir damit umgehen?
Der Musikethnologe Nepomuk Riva will dafür sensibilisieren, dass gewisse Lieder rassistische Ansichten transportieren.
Pippi Langstrumpf und der "Südseekönig"
Viele Jahrzehnte später sind die Pippi-Bücher noch immer Bestseller - aber in Zeiten neuer Sensibilität kam Kritik am von Lindgren in zeittypischer Manier verwendeten N-Wort auf. Seit 2009 ersetzt der Hamburger Oetinger-Verlag den diskriminierenden Begriff durch den "Südseekönig". Von einer erklärenden Fußnote, wie in älteren Ausgaben, ist man abgekommen, weil sie auf Kinder irritierend wirken könne, heißt es aus dem Verlag. Außerdem könnten Kinder die historische Einordnung von Sprache nicht selbst leisten.
Eine Geschichte von Lindgrens Lotta aus der Krachmacherstraße, in der die Kinder Sklaven spielen, wurde in der aktuellen Ausgabe entfernt. Der Verlag kann das nicht selbständig machen, sondern muss jeden Einzelfall mit den Lindgren-Erben abstimmen. Im Dressler-Verlag werden die Tom-Sawyer Bücher von Mark Twain aktuell in der historischen Fassung mit dem N-Wort veröffentlicht. Im Klappentext informiert ein Hinweis zur historischen Einordnung.
Die Magellanstrasse - Farblithographie nach einem Gemälde von Rudolf Hellgrewe. © picture-alliance / akg Foto: akg-images
Die Toten von Feuerland
1830 tauschten Seeleute eines Forschungsschiffes mit den Ureinwohnern Feuerlands: Junge gegen Knopf. Ulrike Haage und Andreas Ammer erzählen die wahre Geschichte hinter Jim Knopf.
Jim Knopf: wunderbar antirassistische Geschichte
Auch Jim Knopf, der von Michael Ende erdachte kleine schwarze Junge, der im Postpaket in Lummerland ankommt, wird vereinzelt kritisiert. Dabei besteht weitgehend Konsens, dass Michael Ende hier eine wunderbar antirassistische Geschichte von Emanzipation und Freundschaft erzählt. Wie die Literaturwissenschaftlerin Julia Voss glaubt, hat Ende sich für Jim Knopf Jemmy Button zum Vorbild genommen, jenen jungen Mann aus Feuerland, den Charles Darwin vor 200 Jahren an Bord des Expeditionsschiffs 'Beagle' kennenlernte, und der vom Kapitän zuvor quasi als Forschungsobjekt und Expeditionsbeute nach England verschleppt worden war."
Rainer Moritz: Ergänzungen in Kinderliteratur sinnvoll
Der Chef des Hamburger Literaturhauses, Rainer Moritz, hat bei Kinderliteratur die gleichen Vorbehalte gegen Textkorrekturen, wie bei der Erwachsenenliteratur. Allerdings müsse das Lesen hier doch etwas betreuter ablaufen, meint Moritz: "Man kann sicherlich, wenn es um Schul- oder Vorlesetexte geht, mit Kommentierungen und Ergänzungen arbeiten. Manche Autoren, wie ich glaube, Otfried Preußler, haben sich bereit erklärt, eine Figur zu ändern. In der Kinder- und Jugendliteratur ist die Sache für mich etwas komplexer. Da habe ich nichts gegen Kommentierungen oder Ergänzungen, die das ersetzen, was Erwachsene beim Lesen selber herausfinden müssen."
Preußler, Lindgren und Ende sahen sich in den 1960er-Jahren unisono dem Vorwurf der damaligen Literaturkritik ausgesetzt, nicht realistisch genug zu schreiben, sondern die Kinder in Fantasie und heile Welten flüchten ließen. Fast scheint es, als werde die Kinderliteratur besonders gründlich auf Korrektheit überprüft.
Walter Benjamin: Kinderliteratur soll nicht pädagogisch daherkommen
Unabhängig davon, was Korrektheit im jeweiligen Zeitkontext bedeutet. Das Wichtigste bei Kinderliteratur sei, dass sie gerade nicht pädagogisch daherkomme, sondern sich von den Kindern einverleibend lesen lasse - so schrieb es vor gut 90 Jahren der große Literatur- und Kulturwissenschaftler Walter Benjamin. Er traute den kindlichen und jugendlichen Leserinnen und Lesern offensichtlich mehr zu, als heute üblich.
https://www.ndr.de/
MEMO-Jugendstudie von IKG-Universität Bielefeld und Stiftung EVZ: Wie junge Erwachsene an Geschichte erinnern
21.02.2023
Berlin/Bielefeld (ots) -
Junge Erwachsene wollen im Kontext der NS-Zeit Faktenwissen, historische Orte und Gegenwartsbezüge vermittelt bekommen
Die Hälfte der befragten 16- bis 25-Jährigen kann den Zeitraum der NS-Herrschaft nicht korrekt benennen
Jede:r Dritte fühlte sich im Alltag selbst schon diskriminiert
Der Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg sind für Jugendliche und junge Erwachsene zentrale Referenzpunkte in der Erinnerungskultur Deutschlands. Dies geht aus der MEMO-Jugendstudie des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld hervor. Die Befragung wurde von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) gefördert. 63 Prozent der jungen Erwachsenen, aber nur 53 Prozent im Durchschnitt aller Altersgruppen, geben an, sich intensiv mit dem Nationalsozialismus auseinandergesetzt zu haben. Entscheidend für die Auseinandersetzung sind der eigene Bildungshintergrund und der der Eltern, weniger andere Faktoren wie Alter, Geschlecht oder Herkunftsgeschichte der Familie. Rund drei Viertel der 16- bis 25-Jährigen stellen den Sinn der Auseinandersetzung mit diesem Teil der deutschen Geschichte nicht in Frage. Die Auswertungen der MEMO-Jugendstudie zeigen zugleich Lücken im Faktenwissen zum Nationalsozialismus auf und liefern neue Ansätze für Bildungsarbeit.
Dazu Prof. Dr. Jonas Rees, Universität Bielefeld: "Jungen Erwachsenen wird gern historisches und politisches Desinteresse unterstellt. Unsere Befragung ergibt jedoch das Bild einer in weiten Teilen engagierten und interessierten Generation. Gleichzeitig zeigen sich systematische Lücken mit Blick auf ganz grundlegendes Wissen um historische Fakten. Als Gesellschaft wären wir gut beraten, die Gruppe der jungen Erwachsenen als zukünftige Träger:innen von Erinnerungskultur ernst zu nehmen. Wir sollten uns fragen, welchen Stellenwert die Erinnerung an die NS-Verbrechen für uns heute noch spielt, denn der lässt sich nicht nur daran ablesen, was wir kollektiv erinnern, sondern auch daran, was wir kollektiv vergessen."
Junge Erwachsene wollen im Kontext der NS-Zeit Faktenwissen, historische Orte und Gegenwartsbezüge vermittelt bekommen
Die jungen Erwachsenen wurden gefragt, welche Anliegen ihnen in Bezug auf selbstbestimmtes Lernen über den NS-Kontext besonders wichtig sind. Den meisten Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist wichtig, dass sie neues Faktenwissen lernen (75 Prozent), dass sie historische Orte besuchen können (51 Prozent) und dass in den Bildungsangeboten Bezüge zwischen Vergangenheit und Gegenwart hergestellt werden (48 Prozent). Der Wunsch nach "Unterhaltung" spielt lediglich eine untergeordnete Rolle. Das dringlichste inhaltliche Interesse berichten die Befragten in Bezug auf die gesellschaftlichen Umstände der NS-Verbrechen und die Rolle und Verantwortung der vermeintlich unbeteiligten deutschen Bevölkerung (35 Prozent).
Die Hälfte der befragten 16- bis 25-Jährigen kann den Zeitraum der NS-Herrschaft nicht korrekt benennen
An dieser und anderen Stellen der MEMO-Jugendstudie werden Potenziale für neue Bildungsformate deutlich. Defizite zeigen sich im Rahmen der Studie unter anderem in Bezug auf das vorhandene historische Faktenwissen. So kann nur knapp die Hälfte der Befragten den Zeitraum der NS-Herrschaft vollständig und korrekt benennen. Während über die Hälfte der 16- bis 25-Jährigen mindestens drei Opfergruppen des Nationalsozialismus kennt, kann jede:r fünfte Befragte nur eine oder gar keine Opfergruppe benennen. Einzelne Opfergruppen sind dabei besonders wenig bekannt. So nennt etwa weniger als die Hälfte der Befragten Kranke und Menschen mit Behinderungen als Opfergruppe, weniger als ein Drittel nennt Sinti:ze und/oder Rom:nja.
Dr. Andrea Despot, Vorstandsvorsitzende, Stiftung EVZ: "Wer sich mit Entrechtung, Verfolgung und Vernichtung durch die Nationalsozialisten auseinandersetzt, schaut sensibilisierter auf Diskriminierung heute. Geschichtsvermittlung ist ein Booster für Solidarität und Demokratie. Jugendliche wollen verstehen und lernen, nicht unterhalten werden. Wir brauchen interaktive und partizipative Angebote für Geschichtsvermittlung - innerhalb und außerhalb der Schule. Partizipative Vermittlungsformen können einem weiteren Befund der MEMO-Jugendstudie entgegenwirken: Viele Befragte fühlen sich politisch nicht gehört und repräsentiert."
Jede:r Dritte fühlte sich im Alltag selbst schon diskriminiert
60 Prozent der Befragten geben an, durch die Auseinandersetzung mit der NS-Geschichte für Themen wie Ausgrenzung und Diskriminierung sensibilisiert worden zu sein. Das Ausmaß, in dem sich Jugendliche selbst benachteiligt fühlen, ist beachtlich: Jede:r Dritte berichtet, sich im Alltag zumindest teilweise diskriminiert zu fühlen. Das betrifft insbesondere junge Menschen mit Migrationsbiografien, aus einkommensschwachen und bildungsfernen Familien. Viele fühlen sich zudem politisch nicht repräsentiert (44 Prozent).
Engagierte Jugendliche haben sich häufiger mit der Geschichte des NS befasst
Um den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland sind die 16- bis 25-Jährigen mehrheitlich besorgt. Rund ein Drittel von ihnen nimmt keinen Zusammenhalt in der Gesellschaft wahr. Vom eigenen Engagement für gesellschaftliche Themen und Herausforderungen in der Gegenwart berichten insbesondere diejenigen jungen Erwachsenen, die sich intensiver mit der Geschichte des Nationalsozialismus befasst haben. Insgesamt ist das Engagement in der befragten Stichprobe heterogen: Knapp 40 Prozent der Befragten berichten, sich wenig oder gar nicht gesellschaftlich zu engagieren. Rund jede:r Fünfte (21 Prozent) berichtet hingegen von starkem eigenem Engagement. Neben dem Einsatz für den Klima- und Umweltschutz (43 Prozent) geben viele Befragte an, sich gegen Rassismus, Diskriminierung und Ausgrenzung in der deutschen Gesellschaft zu engagieren (22 Prozent).
MEMO-Jugendstudie
Die MEMO-Jugendstudie wird vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld durchgeführt und von der Stiftung EVZ gefördert. Für die MEMO-Jugendstudie wurden 3.485 repräsentativ ausgewählte junge Menschen zwischen 16 und 25 Jahren im September/Oktober 2021 sowie 838 Teilnehmer:innen erneut im September 2022 online befragt. Die MEMO-Jugendstudie ist die umfangreichste Studie ihrer Art und erweitert die bisherigen fünf MEMO-Erhebungen (2018-2022) systematisch um die Gruppe der jungen Erwachsenen: die zukünftigen Träger:innen von Erinnerungskultur.
Weiterführende Informationen www.stiftung-evz.de/memo-jugendstudie:
Studie in deutscher und englischer Sprache sowie Grafiken
Film zur MEMO-Jugendstudie
Statements weiterer Teilnehmender des Pressegesprächs vom 21. Februar 2023
Pressekontakt:
Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ)
Katrin Kowark
Friedrichstraße 200
10117 Berlin
Tel. +49 (0)30 - 25 92 97 24
M +49 (0)151 500 470 64
E-Mail: kowark@stiftung-evz.de
www.stiftung-evz.de
Original-Content von: Stiftung EVZ übermittelt durch news aktuell
https://www.stiftung-evz.de/
Jugendliche und Erinnerungskultur
:Großes Interesse und Wissenslücken
Das Interesse junger Menschen am Nationalsozialismus ist groß, so eine Studie der Stiftung EVZ. Gleichzeitig fehlt es an grundlegenden Faktenwissen.
22. 2. 2023, 08:13 Uhr
DINAH RIESE
Redakteurin Inland
Jugendliche und junge Erwachsene in Deutschland finden es wichtig, sich mit der Vergangenheit und speziell dem Nationalsozialismus auseinanderzusetzen. Sie zeigen dabei sogar mehr Interesse als die Allgemeinbevölkerung. Das geht aus der aktuellen Memo-Jugendstudie der Stiftung Erinnerung, Verantwortung, Zukunft (EVZ) hervor, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Die Ergebnisse zeigen aber auch: Trotz dieses großen Interesses gibt es deutliche Lücken beim Wissensstand junger Leute.
Seit 2017 wird für die repräsentativen Memo-Studien regelmäßig der Zustand der Erinnerungskultur in Deutschland untersucht. Die aktuelle Ausgabe nimmt dabei erstmals gezielt junge Menschen zwischen 16 und 25 Jahren in den Blick.
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Die Studie wolle Jugendliche und junge Erwachsene als „zukünftige Trägerinnen und Träger von Erinnerungskultur in Deutschland in den Blick nehmen“, sagte Studienmitautor Jonas Rees von der Uni Bielefeld bei der Präsentation der Ergebnisse. Es würde zwar oft über diese Gruppe, aber selten mit ihr gesprochen. Die Studie zeichne das Bild einer „interessierten, engagierten und sensibilisierten Jugend in Deutschland“, so Rees.
Fast 85 Prozent empfinden es als „eher wichtig“ oder „sehr wichtig“, dass „wir als Gesellschaft uns mit unserer eigenen Vergangenheit“ auseinandersetzen. Fast 63 Prozent gaben an, sich „eher“ oder „sehr intensiv“ mit dem Thema Nationalsozialismus befasst zu haben – in der Allgemeinbevölkerung sind es laut Vorgängerstudie von 2021 nur knapp 53 Prozent.
Kein Schlussstrich >>>
Anders als oft behauptet deute die Studie keineswegs auf ein schwindendes Interesse junger Menschen an der deutschen Geschichte hin, betonte Rees. Ganz im Gegenteil, bekräftigte auch Andrea Despot, Vorstandsvorsitzende der Stiftung EVZ: „Es gibt keinen ‚Schlussstrich‘ in der Wahrnehmung, in der Überzeugung der jungen Menschen.“ 76 Prozent widersprächen der Aussage, man brauche sich mit der Geschichte nicht mehr auseinandersetzen. In der Allgemeinbevölkerung seien das nur 57 Prozent.
Immer wieder würde die Frage an sie herangetragen, wie es dabei um junge Menschen mit Migrationshintergrund stehe, erklärte der Wissenschaftler. Die Studie zeigt nun: Viel stärker als eigene Migrationsbiografien wirken sich der eigene und der Bildungsabschluss der Eltern darauf aus, wie intensiv Befragte sich mit der NS-Geschichte befasst haben.
Gleichzeitig schwinde sowohl das Faktenwissen als auch das Familiengedächtnis, so Despot. Obwohl eine Mehrheit angibt, den Geschichtsunterricht gemocht zu haben, scheint der Unterricht oftmals relevantes Wissen nicht nachhaltig vermittelt zu haben.
Nur knapp die Hälfte kann laut Studie den Zeitraum der NS-Herrschaft korrekt benennen, jede*r Fünfte kennt nur eine oder gar keine Opfergruppe. Viele Opfergruppen abseits von Jüd*innen seien weniger bekannt. Weniger als ein Drittel nannte etwa Sinti*zze und Rom*nja. Viele junge Menschen können auch die Frage, ob ihre Vorfahren Täter*innen, Opfer oder Helfer*innen im NS waren, nicht beantworten.
Bezüge zur Gegenwart
Mit Blick auf die eigene Familiengeschichte könne man von einer „Generation ‚Weiß nicht‘ sprechen“, konstatierte Rees. Das liege auch daran, dass es vielfach niemanden mehr gebe, den die jungen Menschen befragen könnten, da immer mehr Zeitzeug*innen sterben.
Entsprechend wünschen sich viele junge Menschen, in Bezug auf den Nationalsozialismus Fakten und historische Orte vermittelt zu bekommen. Große Relevanz spielen auch Verbindungen zur Gegenwart. Das sei wichtig für die Bildungsarbeit, so Despot: „Die jungen Menschen wollen andocken an ihre Lebensrealität.“
Besonderes Interesse zeigen viele Befragte an der Frage, „wie eine Gesellschaft Entwicklungen und Verbrechen“ wie im Nationalsozialismus ermöglichen und zulassen könne. Passend dazu gaben viele junge Menschen an, durch ihre Auseinandersetzung mit der Geschichte auch für Diskriminierung und Ausgrenzung in der heutigen Zeit sensibilisiert worden zu sein.
https://taz.de/
Überraschend großes Interesse an der NS-Zeit: Jugend sucht intensive Auseinandersetzung mit deutscher Vergangenheit
Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg sind für junge Menschen in Deutschland zentrale Referenzpunkte in der Erinnerungskultur, so eine Studie. Sie wünschen sich eine besondere Vermittlung der Inhalte.
Von Jan Kixmüller
21.02.2023, 11:46 Uhr
Der Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg sind für junge Menschen in Deutschland ein besonders wichtiges Kapitel der Geschichte ihres Landes. Die NS-Zeit und der Krieg stellen für Jugendliche und junge Erwachsene zentrale Referenzpunkte in der Erinnerungskultur Deutschlands dar. Zu diesem Ergebnis kommt nun die Memo-Jugendstudie des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld.
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In der Befragung gaben über 82 Prozent der jungen Erwachsenen an, dass sie die NS-Zeit historisch als besonders wichtig erachten; 63 Prozent haben sich demnach intensiv mit dieser Zeit auseinandergesetzt. Das sind zehn Prozentpunkte mehr als im Durchschnitt aller Altersgruppen.
Die Direktorin des Berliner Anne Frank Zentrums, Veronika Nahm, nannte es zur Vorstellung der Studie am Dienstag überraschend, dass fast jeder zweite befragte junge Mensch sich für die deutsche Geschichte interessiert, kritisch nachfragt und aus der Geschichte Bezüge zur Gegenwart herstelle.
„Sie wollen nicht unterhalten werden, sondern verstehen, wollen reale Orte kennenlernen und Bezüge zur Gegenwart herstellen“, ergänzte Andrea Despot, Vorstandsvorsitzende der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ).
Für die EVZ-Vorsitzende ist es auch ein wichtiges Ergebnis der Studie, dass 76 Prozent der befragten Jugendlichen widersprachen, dass man sich nicht länger mit Geschichte auseinandersetzen müsse, wohingegen das immerhin 57 Prozent der Allgemeinbevölkerung bejahten. „Das bedeutet, dass es für einen Großteil der befragten Jugendlichen keinen Schlussstrich gibt.“
82 Prozent der befragten jungen Erwachsenen sieht die NS-Zeit historisch als besonders wichtig
Faktoren wie Alter, Geschlecht oder Herkunftsgeschichte der Familie spielen bei der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus weniger eine Rolle als der eigene Bildungshintergrund und der Eltern. Rund drei Viertel der 16- bis 25-Jährigen hält die Auseinandersetzung mit diesem Teil der deutschen Geschichte für sinnvoll.
Lückenhaftes Faktenwissen
Die Auswertung der Studie zeigt aber auch Lücken im Faktenwissen zur Zeit des Nationalsozialismus, so die Studienautoren. Demnach könne die Hälfte der befragten 16- bis 25-Jährigen den Zeitraum der NS-Herrschaft nicht korrekt benennen. Zum historischen Hintergrund der NS-Zeit wünschen sich die jungen Menschen laut der Auswertung Faktenwissen, historische Orte und Gegenwartsbezüge vermittelt zu bekommen. Dreiviertel der Befragten wünschen sich mehr Faktenwissen, 51 Prozent wollen historische Orte besuchen.
Unsere Befragung ergibt das Bild einer in weiten Teilen engagierten und interessierten Generation.
Jonas Rees, Studienautor, Universität Bielefeld
Die Memo-Jugendstudie hat sich mit verschiedenen Aspekten der gesellschaftlichen Erinnerung an die Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland befasst. Dazu wurden 3485 repräsentativ ausgewählte junge Menschen zwischen 16 und 25 Jahren im September und Oktober 2021 sowie 838 Teilnehmer:innen erneut im September 2022 online befragt.
Die Jugendstudie gilt als umfangreichste Studie ihrer Art und erweitert die bisherigen fünf Memo-Erhebungen (2018-2022) um die Gruppe der jungen Erwachsenen. Die Befragung wurde von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) gefördert.
Historisches und politisches Desinteresse werde jungen Erwachsenen häufig unterstellt, so Studienautor Jonas Rees von der Universität Bielefeld. „Unsere Befragung ergibt jedoch das Bild einer in weiten Teilen engagierten und interessierten Generation.“
Die Beschäftigung mit der NS-Zeit fördere bei den jungen Menschen das gesellschaftliche Engagement. „Die Studie zeigt das Bild einer engagierten, interessierten und sensibilisierten jungen Generation.“ Nur 17,5 Prozent gaben an, wenig oder gar nicht an Geschichte interessiert zu sein. „Hier ist von Geschichtsverdrossenheit oder Desinteresse, wie manchmal unterstellt wird, gar keine Spur“, sagte Rees.
Gleichzeitig zeigen sich aber systematische Lücken bei ganz grundlegendem Wissen um historische Fakten. So können 17 Prozent der Befragten kein Konzentrationslager beim Namen nennen und zehn Prozent kannten keine der Opfergruppen.
Geschichstvermittlung: Marzahner Schüler hatten das Leben des schwedischen Diplomaten Raoul Wallenbergs erforscht, der 100.000 Juden das Leben rettete. © Mike Wolff TSP
„Als Gesellschaft wären wir gut beraten, die Gruppe der jungen Erwachsenen als zukünftige Träger:innen von Erinnerungskultur ernst zu nehmen“, so Rees. Viel zu oft werde über Jugend gesprochen, „sie selbst kommen leider zu selten zu Wort“, bemängelte er. Am Stellenwert der Erinnerung an die NS-Verbrechen lasse sich nicht nur ablesen, was wir kollektiv erinnern, „sondern auch, was wir kollektiv vergessen.“
Das größte inhaltliche Interesse hatten die Befragten an den gesellschaftlichen Umständen der NS-Verbrechen und der Rolle und Verantwortung der vermeintlich unbeteiligten deutschen Bevölkerung (35 Prozent). Die Fragen, ob die Bevölkerung damals tatsächlich so wenig über die NS-Verbrechen wusste und wie Gesellschaft Verbrechen zulassen konnte, sind bei den jungen Menschen demnach auch heute noch von Bedeutung.
Booster für Solidarität und Demokratie
Die Ergebnisse liefern aus Sicht der Studienautor:innen auch neue Ansätze für die Bildungsarbeit. „Geschichtsvermittlung ist ein Booster für Solidarität und Demokratie“, sagte Andrea Despot, Vorstandsvorsitzende der EVZ-Stiftung.
Für einen Großteil der befragten Jugendlichen gibt es keinen Schlussstrich.
Andrea Despot, Vorstandsvorsitzende der EVZ-Stiftung
Die Stiftungsvorsitzende empfiehlt daher interaktive und partizipative Angebote für Geschichtsvermittlung – innerhalb und außerhalb der Schule. „Wer sich mit Entrechtung, Verfolgung und Vernichtung durch die Nationalsozialisten auseinandersetzt, schaut sensibilisierter auf Diskriminierung heute“, so Andrea Despot.
Immerhin 60 Prozent der Befragten hatten angegeben, durch die Auseinandersetzung mit der NS-Geschichte für Themen wie Ausgrenzung und Diskriminierung sensibilisiert worden zu sein. Die Memo-Studie ergab auch, dass sich viele der Befragten politisch nicht gehört und repräsentiert fühlen. Dem könnten partizipative Vermittlungsformen entgegenwirken, meint die EVZ-Vorsitzende Despot.
Aus der Befragung geht zudem hervor, dass jeder dritte junge Mensch in Deutschland sich im Alltag selbst schon diskriminiert gefühlt hat. Das betrifft demnach insbesondere junge Menschen mit Migrationsbiografien, aus einkommensschwachen und bildungsfernen Familien. 44 Prozent der Befragten fühlen sich zudem politisch nicht repräsentiert.
Dass die jungen Menschen Ausgrenzung sensibler wahrnehmen als Allgemeinbevölkerung, hob EVZ-Vorsitzende Despot hervor. Auch gebe es bei der Jugend gegenwärtig eine große Empathie mit der Ukraine, allerdings würden daraus keine Bezüge zu einer historischen Verantwortung abgeleitet.
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Um den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland zeigen sich die 16- bis 25-Jährigen mit rund 62 Prozent der Befragten mehrheitlich besorgt, rund ein Drittel von ihnen nimmt demnach keinen Zusammenhalt in der Gesellschaft wahr (34 Prozent).
https://www.tagesspiegel.de/
Stiftung EVZ
MEMO-Jugendstudie von IKG-Universität Bielefeld und Stiftung EVZ: Wie junge Erwachsene an Geschichte erinnern
21.02.2023 – 11:25
Berlin/Bielefeld (ots)
Junge Erwachsene wollen im Kontext der NS-Zeit Faktenwissen, historische Orte und Gegenwartsbezüge vermittelt bekommen
Die Hälfte der befragten 16- bis 25-Jährigen kann den Zeitraum der NS-Herrschaft nicht korrekt benennen
Jede:r Dritte fühlte sich im Alltag selbst schon diskriminiert
Der Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg sind für Jugendliche und junge Erwachsene zentrale Referenzpunkte in der Erinnerungskultur Deutschlands. Dies geht aus der MEMO-Jugendstudie des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld hervor. Die Befragung wurde von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) gefördert. 63 Prozent der jungen Erwachsenen, aber nur 53 Prozent im Durchschnitt aller Altersgruppen, geben an, sich intensiv mit dem Nationalsozialismus auseinandergesetzt zu haben. Entscheidend für die Auseinandersetzung sind der eigene Bildungshintergrund und der der Eltern, weniger andere Faktoren wie Alter, Geschlecht oder Herkunftsgeschichte der Familie. Rund drei Viertel der 16- bis 25-Jährigen stellen den Sinn der Auseinandersetzung mit diesem Teil der deutschen Geschichte nicht in Frage. Die Auswertungen der MEMO-Jugendstudie zeigen zugleich Lücken im Faktenwissen zum Nationalsozialismus auf und liefern neue Ansätze für Bildungsarbeit.
Dazu Prof. Dr. Jonas Rees, Universität Bielefeld: "Jungen Erwachsenen wird gern historisches und politisches Desinteresse unterstellt. Unsere Befragung ergibt jedoch das Bild einer in weiten Teilen engagierten und interessierten Generation. Gleichzeitig zeigen sich systematische Lücken mit Blick auf ganz grundlegendes Wissen um historische Fakten. Als Gesellschaft wären wir gut beraten, die Gruppe der jungen Erwachsenen als zukünftige Träger:innen von Erinnerungskultur ernst zu nehmen. Wir sollten uns fragen, welchen Stellenwert die Erinnerung an die NS-Verbrechen für uns heute noch spielt, denn der lässt sich nicht nur daran ablesen, was wir kollektiv erinnern, sondern auch daran, was wir kollektiv vergessen."
Junge Erwachsene wollen im Kontext der NS-Zeit Faktenwissen, historische Orte und Gegenwartsbezüge vermittelt bekommen
Die jungen Erwachsenen wurden gefragt, welche Anliegen ihnen in Bezug auf selbstbestimmtes Lernen über den NS-Kontext besonders wichtig sind. Den meisten Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist wichtig, dass sie neues Faktenwissen lernen (75 Prozent), dass sie historische Orte besuchen können (51 Prozent) und dass in den Bildungsangeboten Bezüge zwischen Vergangenheit und Gegenwart hergestellt werden (48 Prozent). Der Wunsch nach "Unterhaltung" spielt lediglich eine untergeordnete Rolle. Das dringlichste inhaltliche Interesse berichten die Befragten in Bezug auf die gesellschaftlichen Umstände der NS-Verbrechen und die Rolle und Verantwortung der vermeintlich unbeteiligten deutschen Bevölkerung (35 Prozent).
Die Hälfte der befragten 16- bis 25-Jährigen kann den Zeitraum der NS-Herrschaft nicht korrekt benennen
An dieser und anderen Stellen der MEMO-Jugendstudie werden Potenziale für neue Bildungsformate deutlich. Defizite zeigen sich im Rahmen der Studie unter anderem in Bezug auf das vorhandene historische Faktenwissen. So kann nur knapp die Hälfte der Befragten den Zeitraum der NS-Herrschaft vollständig und korrekt benennen. Während über die Hälfte der 16- bis 25-Jährigen mindestens drei Opfergruppen des Nationalsozialismus kennt, kann jede:r fünfte Befragte nur eine oder gar keine Opfergruppe benennen. Einzelne Opfergruppen sind dabei besonders wenig bekannt. So nennt etwa weniger als die Hälfte der Befragten Kranke und Menschen mit Behinderungen als Opfergruppe, weniger als ein Drittel nennt Sinti:ze und/oder Rom:nja.
Dr. Andrea Despot, Vorstandsvorsitzende, Stiftung EVZ: "Wer sich mit Entrechtung, Verfolgung und Vernichtung durch die Nationalsozialisten auseinandersetzt, schaut sensibilisierter auf Diskriminierung heute. Geschichtsvermittlung ist ein Booster für Solidarität und Demokratie. Jugendliche wollen verstehen und lernen, nicht unterhalten werden. Wir brauchen interaktive und partizipative Angebote für Geschichtsvermittlung - innerhalb und außerhalb der Schule. Partizipative Vermittlungsformen können einem weiteren Befund der MEMO-Jugendstudie entgegenwirken: Viele Befragte fühlen sich politisch nicht gehört und repräsentiert."
Jede:r Dritte fühlte sich im Alltag selbst schon diskriminiert
60 Prozent der Befragten geben an, durch die Auseinandersetzung mit der NS-Geschichte für Themen wie Ausgrenzung und Diskriminierung sensibilisiert worden zu sein. Das Ausmaß, in dem sich Jugendliche selbst benachteiligt fühlen, ist beachtlich: Jede:r Dritte berichtet, sich im Alltag zumindest teilweise diskriminiert zu fühlen. Das betrifft insbesondere junge Menschen mit Migrationsbiografien, aus einkommensschwachen und bildungsfernen Familien. Viele fühlen sich zudem politisch nicht repräsentiert (44 Prozent).
Engagierte Jugendliche haben sich häufiger mit der Geschichte des NS befasst
Um den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland sind die 16- bis 25-Jährigen mehrheitlich besorgt. Rund ein Drittel von ihnen nimmt keinen Zusammenhalt in der Gesellschaft wahr. Vom eigenen Engagement für gesellschaftliche Themen und Herausforderungen in der Gegenwart berichten insbesondere diejenigen jungen Erwachsenen, die sich intensiver mit der Geschichte des Nationalsozialismus befasst haben. Insgesamt ist das Engagement in der befragten Stichprobe heterogen: Knapp 40 Prozent der Befragten berichten, sich wenig oder gar nicht gesellschaftlich zu engagieren. Rund jede:r Fünfte (21 Prozent) berichtet hingegen von starkem eigenem Engagement. Neben dem Einsatz für den Klima- und Umweltschutz (43 Prozent) geben viele Befragte an, sich gegen Rassismus, Diskriminierung und Ausgrenzung in der deutschen Gesellschaft zu engagieren (22 Prozent).
MEMO-Jugendstudie
Die MEMO-Jugendstudie wird vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld durchgeführt und von der Stiftung EVZ gefördert. Für die MEMO-Jugendstudie wurden 3.485 repräsentativ ausgewählte junge Menschen zwischen 16 und 25 Jahren im September/Oktober 2021 sowie 838 Teilnehmer:innen erneut im September 2022 online befragt. Die MEMO-Jugendstudie ist die umfangreichste Studie ihrer Art und erweitert die bisherigen fünf MEMO-Erhebungen (2018-2022) systematisch um die Gruppe der jungen Erwachsenen: die zukünftigen Träger:innen von Erinnerungskultur.
Weiterführende Informationen www.stiftung-evz.de/memo-jugendstudie:
Studie in deutscher und englischer Sprache sowie Grafiken
Film zur MEMO-Jugendstudie
Statements weiterer Teilnehmender des Pressegesprächs vom 21. Februar 2023
https://www.presseportal.de/
Pressekontakt:
Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ)
Katrin Kowark
Friedrichstraße 200
10117 Berlin
Tel. +49 (0)30 - 25 92 97 24
M +49 (0)151 500 470 64
E-Mail: kowark@stiftung-evz.de
www.stiftung-evz.de
Wie spricht man mit Kindern über den Holocaust?
09.10.2022, 14:17 Uhr
Das Nürnberger Kinder- und Jugendtheater setzt sich in seiner neuesten Produktion mit dem Leben Janusz Korczak auseinander, einem Pädagogen und Arzt, der von den Nazis ermordet wurde. Das Stück "Blasse Tinte, blauer Tag" thematisiert den Holocaust.
Von
Christine Weirauch
Zu allererst hört man die Spieluhren. Es sind viele verschiedene, sie spielen munter durcheinander. Dieses musikalische Stimmengewirr hätte Janusz Korczak gefallen, denn es erinnert an spielende und fröhliche Kinder. Regisseurin Gineke Pranger erzählt in ihrem neuen Stück für das Nürnberger Kinder- und Jugendtheater Pfütze keine lineare Geschichte. Vielmehr zeigt sie einzelne Abschnitte im Leben des polnisch-jüdischen Arztes und vielgelesenen Pädagogen und möchte damit zum Nachdenken und Diskutieren anregen.
Der Blick geht auf die kleinen Dinge
Sechs Schauspieler und Musiker stehen auf einer Drehbühne, es gibt kein Bühnenbild. Nur die Instrumente – ein Akkordeon und ein Cello. Und die Schreibmaschine, auf der Korczak seine Gedanken aufschreibt. Neben den geschichtlichen Fakten lenkt Regisseurin Gineke Pranger in ihrem selbst geschriebenen Stück den Blick auf die kleinen Dinge, die in einem Waisenhaus passieren. Sie hat umfangreich über Janusz Korczak recherchiert, zitiert aus seinen Büchern und kombiniert dazu Gedichte von Rose Ausländer. So entsteht diese ganz eigene Collage aus Stimmen.
Zusammenhalt auch in düsteren Zeiten
Janusz Korczak gab Waisenkindern ein liebevolles Zuhause. Wenn Kinder wachsen, soll auch ihr Herz mitwachsen, hat der Pädagoge einmal geschrieben. Janusz Korczak ging es um Zusammenhalt und das soll das Stück zeigen. Ein Zusammenhalt, der auch in ganz düsteren Zeiten Bestand hat. Denn mit dem Zweiten Weltkrieg kommt für die Waisenkinder und ihren Leiter der Umzug ins Warschauer Ghetto.
Neue Musik aus Fragmenten
Dominik Vogel hat die Musik für das Stück komponiert. Es ist eine jungeMET-Produktion – diesmal in Zusammenarbeit mit dem Fürther Stadttheater. In dieser Reihe geht es darum, junge Menschen an neue Musik heranzuführen und Komponist Dominik Vogel hat Gutenacht-Lieder aus ganz unterschiedlichen Kulturen und Epochen genommen und in ganz kleine Schnipsel aufgeteilt. Als die Kinder und der Heimleiter von der SS abtransportiert werden, lässt er nur ein Akkordeon atmen. Ohne Töne zu spielen, bewegt der Musiker den Balg auf und zu, denn für den Genozid, für die Tötung der jüdischen Kinder und ihres Heimleiters Janusz Korczak, kann es kein Lied geben.
Anstand bis zum Schluss
"Blasse Tinte, blauer Tag" ist ein ernstes Stück und ein schwerer Stoff für Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren. Hoffnung, Würde und Anstand bis zum Schluss – das ist die Botschaft dieser poetisch-musikalischen Uraufführung.
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Rolf Kauka: Die braune Gesinnung des Fix und Foxi-Schöpfers
03.05.2022, 18:05 Uhr
Der Comic-Produzent Rolf Kauka begeisterte mit seinen "Fix und Foxi"-Geschichten eine ganze Generation von Kindern und Jugendlichen. Seine antisemitische Haltung ließ er jedoch auch in den "Asterix"-Comics durchsickern.
Von
Christian Stücken
In dem deutschen "Asterix"-Heft "Die goldene Sichel" findet sich eine Szene, die im französischen Original gar nicht so gedacht war. Der gallische Händler Bossix verwandelt sich in das Zerrbild des jüdischen Händlers "Schieberus". "Bin ich Schieberus, der Besitzer dieser gemietlichen Taverne. Mein Freind Gaston sagt, ihr wollt haben gern goldene Sichel, he?", raunt Schieberus in der deutschen Fassung in einem Pseudo-Jiddisch dem Titelhelden Asterix zu. Für diese antisemitische Auslegung der Figur ist Rolf Kauka verantwortlich. Rolf Kauka gehörte zu den bekanntesten Gesichtern der Comic-Industrie. Er erschuf die beiden frechen Füchse Fix und Foxi. Zudem erlangte Kauka in den 1960er Jahren auch die Rechte an der "Asterix"-Reihe von René Goscinny und Albert Uderzo in Deutschland. Bei Kauka wurden die widerspenstigen Gallier zu Germanen. In einer Ausgabe der beliebten Reihe fragt Asterix seinen Freund Obelix, der wie üblich einen Hinkelstein schleppt: "Musst du denn ewig diesen Schuldkomplex mit `rumschleppen? Germanien braucht deine Kraft wie nie zuvor!" Die politische Anspielung von Rolf Kauka ist auch offensichtlich.
Asterix-Texter René Goscinny nannte Rolf Kauka einen "waschechten Nazi"
Michael Walz ist der ehemalige Verleger der Egmont Ehapa Comic Collection und brachte viele Jahre lang die deutschen Asterix-Comics heraus. Er empört sich über die rassistischen Bilder, die Rolf Kauka mit den beliebten Comics der damaligen Jugend vermittelte. "Er hatte das Ziel mit solchen Vergewaltigungen einer Originalvorlage die Kinder mit seinem Gift zu konfrontieren und zu infiltrieren", urteilt Walz. Die Asterix-Macher reagierten in den 1960er Jahren mit Entsetzen auf Kaukas Verfälschungen und gingen vor Gericht. Kauka verlor die Rechte. Für Goscinny war Kauka ein "waschechter Nazi".
Jetzt erscheint zum ersten Mal eine Biografie über Rolf Kauka. "Fürst der Füchse, das Leben des Rolf Kauka" deckt seine anhaltende, braune Gesinnung auf. Rolf Kauka, 1917 geboren, war überzeugter HJ-Funktionär. Der Autor und langjährige BND-Chefhistoriker Bodo Hechelhammer berichtet gegenüber report München, dass der erfolgreiche Comic-Unternehmer seinen Lebenslauf frisierte: "Kein Abitur, kein Studium, obwohl er sich später in Lebensläufen sehr gerne als promovierten Literaturwissenschaftler verkauft hat und das auch bei Behörden angegeben hat."
Der deutsche "Walt Disney" Rolf Kauka führte ein Doppelleben
In dem Vorwort der "Fix und Foxi"-Hefte wurden die politischen Ansichten von Rolf Kauka noch einmal deutlich. Im Weihnachtsheft von 1966 bittet er die Leser darum, für die Menschen zu beten, die unschuldig im Gefängnis sitzen, auch die in Spandau. In Spandau sitzt zu diesem Zeitpunkt lediglich ein Mann ein: Rudolf Heß. Hitlers Stellvertreter wurde im Nürnberger Prozess zu lebenslanger Haft verurteilt.
Rolf Kaukas Witwe Alexandra sagt über den deutschen "Walt Disney": "Er war erzkonservativ. Aber extrem kreativ. Couragiert, immer neue Wege zu gehen. Ich weiß, darin liegt Widersprüchlichkeit." Über seine braune Gesinnung soll sie aber kaum etwas gewusst haben. "Sie sprechen mit mir über eine Zeit, die vor meiner Zeit stattfand", sagt sie im Interview. Sie heiratete Rolf Kauka, als er bereits 58 Jahre alt war. Im Jahr 2000 starb Rolf Kauka in Georgia in den USA. Die Schattenseiten des Mannes, der so viele Kinder mit seinen Comics begeisterte, kommen erst jetzt ans Licht.
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Beate und Serge Klarsfeld: Die Nazijäger: Eine Graphic Novel über den Kampf gegen das Vergessen Gebundene Ausgabe – 4. Mai 2021
Eine berühmte Ohrfeige: Es ist der 7. November 1968. Eine Frau ohrfeigt in aller Öffentlichkeit den deutschen Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger und bezeichnet ihn als "Nazi". Diese Frau ist Beate Klarsfeld und diese Ohrfeige steht für ihr jahrzehntelanges Engagement im Kampf gegen alte und neue Nazis. Zusammen mit ihrem Mann Serge hat sie sich der Jagd nach Kriegsverbrechern verschrieben, die sie über Kontinente hinweg aufspürt. Der größte Erfolg für sie persönlich war der Prozess gegen Klaus Barbie, den "Schlächter von Lyon". Erinnerungen in Bildern: Diese Graphic Novel erzählt nicht nur die Geschichte der Ohrfeige, sondern auch die von Beate und Serge Klarsfeld und ihrer Jagd nach Gerechtigkeit. Sie ist eine mutige Frau, die vor Gefahren für sich selbst nicht zurückschreckte und die unbeirrt ihren Weg fortgesetzt hat. Gegen staatliche und persönliche Widerstände ankämpfend, hat sie nie akzeptiert, dass manche NS-Kriegsverbrecher einfach so davonkommen sollten. Die Bedrohung ist noch nicht gebannt: Gerade in der heutigen Zeit, in der eine Verschiebung des Diskurses nach Rechts stattfindet, ist es immens wichtig, Menschen wie Beate Klarsfeld als Vorbild zu haben. Nicht jede*r muss sich dazu selbst in Gefahr begeben, aber wir alle müssen wachsam sein und aufstehen, wenn die nationalsozialistischen Verbrechen verharmlost werden!
Siehe auch:
REPORT MÜNCHEN-Video: Die braune Gesinnung des Rolf Kauka
03.05.22 | 05:46 Min. | Verfügbar bis 03.05.2023Rolf Kauka, der Erfinder der Zeichentrickfiguren Fix und Foxi galt als das deutsche Comic-Genie. Weithin unbekannt: Kauka sympathisierte mit rechtsextremem Gedankengut. Der Historiker Bodo Hechelhammer und report München-Recherchen zeigen ein neues, erschreckendes Bild des "deutschen Walt Disney".
https://www.daserste.de/
VERGANGENHEITSBEWÄLTIGUNG
Die Generation Z und der Holocaust: Wie lernen Jugendliche das Erinnern?
Das Thema Holocaust ist für junge Menschen weit weg und doch bewegt es sie im Alltag. Eine Studie zeigt: Die Gen Z will sich mit der NS-Zeit auseinandersetzen und verlangt einen offenen Diskurs ohne moralische Zwänge.
25.01.2022
"Die NS-Zeit war so absurd und grausam, manchmal fällt es mir schwer, diese Vorfälle wirklich zu glauben." So wird eine Befragte der aktuellen Studie zum Umgang der heutigen Jugendlichen mit der NS-Zeit zitiert, die im Auftrag der Arolsen Archives entstand.
Die Arolsen Archives sind das weltweit umfassendste Archiv zu den Opfern und Überlebenden des Nationalsozialismus. Sie bewahren Originaldokumente über KZ-Häftlinge, Deportationen, Zwangsarbeit sowie Aussagen der Überlebenden auf, vieles findet sich online auf ihrer Internetseite. Die Sammlung mit Hinweisen zu rund 17,5 Millionen Menschen gehört zum UNESCO-Weltdokumentenerbe. Jetzt ist eine Studie zur Haltung der sogenannten Generation Z, also Jugendliche zwischen 16 und 25 Jahre, zum Thema Nationalsozialismus erschienen.
"Ich nehme in den Ergebnissen der Studie bei den Jugendlichen eine große Offenheit, Neugier und Freiheit im Denken wahr", erklärt Floriane Azoulay, Direktorin der Arolsen Archives. "Heute erlebt diese Generation, dass Demokratien in Gefahr geraten können. Ich finde es sehr gut nachvollziehbar, dass Erinnerung für sie mit dem Blick in ihre eigene Lebenswelt verbunden ist, in der populistische, autoritäre und intolerante Stimmen immer lauter zu hören sind."
Die Studie hat in zwei Phasen mehr als 1100 Probanden befragt und mit den Aussagen der Generation ihrer Eltern verglichen. Herausgekommen ist ein überraschender Fakt: Die Gen Z scheint sich deutlich mehr für die NS-Zeit zu interessieren als die Generation ihrer Eltern (75 Prozent vs. 66 Prozent) und verbindet die Auseinandersetzung mit dem Thema auch mit aktuellen gesellschaftlichen Problemen wie Rassismus und Diskriminierung. Die Verantwortlichen der Studie sehen in dem verstärkten Interesse der Jugendlichen mehrere Gründe: Ein wichtiger Aspekt ist das Gefühl, nicht mitverantwortlich zu sein, keine persönliche Schuld an der NS-Zeit zu tragen. "Das verschafft den Jugendlichen einen unbeschwerteren Zugang zu dieser Zeit", sagt Stephan Grünewald, Psychologe und Gründer des rheingold Instituts, das mit der Durchführung der Studie beauftragt wurde.
Die NS-Zeit: Ein Gegenbild der eigenen Welt
Für die Generation Z stellt die NS-Zeit ein extremes Gegenbild zu ihrer eigenen Lebenswirklichkeit dar. Die heutige Jugend lebt in einer demokratischen Welt, in der sehr viele Wahlmöglichkeiten vorhanden sind. Sie sind in ihren Entscheidungen frei und die Entfaltungswege sind vielfältig. "Dieser multioptionalen Bereitstellungs-Kultur steht die entschiedene Dominanz-Kultur der NS-Zeit mit ihren ganz klar festgelegten Kategorien, Vorstellungen und Überzeugungen entgegen. Der Führerkult, die Pflicht zum unbedingten Gehorsam und zum völkischen Denken, dem sich das Individuelle und Diverse beugen musste, macht die NS-Zeit zum ebenso faszinierenden wie schrecklichen Gegenbild", heißt es in der Studie.
Die Kraft dieser Faszination habe jedoch eine Kehrseite, sagt Stephan Grünewald. Die Angst, von der Geradlinigkeit und Machtentfaltung der NS-Zeit berauscht zu werden oder sich von den Phantasien dieser Zeit verführen zu lassen, wird in der Studie deutlich. "Ich habe wirklich Angst, dass ich damals auch auf der Seite der Nazis gestanden hätte, nur um besser dazustehen", wird eine Befragte zitiert.
"Es gibt dadurch eine gewisse Scheu, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, die daher kommt, dass man nicht weiß, auf welcher Seite man selbst gestanden hätte. Man blickt in den eigenen Abgrund." Wäre ich Opfer, Täter, Mitläufer, oder gar Widerstandskämpfer - wie hätte ich damals reagiert, eine Frage, mit der sich die Gen Z offensichtlich intensiv beschäftigt.
Zugleich äußerten die Befragten ein großes Bedürfnis zu verstehen, wie eine Person so menschenverachtend reagieren kann, wie Täter tickten, wie die Banalität des Bösen entsteht. Könnte so etwas wieder passieren? Eine Frage, die die Jugendlichen von heute bewegt. "Ich will auch die Beweggründe der ganzen SS-Offiziere, KZ-Leiter oder der Menschen, die ihre jüdischen Nachbarn verraten haben, sehen. Wenn die Gründe transparent sind, würde ich bestimmt feststellen, dass auch mir sowas passieren kann", wird eine Befragte zitiert.
Parallelen zum eigenen Leben
"Die Anfänge des Nationalsozialismus zeigen, wie sich Veränderungen einschleichen können und wie gefährlich Manipulationen sind", so eine andere Aussage.
Die Empfänglichkeit für rechte Ideologien, Fake News, die Spaltung der Gesellschaft, das Aufkommen von Verschwörungstheorien, all das sind aktuelle Themen, die die heutige Jugend in der Auseinandersetzung mit der NS-Zeit in Verbindung bringt.
"Geschichte mit heutigen Entwicklungen zu verknüpfen ist der Knackpunkt. Das zu kontextualisieren, ist die große Aufgabe, in die wir uns hineinbewegen müssen", sagt Oliver Figge vom Arolsen Archiv.
Barrieren bei der Auseinandersetzung
Die Erkenntnisse der Studie zeigen eindeutig: Wenn die schulische Vermittlung zu sehr auf Faktenwissen basiert, finden junge Menschen oft keinen Bezug zum Thema, das für sie sehr abstrakt, komplex und zu weit weg erscheint. Eine Auseinandersetzung mit Lebensschicksalen und -geschichten wie denen von Anne Frank oder Oskar Schindler auf Plattformen, die die Jugendlichen benutzen und die in ihrer gewohnten Sprache und Corporate Identity verfasst sind, bringt das Thema viel näher an ihre Wirklichkeit. So erwähnen die Macher der Studie als gelungenes Beispiel denInstagram-Account @ichbinsophiescholl, auf dem das Leben der von den Nazis ermordeten Widerstandskämpferin Sophie Scholl nacherzählt wird. "Sie beobachten, wie Sophie Scholl tanzt, Musik hört, sich mit Freunden trifft, und zugleich verstehen sie auch die Entwicklung der jungen Frau in dieser Zeit", sagt Stephan Grünewald.
Offener Austausch ohne moralischen Zwang
Die Aufbereitung der Inhalte zu dem Thema ist also sehr wichtig, um den Jugendlichen diese Themen näher zu bringen. Hinzu kommt ebenso eine ganz klare Aufforderung seitens der teilnehmenden Jugendlichen, offener zu diskutieren. "Oft vermitteln festgelegte Meinungenund eine verordnete Moral den Eindruck eines abgeschlossenen Diskurses, der nicht mehr hinterfragt werden kann", heißt es in der Studie. "Beim Unterricht über die NS-Zeit hatte ich immer das Gefühl: Vorsicht! Da kommt keine Unterhaltung oder Diskussion auf. Da darf man keine eigene Meinung haben. Es gibt einen Konsens, wie man es zu finden und zu lernen hat!", wird ein Befragter zitiert.
Die Studie zeigt klar: Die Jugendlichen sind sensibilisiert für das Thema NS-Zeit und Holocaust. Mehr noch: Sie ziehen Lehren aus der Vergangenheit und versuchen diese auf die aktuelle Wirklichkeit anzuwenden. "Die Auseinandersetzung mit der Zeit immunisiert", resümiert Stephan Grünewald.
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Stiftung EVZ
Bildungsagenda NS-Unrecht schlägt neues Kapitel in der historisch-politischen Bildung auf
25.01.2022 – 12:10
Berlin (ots)
Bundesvorhaben für lebendiges Erinnern und gegen Ausgrenzung
MEMO-Jugendstudie: Jugendliche finden weitere Auseinandersetzung mit NS-Unrecht wichtig
Mit der Bildungsagenda NS-Unrecht starten das Bundesministerium der Finanzen und die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) gemeinsam ein neues Förderprogramm. Gefördert werden ausgewählte Projekte für geschichtsbewusstes, lebendiges Erinnern an die nationalsozialistische Verfolgung und gegen Ausgrenzung und Diskriminierung. Details stellten die beiden Institutionen heute in Berlin vor.
Das Bundesministerium der Finanzen finanziert die Bildungsagenda NS-Unrecht im Rahmen seiner Ressortzuständigkeit für die Folgeaufgaben der Wiedergutmachung. Die Stiftung EVZ als anerkannte Bundesstiftung im Bereich des Engagements für Überlebende, Menschenrechtsbildung und Auseinandersetzung mit der Geschichte konzipiert das Vorhaben und setzt es um. Nach dem Start einer Pilotphase im Jahr 2021 werden derzeit 17 bundesweite und europäische Projekte mit einem Fördervolumen von bis zu 9 Millionen Euro gefördert. Für 2022 ist eine weitere Förderphase geplant mit neuen Ausschreibungen in den Schwerpunkten Europa, Transfer, Kultur und Digitales.
Prof. Dr. Luise Hölscher, Staatssekretärin im Bundesministerium der Finanzen, betonte: "Deutschland hat sich nach dem Ende des 2. Weltkriegs stets klar zu seiner historischen Verantwortung für die Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung bekannt. Wiedergutmachung wird in diesem Sinne nicht enden. Unsere moralische Verantwortung muss insbesondere den jüngeren Generationen nachhaltig vermittelt werden. Hier setzt auch die Bildungsagenda an, mit der wir die Erinnerung an die NS-Verfolgung wachhalten und Wissenslücken zum NS-Unrecht und zum Prozess seiner politischen Aufarbeitung schließen wollen."
Die Pilotprojekte der Bildungsagenda NS-Unrecht zeigen bereits jetzt, wie dieses Förderprogramm neue Wege und Ansätze in der Bildungsarbeit zur NS-Verfolgung geht und auch an bisher weniger bekannte Gruppen von NS-Verfolgten erinnert. So rückt die Kreisau-Initiative mit einem europäischen Recherche- und Bildungsprojekt das Schicksal verschleppter Kinder während der NS-Zeit wieder mehr ins öffentliche Bewusstsein. Die Münchner Kammerspiele erforschen die Schicksale der verfolgten Mitarbeiter:innen ihres Theaters. Innovatives Lernen steht ebenso im Fokus: Drei Frankfurter Gedächtnisinstitutionen erstellen eine digitale Erinnerungsplattform zu "Frankfurt und der NS". Die Bildungsstätte Anne Frank schafft Lernangebote für Mitarbeiter: innen in der öffentlichen Verwaltung zum Umgang mit Antisemitismus und Rassismus.
Dazu Annette Schavan, Kuratoriumsvorsitzende der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft: "Wir müssen mit unserer Arbeit die Gesellschaft stark und wach machen gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Die Ansätze der Bildungsagenda NS-Unrecht sind hierfür ein gutes Mittel, denn sie helfen gegen erstarkende Angriffe auf Menschenwürde und Demokratie."
MEMO-Jugendstudie zeigt, wie notwendig lebendiges und aktives Erinnern für Jugendliche ist
Wie wichtig diese erinnerungskulturelle Arbeit ist, deuten die heute ebenfalls von der Stiftung EVZ vorgelegten ersten Ergebnisse der MEMO-Jugendstudie an. Die Studie wird vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld durchgeführt und von der Stiftung EVZ aus ihren Stiftungsmitteln gefördert.
In den Ergebnissen zeigt sich unter jungen Menschen zwischen 16 und 25 Jahren ein hohes Interesse an einer gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Über drei Viertel der Befragten (76,5 %), und damit mehr als in der deutschen Allgemeinbevölkerung, finden es sinnvoll, sich auch heute noch mit der NS-Vergangenheit auseinanderzusetzen. Gleichzeitig gibt fast die Hälfte der Befragten (48,5 %) an, dass sie sich bisher "eher wenig" oder "überhaupt nicht" mit Bezügen zur NS-Zeit in der eigenen Familiengeschichte befasst hat. Entsprechend können viele der Befragten die Rolle ihrer Vorfahren bei den Verbrechen des Nationalsozialismus nicht einordnen.
Hieraus folgt das Bedürfnis nach Lernangeboten und der Einordnung historischen Wissens bei der Wahrnehmung aktueller Themen. Denn viele der Befragten sorgen sich um den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland (62,2 %). Sie erleben das Ausmaß, in dem Menschen in unserer heutigen Gesellschaft diskriminiert und ausgegrenzt werden, als besorgniserregend (59,6 %). Unmittelbare Vergleiche von Grundrechtseinschränkungen während der Corona-Pandemie mit der Diktatur des NS lehnen mit 67,2 % die meisten Befragten ab. Jedoch empfindet jede:r fünfte befragte Jugendliche (22,6 %) derartige Vergleiche als berechtigt oder grenzt sich nicht eindeutig von ihnen ab. Hier ist eine weitere Sensibilisierung junger Menschen für geschichtsrevisionistische Perspektiven nötig.
"Die MEMO-Jugendstudie bringt die Empirie, die Bildungsagenda die Ansätze, wie wir junge Menschen zu Träger:innen der Erinnerungskultur machen", sagt Dr. Andrea Despot, Vorstandsvorsitzende der Stiftung EVZ. Aus diesen Erkenntnissen der aktuellen Entwicklungen und Umbrüche in der Erinnerungskultur hat die Stiftung EVZ ihre programmatischen Ansätze für die Bildungsagenda NS-Unrecht entwickelt. "Neben den Jugendlichen nehmen wir dabei weitere Zielgruppen in den Blick, seien es Kulturschaffende oder spezifische Berufsgruppen. Denn unsere Beschäftigung mit den Verbrechen der Nationalsozialisten sollte nicht mit dem Schulabschluss enden. In jedem Lebensalter, jeder Lebensphase können wir zu einer toleranten und diversen Gesellschaft beitragen."
Weitere Informationen unter www.stiftung-evz.de/pressemappe-bildungsagenda
Bildungsagenda NS-Unrecht: Porträts aller Projekte und Informationen zu den Förderschwerpunkten
MEMO-Jugendstudie: Kurzpaper und Pressegrafiken zum Download
Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ)
Auftrag der Stiftung EVZ ist es, die Erinnerung an das Unrecht der nationalsozialistischen Verfolgung lebendig zu halten, die daraus erwachsende Verantwortung im Hier und Heute anzunehmen und die Zukunft aktiv zu gestalten. Zentrales Motiv der Stiftungsgründung im Jahr 2000 war die Auszahlung humanitärer Ausgleichsleistungen an ehemalige Zwangsarbeiter:innen des NS-Regimes - ein Meilenstein der deutschen Aufarbeitung. Heute fördert die Stiftung über ihre Handlungsfelder Bilden und Handeln Projekte, die den Überlebenden nationalsozialistischer Verfolgung, der Völkerverständigung und der Stärkung von Menschenrechten dienen.
Bundesministerium der Finanzen (BMF)
Das Bundesministerium der Finanzen ist seit knapp 70 Jahren für die Wiedergutmachung, die Entschädigung von NS-Unrecht, zuständig. Dies umfasst zunehmend auch die Folgeaufgaben der Wiedergutmachung für eine Zeit ohne Zeitzeugen. In Kooperation mit der Conference on Jewish Material Claims Against Germany (JCC) sollen Projekte im Bereich der so genannten Holocaust Education durchgeführt werden, außerdem soll das gesamte Dokumentenerbe der Akten aus der Wiedergutmachung digital in einem Themenportal zugänglich gemacht werden. Um das Wissen über und die Erinnerung an das NS-Unrecht und der Opfer der NS-Verfolgung wachzuhalten und zeitgemäß zu vermitteln, initiierte und finanziert das BMF daher auch die Bildungsagenda NS-Unrecht.
MEMO-Jugendstudie
Die MEMO-Jugendstudie wird vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld im Rahmen des MEMO-Projekts durchgeführt und von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) aus ihren Stiftungsmitteln gefördert. Die Studie knüpft an die MEMO-Studien 2018 bis 2021 zu Dimensionen der Erinnerungskultur in Deutschland an. Befragt wurden 3.485 repräsentativ ausgewählte junge Menschen zwischen 16 und 25 Jahren im Spätsommer 2021. Eine zweite Befragung im Spätsommer 2022 wird potenzielle Einstellungsänderungen empirisch abbilden. Vorgelegt wird die Gesamtstudie im Frühjahr 2023.
Pressekontakt:
Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ)
Katrin Kowark
Friedrichstraße 200
10117 Berlin
Tel. +49 (0)30 - 25 92 97 24
E-Mail: kowark@stiftung-evz.de
www.stiftung-evz.de
https://www.presseportal.de/pm/129525/5130012
Stiftung EVZ
Einladung zum Pressegespräch (25.1.): Vorstellung der neuen Bildungsagenda NS-Unrecht und erster Ergebnisse der MEMO-Jugendstudie
17.01.2022 – 11:30
Berlin (ots)
Gesprächspartnerinnen sind Prof. Dr. Luise Hölscher (Bundesministerium der Finanzen), Annette Schavan und Dr. Andrea Despot (Stiftung EVZ)
Die Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Unrecht braucht mit zunehmender zeitlicher Distanz zum Zweiten Weltkrieg neue Wege und Formate: Die Generation der Überlebenden geht von uns, und das Geschichtswissen in unserer Gesellschaft nimmt ab. Gleichzeitig nehmen antisemitische, antiziganistische und rassistische Übergriffe besorgniserregend zu - im Netz wie auf der Straße.
Vor diesem Hintergrund hat der Deutsche Bundestag Mittel für die Bildungsagenda NS-Unrecht - ein neues Förderprogramm für historisch-politische Bildung - bereitgestellt. Das Vorhaben wurde vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) initiiert, wird aus Mitteln des BMF finanziert und von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) umgesetzt.
Die Projekte der Bildungsagenda NS-Unrecht nehmen die Schicksale der von den Nationalsozialisten verfolgten Menschen in den Fokus - vor allem derjenigen, die bisher weniger sichtbar in der Öffentlichkeit waren. Ziel ist es, das Wissen über das NS-Unrecht in unserer Gesellschaft durch zeitgemäße Bildungsansätze dauerhaft zu verankern und die Erinnerung an das Unrecht auch in den nachfolgenden Generationen wachzuhalten.
Das Vorhaben soll dadurch gleichzeitig beitragen, der aktuellen Zunahme von Antisemitismus, Antiziganismus und Rassismus in Deutschland und Europa entgegenzuwirken.
Daneben werden wir in ersten exklusiven Zahlen ausgewählte Ergebnisse der MEMO-Jugendstudie vorstellen:
Wie junge Menschen an das Unrecht der Nationalsozialisten erinnern.
Welche Zugänge sie zur Geschichte haben.
Und wie Jugendliche Vergleiche mit der NS-Diktatur in aktuellen Debatten beurteilen.
Die MEMO-Jugendstudie wird vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld erstellt und von der Stiftung EVZ gefördert.
Zur Vorstellung der Bildungsagenda NS-Unrecht und der Vorstellung erster Ergebnisse der MEMO-Jugendstudie laden wir Sie herzlich zum Pressegespräch ein:
Dienstag, 25. Januar 2022, von 12:00 - 12.50 Uhr
Ihre Gesprächspartnerinnen sind:
Prof. Dr. Luise Hölscher, Staatssekretärin, Bundesministerium der Finanzen
Annette Schavan, Kuratoriumsvorsitzende, Stiftung EVZ
Dr. Andrea Despot, Vorstandsvorsitzende, Stiftung EVZ
Im Anschluss an die Inputs wird es Raum für Ihre Fragen und für O-Töne geben.
Die Veranstaltung wird hybrid durchgeführt:
Sie findet in Präsenz im Tagungszentrum des Hauses der Bundespressekonferenz, Raum 1-4 (Schiffbauerdamm 40, 10117 Berlin) statt. Bitte beachten Sie: Im Tagungszentrum gilt die 2G+-Regel. D.h. Geimpfte und Genesene benötigen ein tagesaktuelles, negatives Testergebnis oder den Nachweis einer "Booster-Impfung". Bitte bringen Sie auch einen gültigen Lichtbildausweis mit.
Sie findet via Livestream auf www.pressekonferenz.tv statt. Weitere Informationen zur digitalen Teilnahme, welche eine Message-Box für Ihre Rückfragen beinhalten wird, senden wir Ihnen zeitnah vor der Veranstaltung zu.
Bitte melden Sie sich formlos per E-Mail ( kowark@stiftung-evz.de) an und teilen Sie uns mit, ob Sie in Präsenz oder digital teilnehmen wollen. Gern senden wir Ihnen eine digitale Pressemappe zu. Bitte lassen Sie uns wissen, ob Sie daran interessiert sind.
Pressekontakt:
Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ)
Katrin Kowark
Friedrichstraße 200
10117 Berlin
Tel. +49 (0)30 - 25 92 97 24
E-Mail: kowark@stiftung-evz.de
www.stiftung-evz.de
https://www.presseportal.de/pm/129525/5123049
Grabenstrasse: Kindheit unterm Hakenkreuz
Der Autor hatte keine andere Wahl: Geboren 1933, im Jahr der Machtübernahme durch Adolf Hitler, noch dazu am 20. April, des Führers Geburtstag, erlebte er die Macht des Dritten Reichs als Grundschüler, als Pimpf beim Jungvolk und als Gymnasiast tagtäglich mit Haut und Haaren. Seine individuellen Nebenwege wurden ihm mit Hieben und Strafdienst schnell ausgetrieben. Er ordnete sich ein in die marschierenden Kolonnen, schrie aus vollem Halse >Heil Hitler<, prüfte in seinem Schulatlas die sich ausdehnenden Grenzen des Großdeutschen Reichs, glaubte an die Minderwertigkeit der Juden, der Sinti und Roma. Als Hitler sich umbrachte, ging für den jungen Gymnasiasten eine Welt zugrunde. Noch glaubte er, durch Sabotage und Diebstahl der siegenden US-Armee zu schaden. Dann kam der Wandel, der Kampf gegen Hunger und Kälte, der Aufbau eines privaten Lebensweges, Krieg und Nazi-Reich waren vergessen. Die Zeit verlief ziemlich unbeschwert, niemand wollte mehr an die Sünden der Nationalsozialisten denken. Bis 34 Jahre nach Kriegsende der Film >Holocaust< die Grausamkeiten der Braunhemden und der SS in das Bewusstsein der Deutschen hievte. Nach den Auswüchsen der Neonazis und der auch bei Schülern unverdauten Symbole eines verbrecherischen Systems wird es Zeit, die Philosophie einer unheilvollen Diktatur kennen zu lernen und zu bekämpfen. Der Irrweg des Autors in seiner Jugend ist eine Warnung für alle Demokraten dieses Landes.
Stiftung EVZ
Bildungs-App, Graphic Novel, Online-Ausstellung: Bundesprogramm 'JUGEND erinnert' fördert neue Formate zur Auseinandersetzung mit der NS-Zeit
26.11.2021 – 10:30
Berlin (ots)
Ein virtueller Rundgang durch die Gedenkstätte Malyj Trostenez bei Minsk, eine Bildungs-App zur Auseinandersetzung mit dem Holocaust und eine digitale internationale Jugendbegegnung: Im Programm JUGEND erinnert international fördern die Stiftung EVZ und das Auswärtige Amt seit 2020 insgesamt 25 internationale Projekte. Diese ermöglichen jungen Menschen sowie pädagogischen Fachkräften die Auseinandersetzung mit der Geschichte des Nationalsozialismus und transnationales Lernen durch Begegnungen an historischen Orten. Zudem werden neue digitale Formate für die Erinnerungskultur in den Projekten entwickelt und erprobt.
Michelle Müntefering, Staatsministerin für internationale Kulturpolitik im Auswärtigen Amt, dazu: "Hass und Hetze, Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus müssen wir entschieden entgegentreten, auch im Netz. Mit 'JUGEND erinnert' fördern wir eine europäische Erinnerungskultur und bringen junge Menschen aus ganz Europa zusammen, die gemeinsam Verantwortung für die Zukunft übernehmen. Jetzt entwickeln wir das Programm mit neuen und digitalen Formaten gezielt weiter."
Die internationalen Projektpartnerschaften im Programm JUGEND erinnert konnten trotz der weltweiten Corona-Pandemie innovative Konzepte für die historisch-politische Bildung entwickeln. Sie haben eine große Vielfalt hybrider Projektformate umgesetzt, die Bildungs- und Gedenkarbeit vor Ort mit transnationalem und grenzüberschreitenden Lernen verbinden. Die sinnvolle, kreative Verbindung von "online" und "offline, "virtuell" und "real" birgt auch in Zukunft enormes Potential für die Weiterentwicklung bewährter pädagogischer Konzepte in der internationalen Jugend- und Bildungsarbeit.
Dr. Andrea Despot, Vorstandsvorsitzende der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft, dazu: "Das Programm 'JUGEND erinnert' fragt nach der Zukunft, in der wir leben wollen. Wir als Stiftung EVZ meinen: Es sollte eine Zukunft sein, in der wir sensibilisiert sind für Ausgrenzungen und Diskriminierung, in der wir Verschiedenheit schätzen und einstehen für ein respektvolles Miteinander. Faktenorientiere Auseinandersetzung mit und Lernen aus der Geschichte ist die Grundlage dafür. Deshalb ermutigen wir junge Menschen, selbst Erinnerungskultur zu gestalten und aktiv gegen Ausgrenzung und diskriminierende Ideologien einzutreten."
Graphic Novel, Bildungs-App, Serious Game: drei Projekte aus dem Programm JUGEND erinnert
In Erweiterung der bereits erprobten Bildungsplattform Ester entsteht ein Format zur Erstellung von Graphic Novels, also illustrierten Romanen. Es kann an Orten der NS-Verfolgung für die (familien-)biografische und lokalhistorische Bildungsarbeit eingesetzt werden kann.
Beim deutsch-israelischen Jugendguide-Austausch " Pieces of Memory" zwischen dem Gedenkstättenverbund Gäu-Neckar-Alb und dem Ghetto Fighters' House in Israel entsteht eine Internetausstellung über die Schicksale von Verfolgten und Überlebenden mit Zeitzeug:innen-Interviews, Bild- und Textmaterial.
Das Serious Game "Train to Sachsenhausen" entsteht in Kooperation mit den Macher:innen des ausgezeichneten Games "Attentat 1942". Es thematisiert die Studierendenproteste 1939 im Protektorat Böhmen und Mähren, die infolge der sogenannten Sonderaktion Prag aufflammten. Das Spiel arbeitet mit historisch-archivalischen Materialien und einem biografisch-familiengeschichtlichen Ansatz. Bei den Spieler:innen befördert es eine klare Positionierung gegen Mechanismen der Ausgrenzung von Minderheiten.
Terminmerker: Diskussionsveranstaltung "YOUNG PEOPLE remember -shaping the Future of Remembrance together" auf YouTube
Beim öffentlichen Auftakt des Network Meetings der 25 geförderten Projekte diskutieren Vertreter:innen der geförderten Projekte, Expert:innen und junge Engagierte darüber, wie eine lebendige, inklusive und partizipativ angelegte und transnational ausgerichtete Erinnerungskultur aussehen kann. Die Veranstaltung findet im Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit in Berlin Niederschöneweide statt und wird live auf YouTube übertragen. Es moderiert Sumi Somaskanda (Deutsche Welle). Die Veranstaltung findet auf Englisch statt.
Datum: Montag, 29. November 2021
Zeit: 15.30 - 16:50 Uhr (MEZ)
Link: www.youtube.com/stiftungevz
Über die Stiftung EVZ
Die Stiftung EVZ bezeugt die Verantwortung von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft für das nationalsozialistische Unrecht. Sie nahm im Jahr 2000 ihre Arbeit auf: Das Gründungskapital in Höhe von 5,2 Mrd. Euro wurde jeweils zur Hälfte vom deutschen Staat und von der deutschen Wirtschaft aufgebracht. Bis 2007 leistete sie Zahlungen an ehemalige Zwangsarbeiter:innen des NS-Regimes. Seit 2001 fördert sie Projekte für die Überlebenden der nationalsozialistischen Verfolgung und setzt sich für Menschenrechte und Völkerverständigung ein.
Weiterführende Informationen
JUGEND erinnert im aktuellen Koalitionsvertrag (S. 124)
Das Programm JUGEND erinnert auf der Website der Stiftung EVZ
MEMO Deutschland - Multidimensionaler Erinnerungsmonitor 2021 der Stiftung EVZ: http://www.stiftung-evz.de/memo
Pressekontakt:
Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ)
Katrin Kowark
Friedrichstraße 200
10117 Berlin
Tel. +49 (0)30 - 25 92 97 24
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»Nazi Death Parade«
Niederländer stößt auf wohl ältesten Comic über NS-Gräueltaten
Ein Professor hat einen aus dem Zweiten Weltkrieg stammenden Comic entdeckt. Das Werk enthält die wohl ersten Zeichnungen von Nazi-Gräueltaten und gehörte zu einer politischen Kampfschrift gegen das NS-Regime.
11.11.2021, 17.34 Uhr
Auszug aus dem US-Comic »Nazi Death Parade« Foto: Institut zur Erforschung von Krieg, Holocaust und Völkermord / dpa
Die »Nazi Death Parade« zeigte bereits 1944 eine realistische Darstellung des Massenmordes in Gaskammern: Ein niederländischer Historiker hat den womöglich ältesten Comic über die Verbrechen der Nazis in Konzentrationslagern entdeckt.
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Die Zeichnungen beruhten auf Berichten von Augenzeugen, sagte Professor Kees Ribbens vom niederländischen Institut zur Erforschung von Krieg, Holocaust und Völkermord in Amsterdam. Ribbens hatte die Zeichnungen bei einem Internethändler in den USA entdeckt und hat dazu jetzt eine Untersuchung veröffentlicht.
Die sechs Zeichnungen stammen von US-Zeichner August Maria Froehlich, der selbst aus Österreich emigriert war. Er zeichnete den Transport von Menschen in Viehwaggons, die Ermordung in Gaskammern, die als Duschen getarnt waren, und auch die Verbrennung der Leichen in Öfen. Möglicherweise hatte Froehlich Aussagen von sowjetischen Soldaten nach der Befreiung des Vernichtungslagers Majdanek gelesen.
Zeichner stellte Opfer nicht als Juden dar
Der Comic war Teil einer politischen Kampfschrift gegen das NS-Regime. Die Herausgeber wollten die öffentliche Meinung beeinflussen, sagt der Historiker. »Wenn Worte nicht durchdringen, dann sollten es die Bilder tun.« Der Zeichner stellte die Opfer aber nicht als Juden dar. Möglicherweise wollte man damals antisemitische Reaktionen verhindern, vermutet der Historiker.
Zwar gab es während des Zweiten Weltkrieges im Ausland Berichte über die Judenverfolgung durch Deutschland. Doch Berichten vom Völkermord wurde vielfach nicht geglaubt. Erst am Ende des Krieges drang die entsetzliche Wirklichkeit langsam durch.
In den Vierzigerjahren waren zwar auch bereits in Comics Konzentrationslager und sadistische Nazis abgebildet worden. Doch dem Wissenschaftler zufolge waren diese klischeehaft und zeigten auch nicht die systematische Judenvernichtung.
Erst Jahre später sollte der Holocaust in Comics realistisch thematisiert werden. Maßgeblich ist dabei ab den Achtzigerjahren das Werk »Maus« des US-Künstlers Art Spiegelman, dessen Eltern beide das KZ Auschwitz überlebten.
bam/dpa
https://www.spiegel.de/
Deutschlands Generation Z und der Holocaust - Eine Geschichtsstunde
Was verbinden Deutschlands Schüler heute noch mit dem Holocaust? Deutschlands Generation Z, geboren zwischen 1996 und 2009, ist im Geschichtsunterricht mit einem Thema konfrontiert, das für sie sehr weit weg ist ...
Datum 05.10.2021
und sie dennoch bewegt.
Dokumentation Deutschlands Generation Z und der Holocaust
Für die Dokumentation wurden vier Schülerinnen und Schüler fünf Jahre lang begleitet - zwischen 2014 und 2019. Im Geschichtsunterricht nehmen sie immer wieder das Thema NS-Zeit und den Holocaust durch. Beeinflusst sie die deutsche Vergangenheit noch heute, ihre Werte, ihre politischen und sozialen Einstellungen?
Dokumentation Deutschlands Generation Z und der Holocaust
Wie wird in den Familien darüber geredet? Vor dem Hintergrund einer erstarkenden extremen Rechten, von immer wieder aufflammender Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus und einer brüchigen, sehr vielschichtigen kollektiven Erinnerung an die deutsche Geschichte mahnt der Film gegen das Vergessen.
Sendezeiten:
DW Deutsch
SA 30.10.2021 – 17:30 UTC
SO 31.10.2021 – 01:30 UTC
SO 31.10.2021 – 13:03 UTC
MO 01.11.2021 – 03:15 UTC
MO 01.11.2021 – 10:15 UTC
DI 02.11.2021 – 08:30 UTC
Neu-Delhi UTC +5,5 | Bangkok UTC +7 | Hongkong UTC +8
DW Deutsch+
SO 31.10.2021 – 02:00 UTC
MO 01.11.2021 – 11:03 UTC
Vancouver UTC -7 | New York UTC -4 | Sao Paulo UTC -3
Datum 05.10.2021
https://www.dw.com/
Baustelle Deutschland: Rassismus
Einmal quer durch Deutschland: logo!-Reporter Sherif hat sich auf einer Reise um eure Themen zur Bundestagswahl gekümmert.
Videolänge:4 min Datum:30.08.2021
Ein Problem in Deutschland ist Rassismus: In München hat logo!-Reporter Sherif Jugendliche getroffen, die das ändern wollen und zum Beispiel Demos organisieren.
Auf einer Reise durch Deutschland hat sich Sherif die Baustellen angeschaut, die die Politiker nach der Bundestagswahl eurer Meinung nach dringend beheben müssten. Hier könnt ihr alle Beiträge von ihm nochmal anschauen:
https://www.zdf.de/kinder/logo/
GESELLSCHAFT
Wachsender Antisemitismus an deutschen Schulen
22.05.202122. Mai 2021
Die Erziehungsgewerkschaft GEW beklagt eine Zunahme von Antisemitismus an deutschen Schulen. Zudem müssten kulturelle Konflikte entschärft werden, mahnt die Gewerkschaft.
https://p.dw.com/p/3tnnk
Deutschland Schüler auf dem Schulhof
Bild: Rüdiger Wölk/imago images
"Der Antisemitismus an Schulen hat zugenommen. Er war zwar nie verschwunden, aber die Themen Holocaust und jüdisches Leben in Deutschland sind für die Jugend nicht mehr so präsent", sagte GEW-Vorstandsmitglied Ilka Hoffmann dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Samstag).
Der Ton ist rauer
Früher hätten die Schülerinnen und Schüler noch häufiger mit Zeitzeugen sprechen können, heutzutage sei das Thema Holocaust bei der Schülerschaft verblasst. "Hinzu kommen die ethnischen und religiösen Konflikte, die die Schulen überfordern", so Hoffmann. "Auch durch die sozialen Medien ist der Ton in den Schulen rauer geworden, viele leben in ihren Blasen und können ihre Vorurteile weiter pflegen ohne, dass die Schulen das mitbekommen."
Hakenkreuze und Gewaltvideos - Was Kinder posten
26:00
Hoffmann forderte ein "behördliches, aber unbürokratisches und schnelles Hilfsangebot für die Bekämpfung von Antisemitismus an Schulen". Es gebe sehr gute Vereine und Organisationen, die Beratung leisten. "Aber es muss auch die Aufgabe der Landesinstitute sein, für Antidiskriminierung in Schulen zu sensibilisieren", fügte sie hinzu. Aktuell fühlten sich viele Lehrkräfte mit dem Problem des Antisemitismus alleingelassen.
haz/wa (kna, dpa, afp)
https://www.dw.com/
So sieht Rassismus aus
Rassisten behandeln Menschen, die anders sind als sie selbst, schlecht. Sie wollen mit diesen Menschen nichts zu tun haben. Manchmal beschimpfen sie die Menschen auch oder greifen sie an.
Rassismus bedeutet aber nicht nur Gewalt gegen andere Menschen. Immer wenn Menschen zum Beispiel wegen ihrer Herkunft, Hautfarbe oder Religion anders behandelt oder bewertet werden, dann ist das Rassismus.
Rassismus in Deutschland
Ein blöder Spruch oder ein unangenehmer Blick: Für viele Menschen gehört das leider zum Alltag dazu, auch hier in Deutschland. Zum Beispiel Menschen, die eine Migrationsgeschichte haben, also die selbst oder deren Vorfahren aus einem anderen Land stammen, haben immer wieder mit Rassismus zu kämpfen. Nur weil sie zum Beispiel anders aussehen, werden sie schlechter behandelt als andere.
In der Schule bekommen Kinder mit Migrationsgeschichte bei gleichen Leistungen häufig schlechtere Noten als andere, haben Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen herausgefunden.
Bei der Wohnungssuche reicht manchmal schon ein ausländisch klingender Name, um nicht zu einem Besichtigungstermin eingeladen zu werden.
In vielen Bereichen unserer Gesellschaft sind Menschen mit Migrationsgeschichte auch seltener vertreten als andere, zum Beispiel bei der Polizei, als Lehrerinnen und Lehrer und auch beim Film und im Fernsehen. Und auch im Deutschen Bundestag sitzen nur wenige Abgeordnete mit Migrationsgeschichte.
Diese Begriffe solltet ihr auch kennen
Wenn von Rassismus die Rede ist, werden auch oft Begriffe wie rechtsradikal, Neonazis oder ausländerfeindlich benutzt. Was damit gemeint ist und wie sie sich unterscheiden, erfahrt ihr unten.
Rechtspopulismus
Als Rechtspopulisten und Rechtspopulistinnen bezeichnet man oft Politiker und Politikerinnen, die rassistische Dinge sagen und gegen Ausländer sind. Oft wollen sie absichtlich mit ihren Aussagen Angst verbreiten. Sie beschimpfen andere Politiker und Politikerinnen. Sie behaupten, einfache Lösungen zu haben - auch für komplizierte Probleme. Und sie behaupten, dass nur sie wissen, wie ein Land richtig regiert wird.
Rechtsradikalismus
Wer rechtsradikal ist, glaubt, dass Deutsche mehr wert sind als andere Menschen. Rechtsradikale sind deshalb auch Rassisten. Radikal bedeutet, sie lassen sich von dieser Meinung nur schwer abbringen.
Rechtsextremismus
Rechtsextreme Menschen sind ebenfalls Rassisten. Sie hassen alle Menschen, die anders sind. Dabei sind sie so "extrem" in ihrer politischen Einstellung, dass sie teilweise auch gewalttätig werden. Im Unterschied zu Rechtsradikalen lehnen viele Rechtsextremisten die Demokratie ab - also unser politisches System, in dem alle frei und gleich leben können.
Was Rechtsextremismus ist
Neonazis
Neonazi ist eine Bezeichnung für rechtsextreme Menschen mit einer bestimmten politischen Einstellung. Ihre Einstellung hat viel mit der Vergangenheit Deutschlands zu tun. Neonazis - das bedeutet "neue Nazis“. Und "Nazis“ ist eine Abkürzung für das Wort Nationalsozialisten. Damit sind Menschen gemeint, die die Ideen des Nationalsozialismus gut finden. Viele Neonazis glauben, dass sie das Recht haben, Menschen, die ihnen nicht passen, anzugreifen und zum Beispiel zu beschimpfen oder sogar zu verprügeln.
Antisemitismus
Rechtsextreme Menschen verhalten sich oft auch antisemitisch. Antisemitismus bedeutet Voreingenommenheit, Feindschaft oder Hass gegen Juden - also gegen Menschen, die jüdischen Glaubens, jüdischer Herkunft sind oder zur jüdischen Gemeinschaft gehören.
Fremdenfeindlichkeit
Häufig wird beim Thema Rassismus auch der Begriff Ausländerhass oder Fremdenfeindlichkeit benutzt. Das ist allerdings nicht immer korrekt. Denn oft richtet sich der Rassismus nicht nur gegen Menschen aus dem Ausland. Stattdessen bekommen häufig deutsche Bürger und Bürgerinnen Rassismus zu spüren, wenn sie zum Beispiel eine dunklere Hautfarbe haben.
https://www.zdf.de/kinder/
RECHTSEXTREMISMUS AN SCHULEN
„Wir werden von Neonazis bedroht und als ,Zecken’ verunglimpft“
Veröffentlicht am 19.07.2023 | Lesedauer: 4 Minuten
Von Ulrich Kraetzer
Redakteur Investigation und Recherche
Der Lehrer Max Teske und seine Kollegin Laura Nickel veröffentlichten einen Brandbrief über rechtsextreme Vorfälle an ihrer Schule im brandenburgischen Ort Burg.
Quelle: Patrick Pleul/dpa
Die Lehrkräfte Max Teske und Laura Nickel lösten mit einem Brandbrief über rechtsextreme Vorfälle an ihrer Schule im Ort Burg in Brandenburg Ende April eine bundesweite Debatte aus. Nach rechtsextremen Bedrohungen sehen sich die Pädagogen nun gezwungen, ihre Schule zu verlassen.
WELT: Herr Teske, Sie und Ihre Kollegin Laura Nickel haben mit Ihrem offenen Brief eine Riesendebatte ausgelöst. Hatten Sie damit gerechnet?
Max Teske: Nein. Wir dachten, dass sich die regionale Presse vielleicht für eine kurze Zeit dafür interessieren würde. Dass es eine bundesweite Debatte geben könnte, hätten wir nicht für möglich gehalten.
WELT: Hätten Sie den offenen Brief geschrieben, wenn Sie es gewusst hätten?
Mehr...
https://www.welt.de/
Was bedeutet Rassismus?
Rassismus ist, wenn Menschen zum Beispiel wegen ihrer Hautfarbe, Herkunft oder Religion benachteiligt oder schlecht behandelt werden. logo! erklärt es euch.
Videolänge:1 min Datum:19.06.2019
Verfügbarkeit:
Video verfügbar bis 19.06.2024
https://www.zdf.de/kinder/logo/
MINDERHEITEN
Bildungsstudie: Sinti und Roma immer noch benachteiligt
Gleiche Bildungschancen für alle in Deutschland? Die RomnoKher-Studie zeigt Fortschritte und hohe Bildungsbereitschaft in der größten Minderheit Europas, aber - 76 Jahre nach dem Völkermord - auch Diskriminierung.
Mädchen und Jungen der Neckarschule in Mannheim freuten sich über den Besuch des Bundespräsidenten (Archivbild)
"Du bist nichts, du kannst nichts, du bist das Allerletzte", seit Jahrhunderten sei das der Minderheit eingeredet worden, mal offen, mal subtil, sagt Sebastijan Kurtisi der DW. Als einer der Interviewer der RomnoKher-Studie hat er in Deutschland lebende Sinti und Roma befragt, einheimische und zugewanderte. RomnoKher ist ein Verband der Sinti und Roma zur Förderung von Kultur und Bildung. Die Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" (EVZ) fördert die Studie.
614 Interviews wurden wissenschaftlich ausgewertet. Wie alle Interviewer ist Kurtisi selbst Mitglied der größten europäischen Minderheit von geschätzt 6,3 Millionen Menschen in der Europäischen Union mit der gemeinsamen Sprache Romanes. Die EU-Mitgliedsstaaten sind aufgerufen, ihre Teilhabe auch in der Bildung explizit zu fördern. Die große Mehrheit aller Befragten hält das für notwendig, über 80 Prozent halten Bildung für sehr wichtig.
"Warum denken sie, dass ich so bin?"
Sebastijan Kurtisi ist Rom, geboren in Mazedonien, aufgewachsen in Serbien, Diplom an einer technischen Schule, mit 17 Jahren mit seinen Eltern nach Deutschland geflohen, mittlerweile mit deutschem Pass. In Aachen hat er an der Entwicklung von Entschwefelungsanlagen gearbeitet, jetzt unterstützt er als Sozialcoach Menschen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten. Irgendwann merke man, sagt er, wie viele Vorurteile es über die Minderheit gebe: "Ein Volk, das nur aus Dieben, Musikern, Wahrsagern und Bettlern besteht? Warum denken sie, dass ich so bin?"
Porträt des Sozialcoach Sebastijan Kurtisi, er lächelt und trägt eine Brille
Sozialcoach Sebastijan Kurtisi war einer der Interviewer für die RomnoKher-Studie
Die Studienautoren verweisen auf Rassismus, Antiziganismus und Diskriminierungen: 40 Prozent der Befragten berichteten von Diskriminierungen ihrer Kinder, auch im Unterricht - von Lehrkräften und Mitschülerinnen. Zwei Drittel aller Befragten fühlen sich selbst wegen ihrer Zugehörigkeit zur Minderheit diskriminiert, auch im Bildungssystem. Dort aber, wo Lehrer hohe Erwartungen an die Kinder aus der Minderheit hatten, erreichten sie im Schnitt höhere Bildungsabschlüsse.
Das kann Interviewerin Manja Schuecker-Weiss, selbst deutsche Sinteza, bestätigen. Sie berichtet der DW von der Mutter eines Schülers, die mit ihrem deutschen Namen am Telefon ganz normal behandelt worden sei. Als sie und ihr Mann in der Schule erschienen, "dunkle Haare, dunkle Haut, Rock", seien komische Fragen gestellt worden. Plötzlich sollte der Junge in den Förderunterricht, obwohl er eine gute drei hatte.
Porträt der Sozialarbeiterin Manja Schuecker-Weiss, sie schaut ernst in die Kamera
Sozialarbeiterin Manja Schuecker-Weiss hat Sinti und Roma für die RomnoKher-Studie befragt
"Das erlebe ich oft", sagt Sozialarbeiterin Schuecker-Weiss. Da gebe es trotz guter Noten schlechtere Schullaufbahn-Empfehlungen, das hätten viele berichtet. Ihre eigene Tochter, die ein Gymnasium besucht, habe gesagt: "Ich bin so froh, dass ich blond bin und blaue Augen habe." Sie müsse sich keinem erklären. Als kürzlich in Singen die Polizei ein 11-jähriges Sinti-Kind in Handschellen mitnahm, ohne die Eltern zu informieren, habe das viele in der Community aufgewühlt.
"Erschreckende Differenz" zur Gesamtbevölkerung
Insgesamt zeigt die RomnoKher-Studie viele Bildungsfortschritte im Vergleich zu früheren Untersuchungen und im Vergleich der Generationen, sagt Karin Cudak der DW, Erziehungswissenschaftlerin an der Europa-Universität Flensburg und eine der Studienautorinnen.
Blick auf die geöffnete Tür und einen Klassenraum dahinter, in dem verschwommen Kinder zu erkennen sind, an der Tür hängt ein Schild, auf dem steht Herzlich willkommen. Klasse 1c
Die Grundschule besuchen mittlerweile alle Kinder aus der Minderheit der Sinti und Roma in Deutschland
Alle Kinder aus der Minderheit besuchten mittlerweile die Grundschule, aber es zeige sich auch, "dass ein großer Teil der Befragten nach wie vor das Bildungssystem mit leeren Händen verlässt" - jeder Dritte hat keinen Schulabschluss, in der Folge auch keinen Berufsabschluss. Deshalb finden viele nur schlecht bezahlte Jobs. Bei den jüngsten Befragten verpassen nur noch halb so viele den Abschluss, aber immer noch deutlich mehr als in der Gesamtbevölkerung: Nur fünf Prozent aller Erwachsenen in Deutschland haben keinen Schulabschluss.
Infografik Schulabschluss Sinti und Roma in Deutschland DE
Bei allen Fortschritten gerade bei jüngeren Befragten zeige sich eine "erschreckende Differenz zum bundesweiten Durchschnitt der Bevölkerung". So besuchen weniger Kinder aus der Minderheit die Kita, deutlich weniger erreichten einen Fachhochschul- oder Hochschulabschluss.
Und selbst wenn bei den Befragten unter 30 Jahren 15 Prozent das Abitur erreichen (Gesamtbevölkerung: 40 Prozent), schließen nur vier Prozent das Studium ab. Ein Grund könnte sein, dass die Familien die Kinder oft nicht genügend unterstützen können und keinen Zugang zu Hilfsangeboten finden, wie die Befragung zeigt.
Langfristige Folgen der nationalsozialistischen Verfolgung
RomnoKher-Mitgründer Daniel Strauß hatte 2011 schon eine erste Bildungsstudie der Minderheit herausgegeben. Sein Vater, einer der wenigen Auschwitz-Überlebenden, wurde durch das Schulverbot für die Minderheit zum Analphabeten gemacht, sagt Strauß der DW: "Er hat dafür gesorgt, dass seine Kinder in die Schule gehen, obwohl er selbst ausgeschult wurde."
50 Prozent der Überlebenden aber schickten ihre Kinder nicht zur Schule, weil es "die gleichen rassistischen Tendenzen gegeben hat, die gleichen Materialien, die gleiche Schulleitung, die gleichen Lehrer, die die Eltern ausgeschult haben." Diese Familien hätten noch eine Generation lang Bildungsmöglichkeiten verpasst.
Ein Mann im Anzug steht vor einer Wand mit Schrifttafeln mit Informationen zur Geschichte der Sinti und Roma in Deutschland
Mehr Empowerment: Daniel Strauß ist Mitgründer der Organisation RomnoKher und Herausgeber der Studie
Wenn der deutsche Staat gezielte Förderung - wie von der EU gefordert - abgelehnt habe mit dem Argument, das deutsche Schulsystem sei offen für jeden, sage er: "Nicht jeder hat den Völkermord erlebt." Für gleiche Chancen brauche es mehrere Generationen und explizite Unterstützung. Organisationen der Minderheit haben deshalb Mediatoren-Projekte gegründet.
"Das Wort wurde unseren Menschen in die Haut tätowiert"
Sebastijan Kurtisi ärgert die deutsche Debatte über die Verwendung des Wortes "Zigeuner": "Es geht mir nicht darum, wie ein Schnitzel oder wie eine Soße heißen soll. Das ist mir auf gut Deutsch gesagt Wurscht. Es geht darum, wie sehr uns dieses Wort stigmatisiert. Welche Urängste und welche Re-Traumata es bei uns weckt." Er erklärt: "Wenn ich jemandem sage: Hör bitte auf, mir auf den Fuß zu treten, das tut mir weh. Dann kann er nicht sagen: 'Warum denn? Das haben wir doch schon immer gemacht.' Das Wort wurde unseren Menschen in die Haut tätowiert. Und dann wurden sie vergast."
Wir sehen Sozialcoach Sebastijan Kurtisi an einem Rednerpult mit Mikrofon, im Hintergrund sind verschwommen Banner zu erkennen, u.a. mit dem Wort Romaday
Sichtbar werden wie hier am "Every Day is Roma Day" - Sebastijan Kurtisi sprach am 22.11.2017 in Berlin
Ihn und andere besorge aber "nicht nur das Z-Wort: Die steigenden Zahlen in der Neonazi-Szene, deren Sympathisanten, die Hanau-Morde oder Polizisten, die sich in den Kreisen bewegen. Das ist retraumatisierend und erweckt diese Urängste, die wir seit Jahrhunderten mit uns tragen, die in der Zeit von 1939 bis 1945 den Höhepunkt erreicht haben."
Wo bleibt das Positive über die Kultur der Sinti und Roma?
Studienautor Frank Reuter zeichnet nach, wie die Minderheit als andersartig beschrieben wurde, lange vor der nationalsozialistischen Verfolgung in ganz Europa, wie sich der Antiziganismus danach fortsetzte in vielen Institutionen, zumal der rassistische Völkermord bis 1982 nicht anerkannt wurde.
Eine Karte des nationalsozialistisch besetzten Europas 1942: Eingetragen sind Stätten des Völkermords an den Sinti und Roma: Vernichtungslager, KZ-Lager, Nebenlager, Orte von Deportationen und Massenerschießungen
Er zitiert einen Sohn von Überlebenden: "Die Kinder haben mich bösartig als 'dreckiger Zigeuner' beschimpft". Einige der Lehrer "waren ehemalige Nazis". Reuter zeigt, dass einige Schulbücher bis heute Stereotype über die Minderheit nicht widerlegen und positive Erzählungen praktisch nicht vorkommen.
Gesellschaft und Bildungssystem wären gut beraten, sagt auch Erziehungswissenschaftlerin Karin Cudak, sowohl die Verfolgungsgeschichte als auch Erfolgsgeschichten wie die vielfältigen Sinti-und-Roma-Kulturen und die Sprache Romanes in Lehrpläne und Unterrichtsmaterial aufzunehmen. Das gebe es bisher erst vereinzelt.
Dr. Karin Cudak, Pädagogin an der Europa-Universität Flensburg
Studienautorin Karin Cudak ist Erziehungswissenschaftlerin an der Europa-Universität Flensburg
Empowerment für die Minderheit
In Baden-Württemberg wurden diese Themen durch den Staatsvertrag mit der Minderheit schon in den Lehrplänen verankert, sagt Daniel Strauß. Trotzdem hätte sich fast niemand für die angebotenen Fortbildungen angemeldet. Er fordert für Deutschland einen Bildungsfonds, mehr Informationen über Identität, Kultur und Antiziganismus und mehr Empowerment: "auf Augenhöhe mit der Minderheit etwas entwickeln". Wo es Romno-Power-Clubs für Jugendliche gebe, stiegen auch die Perspektiven für die Ausbildung.
Genau wie bei der sorbischen oder dänischen Minderheit müsse die eigene kulturelle Identität gelebt werden, schon im Kindergarten. Die ganze Vielfalt der Minderheit solle gesehen werden: "Ein Bayer ist nicht nur Bayer, sondern Frau, Mann, katholisch, evangelisch, muslimisch, jüdisch, sehr groß, klein, dick oder dünn. Bei der Minderheit hätten viele das Gefühl: "Kennt man einen, kennt man alle. Das ist nicht so!"
https://www.dw.com/
Rüttgers: Pflicht zum Gedenkstättenbesuch für jeden Schüler - Ex-Ministerpräsident beklagt "Bodensatz von Antisemitismus"
20.11.2020 – 01:00
Kölnische Rundschau
Köln (ots)
Der frühere NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) fordert den Besuch einer ""Besuch einer Stätte der Erinnerung an die NS-Verbrechen" als Pflicht für jeden Schüler. "Es müssen nicht nur die großen Konzentrationslager sein, ich denke etwa auch an das EL-DE-Haus in Köln", sagte Rüttgers in einem Redaktionsgespräch der Kölnischen Rundschau.
Zudem forderte Rüttgers die Einrichtung eines Holocaust-Museums in Deutschland. "Egal, wie oft Sie beispielsweise in Yad Vashem waren, Sie werden tief erschüttert herauskommen", meinte Rüttgers, der das Kuratorium des Trägervereins zur Feier von 1700 Jahren jüdischen Lebens in Deutschland leitet. Rüttgers weiter: "So ein Ort fehlt in Deutschland." Seit Jahren sei die Bedrohung durch den Rechtsextremismus in Deutschland unterschätzt worden, kritisierte Rüttgers zudem: "Wir müssen dagegen mit der gleichen Härte vorgehen wie früher gegen den RAF-Terrorismus. Das Gleiche gilt für den islamistischen Extremismus." Es gebe einen "Bodensatz von Antisemitismus in diesem Land".
Zur AfD meinte Rüttgers, sie sei offensichtlich nicht bereit, die gemeinsamen Werte unserer Gesellschaft zu akzeptieren: "Sie relativiert NS-Verbrechen, sie bekämpft die Westintegration, sie hat entgegen allen Beteuerungen Berührungspunkte mit den Idenditären, sie wird von einem völkischen Block dominiert."
Im Jahre 321 waren erstmals Juden in Köln und damit auf dem Boden des heutigen Deutschland urkundlich erwähnt worden. Dies soll landesweit mit über 1000 Veranstaltungen gefeiert werden, unter anderem einem Festakt mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Köln. Der stellvertretende Vorsitzende des Trägervereins, Joachim Gerhardt, betonte, dieses Jubiläum gehe die ganze Gesellschaft an: "Nicht nur die Juden haben etwas zu feiern, sondern wir alle."
Pressekontakt:
Kölnische Rundschau
Raimund Neuß
Telefon: 0228-6688-546
print@kr-redaktion.de
https://www.presseportal.de/pm/70111/4768899
Der Holocaust? „Krass, so krass“
Schüler besuchen das Konzentrationslager Sachsenhausen mit seinem Tor, auf dem „Arbeit macht frei“ zu lesen ist.
Schüler über Nationalsozialismus und Judenverfolgung aufzuklären wird schwieriger: Es leben immer weniger Zeitzeugen, die Informationsflut ist gewaltig, und Kinder aus Migrantenfamilien blicken mit ganz anderen Augen auf die Vergangenheit. Wie kann jungen Menschen heute noch der Schrecken der NS-Zeit vermittelt werden?
Thoralf Cleven
26.01.2020, 11:31 Uhr
Berlin. Margot Friedländer erzählt es immer wieder. Wie sie hastig, den Stern am Mantel mit der Handtasche bedeckend, an dem Mann vorbeigeht, der vor ihrer Berliner Wohnungstür steht und ihr Gesicht mustert. Wie sie hastig von der Nachbarin ein Stockwerk drüber in die Wohnung gezogen wird. Wie die der 21-jährigen Margot Friedländer, die damals noch Bendheim heißt, klarmacht, dass die Gestapo ihren jüngeren Bruder Ralph abgeholt hat. Wie sich ihre Mutter Auguste stellt, um Ralph nicht allein zu lassen. Dass sie die beiden nie mehr wiedersieht. Das war Anfang 1943.
Die Berliner Zehntklässler, die vor der 98-jährigen Dame sitzen und gebannt zuhören, scheinen den Atem anzuhalten. So still ist es in der Schulaula. Margot Friedländer erzählt nun über die Zeit in der Illegalität, in der ihr 16 Deutsche halfen. 1944 fiel sie den Nazis dennoch in die Hände. Die junge Frau wird ins Konzentrationslager (KZ) Theresienstadt deportiert. Dort, “im Zwischenreich – nicht Leben, nicht Tod“, widerfährt ihr schier Unmögliches. Sie trifft Adolf Friedländer, den sie aus Berlin kennt. Beide überleben und lassen sich noch in Theresienstadt kurz nach der Befreiung vom letzten Rabbi trauen. Das junge Paar verlässt Deutschland, weil es seinen Landsleuten nicht mehr traut. Es geht in die USA, beide für ihr Leben gezeichnet.
Die 96-jährige Zeitzeugin Margot Friedländer berichtet in Schulen von der Zeit des Nationalsozialismus.
© Quelle: Schwarzkopf-Stiftung Junges Europa 2018
Es gibt Schüler, die nach dem Ende der Doppelstunde Geschichte mit dem Kopf schütteln, weil die Lebensgeschichte dieser Frau ihnen eine Vergangenheit vor Augen geführt hat, die Lehrbücher so nie vermitteln können. “Krass“, sagt ein Mädchen nur, “so krass.“ Der 16-jährige Sören macht Selfies mit Frau Friedländer, weil “sie einfach cool ist“. Was ist cool an ihr? “Sie berichtet, sie klagt nicht an, also nicht uns. Und sie ist zurückgekehrt, nach Hause. Sie ist ja auch Deutsche.“
Dass Margot Friedländer wenige Jahre nach dem Tod ihres Mannes 1997 wieder in ihre Geburtsstadt zurückzieht, finden die Gymnasiasten ebenso ungewöhnlich wie die amerikanischen Verwandten, erzählt sie den Schülern. “Ich wollte sprechen und ich wollte die Hand reichen. Denn ihr werdet von nun an die Zeitzeugen sein, die wir bald nicht mehr sein können.“ Dann geht sie erschöpft nach Hause.
Die alte Dame ist eine sehr kluge Frau. Sie weiß, dass ihr Schicksal eines von Millionen ist. Sie weiß aber auch, dass sich das Monströse – die ideologisch geplante und bürokratisch betriebene Vertreibung, Folter, Entmenschlichung und Ermordung von Frauen, Männern und Kindern – hinter einer sehr großen Zahl gut verstecken kann.
Der Stundenumfang im Fach Geschichte wird geringer
Wie viel und was Schüler heute von Nationalsozialismus und den Verbrechen an Menschen jüdischen Glaubens wissen und wie ihnen Geschichte vermittelt wird, ist bei Bildungsforschern höchst umstritten. Eine Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag der Körber-Stiftung ergab im vergangenen Jahr, dass nur 47 Prozent der befragten 14- bis 16-Jährigen wissen, dass Auschwitz-Birkenau ein Konzentrations- und Vernichtungslager der Nazis im Zweiten Weltkrieg war.
Ein Befund, der erstaunt, wenn die gleiche Befragung ergibt, dass mehr als die Hälfte großes Interesse an Geschichte hat und 80 Prozent finden, dass der Stoff zu historischen Ereignissen in den Schulen “stark“ vermittelt würde. Der Historiker Sven Tetzlaff von der Körber-Stiftung hat dafür eine Erklärung: “Das lange eigenständige Fach Geschichte geht immer weiter in Sammelfächern auf, auch der Stundenumfang wird geringer.“
Das heutige Interesse an der Geschichte von Nationalsozialismus und Judenverfolgung unterscheidet sich kaum von dem der Schüler vor 30 oder 40 Jahren, es müssen jedoch neue Vermittlungskonzepte gefunden werden.
Das heutige Interesse an der Geschichte von Nationalsozialismus und Judenverfolgung unterscheidet sich kaum von dem der Schüler vor 30 oder 40 Jahren, es müssen jedoch neue Vermittlungskonzepte gefunden werden.
© Quelle: Jacqueline Schulz
Das Interesse von Schülern an der Geschichte von Nationalsozialismus und Judenverfolgung unterscheidet sich kaum von dem der Schüler vor 30 oder 40 Jahren, hat Ulrich Bongertmann festgestellt. “Es ist ungebrochen hoch.“ Der Gymnasiallehrer aus Lambrechtshagen bei Rostock ist Vorsitzender des Verbands der Geschichtslehrer Deutschlands (VGD). Er findet: “Ehemalige Konzentrationslager sind die erste Adresse für die Holocaust-Vermittlung. Selbstläufer sind sie aber nicht.“ Die pädagogischen Konzepte an Schulen schwankten noch stark zwischen “Ehrfurcht wie in einer Kirche und staubtrockener Information“. Damit könne die Jugend heute nichts mehr anfangen, so Bongertmann.
Er denkt da gar nicht zuerst an Apps, Multimedia-Darstellungen oder sonst etwas. “Wir als Lehrer müssen damit umgehen lernen, dass heute kein Jugendlicher mehr seinen Opa schützen will.“ Schüler fragten ohne moralische Brille auf der Nase, wo denn hier der Galgen gestanden hätte und wie es sein könne, dass niemand von den Lagern und den Toten gewusst haben will. “Abgesehen davon“, betont Bongertmann einen weiteren Faktor, “können Einwanderer- oder Flüchtlingskinder in den Klassen mit unseren Schuldkategorien überhaupt nichts anfangen.“
Den Zeigefinger-Gestus vermeiden
“SA?“, fragt Ivan Kulnev, “könnt ihr was mit SA anfangen?“ Die 17-jährige Laura meldet sich. “Das heißt Sturmabteilung, die war so etwas wie die Vorgängerin der SS.“ Kulnev nickt, korrigiert, spricht über den Unterschied zwischen Sturmabteilung und Schutzstaffel. “Diese Typen waren sehr gefährlich. Es waren die, die Gewalt als politisches Instrument der Nationalsozialisten ausführten.“ Der junge Russe ist 32, Historiker und Slawist. Er steht an diesem kalten Januartag mit einer Gruppe von 15 Gymnasiasten aus Elmshorn bei Hamburg in einer Baracke des ehemaligen Konzentrationslagers Sachsenhausen bei Berlin.
Mit einem Frage-Antwort-Spiel führt er die Schüler durch die Anfänge der NS-Zeit, die Gewalt auf der Straße, die Verhaftungen Andersdenkender, die Aussetzung sämtlicher Freiheitsrechte bis hin zur Ermordung Inhaftierter. Der Himmel draußen ist grau, nachts hat es geschneit, die Kälte in diesem Holzbau kriecht durch die Winterjacken. Der 17-jährige Tom schaut sich suchend um: “Hier gab’s keine Heizung?“ Ivan Kulnev fragt in die Runde: “Was glaubt ihr?“
Er betreut schon seit sieben Jahren Schülergruppen. Er spricht in einfachen Sätzen und klaren Worten. “Den meisten Jugendlichen ist der geschichtliche Rahmen gut bekannt. Sie suchen hier Fakten und Antworten.“ Vieles, so seine Erfahrung, erschließt sich über das Schicksal Einzelner. Er vermeidet den Zeigefinger-Gestus. “Ich erzähle euch mal von Rudi Wunderlich, einem Kommunisten. Das hier ist sein Bild. Er war im KZ, weil er Flugschriften gegen Hitler verteilte. Heute ist das Facebook.“ Einige grinsen kurz.
Auf dem Weg zur “Station Z“, dem früheren Krematorium, erzählt der junge Russe über “Problemschüler“. Von Erschießungsanlagen, Gaskammern oder Leichenverbrennungsöfen ginge für einen kleinen Teil von Schülergruppen “eine gewisse Faszination“ aus. Kollegen hätten auch schon Führungen nach despektierlichen Bemerkungen wie “die Schwuchteln da“ über gefangene Juden, Homosexuelle oder Sinti und Roma abgebrochen. Es seien Ausnahmen, betont Kulnev. Er selbst habe mal eine junge Frau dabei erwischt, wie sie auf den Resten der Öfen für Selfies posierte, wie “in einer Art Disneyland des Grauens“. Er glaubt jedoch, solche Vorfälle lägen eher an schlechter Vorbereitung in der Schule. “Manche stehen hier plötzlich und fühlen sich der ganzen Situation nicht gewachsen. Böswillig sind nur ganz wenige, die meisten benutzen ihre Coolness als Mauer.“
In Oranienburg, 35 Kilometer nördlich von Berlin, erklärt Ivan Kulney Elmshorner Gymnasiasten das System KZ Sachsenhausen.
© Quelle: Jacqueline Schulz
Der Elmshorner Gymnasiast Tom fände es daher richtig, wenn jeder Deutsche verpflichtet würde, einmal einen „dieser brutalen Orte“ aufzusuchen. “Es ist ein Teil unserer Geschichte, dem wir uns in besonderem Maße stellen müssen.“ Der junge Mann, der es “erschreckend“ findet, dass nun im Bundestag eine rechte Partei wie die AfD sitzt, unterstützt die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli (SPD), die Anfang des Jahres vor dem Hintergrund eines wachsenden Antisemitismus in Deutschland Pflichtbesuche in KZ-Gedenkstätten gefordert hatte – für Deutsche und Migranten. Der Leiter der Gedenkstätte Sachsenhausen, Professor Günter Morsch, hält diesen Vorschlag für gut gemeint, aber wenig hilfreich. “Wir sind kein antifaschistischer Durchlauferhitzer, wie es sich manche sicher wünschen.“
Morsch, früherer Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten ist, klagt schon seit Jahren über finanzielle und personelle Benachteiligungen der Gedenkstätten gegenüber vergleichbaren großen Museen. “In Sachsenhausen etwa sind wir derzeit in der Lage, vielleicht die Hälfte der Besuchergruppen angemessen zu betreuen. Und das, obwohl sich die jährlichen Besucherzahlen in der Gedenkstätte Sachsenhausen seit 2006 auf mehr als 700 000 verdoppelt haben.“ Morsch schiebt den Ball zurück in das Feld der Berliner Politik. “Aus der Hauptstadt kommen inzwischen signifikant weniger Schüler.“ Das hänge vor allem mit schulinternen Problemen zusammen, die die Bedingungen für Besuche außerschulischer Lernorte verschlechterten.
Auschwitz-Zeitzeugin: „Ich wollte noch einmal die Sonne sehen“
Die Auschwitz-Überlebende hatte bis ins hohe Alter in Schulen und Bildungseinrichtungen ihre Geschichte erzählt. Sie ist 98-jährig im Oktober 2021 verstorben.
© Quelle: Agnieszka Krus/RND
“Die Verbrechen der Nationalsozialisten waren einmalig. Wie eine Kulturnation in kürzester Zeit so abstürzen konnte, das verunsichert noch heute. Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Das ist ein Grund, warum das Interesse auch bei Schülern nicht erlischt“, ist Morsch überzeugt. Aber es werde in der Schule, natürlich auch in Klassen mit vielen Migranten, viel Zeit benötigt, damit Schüler ihre Fragen stellen und ihre Interessen und Vorstellungen einbringen könnten. “Betroffenheitspädagogik baut jedenfalls keine Brücken mehr zur heutigen Generation.“
Bildung wiegt stärker als Migrationshintergrund
Die Direktorin des Zentrums für Bildungsintegration an der Universität Hildesheim, Professorin Viola B. Georgi, unterstützt Morsch. Im Grunde genommen sei gute historisch-politische Bildung überall und mit allen Schülern, egal welcher Herkunft, möglich. Entscheidend sei die Zeit, die dafür aufgebracht werde.
“Es gibt Jugendliche, die sich dieser Geschichte mit einer universalistischen, menschenrechtlichen Perspektive zuwenden, Jugendliche, die sich in deutsche Mythen und Geschichtsgeschichten über den NS verstricken, und Jugendliche, denen es aus unterschiedlichen Gründen schwerfällt, sich diese Geschichte zu eigen zu machen“, hat Georgi bei ihren Untersuchungen herausgefunden. “Der Bildungshintergrund der Familie, die gemachten Erfahrungen mit dem Erinnern, etwa beim Besuch von Gedenkstätten, der Geschichtsunterricht, die rezipierten Bildungsmedien und der Generationenwechsel wiegen stärker als der Migrationshintergrund. Denn die Gruppe der Einwanderer und ihrer Nachkommen mit deutschem Pass ist höchst heterogen.“
Der Historiker Sven Tetzlaff von der Körber-Stiftung hält die authentische Geschichtsvermittlung durch Zeitzeugen wie Margot Friedländer oder den Besuch von KZ-Gedenkstätten für das A und O der Holocaust-Bildung. Er sorgt sich, dass altersbedingt der feste Faden in die Vergangenheit abreißen könnte. Schüler müssten weiter Fragen stellen können. “Zeitzeugenvideos sind wichtig“, sagt er. “Aber sie geben keine Antworten auf eigene Fragen.“
Der virtuelle Zeitzeuge: Pinchas Gutter als Hologramm, ein Projekt der von Steven Spielberg gegründeten Shoah Foundation.
© Quelle: Miriam Lomaskin
Am Pazifik, in Los Angeles, bastelt Stephen Smith mit Technikern und Historikern an einer möglichen Lösung. Seit 1994 zeichnet die von US-Regisseur Steven Spielberg gegründete Shoah Foundation der Universität von Southern California weltweit die Lebensgeschichten von Genozidüberlebenden auf. 55 000 Videos sind dabei zusammengekommen.
Smith ist Geschäftsführer der Spielberg-Stiftung. Sein neues Projekt nennt sich “New Dimensions in Testimony“ (Zeugnisse neuer Dimension). Es verbindet die gesammelten Lebensberichte mit interaktiven und virtuellen Elementen. “Bislang ging es in der virtuellen Realität sehr viel um Spiele oder darum, Umgebungen zu schaffen, die man navigieren und erforschen kann“, erklärt Smith. “Aber eigentlich gibt es doch nichts Vertrauteres, als ein anderes menschliches Wesen von Angesicht zu Angesicht zu sprechen.“
Tatsächlich: Auf einem 2-D-Display erscheint Pinchas Gutter. Der 85-jährige gebürtige Pole hat die Konzentrationslager Majdanek, Buchenwald und Theresienstadt überlebt. Er kann viel berichten. Das Ergebnis ist wirklich frappierend: Pinchas Gutter beantwortet Fragen, lächelt verschmitzt, mal schaut er ernst. Der alte Herr dort ist eigentlich nur ein Hologramm – doch das ist schnell vergessen. Smith glaubt an die Unmittelbarkeit dieser Begegnung. “Ich denke, es wird der Standard sein, in dem wir künftig unsere Geschichte dokumentieren und vermitteln.“
In der Dunkelheit des Güterwaggons
Das Holocaust-Museum in Washington setzt auf eine besondere Art der Geschichtsvermittlung
Angemessenes Erinnern? Im Holocaust-Museum können Besucher “das Gefühl bekommen, wie die Menschen damals gelitten haben“.
© Quelle: Stefan Koch
Die Auschwitz-Baracke, der Güterwaggon mit dem schmalen Lüftungsschlitz, ein Leichenkarren. Bedrohliches Hundebellen ertönt aus den Lautsprechern, und aus dem Nebensaal dröhnt die Stimme von Adolf Hitler. Kleine und große Symbole des Massenmords an den Juden füllen die weitläufigen Räume. Es gibt unzählige authentische Artefakte, aber auch diverse Nachbildungen, die immer wieder für Debatten sorgen: Darf das Erinnern an das Böse so greifbar, so dreidimensional sein?
Die Holocaust-Gedenkstätte zählt zu den renommiertesten Museen der amerikanischen Hauptstadt. Fast zwei Millionen Besucher schauten sich allein im vergangenen Jahr die Dauerausstellung an, die regelmäßig um Sonderthemen ergänzt wird. Das Haus profitiert von dem sprunghaft angestiegenen Tourismus in Washington, gilt zugleich aber auch als engagierte Forschungsstätte.
Gerade erst vor wenigen Tagen wurde eine Kooperation mit dem Landesarchiv in Potsdam zur Digitalisierung von Akten unterzeichnet. Neben Yad Vashem in Jerusalem entwickelte es sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten zur zentralen Anlaufstelle der internationalen Holocaustforschung. Das Gebäude am Raoul-Wallenberg-Platz zwischen dem Washington-Monument und dem Jefferson-Memorial gleicht einem sanierten Industriegebäude aus dem frühen 20. Jahrhundert und ist gerade auch bei jüngeren Leuten populär.
“Die Dimension des Verbrechens ist so schwer zu verstehen“
So auch an diesem Wochenende: Die Haupthalle gleicht einem Campus, auf dem sich unzählige Studenten drängeln. Auf ihren Mobiltelefonen spielend, sitzen manche auf dem Fußboden neben den Eingängen, andere sammeln sich um die wenigen Sitzplätze. Auffällig sind an diesem Tag die vielen Nonnen und Mönche. Wie sich im Gespräch herausstellt, wollen sie an der jährlichen Demonstration von Abtreibungsgegnern unweit des Weißen Hauses teilnehmen und nutzen die Zeit bis zum Protestbeginn für einen schnellen Museumsbesuch.
Von der akribischen Arbeit im Hintergrund erfahren die Besucher zumeist nur bei längeren Aufenthalten. Viele Gäste, wie der 19-jährige Daniel Murphy aus Kentucky, konzentrieren sich lieber auf die präsentierten Ausstellungsstücke: “Die Dimension des Verbrechens ist so schwer zu verstehen. Aber hier bekommt man zumindest ein Gefühl, wie die Menschen damals gelitten haben“, sagt der Student, der mit seinen Eltern das Wochenende am Potomac verbringt.
Murphy erzählt, wie er einige Augenblicke in der Dunkelheit des Güterwaggons stand, mit dem die Juden damals in die Todeslager transportiert wurden. “Es war ein erschütterndes Gefühl, allein diese Vorstellung.“ Auch die Miniaturdarstellung der Gaskammern, der Bewacher, der Schäferhunde und der Opfer habe ihn berührt.
“Der Holocaust war nicht unvermeidlich"
Doch nicht alle Besucher lassen sich so intensiv auf die Darstellungen ein wie der junge Mann aus Kentucky. So sorgte die Museumsleitung amerikaweit für Aufsehen, als sie vor zwei Jahren das Videospiel „Pokémon Go“ aus ihren Räumen verbannte. Selbst Häuser, die sich bestens auf die Dramaturgie ihrer Präsentation verstehen, sind vor Desinteresse offenbar nicht gefeit. Ohnehin sei so ein unpassendes Verhalten eher die Ausnahme, heißt es.
Die leitende Museumsmitarbeiterin Diane Saltzman ist sich sicher, dass die eigentliche Aussage bei der Mehrheit der Besucher ankommt: “Unser Haus will zeigen, dass der Holocaust nicht unvermeidlich war. Es war das Ergebnis einer Reihe von Aktionen und Unterlassungen von vielen, vielen, vielen Menschen. Wir müssen verstehen, dass wir alle Akteure in unserer Epoche sind.“
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Nicht zuletzt die unzähligen Interviews mit Zeitzeugen, die sich die Besucher auf zahlreichen Bildschirmen anschauen können, würden dazu dienen, das Bewusstsein für die eigene Verantwortung zu stärken. Dazu diene letztlich auch die “dreidimensionale“ Darstellung, die es vielen Menschen erleichtere, die Erinnerung zu verfestigen. “Wenn sich die Gäste aus unserem Haus verabschieden, sollen sie ein Gefühl dafür mitnehmen, dass wir alle füreinander verantwortlich sind“, sagt Saltzman.
https://www.rnd.de/
Grundschüler wissen wenig über Juden und Roma
Eine Grundschülerin schreibt mit einem Füller in ein Heft.
Über Muslime wissen die meisten Grundschüler Bescheid, das Wort Jude haben sie schon einmal gehört, über Roma wissen sie so gut wie nichts. Das ist das Ergebnis einer Studie. Der Herausgeber der Studie hält die Ergebnisse für brisant im Zusammenhang mit der Entstehung von Vorurteilen.
06.11.2018, 09:55 Uhr
Berlin. Grundschüler in Deutschland wissen einer neuen Studie zufolge wenig über Juden und noch weniger über Roma. Zwar hat die Hälfte aller Sechs- bis 13-Jährigen das Wort „Jude“ schonmal gehört, erklären kann es jedoch nur ein gutes Drittel, wie das Internationale Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) in München herausgefunden hat. Dabei ist das Thema Teil der meisten Grundschullehrpläne. Kinder, deren Eltern einen Volks- oder Hauptschulabschluss haben, konnten den Begriff „Juden“ noch seltener richtig einordnen.
Dass Juden zur Zeit des Zweiten Weltkriegs verfolgt wurden, wissen laut der Umfrage zwar die Hälfte der Acht- bis Neunjährigen und fast alle Zwölf- bis 13-Jährigen (94 Prozent), ganz sicher über diesen historischen Fakt ist sich jedoch bei den Acht- bis Neunjährigen nur knapp jeder Fünfte (18 Prozent). Bei den Zwölf- bis 13-Jährigen sind sich 58 Prozent sicher, dass Juden im Zweiten Weltkrieg verfolgt wurden. „Dies sind Hinweise darauf, dass hier dringend mehr Wissen zu den Zusammenhängen vermittelt werden sollte“, teilte IZI-Leiterin Maya Götz mit.
„Aus pädagogischer Sicht sind diese Zahlen besorgniserregend“
Noch schlechter ist es der Studie zufolge um das Wissen über Roma bestellt. Den Begriff „Roma“ hat die Hälfte der Sechs- bis 13-Jährigen noch nie gehört. „Während bei vielen zum Thema „Muslime“ ein altersgemäßes Wissen vorhanden ist, weiß nur eine Minderheit, wer „Roma“ sind.“ Der Begriff „Zigeuner“ sei - falls überhaupt bekannt - nur mit eindeutig abwertenden Vorurteilen belegt.
Götz hält die Ergebnisse deshalb für brisant, weil die Grundschulzeit als entscheidende Phase für die Ausprägung von Vorurteilen gelte. Je mehr Vorurteile Kinder am Ende ihrer Kindheit entwickelt hätten, desto hartnäckiger hielten sich diese. „Aus pädagogischer Sicht sind diese Zahlen besorgniserregend, da das fehlende Wissen bei gleichzeitig fehlendem Kontakt zu diesen Gruppen zur Vorurteilsbildung beitragen kann“, sagte Götz.
Das Institut hatte im Rahmen des Forschungsschwerpunkts „Vorurteile, Rassismus, Extremismus“ 840 repräsentativ ausgewählte Kinder zwischen sechs und 13 Jahren zu ihrem Wissen und ihren Assoziationen zu diesen Begriffen befragt. In weiteren Untersuchungen will IZI herausfinden, inwiefern gut gemachte Film- und Fernsehprodukte für Kinder bei Abbau von Vorurteilen helfen können.
Von RND/dpa/ngo
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Materialien für Lehrer
Antisemitismus als Unterrichtsthema
Immer wieder kommt es zu antisemitischen Vorfällen, auch an Schulen. Um Lehrern beim Aufgreifen des Themas im Unterricht zu helfen, haben die Kultusministerkonferenz und der Zentralrat der Juden heute eine neue Webseite online gestellt.
Von Claudia van Laak | 18.04.2018
Der Spruch "Gegen jeden Antisemitismus!" prangt an einer Toilettenwand der Philipps-Universität in Marburg.
Gegen Antisemitismus kann man an Toilettenwänden vorgehen – oder im Unterricht. Der Zentralrat der Juden und die Kultusministerkonferenz haben für Letzteres eine Materialsammlung ins Netz gestellt. (picture alliance / dpa/ Arne Dedert)
Es geschah gestern Abend im Stadtteil Prenzlauer Berg: Zwei junge Männer mit Kippa[*] wurden auf der Straße von arabisch sprechenden Männern angegriffen und mit einem Gürtel geschlagen. Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden, zeigt sich schockiert:
„Es handelte sich nicht um ein muslimisch geprägtes Viertel, sondern um ein Szeneviertel, ein gut bürgerliches Viertel, Prenzlauer Berg, wo das Ganze geschehen ist. Und zwar wo ein Mensch, nur weil er eine Kippa trug, nicht nur mit Worten beleidigt, sondern auch körperlich angegriffen wurde.“
Der erneute antisemitische Vorfall zeige, wie wichtig die gemeinsamen Anstrengungen von Kultusministerkonferenz und Zentralrat der Juden seien, dem Thema Judentum und Antisemitismus im Unterricht mehr Gewicht zu geben.
Neue Webseite soll Material für Lehrer bieten
Aufklärung statt Klischees und Vorurteile – das ist der Ansatz. Bereits vor zwei Jahren hatten die beiden Institutionen eine entsprechende gemeinsame Erklärung unterzeichnet. Heute nun ging eine Webseite online, die Lehrern bei ihrer Unterrichtsgestaltung hilft. Josef Schuster:
„Zum einen geht es darum: Judentum darf nicht reduziert werden ausschließlich auf 1933 bis 1945. Jüdisches Leben gab es Jahrhunderte zuvor, gibt es zum Glück heute auch wieder. Aber es geht genauso darum, Lehrerinnen und Lehrer Handreichungen zu geben, wie sie im schulischen Umfeld mit Antisemitismus umgehen.“
Jüdische Geschichte und Gegenwart, jüdische Religion, Antisemitismus, Israel – wer auf die einzelnen Kapitel klickt, findet ausgewähltes Unterrichtsmaterial. Außerdem enthält die Webseite Ideen für außerschulische Projekte. Helmut Holter, Kultusminister der Linken in Thüringen und derzeit Präsident der Kultusministerkonferenz:
„Damit machen wir ein Angebot für Lehrerinnen und Lehrer. Wir wollen die Lehrer fitter machen, ihnen den Rücken stärken, dass sie einerseits das Wissen haben, andererseits Haltung zeigen können und sich sehr offensiv mit Überzeugungen von Jugendlichen auseinandersetzen können.“
Länder sollen Webseite bekannt machen
Bislang wird religiöses Mobbing an Schulen nicht gesondert erfasst – das heißt, niemand kann sagen, ob es sich bei Angriffen auf jüdische Schüler um Einzelfälle oder um einen generellen Trend handelt. Helmut Holter:
„Ich bin dafür, dass wir insgesamt diese Vorfälle, religiöses Mobbing und antisemitische Äußerungen und Vorfälle, erfassen. Es geht aber nicht um die rein statische Erfassung, es geht um die Ursachenforschung und die konsequente Auseinandersetzung, Bekämpfung dieser Vorfälle. Wir müssen Ursachenforschung betreiben und Maßnahmen einleiten.“
Der Zentralratsvorsitzende Josef Schuster appellierte an die Schulbehörden der Länder, die heute freigeschaltete Webseite mit den Unterrichtsmaterialien bekannt zu machen. Ein weiterer Wunsch: die Themen Antisemitismus und Judentum zum verpflichtenden Teil der Lehrerausbildung zu machen.
Zur heute freigeschalteten „Kommentierten Materialsammlung zur Vermittlung des Judentums“ geht es hier.
[*] Anmerkung der Redaktion: Wir haben die ursprüngliche Aussage korrigiert, weil sich nachträglich herausgestellt hat, dass die Angegriffenen keine Juden waren.
https://www.deutschlandfunk.de/
Jüdische Verbände besorgt
Antisemitismus auf dem Schulhof: „Jede Woche gibt es Vorfälle, selbst an Kitas ein Thema“
«Du Jude»: Antisemitismus auf dem Schulhof
dpa An Schulen soll es vermehrt zu antisemitischen Vorfällen kommen
Montag, 26.03.2018, 20:07
„Du Spacko“, „Du Spast“: Oft geht es rustikal zu, wenn sich Kinder oder Jugendliche in der Schule verbal in die Haare bekommen. Nicht selten fällt aber auch ein anderer Begriff: „Du Jude“ als Schimpfwort sei ein „oft beobachtetes Phänomen an Berliner Schulen“, heißt es in einer im Vorjahr vorgestellten Studie.
Das sei „total gängig“, werden dort mehrere Lehrer zitiert. Nun sorgt ein neuer Fall von Antisemitismus auf dem Schulhof für Schlagzeilen, der die erschreckende Dimension des Problems zeigt, das es nach Meinung von Fachleuten nicht nur in der Hauptstadt gibt.
An einer Berliner Grundschule wurde eine Zweitklässlerin von älteren Schülern aus muslimischen Familien als Jude beschimpft. Ein Mitschüler soll gedroht haben, sie umzubringen, weil sie nicht an Allah glaube. So jedenfalls erzählte es der Vater des Mädchens einem Journalisten der „Berliner Zeitung“. Demnach kursierte in einer WhatsApp-Gruppe der Grundschüler sogar ein IS-Enthauptungsvideo. Die Bildungsverwaltung und der Schulleiter bestätigten solche Vorfälle.
„Das ist kein Einzelfall“
„Das ist kein Einzelfall“, sagt Marina Chernivsky, Leiterin des Kompetenzzentrums Prävention und Empowerment der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland. Dieses arbeitet zum Thema Antisemitismus und Diskriminierung und bietet Eltern wie Schulen pädagogische Unterstützung und Opferberatung an. „Uns hat das nicht überrascht. Solche Vorfälle gibt es praktisch jede Woche, das ist selbst an Kitas ein Thema.“
Das bestätigt auch der Antisemitismus-Beauftragte der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Sigmount Königsberg. „Die meisten Fälle werden nur einfach nicht bekannt, etwa weil die Eltern nichts sagen.“ Schulenbagatellisierten solche Vorfälle als „Streitigkeiten“ oder kehrten das Problem unter den Tisch - auch aus Sorge um ihren Ruf.
„Kinder an Schulen mit hohem Anteil an Muslimen nicht sicher“
Gegenüber der „Bild“-Zeitung äußert sich eine Lehrerin, die angeblich an einer Grundschule in Kreuzberg unterrichtet. Sie glaubt, dass die Sicherheit jüdischer Kinder an deutschen Schulen gefährdet ist. Konkrete Beispiele für gewalttätige Übergriffe an ihrer Schule nennt sie jedoch nicht. „Ich kann mir inzwischen sehr gut vorstellen, warum jüdische Familien in Berlin die Privatschulen in bestimmten Bezirken bevorzugen. Die Kinder sind an staatlichen Schulen mit einem hohen Anteil an Muslimen nicht sicher“
Antisemitismus, da sind sich die Experten einig, gibt es von rechts, von links, in der Mitte der Gesellschaft - aber eben teils sehr ausgeprägt bei Muslimen, von denen zuletzt sehr viele gerade aus arabischen Staaten als Flüchtlinge nach Deutschland kamen. Nimmt das Problem auch an Schulen also in der Folge zu?
Warnung vor Radikaisierung junger Muslime
Diese Gefahr sehen zumindest jüdische Organisationen wie das American Jewish Committee (AJC): Die islamistische Ideologie, nicht zuletzt der Salafismus, habe große Anziehungskraft auf junge Leute, warnte dessen Berliner Direktorin Deidre Berger vor geraumer Zeit. Folge sei eine Radikalisierung muslimischer Jugendlicher in Deutschland, bei der Staat und Gesellschaft „mit wachem Auge“ draufschauen müssten.
Eine AJC-Studie unterstreicht den Befund. In dem - nicht repräsentativen - Stimmungsbild berichteten Lehrkräfte an Berliner Schulen von einer stark gestiegenen Rolle der Religion im Schulalltag. Etliche muslimische Schüler hinterfragten Lehrinhalte, stellten den Koran über alles, wachten über die Kleiderordnung bei Mädchen. Drohungen gegen Juden oder Homosexuelle, das Infragestellen der Demokratie, Sympathien für Terrororganisationen wie den IS, das Tilgen Israels von der Weltkarte - an Schulen laut Studie keine Seltenheit.
„Problem kann man nicht auf Zuwanderer reduzieren“
„Das Problem kann man nicht auf die Zuwanderer reduzieren“, betont Expertin Chernivsky. „Aber wir müssen auch sehen, dass viele dieser Menschen in ihren Heimatländern eine religiöse und vor allem politische Sozialisation durchlaufen haben, in der antisemitische und anti-israelische Haltungen prägend waren.“
Was also ist zu tun? Die Vorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW, Marlis Tepe, fordert bessere Aus- und Weiterbildung für Lehrer in Sachen interkultureller Kompetenz und mehr Sozialpädagogen an den Schulen, um auf die Konflikte angemessen reagieren zu können. Politische Bildung müsse einen höheren Stellenwert bekommen und in den Schulen viel früher als bisher thematisiert werden. „Lehrer müssen den Schülern klarmachen, dass es Regeln gibt, die auch einzuhalten sind“, fordert Königsberg von der Jüdischen Gemeinde. „Und sie müssen sich hinter die Opfer stellen.“
„Stopp, das akzeptieren wir als Gesellschaft nicht“
Dies tun auch Politiker. „Wenn ein Kind antisemitisch bedroht wird, ist das beschämend und unerträglich“, twitterte Außenminister Heiko Maas (SPD). „Jeder Form von Antisemitismus müssen wir uns entschieden entgegen stellen.“ Berlins Regierungschef Michael Müller (SPD) sprach von einem „furchtbaren und besorgniserregenden“ Vorfall. Klar sein müsse: „Stopp, das akzeptieren wir als Gesellschaft nicht.“
Eher pessimistisch, dass Deutschland das Problem des Antisemitismus auf dem Schulhof in den Griff bekommt, zeigt sich der Deutschland- Direktor der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, Wenzel Michalski. „Wenn es um Judenhass geht, sind sich Rechte, Linke, Bürger der Mitte, Moslemverbände, Schulen, Parteien, Elternvertreter einig: Kopf in den Sand und verharmlosen“, twitterte er am Montag. Michalskis Sohn war im Vorjahr an einer Schule in Berlin-Friedenau als Jude gemobbt worden.
https://www.focus.de/
Im Gespräch mit Zeitzeugen
Der andere Geschichtsunterricht
Geschichte mag manchmal dröge im Schulunterricht sein. In Herne will man dieses Bild abschütteln und dem Fach Leben einhauchen. Dafür kommen Zeitzeugen in die Schule und erzählen vom Überleben im Zweiten Weltkrieg. Rund 70 Schüler aus der zehnten Klasse hörten gespannt zu.
Von Kai Rüsberg | 09.11.2017
Ein Dutzend Zeitzeugen des Zweiten Weltkriegs sind der Einladung von Horst Spieckermann in die Herner Gesamtschule gefolgt. Drei Stunden werden sie den Schülerinnen und Schülern aus ihrer Vergangenheit berichten.
„Die vermitteln alles das, was nicht in den Geschichtsbüchern steht, so was die erlebt haben. Es ist so, als wenn die Enkel fragen: Oma oder Opa, erzählt mal, wie war das?“
Der geschichtsinteressierte Herner Rentner kam auf die Idee mit den Zeitzeugengesprächen, als er vor einigen Jahren einen Zeitungsbericht über einen über 100 Jahre alten Franzosen las. „Der war der letzte noch lebende aktive Soldat im Ersten Weltkrieg. Der ist an die Schule gegangen und hat aus seinen Erlebnissen erzählt. Sein Fazit war, er weiß bis heute noch nicht, warum wir aufeinander geschossen haben.“
In der kleinen Aula sitzen jeweils sechs bis acht Schüler an kleinen Tischen. Eine kurze Ansprache, ein paar Takte Klaviermusik, dann geht es los:
„Mein Name ist Helga Schellack, ja was wollt ihr wissen? Ich werde nächstes Jahr 80.“
„Ich habe gehört, Sie sind eine Bergmannsfrau. Das interessiert mich“
„Ich hab ihn geheiratet und die Bergwerke fünf Mal von unten gesehen. So richtig mit jungen Burschen mit Muckis, die mit der Bohrmaschine gearbeitet haben.“
Kinderlandverschickung und Flucht
Am Nachbartisch berichtet der 81-jährige Willy Görmann aus Wanne-Eickel über die Kinderlandverschickung in Pommern und wie er als Neunjähriger von dort fliehen musste.
„Alle wollten weg. Die wollten nur nicht den Russen in die Hände fallen. Sind wir Anfang März, am 7. März, bei 15 Grad minus, zu Fuß bei Eis und Schnee, nur Klamotten an. Meine Mutter hatte schon gleich Köfferchen, wo ihre Papiere drin waren, sonst nichts“
Sein Flucht war dramatisch, der Landweg abgeschnitten, es blieb nur eine gefährliche Fahrt über die Ostsee.
„Der Kapitän wollte auslaufen, nachts, weil die Russen waren schon in der Nähe. Die Granaten und sah schon am Horizont das Feuer. Also mit List und Tücke auf das Schiff gekommen und dieser Frachter, der hat normalerweise 25 bis 30 Leute als Besatzung. Wir waren 2000 nachher.“
Mehr als eine halbe Stunde hören die 8 Schüler am Tisch gebannt zu. Obwohl es laut um sie herum ist, lauschen sie konzentriert seinen Erinnerungen. Fragen kommen zunächst keine.
„Wir waren 8 Tage unterwegs, dazwischen war immer U-Bootalarm, dann Fliegeralarm. Dann hieß es immer Ruhe auf dem Schiff, Lichter alle aus. Lagen oben an Deck bei 15 Grad minus und Schnee und da war Stroh ausgelegt und darauf haben wir gelegen – so war das.“
Empathie und tieferes Verständnis
Willy Görmann hat auch Originaldokumente und Fotos mitgebracht – vom Vater, der bei der Marine war. Banale Verwaltungsbelege, wie die Genehmigung zum Landgang, lassen zusammen mit seiner Schilderung ein lebendiges Bild der Zeit entstehen. Spontan wollen die 15 oder 16-jährigen Schüler die vergilbten Dokumente für die Nachwelt sichern: „Das interessiert uns ja auch sehr und ich würde meinen Kindern das auch gerne weitergeben und auch erzählen. Aber wenn uns die Materialien fehlen und ich den das nicht zeigen kann, dann ist das bisschen schwer.“
Als die Plätze nach einer Stunde gewechselt werden, können sich Zeitzeugen und Schüler kaum voneinander trennen. Josephine Gröning und Leyla Bayır sind fasziniert von dem Treffen mit den Zeitzeugen.
„Ich fand es sehr interessant zu hören, den Fluchtweg, wie die so von Land zu Land immer und auch die Wege, wie die das gemacht haben, mit den Schiffen und auch noch mal zu hören, wie das genau war und die Gefühle von den Leuten.“
„Ich finde interessant, dass man sich damals für etwas anderes interessiert hat, auch über Kleinigkeiten gefreut hat.“
Das Zeitzeugentreffen leistet somit etwas, was Gesellschaftskunde- oder Geschichtsunterricht nicht so einfach erreichen: die Jugendlichen sich gedanklich in die Situation einfühlen zu lassen, bei ihnen Empathie zu erzeugen – und damit ein möglicherweise tieferes Verständnis.
https://www.deutschlandfunk.de/
Der "Marsch der Lebenden"
Den Opfern der Shoa gedenken und die jüdische Identität stärken: Ein außergewöhnliches Bildungsprogramm bringt Jugendlichen seit 25 Jahren den Holocaust und seine Geschichte näher.
Datum 07.04.2013
Autorin/Autor Marie Todeskino
Drei Kilometer, so lang war der Weg vom Konzentrationslager Auschwitz nach Birkenau, wo die Nazis ihre Opfer systematisch ermordeten. Im April 1988 zieht sich eine lange Schlange von Menschen über die schmale Straße. Mehr als 14.000 junge Juden aus aller Welt gehen den Weg schweigend. An ihrer Seite sind Überlebende der Shoa. Sie kehren an den Ort ihres Martyriums zurück, um der Opfer zu gedenken, aber auch, um den Blick nach vorne zu richten.
Symbol für die Zukunft
Seit jenem Apriltag findet dieser "Marsch der Lebenden" jedes Jahr am israelischen Holocaust-Gedenktag, dem Jom Ha'Shoa, statt. Der Name "Marsch der Lebenden" ist nicht zufällig gewählt: "Wir wollten einen Kontrast setzen zu den Todesmärschen der Nazis", sagt Shmuel Rosenman. Der 69-jährige Israeli ist der Vorsitzende der internationalen Organisation "Marsch der Lebenden" und einer der Gründer der Initiative.
Jugendliche beim Marsch der Lebenden (Foto: dpa)
Gegen Hass und Rassismus: das ist eine zentrale Botschaft des "Marsches der Lebenden"
Die "Todesmärsche" stehen für ein grausames Kapitel deutscher Geschichte: In den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs räumten die Nazis ihre Konzentrationslager in Polen und schickten tausende entkräftete KZ-Häftlinge auf mörderische Fußmärsche in Richtung Deutschland. Viele von ihnen überlebten die Tortur bei eisiger Kälte nicht. Im Gegensatz dazu stehe der heutige "Marsch der Lebenden", betont Rosenman: "Wir setzen ein Zeichen der Hoffnung." So ist der jährliche Schweigemarsch durch die Teilnahme der vielen Jugendlichen ein Symbol für die Zukunft.
Das Schweigen durchbrechen
Am 8. April 2013 fand der Marsch zum 25. Mal statt. Mehr als 150.000 Menschen haben in den vergangenen Jahren an dem Erinnerungsgang teilgenommen. "Am Anfang stand die Idee, Jugendlichen vor Ort von der Geschichte der Shoa zu berichten", erinnert sich Rosenman. Denn: "In vielen jüdischen Familien haben Eltern und Großeltern nie darüber gesprochen." Dieses Schweigen zu durchbrechen, war eines der Anliegen der Organisatoren.
Ein älterer Mann beim Marsch der Lebenden 2005 in Oswiecim, Polen. (Foto: dpa)
Beten für die Opfer: Der Erinnerungsgang findet jedes Jahr am israelischen Holocaust-Gedenktag statt
Der "Marsch der Lebenden" ist nämlich viel mehr als nur ein drei Kilometer langer Gang: Die Initiative ist ein Bildungsprogramm, für das sich jüdische Schulen und Gemeinden anmelden können. Eine Woche lang besuchen Schulklassen und Gruppen aus aller Welt Orte des Holocaust in Polen. Während dieser Reise findet auch jedes Jahr der eigentliche Erinnerungsmarsch statt.
Die Teilnehmer kommen mittlerweile aus 42 Ländern, die meisten sind zwischen 16 und 21 Jahren alt. Für viele ist es die erste direkte Konfrontation mit den Orten der Shoa. Avi Ehrlich ist jahrelang mit Schulklassen der Jüdischen Oberschule Berlin zum "Marsch der Lebenden" gefahren. Der jüdische Philosophie- und Bibelkundelehrer erinnert sich: "Auf einmal marschieren wirklich alle zusammen und es gibt Kontakt zwischen Gruppen aus Ländern, die sonst unheimlich weit voneinander entfernt sind. Die Schüler begreifen auf einmal, dass sie identitätsmäßig zu einem Volk gehören." Viele reagierten zunächst verschlossen, öffneten sich dann aber dem Dialog über das Geschehene und ihrer eigenen Trauer, so Ehrlich.
Zeugen der Nazi-Verbrechen
In den vergangenen Jahren wurde jede Gruppe meist von einem oder mehreren Holocaust-Überlebenden begleitet. Sie erzählen den jungen Erwachsenen ihre Geschichte der Ausgrenzung und Verfolgung: "Auf die Schüler haben die Berichte eine enorme Wirkung", unterstreicht Shmuel Rosenman. Auch dieses Jahr kommen wieder 300 Zeitzeugen nach Polen.
Teilnehmer am Marsch der Lebenden 2005 in Oswiecim (Foto: dpa)
Die Teilnehmer wollen ein Symbol für die Zukunft setzen
Seit einigen Jahren hat sich der Fokus des Bildungsprogramms erweitert: Ein Teil der Reise widmet sich dem jüdischen Leben in Polen vor dem Zweiten Weltkrieg, außerdem wird der Dialog mit polnischen Schülern gefördert. In diesem Jahr steht der Erinnerungsmarsch zudem im Zeichen des 70. Jahrestags des Aufstands im Warschauer Ghetto. Daher ist insbesondere der jüdische Widerstand ein Thema.
Universale Botschaft
Die zentrale Botschaft der Initiatoren des Marsches ist jedoch universal: Den Wurzeln von Hass, Vorurteilen und Intoleranz auf den Grund zu gehen und sie zu bekämpfen. Dabei gehe es nicht nur um Antisemitismus, so Rosenman: "Seit zehn Jahren kommen auch viele Nichtjuden. Das ist eine sehr positive Entwicklung", erläutert der Hochschullehrer aus Tel Aviv.
Christina Brinkmann, Freiwillige in der Internationalen Jugendbegegnungsstätte Auschwitz. *** privates Bild, eingestellt im April 2013
Christina Brinkmann (18)
Eine von diesen Teilnehmern ist Christina Brinkmann aus Greifswald in Deutschland. Die 18-Jährige arbeitet als Freiwillige in der Internationalen Jugendbegegnungsstätte Oswiecim/Auschwitz. Sie erhofft sich von ihrer Teilnahme Gespräche mit den angereisten Zeitzeugen und Jugendlichen: "Ich habe ein besonderes Interesse daran, weil es sich um eine jüdische Veranstaltung handelt."
Für sie ist der "Marsch der Lebenden" nicht nur eine Form des Gedenkens: "Er hat auch einen starken Bezug zu unserer heutigen Welt und eine klare Botschaft gegen Menschenrechtsverletzungen und Rassismus."
In der Erinnerungskultur ist der internationale "Marsch der Lebenden" heute fest etabliert. Das Bildungsprogramm hat eine Brücke zwischen den Generationen geschlagen: Viele Zeitzeugen konnten ihre Erlebnisse im direkten Gespräch mit Jugendlichen weitergeben.
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Neonazi-Aussteiger warnt Jugendliche
Er wirkt sympathisch und reflektiert, doch er erzählt von einer Jugend voll tödlicher Gewalt und Menschenverachtung. Früher hat er selbst Kinder rekrutiert, jetzt arbeitet er gegen den Einfluss der Rechtsextremisten.
Datum 15.02.2013
Autorin/Autor Andrea Grunau
Sascha (Name geändert, auf dem Foto vorne, 2. von rechts) ist entsetzt über die Morde der Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). Die massive Gewaltbereitschaft und Menschenverachtung habe ihn aber nicht überrascht, sagt er. Von seinem Leben als "asozialer Gesellschaftsterrorist" berichtet er der Klasse 10d an der Gesamtschule Schwerte am Präventionstag gegen Rechtsextremismus. Noch 20 Jahre nach seinem Ausstieg aus der Neonazi-Szene will er seinen richtigen Namen nicht nennen und sein Gesicht nicht öffentlich zeigen. Er fühlt sich bis heute bedroht. Zusammen mit Thomas Schwengers vom Jugendamt Schwerte, der die Präventionstage gegen Rechts koordiniert, warnt er die Jugendlichen, wie leicht man in die rechte Szene rutschen könne, und wie schwer es sei, einen Ausstieg zu finden.
Sascha (39) erzählt den 15- bis 16-jährigen Schülern, was er gemacht hat, als er so alt war wie sie: "Ich habe meinen ganzen Tag damit verbracht, anderen Leuten das Leben zur Hölle zu machen. Mit jedem Opfer fühlte ich mich größer." Gewalt bestimmte sein Leben: "Ich habe kleinere Kinder geschlagen und Frauen, Behinderte aus Rollstühlen getreten, habe den Leuten die Haare angezündet. Im Zug, im Bus, wenn jemand eingestiegen ist, der mir nicht passte, habe ich mich an den Stangen oben festgehalten, bin dem mit beiden Stiefeln ins Gesicht gesprungen und dann ausgestiegen." Anschließend ging er zur Schule.
Freundschaft, Bier und Erlebniscamp mit Kalaschnikow
Geködert hatten ihn die Rechtsextremen nicht mit radikalen Botschaften sondern mit Freundschaft. Als er 12 Jahre alt war und in der Schule ein Außenseiter sprachen ihn junge Männer an. Sie holten ihn mit dem Auto ab, boten ihm Bier an und Erlebniscamps: "Du hängst da mit 20-Jährigen in Belgien im Wald rum, zeltest, machst ein Riesen-Lagerfeuer und ballerst am nächsten Tag mit einer scharfen AK47", einer Kalaschnikow. Sein Einstieg in die Szene "hatte nichts mit Politik oder Fremdenhass zu tun", sagt Sascha, "ganz im Gegenteil. Ich hatte da noch italienische und türkische Freunde". Diese unpolitische Anwerbung sei bis heute typisch, bestätigt Thomas Schwengers vom Jugendamt Schwerte, der sich seit Jahren mit Rechtsextremismus beschäftigt.
Weil Sascha bei den neuen "coolen Freunden" dazu gehören wollte, habe er die Gewalt akzeptiert. "Und beim zehnten Mal bist du derjenige, der vielleicht mit einer Flasche Bier zuschlägt anstatt mit der Hand“, erinnert er sich. Als Jüngster habe er sich besonders angestrengt, "und ehe du dich versiehst, hast du 13, 14 Vorstrafen und bist 15 Jahre alt". Er konsumierte regelmäßig Alkohol und Drogen, während die Szene Flugblätter verteilte gegen "Drogenhandel durch Ausländer". Bis er gemerkt habe, dass alles in eine falsche Richtung laufe, sei er so in Straftaten verstrickt gewesen, dass er nicht mehr einfach aussteigen konnte.
Über rechtsextreme Musik und aggressive Parolen wurden ihm Rassismus und ein rechtes Weltbild eingetrichtert, erzählt Sascha. Der Kontakt zu seinen ausländischen Freunden brach ab, sein Menschenbild verzerrte sich: "Unwertes Leben waren für mich ab diesem Zeitpunkt der neuen Freundschaften ausländische Mitbürger oder halt Andersdenkende." Er rannte rechten Phrasen vom "Endsieg" und "Großdeutschen Reich" hinterher, ohne konkrete Vorstellung, was das heißen sollte. Er wollte nur dazu gehören, sagt er, so sei es vielen gegangen. Sascha gründete für die rechtsextreme NPD neue Verbände, entwarf Flyer und gab Schulungen. Er rekrutierte neue Anhänger, indem er Jugendliche ansprach.
Hilflose Eltern, schreckliche Tat
Die Schwerter Schüler wollen wissen, wie seine Eltern reagierten und wie er doch noch den Ausstieg schaffte. Sascha antwortet, sein Vater habe sich rausgehalten, seine Mutter sei überfordert gewesen. Selbst wenn sie ihn nach Straftaten bei der Polizei abholte, wiegelte sie ab: "Ich kenn' ja meinen Kleinen, so was würde der nie machen." Als er mit verbotener Hakenkreuzfahne vom Flohmarkt kam, sagte sie: "Die würde gut über dein Bett passen." Ein halbes Jahr später, erzählt Sascha, "sah mein Zimmer aus wie der Führerbunker". Der Ausstieg gelang ihm erst nach sieben Jahren, als er für eine schwere Straftat ins Gefängnis kam und sich dort erstmals wieder nüchtern mit sich selbst auseinandersetzte.
Neonazi-Aussteiger Sascha (Name geändert) mit einer Sturmhaube (Foto: DW)
Ex-Neonazi Sascha will auch 20 Jahre nach seiner Tat und seinem Ausstieg sein Gesicht nicht zeigen
"Welche Straftat?", fragt eine Schülerin. Sascha schaut sie an und räuspert sich, dann erst antwortet er: "Ich habe im Alter von 19 Jahren mit einem Freund zusammen einen Obdachlosen getötet". Betretenes Schweigen im Klassenraum. Dann neue Fragen: Wie kommt man dazu? Wie ist das Gefühl danach? Saschas Antworten spiegeln zunächst den zynischen Gewalttäter von damals: "Keine Ahnung, hatte ich Bock drauf. Der war halt gerade da. Falsche Zeit, falscher Ort."
Dann aber lässt er seine Betroffenheit, seine Scham und Schuldgefühle spüren angesichts der Tat, die er mit 3,3 Promille Alkohol im Blut verübt hat - was sich für ihn stark schuldmindernd auswirkte. "Schrecklich" fühle sich das bis heute an, sagt er: "Was dich nachts beschäftigt, was in deinem Kopf rumgeht. Damit fertig zu werden, dass man, ja, dass man ein Mörder ist, das ist die eigentliche Strafe und die ist nicht nur angemessen, sondern berechtigt."
Nach einem Jahr Untersuchungshaft wurde Sascha zu einer Bewährungsstrafe und zur Zahlung eines sechsstelligen Schmerzensgeldes verurteilt. Sein Opfer starb nach der Verhandlung. Im Gefängnis habe er gemerkt: "Das ist alles falsch, was ich mache."
Ausstieg, Drohungen und Wende um 180 Grad
Mit dem Rückhalt seiner Familie gelang ihm der Ausstieg. Die Szene sah das als Verrat, schließlich galt er mit seinem Insiderwissen als "Geheimnisträger". Kurz nach seiner Gefängnisentlassung lauerte ihm ein Auto auf, ein ganzes Magazin Munition wurde auf ihn abgefeuert. Er warf sich zitternd vor Angst in den Straßengraben, merkte dann, dass es nur Platzpatronen waren.
Über Drohungen und Gewalt gegen Aussteiger berichtet auch der Innenminister des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen (NRW) Ralf Jäger: Ein ehemaliger Aktivist sei so geschlagen worden, dass er drei Tage im Koma lag. NRW hat 2012 mehrere Neonazi-Kameradschaften verboten und das Programm für Aussteiger ausgeweitet. Der Verfassungsschutz NRW betreut derzeit mit rund 40 Ausstiegswilligen doppelt so viele wie noch 2011. Das ist "bundesweit eine Vorreiterrolle", sagt der Minister.
Sascha hat trotz der Drohungen nie bereut, dass er ausgestiegen ist. Seitdem lebe er erst richtig, erzählt er den Jugendlichen in Schwerte. Er kann sein Interesse an Musik, Kunst und Menschen aus allen Kulturen genießen, das er in der rechten Szene unterdrücken musste. Seine Hobbys und die Herkunft seiner Frau wären zu seiner Neonazi-Zeit undenkbar gewesen, sagt er.
Seit Jahren engagiert er sich aktiv gegen die rechte Szene. Bei einem Anti-Gewalt-Training, das er für ein Jugendamt begleitet hat, merkte er, dass auch rechte Jugendliche, die als "beratungsresistent" galten, ihn an sich heranließen: "Da sind viele Kids und auch junge Männer, die so viel Potenzial an Gewalt in sich haben, denen kann man nur auf Augenhöhe entgegentreten, wenn man weiß, wovon man da redet."
Das erste Mal etwas machen, was auch richtig ist
Der Klasse 10d schärft Sascha ein, dass so etwas wie ihm fast jedem passieren könne, zumal die rechte Szene intensiv um Nachwuchs werbe. Die Jugendlichen kennen Rechtsextreme auch aus Schwerte. Die Kleinstadt ist weniger als 20 Kilometer von Dortmund entfernt, wo die Rechten sehr aktiv sind. Die Schülerin Lynn etwa hat mehrfach erlebt, wie Neonazis andere Menschen "ohne Grund fertig machen, einfach weil sie eine andere Abstammung haben".
Jannik aus der Schülervertretung engagiert sich selbst gegen Rechtsextremismus. Er will wissen, wie er mit einem Bekannten umgehen soll, der fremdenfeindliche Parolen vertritt und offenbar nach rechts abdriftet. Sascha rät ihm, den Kontakt zu halten, die menschenverachtenden Botschaften klar zu verurteilen und abzulehnen, nicht aber den Menschen. Jannik fühlt sich ermutigt. Er ist beeindruckt, "wie jemand aus der Szene rausgekommen ist und dann sagt, ich geh' gegen diese Bewegung vor - trotz der Einschüchterung".
Sascha sind die Gespräche in Schulen und die Arbeit mit rechtsextremen Jugendlichen sehr wichtig, betont er, "weil das eine Wiedergutmachung ist und eine Therapie für mich. Und es ist das erste Mal, dass ich in meinem Leben etwas mache, was sich nicht nur gut anfühlt, sondern auch noch richtig ist. Das ist selten genug gewesen bei mir."
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Jugendliche gegen Rechtsextremismus impfen
Sie marschieren, werden angeschrien und gegeneinander ausgespielt. Schüler lernen beim Präventionstag gegen Rechts, wie schnell Zwangsherrschaft in Diktaturen wirkt. Abschalten kann dabei keiner.
Datum 31.01.2013
Autorin/Autor Andrea Grunau
"Vortreten, vorstellen!", wieder und wieder ruft Museumspädagoge Olaf Fabian-Knöpges in seiner Rolle als autoritärer Uniformträger einzelne Schülerinnen und Schüler aus den Reihen ihrer Klassenkameraden. Er lässt sie strammstehen und fordert, ihn als "Herr Hauptsturmführer" zu grüßen. Die Meldung geht den meisten schwer über die Lippen. Beim kleinsten Fehler heißt es: "Zurücktreten. Vortreten, vorstellen!" Anfänglich kichern viele, doch die Jugendlichen wirken immer angespannter, kneten die Hände, bekommen hektische Flecken im Gesicht.
Der Uniformierte kommt den Einzelnen unangenehm nah, fragt nach Schulnoten und "deutschen Tugenden". Er verspottet sie, tut freundlich, schreit dann unvermittelt und bringt sie dazu, sich gegenseitig herabzusetzen. Nina muss das Kinderlied "Alle meine Entchen singen". Weil es dem "Herrn Hauptsturmführer" nicht gefällt, lässt er die anderen aus ihrer Gruppe Kniebeugen machen. "Wie hat sie gesungen?", fragt er Ninas Mitschüler. Fabian-Knöpges gibt erst Ruhe, wenn alle sein vernichtendes Urteil wiederholen: "Das war total scheiße". Schnell wagt keiner mehr, etwas anderes zu sagen. "Ich habe nur gehofft, dass ich nicht drankomme", erzählen einzelne Mitschüler später bei der Nachbesprechung.
Angelehnt an NS-Zeit, aber weltweit übertragbar
Der Historiker und Museumspädagoge Olaf Fabian Knöpges erklärt Schülern das Historische Spiel (Foto: DW)
Eine Art Selbsterfahrung kündigt der Historiker den Schülern am Präventionstag an
Keine Stunde ist es her, da hat Historiker Fabian-Knöpges in Zivil der Klasse 10d an der Gesamtschule Schwerte freundlich erklärt, wie er mit ihnen am Präventionstag gegen Rechts eine Zwangssituation simulieren will. Das historische Spiel, das er zusammen mit Thomas Schwengers vom Jugendamt Schwerte entwickelt hat, heißt "Gefrierfleischorden 1942". Das ist der zynische Spitzname für eine Medaille, die deutschen Soldaten im Zweiten Weltkrieg für die "Winterschlacht im Osten" verliehen wurde. Die Schüler und Schülerinnen gießen den Orden beim historischen Spiel als Zwangsarbeiter aus Zinn. Der Uniformträger wird sie als unbrauchbar auf den Boden werfen.
Damit ist das Präventions-Projekt um Zwang und Macht historisch angelehnt an die nationalsozialistische Herrschaft, die die Klasse auch gerade im Unterricht behandelt. "Man kann die Zeit 1933 bis 1945 nicht nachspielen oder nachstellen", stellt Schwengers klar, man könne aber versuchen, einen emotionalen Bezug herzustellen. Schüler von heute sagten, das sei alles so schrecklich gewesen mit über sechs Millionen Toten und gar nicht nachvollziehbar: "Ich würde keinen Juden umbringen". Bei der Simulation "Gefrierfleischorden" lernten sie in kurzer Zeit zumindest die typischen Muster kennen, wie man sich in einem Zwangssystem anpasse und fühle: "Hauptsache, die Person rechts oder links von mir ist getroffen, Hauptsache ich nicht".
Olaf Fabian-Knöpges erklärt den Schülerinnen und Schülern, auch wenn es beispielhaft um die NS-Zeit gehe, sei das Prinzip "denkbar in der Gegenwart überall auf der Welt, wo Menschen der Willkür anderer Menschen unterworfen sind". Für die 10d soll es eine "Art Selbsterfahrung" sein. Während übliche Unterrichtsmethoden den Verstand ansprechen, sollen die Jugendlichen heute im Klassenraum "näher an das Gefühl herankommen", was Zwangsherrschaft mit Menschen macht. Wer es nicht mehr aushält, kann jederzeit aussteigen.
Aus Schülern werden Nummern, aus "Kapos" Mittäter
Der Fabian Knöpges übergibt beim Historischen Spiel einem Schüler ein Seil (Foto: DW)
Mit Kappe und Seil wird der 'Zwangsarbeiter' zum 'Kapo' und damit zum potentiellen Mittäter
Vor der Klasse legt Fabian-Knöpges eine Uniform an und seine freundliche Haltung ab. Im langen Mantel mit Waffengürtel, hohen Stiefeln und Schirmmütze, in der Hand einen langen Stock, schreitet er die Reihen der Schülerinnen und Schüler in grünen und grauen T-Shirts ab. Schon seine ersten Fragen diffamieren Einzelne und spalten die Gruppe: "Wer in deiner Reihe ist der oder die Gemeinste, Brutalste, Hinterhältigste, Gewalttätigste?" Den vier Genannten gibt er Mütze und Stöckchen, als "Kapos" sollen sie seine Gehilfen sein - wie es damals in den Konzentrationslagern der Nazis bittere Realität war.
Sie müssen auf die Unterarme ihrer Gruppenmitglieder ein Kürzel aus Namen und Geburtsdaten schreiben: "AB19051996" oder "ST22071996". Nach gut zwei Stunden zum Ende des historischen Spiels wird der Uniformierte den "Kapos" befehlen, jeweils einen aus ihrer Gruppe auf dem Flur für die schwache Ordensproduktion zu bestrafen. Zwei der "Kapos" verabreichen tatsächlich leichte Stockschläge, obwohl ihr Unterdrücker auf dem Flur gar nicht dabei ist. Wie erschreckend gut also das Spiel um Zwang und Herrschaft funktioniert, das erlebt Fabian-Knöpges an Präventionstagen immer wieder.
Die "Kapos" wirken besonders eifrig, aber auch die anderen unterwerfen sich schnell dem Regiment des Uniformierten. Der lässt ihnen keine Minute Ruhe, keiner darf sich setzen, keiner sprechen, wenn er nicht gefragt wird. Unter dem Kommando "links, zwo, drei, vier" marschieren alle auf den verschneiten Schulhof, wo die anderen Klassen Pause machen. Die 10d hat keine Pause. Ihr vorauseilender Gehorsam ist so groß, dass alle im Schnee Liegestütze machen, obwohl der Uniformierte nur einen Schüler dazu aufgefordert hatte, dem kalt war.
Auf dem verschneiten Schulhof machen die Schüler vor dem Uniformträger im historischen Spiel Liegestütze (Foto: DW)
Vorauseilender Gehorsam: Unaufgefordert machen alle Schüler Liegestütze im Schnee
"Ich bin von mir enttäuscht"
Zurück im Klassenraum liest der "Hauptsturmführer" einen Auszug aus dem menschenverachtenden Text "Der Untermensch" aus der NS-Zeit. Er kündigt den "Zwangsarbeitern" an, sie aus dem Stand von "Untermenschen" zum Menschsein zu führen und verlangt dafür Dankbarkeit. "Das fand ich besonders schlimm", sagt ein Schüler später. Zwei Mädchen fangen an zu weinen, als der Uniformierte sie einzeln bedrängt: "Wie möchtest Du Dich bei mir bedanken?" Fabian-Knöpges lässt sie sofort in Ruhe, und die begleitende Klassenlehrerin kommt zum Trösten. Obwohl die Mädchen aus dem Spiel aussteigen könnten, bleiben sie dabei, was sie später selbst nicht mehr verstehen. Alle anderen schweigen.
"Ich bin von mir enttäuscht", sagt Mitschülerin Lynn in der Nachbesprechung, "dass ich nicht meine Meinung dazu gesagt habe". Olaf Fabian-Knöpges erklärt, dass es ja gerade Sinn des Spiels war, sich selbst in so einer Situation kennenzulernen, wo Menschenwürde verletzt wird, um bewusster damit umgehen zu können. Er ergänzt: "Man kann dann vielleicht auch verstehen, warum das mit der Zivilcourage so furchtbar schwierig ist." Wirksam Widerstand leisten könne man, sagt der Museumspädagoge, "wenn ihr euch in so einer Situation solidarisiert und wenn das massenhaft passiert".
Lynn glaubt, dass sie aus dem Präventions-Spiel lernen kann. Konkret nimmt sie sich vor, Verbündete zu suchen, wenn zum Beispiel im Zug ein kleiner Junge angegriffen werde. So hofft sie, "sorgt man dafür, dass man stärker ist als diese Truppe, die einem Angst macht". In Schwerte hat sie mehrfach erlebt, dass Rechtsextreme andere Menschen attackieren. Der zweite Teil des Präventionstages gegen Rechtsextremismus führt in die Gegenwart. Lynn und ihre Klasse lernen den Neonazi-Aussteiger Sascha (Name geändert) kennen. Er berichtet, wie ihn die Menschenverachtung im Neonazi-Milieu dazu trieb, einen Obdachlosen zu töten, und wie schwer es war, aus der rechten Szene wieder auszusteigen.
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Diskriminierende Sprache bei Preußler
:Die Kleine Hexe, ohne Rassismus
„Die kleine Hexe“ von Otfried Preußler wird künftig ohne diskriminierende Begriffe erscheinen. Ein Leserbrief hat die Nachkommen des Autors überzeugt.
4. 1. 2013, 19:24 Uhr
In Zukunft geht die kleine Hexe nicht mehr mit „Negerlein“ zum Fasching.Bild: Tripp/Weber/Thienemann Verlag
BERLIN taz | Als Mekonnen Mesghena seiner siebenjährigen Tochter aus dem Kinderbuch vorlas, das ihm eine Freundin geschenkt hatte, staunte er nicht schlecht. Denn als er zu dem Kapitel kam, in dem sich Otfried Preußlers kleine Hexe unter eine Gruppe von Kindern mischt, die sich zu Fasching verkleidet hatten, fühlte er sich wie vor den Kopf gestoßen. Von einem „Negerlein“ war da unter anderem die Rede, von „Chinesenmädchen“ und „Türken“.
Mesghena, der in der Heinrich-Böll-Stiftung das Referat Migration & Diversity leitet, schrieb einen Brief an den Verlag, in dem er sich über die „rassistischen und ausschließenden“ Begriffe beschwerte. Nach einem Mailwechsel erhielt er im Dezember dann eine überraschende Antwort. „Auch Ihrem Schreiben von neulich ist es wohl zu verdanken, dass es gelungen ist, die Familie Preußler davon zu überzeugen, die fraglichen Begriffe in ’Die kleine Hexe‘ auszutauschen“, hieß es da. Das Ergebnis werde in der neuen Ausgabe, die im Sommer 2013 erscheinen soll, zu sehen sein.
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„Wir werden alle unsere Klassiker durchforsten“, bestätigte der Stuttgarter Verleger Klaus Willberg, in dessen Haus die Bücher von Otfried Preußler erscheinen, gegenüber der taz. „Zum Teil ist das aber schon passiert“, sagt Willberg, und verweist auf „Das Traumfresserchen“ von Michael Ende. Das Wort Neger werde in „Die kleine Hexe“ nicht ersetzt, sondern gestrichen. Es sei nötig, Bücher dem sprachlichen und politischen Wandel anzupassen, begründet Willberg den Schritt. „Nur so bleiben sie zeitlos.“
Der Stuttgarter Thienemann Verlag folgt damit dem Verlag Friedrich Oetinger aus Hamburg, der veraltete Wörter wie Neger und Zigeuner bereits vor vier Jahren aus seinen aktuellen Übersetzungen von „Pippi Langstrumpf“ und anderen Büchern von Astrid Lindgren strich.
„Diese Begriffe sind heute nicht mehr zeitgemäß, entsprechen im deutschen Sprachgebrauch nicht mehr dem heutigen Menschenbild und können missverstanden werden“, erklärt der Verlag dazu auf seiner Website. „Sie wurden deshalb entweder gestrichen oder durch neue Formulierungen ersetzt.“ Pippis Vater etwa wird nun als „Südseekönig“ bezeichnet, der die „Taka-Tuka-Sprache“ spricht.
Entwicklung über Authentizität
Der 89-jährige Otfried Preußler gehört seit seiner „Räuber Hotzenplotz“-Trilogie (1962 bis 1973) und „Krabat“ (1971) zu den ganz Großen der Kinderliteratur. Wie die Erben von Astrid Lindgren hat auch er sich lange gegen jede Änderung seines Kinderbuchklassikers „Die kleine Hexe“ gestemmt, der 1958 mit dem Deutschen Jugendbuchpreis ausgezeichnet und seitdem in 47 Sprachen übersetzt sowie weltweit mehr als 4,3 Millionen Mal verkauft wurde. „Mit der Zeit ist aber die Einsicht gewachsen, dass die Authentizität des Werks der sprachlichen Weiterentwicklung untergeordnet werden muss“, sagt Klaus Willberg.
Mekonnen Mesghena ist darüber sehr glücklich. „Meine Tochter wird sich auf jeden Fall freuen, wenn sie sich mit der ’Kleinen Hexe‘ wieder versöhnen kann“, schrieb er an den Verlag. „Und mich freut es auch, wenn unsere Kinder beim fröhlichen Lesen nicht über ausgrenzende Begriffe stolpern.“
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Koloniale Altlasten: Rassismus in Kinderbüchern: Wörter sind Waffen
Kinderbücher müssen von rassistischen Vokabeln befreit werden, findet unsere Autorin Simone Dede Ayivi. Sie fühlt sich persönlich gekränkt von deren Sprachwahl. Ihre Kinder sollen diese Erfahrung der Ausgrenzung nicht machen müssen.
18.01.2013, 16:53 Uhr
Nicht alle Menschen, die in Deutschland leben, sind weiß. Nicht einmal alle Deutschen sind weiß. Das bedeutet: Nicht alle Leserinnen und Leser von deutschsprachiger Literatur sind weiß, nicht alle Theater- oder Fernsehzuschauer. Würden immer alle Beteiligten an Rassismusdebatten auf dieses Wissen zurückgreifen, es wäre allen geholfen. Doch ob in der Diskussion über Blackfacing an deutschen Bühnen oder bei der Debatte über das Vorhaben, rassistische Begriffe in deutschen Kinderbüchern durch neutralere auszutauschen: Schwarze Menschen werden nicht mitgedacht. Es ist, als würden wir nicht existieren. Gedanken macht man sich lediglich um die Rechte des weißen Urhebers und das ungetrübte Vergnügen des weißen Rezipienten, der am liebsten alles so haben will, wie es schon immer war.
Die weißen Theatermacher, mit denen ich mich in der Rassismusdebatte am Theater konfrontiert sah, hatten immer gute Gründe, an der Nutzung rassistischen Vokabulars oder rassistischen Praktiken wie Blackfacing festzuhalten. Angeblich brauche man es, um Rassismus zu thematisieren. Da wurde mit dem Ausstellen von Rassismus argumentiert und damit, dass man der Gesellschaft den Spiegel vorhalten wolle. Mit Gesellschaft ist dabei die weiße Mehrheitsgesellschaft gemeint. Eine Gruppe von Leuten, die sich gegenseitig irgendwelche Spiegel vorhalten wollen. Das können sie gern tun, aber in der Konsequenz heißt das, dass Theater sich nur an ein weißes Publikum wendet. Diese Gruppe bleibt unter sich und definiert für sich allein, was rassistisch ist und was nicht. Vielleicht ist das die Gruppe, die mit „wir“ gemeint ist. Dem „Wir“ aus der wohl eher rhetorischen Frage auf dem aktuellen Titelblatt der „Zeit“: „Unsere liebsten Kinderbücher werden politisch korrekt umgeschrieben – ist das ein Fortschritt?“, heißt es da. Unbeeindruckt vom Kampfbegriff der politischen Korrektheit lautet meine Antwort darauf: ja.
Denn eigentlich bedeutet die Frage nur: Sollen unsere liebsten Kinderbücher auf rassistische Begriffe verzichten, damit sie auch schwarze Kinder und Eltern zu ihren Lieblingsbüchern erklären können? Ja; warum denn eigentlich nicht? Das wäre doch sehr schön! Es wären dann unser aller liebste Bücher. Mit der Aussage, dass Kinderbücher mit rassistischem Sprachgebrauch es niemals auf meine Favoritenliste schaffen, gebe ich zu, dass ich eine dieser schwarzen Frauen bin, die der Meinung sind, dass Wörter kränken und Schaden anrichten können. Und wie sollte ich anders darauf kommen als durch die eigene Erfahrung? Ich oute mich also selbst als gekränkt und beschädigt. Das ist kein guter Ausgangspunkt für eine Rassismusdebatte, in der denjenigen, die Rassismus thematisieren, immer wieder Empfindlichkeit vorgeworfen wird. Ich bekomme ständig erklärt, durch was ich mich berechtigterweise verletzt fühlen darf und was nur meiner Empfindsamkeit geschuldet ist. Ich solle am besten niemanden darauf aufmerksam machen, dass er gerade ein rassistisches Wort benutzt, sondern mein Empfinden zu diesem Wort ändern.
Nun lasse ich mir aber wie die meisten anderen Menschen auch ungern sagen, wie ich mich fühlen soll. Schon gar nicht von Leuten, die nicht die gleichen Diskriminierungserfahrungen gemacht haben wie ich.
Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum die Streichung rassistischer Begriffe erst der Anfang sein kann
Man sagte mir, dass "braune Kinder" nicht mitspielen dürfen
Bei Pippi Langstrumpf war früher vom "Negerkönig" die Rede. Der Verlag änderte das nachträglich in "Südseekönig".
Bei Pippi Langstrumpf war früher vom "Negerkönig" die Rede. Der Verlag änderte das nachträglich in "Südseekönig". © contrasto/laif
Und diese Erfahrungen mit Zuschreibungen und Ausgrenzungen machte ich auch schon in dem Alter, in dem ich „Pippi Langstrumpf“ und „Die kleine Hexe“ las. Als schwarzes Kind der Achtziger in der US-Besatzungszone aufgewachsen, waren sich die Leute so einig, dass ich ein „Besatzerkind“ sein müsse, dass ich es beinahe selbst glaubte. Man sagte mir, ich sei nicht das Kind meiner weißen Mutter, sondern sicher adoptiert. Mir wurde von anderen Kindern gesagt, dass „braune Kinder“ nicht mitspielen dürften, und beim Streit ums Spielzeug erklärt, dass ich ohnehin bald nach Afrika zurückmüsse, wo es überhaupt kein Spielzeug gebe. Bereits in frühen Jahren wurde mir eindeutig klargemacht, dass ich anders bin. Dass ich zu diesem „Wir“ nicht dazugehöre und dass das mit meiner Hautfarbe zu tun hat.
Meine Ausgabe von „Pippi Langstrumpf“ ist von 1986. Sie steht nach wie vor in meinem Bücherregal. Darin heißt es: „Sie glaubte, dass er auf einer Insel an Land geschwemmt worden war, wo viele Neger wohnten, und dass ihr Vater König über alle Neger geworden war und jeden Tag eine goldene Krone auf dem Kopf trug.“ Gerade lese ich oft, dass Kinder nicht so blöd sind, wie wir denken. Dass sie sehr wohl wüssten, was diese Begriffe bedeuten und dass sie „schlecht“ sind. Stimmt. Auch ich als schwarzes Kind wusste, was das bedeutet. Diese Textstelle bedeutet: Weiße herrschen über Schwarze. Schwarze Menschen sind weniger wert. Und ich bin schwarz. Wenn meine Kinder diese Bücher lesen können, ohne dass sie diese Erfahrung machen müssen, dann halte ich das für einen Fortschritt.
Es kann natürlich sein, dass Astrid Lindgren es nicht so gemeint hat. Dass das nicht das Weltbild ist, das sie vermitteln wollte. Es ändert nur leider nichts an unserem Problem. Die Worte tun ihre Wirkung, auch wenn sie nicht in böser Absicht ausgesprochen werden. Was hat denn das Kind davon, wenn die Intention der Autorin eine andere war? Das N-Wort, heißt es, sei außerdem „damals“ weniger rassistisch gewesen. Es war im allgemeinen Sprachgebrauch, erst heutzutage erhielt es seine abwertende Bedeutung. Das ist falsch. Es war so normal, dieses Wort zu benutzen, weil die abwertende Haltung gegenüber schwarzen Menschen vollkommen normal war. Das N-Wort war früher nicht weniger rassistisch. Rassismus war in Europa nur allgemein akzeptiert. Das ist er jetzt nicht mehr. Es gibt jetzt Menschen wie Mekonnen Mesghena von der Heinrich-Böll-Stiftung, die an Verlage schreiben und sich beschweren, wenn schwarzen Menschen verbale Gewalt angetan wird. Es gibt Institutionen und Zusammenschlüsse wie „Der braune Mob“ oder Bühnenwatch, die sich gegen Rassismus in Medien und Theatern stark machen. Die Veränderung kommt. Und es wird um mehr gehen als Theatermittel und Kinderbuchsprache.
Die Streichung rassistischer Begriffe ist nur der Anfang vom Frühjahrsputz. Raus mit den kolonialen Altlasten! Dazu muss man aber erst mal zugeben, dass Deutschland eine Kolonialgeschichte hat. Dass zu unserem kulturellen Erbe jahrhundertealte rassistische Muster gehören, durch die wir – auch schwarze Deutsche – geprägt und sozialisiert wurden. Es geht nicht um Zensur, es geht nicht um einen Eingriff in die Kunstfreiheit, es geht nicht darum, bestimmte Wörter zu verbieten. Wer darauf besteht, seinen Kindern rassistische Wörter vorzulesen, kann das immer noch tun, auch wenn mich dieses Anliegen gruselt. Es haben sich in den letzten Wochen so viele Bewahrer der deutschen Sprache zu Wort gemeldet, dass sich bestimmt jemand finden wird, der dafür sorgt, dass auch nicht die kleinste Kindheitserinnerung verloren geht. Aber wenn sich alle darin einig sind, dass die Begriffe in den diskutierten Büchern nicht rassistisch gemeint sind, warum sie dann nicht durch welche ersetzen, die tatsächlich nicht rassistisch sind?
Simone Dede Ayivi ist Theaterregisseurin und lebt in Berlin. Zuletzt inszenierte sie „Bloodshed in Divercity“ am Ballhaus Naunynstraße.
Simone Dede Ayivi
https://www.tagesspiegel.de/
Rechtsextremismus
Jochen Schmidt
Mit dieser Elterninformation wollen wir gezielt all diejenigen ansprechen, deren Kinder in die rechtsextreme Szene geraten sind oder davor stehen, in diese zu geraten. Politische Bewegungen wie pro NRW oder pro Köln versuchen, mit ihren Jugendorganisationen auch Kinder und Jugendliche für ihre Sache zugewinnen. Die Broschüre will Eltern und Angehörige im Umgang mit ihren Kindern unterstützen und sie über Merkmale und Hintergründe rechtsextremer und rechtspopulistischer Orientierungen informieren.
Diese Broschüre richtet sich auch an Eltern jüngerer Kinder, die sich informieren möchten. Auch wenn Sie nicht betroffen sind, sollten Sie über Rechtsextremismus Bescheid wissen. Sie können schon früh damit beginnen, Ihre Kinderin politische Gespräche einzubeziehen. DistanzierenSie sich dabei deutlich von rechten Positionen. Ermöglichen Sie Ihrem Kind Aktivitäten im Sportverein oder in Jugendgruppen, so dass es stabile und vertrauensvolle Beziehungen zu anderen Mädchen und Jungen aufbauen kann. Machen Sie Ihrem Kind deutlich, dass Ihre Beziehung zueinander nicht von den Leistungen des Kindes abhängig ist.
Eltern, deren Kinder in die rechtsextreme Szene geraten, leiden häufig unter Rat- und Hilflosigkeit sowie Angst, manchmal sogar der Angst vor dem eigenen Kind. Viele sind unsicher, wie sie mit der neuen Situation umgehen sollen und fürchten, ihren Sohn oder ihre Tochter zu verlieren.
In den meisten Fällen werden alle Beteiligten von der Entwicklung der Kinder völlig überrascht. Aber auch wenn sich Kinder von zu Hause abwenden sollten oder sich von den Eltern entfremdet zu haben scheinen: Das Elternhaus bleibt ihre wichtigste Anlaufstelle, die ihnen das Zurückkommen ermöglicht. Ein Abbruch der Eltern-Kind-Beziehung hätte daher fatale Folgen.
Kinder und Jugendliche wenden sich weniger aus politischen Gründen rechtsextremen Gruppen zu, sondern vielmehr, weil sie nach Gemeinschaft, Halt und Orientierung suchen.
Haben sich Jugendliche einer rechtsextremen Gruppe angeschlossen, erleben sie in der Regel sehr schnell gesellschaftliche Ablehnung und Ausgrenzung. Damit werden sie noch abhängiger von der Anerkennung und dem Halt dieser Gruppe. Sie tun dann fast alles, um sich deren Freundschaft und Unterstützung zu sichern. Damit fällt der Weg zurück immer schwerer. Wer einer rechtsextremen Gruppe den Rücken kehren will, bekommt häufig den Druck der Gruppe zu spüren und wird nicht selten an Leib und Leben bedroht.
Rechtsextremismus
Rechtsextremismus bedeutet Nationalismus, Demokratie- und Fremdenfeindlichkeit.
Weitere Elemente sind ein klares Freund-Feind-Schema und ein Führer-Gefolgschafts-Prinzip.
Rechtsextremismus ist vielschichtig: Er wendet sich gegen die Gleichheit aller Menschen und gesellschaftliche Vielfalt. Er bevorzugt den autoritären Führerstaat anstelle der Demokratie und plädiert für eine einheitliche Volksgemeinschaft anstatt des Wettbewerbs verschiedener Parteien. Rechtsextremisten befürworten Gewalt zur Durchsetzung dieser Ziele.
Der Begriff wird oft gemeinsam mit Begriffen wie Rassismus oder (Neo-)Nazismus genannt.
Im Allgemeinen bedeutet eine rechtsextreme Haltung zu haben, sich höherwertiger als andere Menschen zu betrachten. Verachtung, Hass und Gewalt richten sich dabei vor allem gegen Menschen anderer Herkunft, Sprache, Hautfarbe, Kultur und Religion.
Ursachen und Erklärungen
Die Ursachen und Erklärungen für Rechtsextremismus unter Jugendlichen sind vielfältig. Zum Teil sind sie im Jugendalter selbst, zum Teil in sozialen und gesellschaftlichen Gegebenheiten begründet, die das Erwachsenwerden erschweren. Wenn Jugendliche erwachsen werden, testen sie ihre Grenzen aus und versuchen, oft in Abgrenzung zu den Eltern, eine eigene Persönlichkeit zu entwickeln. Dabei kommt es häufig zu Konflikten in der Familie.
Heranwachsende rebellieren, provozieren, kleiden sich auffällig und geraten manchmal in Konflikt mit dem Gesetz. Das ist auch ein Grund dafür, warum Anzeichen, wie etwa das Tragen rechtsextremer Symbole oder aggressive Verhaltensweisen von vielen Eltern und Angehörigen zunächst nicht besonders ernst genommen und als pubertäres Verhalten gewertet werden.
Im Jugendalter müssen Jugendliche eine eigene Identität entwickeln und für sich eine Orientierung finden. Infolge hoher Verunsicherung kann sich Jugendlichen rechtsextremes Gedankengut als scheinbar entlastender Ausweg anbieten bzw. es kann ein Bedürfnis nach einfachen Antworten entstehen, welches Rechtsextreme bedienen.
Warum sich ein Jugendlicher einer rechtsextremen Gruppe anschließt, kann unterschiedliche Gründe haben:
Vorurteile im Bekannten- oder Verwandtenkreis gegenüber Fremden und Andersdenkenden
Abwesenheit und Verlust von Bezugspersonen
Leistungsdruck und Zukunftsangst
fehlende Perspektiven
geringes Selbstwertgefühl
fehlende Anerkennung
Verunsicherung und Ängste werden auf „Fremde“ verlagert und diese dann für die eigene Situation verantwortlich gemacht. Die Ablehnung von „Fremden“ hat häufig mit der Angst zu tun, den an sich gestellten Ansprüchen und Erwartungen nicht gerecht werden zu können. Nation, Hautfarbe oder Geschlecht erhalten als Identifikationsmerkmale dann Gewicht, weil sie einem niemand nehmen kann und man sie sich nicht erarbeiten muss.
Familie im Wandel
Immer mehr Kinder wachsen bei einem Elternteil, meist der Mutter auf. Väter fallen als Begleiter und Bezugspersonen häufig aus. Oft werden Jungen durch die von Film und Fernsehen vermittelten Männlichkeitsideale, welche durch Stärke und Kampfkraft gekennzeichnet sind, beeinflusst.
Von berufstätigen Eltern wird zudem ein hohes Maß an Flexibilität und Mobilität erwartet, welches oft auf Kosten der gemeinsamen Zeit mit den Kindern geht.
Wettbewerbsgesellschaft
Die moderne Wettbewerbsgesellschaft erfordert, sich immer stärker gegen Mitbewerber durchzusetzen und die eigene Leistung in den Mittelpunkt allen Handelns zu stellen. Dies wird insbesondere von Leistungsschwächeren als ungerecht erlebt. Die aus dieser Situation erwachsenden Zukunftsängste können zu rechtsextremen Einstellungen führen, insbesondere dann, wenn Jugendlichen Anerkennung, Halt und Unterstützung fehlen und Gewalterfahrungen hinzutreten.
Schule und Ausbildung
Für einen Ausbildungsplatz wird oft ein guter Realschulabschluss oder aber das Abitur vorausgesetzt. Hauptschüler sind häufig chancenlos. Fehlende Ausbildungsmöglichkeiten oder geringe materielle Ressourcen führen dazu, dass Jugendliche vorerst bei den Eltern wohnen bleiben und damit später den Schritt ins Erwachsenenalter und die Unabhängigkeit vollziehen können. Zwar entwickeln Kinder und Jugendliche heute u.a. durch die Medien schon früh einen eigenen, elternunabhängigen Lebensstil, ihre Lebenssituation bleibt aber weitaus länger als früher von den finanziellen Möglichkeiten der Eltern abhängig.
Cliquen
Für ältere Kinder und Jugendliche wird die Clique zur immer wichtigeren Sozialisationsinstanz. Die Clique bedient ihr wachsendes Bedürfnis nach Kommunikation und Orientierung. In Cliquen finden Jugendliche Bestätigung, Anerkennung, Halt und das Gefühl der Dazugehörigkeit. Vor allem Jugendlichen mit niedrigem Selbstwertgefühl vermittelt die Clique Rückhalt. Trotzdem bleiben die Eltern für die meisten Jugendlichen der wichtigste Ansprechpartner. Allerdings nimmt die Mitgliedschaft des Kindes in einer gewaltbereiten und rechtsextremistisch orientierten Clique Eltern und Angehörigen ihre Einflussmöglichkeit.
Internet
In den letzten Jahren hat sich ein beachtlicher Teil der Kommunikation von Jugendlichen ins Internet verlagert. Auf der eigenen Profilseite in sozialen Netzwerken präsentieren sich Heranwachsende oft auch über Zugehörigkeiten zu bestimmten Gruppen. Rechtsextreme Gruppierungen sind sehr aktiv im Internet sowohl durch eigene Internetauftritte als auch über das Einstellen von (Musik-)Videos mit rechtsextremen Inhalten auf Portalen wie z.B. youtube oder myvideo.
Jungen und Mädchen
Rechtsextreme Straftaten werden zum größten Teil von männlichen Jugendlichen verübt. Experten sehen dabei einen Zusammenhang zwischen dem gewalttätigen Verhalten von Jungen und ihren traditionellen Vorstellungen von Männlichkeit. Jungen sind aber nicht nur häufiger Täter, sie sind auch häufiger Opfer rechtsextremer Gewalt. Mädchen geraten häufig über ihre männlichen Freunde in die Szene.
Rechtsextreme Verführer
Rechtsextremisten versuchen, Jugendliche durch erlebnisintensive Aktionen wie Konzerte, Partys oder paramilitärische Übungen zu begeistern. Dafür suchen sie Orte und Treffpunkte der Jugendlichen auf und verteilen z.B. an Schulen rechtsextreme Musik. Während Jugendliche in der Gesellschaft zunehmend den Eindruck haben, dass lediglich ihre Leistung zählt, machen sie in rechtsextremen Kreisen die Erfahrung, dass sich jemand scheinbar unabhängig davon für sie interessiert.
Mode, Musik, Symbole und Codes
Mode
Während vor einigen Jahren das Bild des Rechtsextremen durch Glatze, Bomberjacke und Springerstiefeln bestimmt war, ist es mittlerweile selbst für Experten schwer geworden, allein aufgrund der Kleidung rechtsextreme Gruppen zu identifizieren. Eine einheitliche rechtsextreme Jugendkultur gibt es nicht. Bestimmte Bekleidungsmarken sind aber in der rechtsextremen Szene sehr beliebt:
Thor Steinar:
Thor Steinar ist eine bekannte Marke in der rechtsextremen Szene. Thor Steinar bezieht sich z.B. auf die germanische Gottheit „Thor“, bedient sich des Tarnmusters (Zürchtarn) der deutschen Wehrmacht oder stellt mit seinem Label „Südwestafrika“ einen positiven Bezug zur Kolonialpolitik des Deutschen Reiches her.
Consdaple/Lonsdale:
Im Gegensatz zum Modehersteller Lonsdale, dem es weiterhin schwer fällt, sich von rechtsextremen Kunden zu distanzieren, beliefert die Marke Consdaple ganz gezielt die Szene. Die Attraktivität der Marke besteht darin, dass beim Tragen unter geöffneter Jacke die Buchstaben NSDAP zu erkennen sind.
Weitere Modemarken sind:
Pitbull wird der Rocker- und Hooligan Szene zugerechnet.
Masterrace Europe übersetzt „Herrenrasse Europa“. Der Hersteller vertreibt neben Kleidung auch Accessoires, Musik und Literatur für die gesamte rechtsextreme Szene.
Troublemarker ist bei Hooligans und Skinheadswie auch in der Rocker-Szene beliebt.
Dr. Martens, häufig auch Doc Martens-Schuhe genannt, werden in der gesamten Skinhead-Szene getragen.
Doberman ist ebenfalls bei Skinheads sehr beliebt.
Rizist wird besonders in der rechten Hip-Hopper- und Skater-Szene getragen.
Musik
Musik ist ein entscheidender Faktor beim Einstieg Jugendlicher in die rechtsextreme Szene. Inzwischen gibt es eine Reihe von Bands, die in ihren Liedtexten unverhohlen rechtsextremes Gedankengut zum Ausdruck bringen. In fast allen Musikrichtungen wie Rock, Pop, Techno, Dark Wave, Metal, Hip Hop und Schlager werden rechtsextreme Lieder produziert. Rechtsextreme Konzerte finden in ganz Europa statt. Sind Textzeilen oder Refrains verboten, animieren die Bands ihr Publikum, die gesetzeswidrigen Passagen selbst zu singen. So vermeiden die Gruppen oft geschickt, sich strafbar zu machen. Rechtsextreme Musik wird zum großen Teil über das Internet verbreitet oder in Szeneläden illegal unter dem Ladentisch gehandelt.
Symbole
Rechtsextreme Symbole sind in der Regel durch Strafgesetze verboten.
Rechtsextremismus1Eindeutig strafbar nach § 86a StGB sind: Das Hakenkreuz in verschiedenen Ausführungen (Hakenkreuz-Negativ, Hakenkreuz seitenverkehrt, Hakenkreuz geschwungen),
Rechstexrdie einfache Sigrune (Symbol der nationalsozialistischen Jugendbewegung) und die Doppel-Sigrune (Abzeichen der SS).
Nicht strafbar sind:
Das zerschlagene Hakenkreuz, das Hakenkreuz im Mülleimer und das durchgestrichene Hakenkreuz. Laut Urteil des Bundesgerichtshofsvom 15. März 2007 lässt die Verwendung dieser Symbole die Gegnerschaft zum Nationalsozialismus eindeutig erkennen. ...
https://www.familienhandbuch.de/
NAZI-ZEIT IM UNTERRICHT
Hitlers „Mein Kampf“ soll an Schulen eingesetzt werden
18.12.2015
Bald ist Hitlers „Mein Kampf“ wieder im deutschen Buchhandel erhältlich – als kommentierte Ausgabe. Sollen auch Schüler mit der Hetzschrift konfrontiert werden? Lehrerverband und SPD sind dafür, nennen aber Bedingungen.
Berlin Der Deutsche Lehrerverband und die SPD haben sich dafür ausgesprochen, die Anfang Januar erscheinende kommentierte Neuausgabe von Adolf Hitlers Hetzschrift „Mein Kampf“ bundesweit auch im Schulunterricht einzusetzen. „Mein Kampf ist ein schreckliches und monströses Buch. Diese antisemitische menschenverachtende Kampfschrift historisch zu entlarven und den Propagandamechanismus zu erklären, gehört in einen modernen Schulunterricht von dafür qualifizierten Lehrkräften“, sagte der bildungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagfraktion, Ernst Dieter Rossmann, dem Handelsblatt.
Gerade jetzt in Zeiten von aufkommendem Rechtspopulismus und seinen Gefahren sei die Vermittlung von humanistischen Werten und demokratischen Prinzipien unverzichtbar, sagte Rossmann weiter. Gegen politischen Extremismus würden nur Erklärung, Aufklärung und klare Grenzsetzungen in Werten und in Haltungen helfen. „Dabei kann und muss die kritische Auseinandersetzung mit „Mein Kampf“, dieser Antithese zur Menschlichkeit, Freiheit und Weltoffenheit, die Widerstandsfähigkeit gegen aktuelle Verführungen und Gefährdungen stärken.“
„Im Interesse einer Einheitlichkeit beim schulischen Umgang mit „Mein Kampf“ sollte die Kultusministerkonferenz diesbezüglich zu didaktisch-methodischen Rahmenempfehlungen finden“, sagte Verbandspräsident Josef Kraus dem Handelsblatt. Den Schulen müsse die wissenschaftlich edierte und kommentierte Ausgabe zur Verfügung stehen. „Eine professionelle Behandlung von Textauszügen im Unterricht kann ein wichtiger Beitrag zur Immunisierung Heranwachsender gegen politischen Extremismus sein.“
Kraus betonte, dass die Schulen Hitlers Propagandaschrift nicht ignorieren könnten. „Denn was für die Schulen verboten wäre – das wissen wir von den Indexlisten der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien – erfreut sich, zum Beispiel via Internet, besonderer Nachfrage. Da ist es besser, die Rezeption von „Mein Kampf“ wird durch versierte Geschichte- und Politiklehrer angeleitet.“
In Frage käme die Behandlung von „Mein Kampf“ nur für die Oberstufe, also für Schüler ab 16 beziehungsweise 17 Jahren, sagte Krause weiter. „Es sind nur Auszüge zu behandeln, an denen nach dem Prinzip „Wehret den Anfängen“ deutlich gemacht werden kann, wohin mit einem solchen Pamphlet die Reise gehen kann.“
Die Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, lehnt eine Verwendung von Hitlers „Mein Kampf“ im Schulunterricht ab. „Solange das Judentum als Religion sowie das blühende jüdische Leben in Deutschland vor 1933 und die Errungenschaften, die unser Land jüdischen Menschen verdankt, im Schulunterricht wenn überhaupt nur stiefmütterlich aufgegriffen werden - solange also deutsche Schüler kaum etwas über Juden wissen, das nicht mit dem Holocaust konnotiert ist - solange halte ich es für unverantwortlich ausgerechnet die zutiefst antijüdische Schmähschrift „Mein Kampf“ im Unterricht zu behandeln“, sagte Knobloch dem Handelsblatt. „Eine erkenntnisorientierte Aufarbeitung mit dem Holocaust und der NS-Zeit, mit dem Ziel, Schüler zu mündigen, geschichts- und verantwortungsbewussten Menschen zu machen und zum Schutz der freiheitlich-demokratischen Werte zu animieren, ist sehr gut ohne die Lektüre von „Mein Kampf“ denkbar und wünschenswert.“
https://app.handelsblatt.com/
Die Bedeutung außerschulischer Lernorte: Das Kz Sachsenhausen im Kontext historisch-politischer Bildung Taschenbuch – 4. November 2014
Dieses Buch zeigt die Bedeutung, die historische Gebäude (wie das ehemalige Konzentrationslager Sachsenhausen bei Berlin) als außerschulischer Lernort gewinnen können, auf. Darüber hinaus stellt es den Wert eines Gedenkstättenbesuchs als wichtiges Element historisch-politischer Bildung dar, da es sowohl auf außerschulisches und historisches Lernen als auch auf die Pädagogik der Gedenkstätten sowie auf methodisches Vorgehen und seine Besonderheiten eingeht. Ergänzende Hinweise, Anregungen und Tipps für die inhaltliche und organisatorische Vorbereitung eines Gedenkstättenbesuchs sowie Aufzeichnungen von bereits durchgeführten Projekten in Sachsenhausen verdeutlichen die Notwendigkeit des außerschulischen Lernens und motivieren möglicherweise sogar dazu, einen außerschulischen Lernort aufzusuchen.
Gedenkstätten-Besuche
„Verpflichtung der Jugendlichen ist nicht der richtige Weg“
Ausstellung in der Gedenkstätte Bergen-Belsen: Die Fotos zeigen weibliche Offiziere – Kriegsgefangene aus dem Warschauer Aufstand. Die Fotos wurden im Oktober 1944 im Lager Fallingbostel, Niedersachsen aufgenommen.
Eine Besucherin in der Gedenkstätte Bergen-Belsen betrachtet die Fotos polnischer Kriegsgefangener aus dem Warschauer Aufstand © dpa / picture alliance / Peter Steffen
Gottfried Kößler im Gespräch mit Christopher Ricke und Anke Schaefer · 27.01.2015
Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, hat gefordert, dass jeder Schüler ab der 9. Klasse eine KZ-Gedenkstätte besuchen müsse. Der stellvertretende Leiter des Fritz-Bauer-Instituts, Gottfried Kößler, ist anderer Meinung.
In der Debatte um den Besuch von KZ-Gedenkstätten hat Gottfried Kößler, Leiter des Fritz-Bauer-Institut, dem Präsidenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster widersprochen. Dieser hatte gefordert, dass der Besuch einer solchen Gedenkstätte für alle Schüler ab der neunten Klassenstufe verrpflichtend sein solle.
„Die Verpflichtung ist nicht der richtige Weg, um zu einer pädagogisch produktiven Situation zu kommen“, sagte Kößler am Dienstag im Deutschlandradio Kultur. Der Geschichtslehrer und Fachmann für historisches Lernen wies darauf hin, dass diese Forderung auch von der Politik schon öfter gestellt worden sei – so, als ließen sich auf diese Weise Probleme lösen. Entscheidend sei aber, was in der Gedenkstätte passiere, sagte Kößler. Wenn pädagogische Begleitung und Vorbereitung fehlten, könne es zu Problemen kommen.
Bei Jugendlichen zeigt sich ein anderes Interesse
Bei den Jugendlichen gebe es ein großes Interesse an dem Thema, sagte Kößler. „Die Deutschen unter den Jugendlichen fragen heute aber weniger nach der Schuld ihrer Familienangehörigen“, sagte er über die Veränderungen bei der jüngeren Generation. Im Vordergrund stünde die Auseinandersetzung mit aktuellen Menschenrechtsfragen, mit Krieg oder Flucht. Dies werde mit den historischen Informationen in Verbindung gebracht, wodurch Grundsatzfragen und Menschenrechte in den Vordergrund rückten. „Da hat sich deutlich der Fokus verschoben“, sagte Kößler. Das Interesse sei „eindeutig gestiegen“. Es gebe auch sehr gutes Informationsmaterial.
Neue Herausforderungen durch Schüler mit Migrationshintergrund
Unter den Schülern seien heute viele Jugendliche aus Osteuropa oder Nordafrika, die einen ganz anderen Bezug zur NS-Zeit hätten. Lehrer müssten damit rechnen, dass Schüler zum Beispiel eine Partisanengeschichte in der Familiengeschichte haben, sagte Kößler. Darüber ins Gespräch zu kommen, sei Herausforderung und Chance. „Wir müssen eine Form der Thematisierung von Geschichte finden, die für die globalisierte Perspektive und vor allem für die Probleme der Gegenwart anschlussfähig ist.“
Stalinismus und Nationalsozialismus kommen im Unterricht zu kurz
Es sei selbstverständlich, dass die Geschichte des Holocaust in alle Lehrpläne gehöre. „Das ist seit vielen Jahren kein Streitthema mehr“, sagte der Historiker. Es habe allerdings Phasen gegeben, in denen dafür mehr Zeit vorgesehen war. Durch die Umstrukturierungen im Zuge des Bologna-Prozesses habe sich dies geändert. „Vor allem gibt es ein großes Problem in manchen Bundesländern, dass die beiden totalitären Systeme des letzten Jahrhunderts in Deutschland auf gleicher Ebene behandelt werden.“ Die Lehrer könnten sich aussuchen, ob sie ihren Schwerpunkt auf den Stalinismus oder auf den Nationalsozialismus legten. „Das halte ich für eine sehr problematische Entwicklung“, sagte Kößler. Beide Themen fänden dadurch nicht ausreichend Beachtung.
https://www.deutschlandfunkkultur.de/
Rassistische Begriffe in Kinderbüchern
:Werte und Worte
In der Debatte über Kinderbücher geht es um Abwägung: Zensur oder Rassismus. Entscheidend sollte sein, was die Autoren beim Schreiben beabsichtigten.
15. 1. 2013, 12:26 Uhr
Durch die Sprachkorrekturen wird verhindert, dass den Kindern eine Figur ans Herz wächst, die ihren Vater „Negerkönig“ nennt.Bild: dpa
Die Schrift ist eine Abstraktion mit Vorteilen. Sokrates hat sich vehement gegen die Schrift ausgesprochen. Er meinte, das geschriebene Wort könne sich ohne seinen Urheber „weder wehren noch helfen“. Er war der Meinung, ein Text habe immer „seinen Vater als Helfer nötig“. Aber wir kennen die klugen Einwände des Philosophen heute wohl nur, weil sie aufgeschrieben wurden von einem ungehorsamen Schüler. Die Debatte über „Neger“ in deutschen Kinderbüchern trifft den Kern dieses Widerspruchs.
Ein paar Sachen sind klar. Niemand in Deutschland will Zensur. Die Zensur, hat einmal ein Schriftsteller treffend analysiert, „ist überlebt, nutzlos, paradox, menschen- und volksfeindlich, ungesetzlich und strafbar“. Niemand will Zensur, regelmäßig behaupten sogar hauptamtliche Zensoren, dass ihre Tätigkeit mit Zensur falsch beschrieben wäre. Gegen Zensur zu sein ist hier und heute so leicht, wie gegen das Spießertum zu sein. Gemeint sind immer die anderen.
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Gleichzeitig ist klar, dass diese Welt besser ist, je weniger Rassismus es in ihr gibt. Diese These unterschreiben leider nicht alle im Land. Aber in der Debatte über die Sprache in den Kinderbüchern findet sich niemand, der die „Neger“ und „Zigeuner“ aus rassistischen Gründen in den Büchern belassen will.
Im Gegenteil, wer sich für diese Wörter in den Texten ausspricht, versichert möglichst in derselben Zeile, keinesfalls Rassist zu sein. Und die, die Menschen mediterraner Herkunft und islamischen Glaubens bestimmte Charaktereigenschaften zuschreiben, werden nicht mit solchen Debatten ihren mühsam erkauften Eintritt in den Salon gefährden.
Eine Form der Informationskontrolle
Wenn man aber Sprache in Kinderbüchern verändert, betreibt man damit eine Form der Informationskontrolle. Man verhindert, dass den Kindern bestimmte Worte vermittelt werden. Vor allem, wenn diese Worte in einem positiven Zusammenhang stehen.
Dass Sklavenhändler und Kopfgeldjäger schlimme Wörter verwenden, mag noch angehen, aber dass Huckleberry Finn selbst seinen Freund Jim als „Nigger“ bezeichnet, ist das Problem. Erkennbar ist hier eine Abwägung zwischen zwei Prinzipien, besser gesagt zweier Nichtprinzipien gefordert: Auf der einen Seite steht das Prinzip des Antirassismus, auf der anderen die prinzipielle Ablehnung von Zensur. Beide können nicht gleichwertig behandelt werden.
Zwar werden die Befürworter des einen Prinzips immer behaupten, das andere Prinzip sei durch ihre Haltung nicht berührt, aber solche Aussagen sind nicht richtig.
„Neger“ war früher nicht rassistisch
So ist „Neger“ 2013 zweifellos ein rassistisches Wort in der deutschen Sprache. Über das Wort ist viel zu sagen, insbesondere dass es vor einigen Jahrzehnten kein rassistisches Wort war. Die Kultur in Deutschland war damals rassistischer, sie war auch sexistischer und weniger demokratisch. Das kann dem Wort nicht angelastet werden. „Neger“ war damals so wenig rassistisch, wie „Fräulein“ nicht sexistisch war. Die Zeiten haben sich millimeterweise geändert, die fünf Buchstaben N-e-g-e-r konnten das nicht. Sie stehen zusammen als ein Wort, das aus der Zeit gefallen ist.
Auch „Idiot“ war mal die korrekte, griechische Bezeichnung für einen Menschen, der so beschränkt ist, dass er sich nur mit sich selbst befassen kann. Die wörtliche Übersetzung ins Lateinische wäre „Autist“. Dennoch ist es heute zweifellos eine Beleidigung, einen selbstbezogenen oder einen geistig behinderten Menschen oder einen Autisten als „Idiot“ zu bezeichnen.
Also verwendet ein 2013 gedrucktes Kinderbuch, in dem das Wort „Neger“ steht, rassistisches Vokabular. Durch die angekündigten Sprachkorrekturen wird verhindert, dass den Kindern eine Figur ans Herz wächst, die als „Negerjunge“ bezeichnet wird, oder eine, die ihren Vater einen „Negerkönig“ nennt. Solche Maßnahmen dienen der Informationskontrolle und der Unterdrückung unerwünschter Inhalte, sie kann daher als Zensur bezeichnet werden.
Zensur oder Rassismus?
Wir stehen also vor der unangenehmen Frage, ob in solchen Fällen mehr für die Zensur oder mehr für den Rassismus spricht. Das macht es ungeheuer leicht, die Debatte emotional und schlecht zu führen. Argumentiert jemand gegen das Wort „Neger“, beschimpft man ihn sofort als stalinistischen Zensor. Wer sich gegen die Zensur großer, geliebter, weltweit anerkannter Autoren ausspricht, kann sofort als Rassist geschmäht werden.
Festzustellen ist, dass die Debatte selbst einen hohen Wert hat. Denn die Gefahr der Zensur ist groß und real. Wir alle erinnern uns an weichgespülte Versionen Grimm’scher Märchen, deren Harmlosigkeit mehr Grausen verursachte als der Text an sich.
Aber so wichtig die Autoren sind und so großartig ihre Texte sind und so schmerzvoll es ist, auch nur ein Komma an ihnen zu ändern, spricht im Moment einiges für die beabsichtigten Korrekturen. Otfried Preußler schrieb engagiert gegen Ausbeutung und Unterdrückung, in „Krabat“ erheben sich die Müllergesellen gegen ihren bösen Meister, der stirbt, und die Mühle geht in Flammen auf. Astrid Lindgren war eine engagierte Kämpferin für die Rechte der Schwächeren, in ihrer Literatur und im Leben. Und Mark Twain war – zumindest was die Rechte der Schwarzen betraf – ein mutiger Kämpfer für die Freiheit und gegen das seinerzeit geltende Recht der Sklaverei.
Die Einstellung der Autoren ist wichtig
Das ist nie gleichgültig gewesen. Es liegt nicht nur daran, dass uns die humanistische Grundeinstellung der Autoren aus ihren Texten zu sprechen scheint. Wäre Preußler ein glühender Faschist gewesen und ein reaktionärer Vertriebenenfunktionär – und zu beidem hätte er die Gelegenheit gehabt –, hätten wir unseren Kindern seine Bücher wohl nicht so gern vorgelesen.
Hätte sich Astrid Lindgren mit ihrem Geld eine Waffenfabrik gebaut und die schwedischen Faschisten unterstützt, hätte das die Verkäufe ihrer Bücher nicht beflügelt. Obwohl die Autoren mit ihren Texten eigene Welten geschaffen haben, ist uns doch der Absender immer noch wichtig, ganz so, wie es Sokrates gefordert hat.
Die Kinder sollten nicht die Prinzipien der Erwachsenen ausbaden. Man könnte ihnen erklären, warum ihre Helden Wörter benutzen, die sie selbst auf dem Schulhof nicht benutzen sollen. Aber man würde damit kaum ihr Vergnügen an Lindgren oder Twain erhöhen. Man sollte seinem Kind auch keine Bücher in alter Rechtschreibung zum Lesen geben. Nicht weil diese schlecht gewesen wäre, sondern weil man seinem Kind weder Lesen noch Leben unnötig schwer machen möchte.
Prägende Kindheit
Die Kindheit ist eine prägende Zeit. Hier wird das Grundgerüst der Werte, Normen und auch der Worte angelegt. Um ein unpolitisches Beispiel zu wählen: Warum fällt es vielen schwer, zu verstehen, dass es Säugetiere im Meer gibt? Liegt das nicht auch daran, dass der Wal in unseren Kinderbüchern immer wieder als „Fisch“ bezeichnet wurde?
Und bitte vergesst das schreckliche Argument, euch habe „es auch nicht geschadet“. Mit diesem „Argument“ kann man jeglichen humanistischen Fortschritt zum Erliegen bringen. Schließlich haben weder die Hexenverbrennungen noch der Rohrstock im Klassenraum denjenigen geschadet, die darüber berichten konnten.
Gerade bei Übersetzungen, aber auch bei Neuauflagen sollte ausschlaggebend sein, was die Urheber mit dem Text vermitteln wollten und zum Zeitpunkt der Veröffentlichung auch vermitteln konnten. Für die diskutierten Bücher gilt, dass sie nicht unter dem Verdacht des Rassismus stehen. Dies wiegt im komplizierten Prozess der Abwägung schwerer.
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