Nationalsozialismus in Mosbach - Baden
: Rechtsextremismus und Neofaschismus : Anti-Semitismus : Anti-Ziganismus : Homophobie : Rassismus : Diskriminierung 

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AKTUELLES:
Öffentlichkeitsarbeit
zum Thema Nationalsozialismus,
NS-Vergangenheitsbewältigung
und Auswirkungen bis heute

 Zuletzt AKTUALISIERT am 21.04.2025 ! 

Seiteninhalt:

  1. NS- und Rechtsextremismus-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach

    1.1 Gerichtlich verfügte Beauftragung der forensischen Sachverständigen aus Kitzingen durch das Amtsgericht Mosbach bezüglich der gerichtlichen und außergerichtlichen Anti-Nazi-Aktivitäten des Antragstellers

  2. Online-Artikel und Bücher zur Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Nationalsozialismus, NS-Vergangenheitsbewältigung und Auswirkungen bis heute

    2.1 Online-Artikel zu NS-Fälschungen und NS-Verschwörungstheorien

  3. YouTube-Videos zur Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Nationalsozialismus, NS-Vergangenheitsbewältigung und Auswirkungen bis heute

  4. Rechtsprechung zur Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Nationalsozialismus, NS-Vergangenheitsbewältigung und Auswirkungen bis heute

  5. Stellungnahme der vom Amtsgericht Mosbach gerichtlich beauftragten forensischen Sachverständigen aus Kitzingen zur Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Nationalsozialismus, NS-Vergangenheitsbewältigung und Auswirkungen bis heute



1. NS- und Rechtsextremismus-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach

Amtsgericht Mosbach: Bildquelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Amtsgericht_Mosbach#/media/Datei:Mosbach-kloster-amtsgericht1.jpg

Amtsgericht Mosbach
Hauptstraße 110
74821 Mosbach
Telefon:
06261 - 87 0 (Zentrale)
Telefax:
06261 - 87 460 (Zentrale Faxnummer)

NS- und Rechtsextremismus-Verfahren bei der Mosbacher Justiz:
AKTUELLE NS- und Rechtsextremismus-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach u.a. seit 03.06.2022 >>>

Historische NS-Verfahren der Mosbacher Justiz >>>

Zuständigkeit des Amtsgerichts Mosbach in NS- und Rechtsextremismus-Verfahren >>>

Frühere außergerichtliche NS-Aufarbeitungen 2005 bis 2011 >>>

Frühere gerichtliche NS-Aufarbeitungen 2004 bis 2010 >>>

Nach Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg mit Beschluss vom 15.12.2022 - 6 S 1420/22 - unterliegt der Nationalsozialismus nicht der grundrechtlich geschützten Weltanschauungsfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1 GG.

Das Amtsgericht Mosbach hat jedoch seit dem 03.06.2022 eine gemäß § 158 StPO ordnungsgemäße Eingangsbestätigung mit den Benennungen der Konkreten Eingabedaten, der Konkreten Sachverhaltsbenennungen mit einer kurzen Zusammenfassung der Angaben zu Tatzeit, Tatort und angezeigter Tat, insbesondere zu beantragten NS- und Rechtsextremismus-Strafverfahren, bisher ausdrücklich und EXPLIZIT versagt und NICHT ausgestellt.

Auch für die beim Amtsgericht Mosbach beantragten Wiederaufnahmeverfahren, amtsseitigen Verfügungen und gerichtlichen Prüfungen in NS- und Rechtsextremismus-Angelegenheiten verweigert das Amtsgericht Mosbach ordnungsgemäße Eingangs- und Weiterbearbeitungsbestätigungen mit konkreten Sachverhaltsbenennungen.

Siehe dazu auch Umgang des Amtsgerichts Mosbach mit NS- und Rechtsextremismusverfahren >>>

Das Amtsgericht Mosbach verweigert zudem bisher Stellungnahmen zu den historisch nachgewiesenen Kontinuitäten von NS-Funktionseliten in der BRD. Das AG MOS verweigert zudem bisher Stellungnahmen zur Kontinuität von NS-Richtern, NS-Staatsanwälten und NS-Juristen nach 1945 und in der BRD, die aber zuvor im Nationalsozialismus privat und beruflich sozialisiert wurden, u.a. auch in Mosbach, in Baden und Württemberg. Das AG MOS verweigert zudem bisher Stellungnahmen zu den NS-Justizverbrechen, sowohl zu den eigenen institutionellen NS-Verbrechen des Amtsgericht Mosbach als auch zu den NS-Massenmordverbrechen in der Mosbacher Region.

Das Amtsgericht Mosbach verweigert zudem bisher Stellungnahmen zum Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg (1966 bis 1978) Hans Filbinger, der historisch nachgewiesen vor 1945 als Nazi-Blutrichter und NS-Militär-Marinerichter Nazi-Justizmorde als Todesurteile mitbewirkt, veranlasst bzw. ausgesprochen hatte und dazu dann nach 1945 öffentlich zum Ausdruck brachte, dass "DAS", was damals Recht gewesen sei, heute nicht Unrecht sein könne.

Das Amtsgericht Mosbach verweigert bisher Stellungnahmen zum Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg (2005 bis 2010) und Juristen Günther Oettinger, der seinen Amtsvorgänger Hans Filbinger, während seiner eigenen Filbinger-Trauerrede im April 2007 öffentlich zum angeblichen Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus zu verklären und zu stilisieren versucht hatte. Und dies sowohl in der eigenen juristischen NS-Aufarbeitung nach 1945 als auch in den Thematisierungen dieser NS-Sachverhalte innerhalb der eigenen NS-Öffentlichkeitsarbeit des AG MOS.

NS-Propaganda im 21. Jahrhundert: Zwischen Verbot und öffentlicher Auseinandersetzung Taschenbuch – Illustriert, 15. Juli 2014

Der Umgang mit den Relikten nationalsozialistischer Propaganda ist insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland heftig umstritten; dies zeigen gerade die Diskussionen um eine wissenschaftliche Edition von Hitlers 'Mein Kampf'. Die Aufsätze des Bandes beschäftigen sich mit verschiedenen Propagandamedien des Nationalsozialismus sowohl im Hinblick auf ihre historische Wirksamkeit als auch vor dem Hintergrund ihrer Relevanz im heutigen geschichtskulturellen Diskurs über die Vergangenheit. Neben Hitlers Schrift 'Mein Kampf' und deren Rezeption in den Nachkriegsgesellschaften der Bundesrepublik, den Niederlanden und Israel widmen sich die einzelnen Aufsätze der nationalsozialistischen Tagespresse, verschiedenen Spielfilmproduktionen, der umstrittenen Ausstellungspraxis von NS-Sachzeugnissen und den von bundesrepublikanischen TV-Dokumentationen genutzten Ausschnitten aus den NS-Wochenschauen. Der Band resümiert, welchen Ort diese Relikte des Nationalsozialismus in der europäischen Erinnerungskultur einnehmen und wie sich der schmale Grat zwischen Aufklärung und Anziehungskraft in den vergangenen 70 Jahren wandelte.


1.1 Gerichtlich verfügte Beauftragung der forensischen Sachverständigen aus Kitzingen durch das Amtsgericht Mosbach bezüglich der gerichtlichen und außergerichtlichen Anti-Nazi-Aktivitäten des Antragstellers

In der Verfügung des Amtsgerichts Mosbach unter 6F 9/22 vom 17.08.2022, teilt das Amtsgericht Mosbach die Rechtsauffassung mit, dass es nicht Aufgabe des Gerichts sei, die NS-Vergangenheit aufzuarbeiten, was entgegen der Rechtsaufassung des baden-württembergischen Justizministeriums unter JUMRIX-E-1402-41/878/4 vom 20.06.2022 sowie entgegen der Rechtsauffassung des Urteils am 28.06.2022 beim Landgericht Neuruppin mit der Verurteilung eines 101-jährigen KZ-Wachmannes wegen Beihilfe zum Mord in mehr als 3.500 Fällen steht.

Das Familiengericht-Amtsgericht Mosbach, Hauptstraße 110, 74281 Mosbach, beauftragt die forensische Sachverständige aus Moltkestr. 2, 97318 Kitzingen, in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 unter 6F 202/21, die Anti-Nazi-Aktivitäten des KVs und Antragstellers in einer ergänzenden Stellungnahme gutachterlich einzuschätzen und zu bewerten. 

Dazu zählen laut Anweisungen dieser amtsgerichtlichen Verfügungen SOWOHL die seit Sommer 2022 vom Antragsteller beim Amtsgericht Mosbach initiierten NS- und Rechtsextremismus-Verfahren ALS AUCH seine außergerichtlichen und gerichtlichen Aufklärungs- und Aufarbeitungsbemühungen zu Nationalsozialistischem Unrecht und Nationalsozialistischen Verbrechen aus dem Zeitraum um 2008, d.h. konkret von 2004 bis 2011, im Rahmen seiner sogenannten "Nazi-Jäger"-Aktivitäten im sachverhaltsbezogenen Kontext zur Problematik des Nationalsozialismus vor und nach 1945 und dessen Aufarbeitung bis heute. Siehe dazu auch Kapitel 5 auf dieser Seite.


Das Amtsgericht Mosbach BEAUFTRAGT EXPLIZIT in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 unter 6F 202/21 die forensische Sachverständige aus Kitzingen, eine GUTACHTERLICHE STELLUNGNAHME zur Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Nationalsozialismus, NS-Vergangenheitsbewältigung und Auswirkungen bis heute am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach mit seinen jahrelangen Bemühungen um die außergerichtliche und gerichtliche Aufarbeitung von Nationalsozialistischem Unrecht und Nationalsozialistischen Verbrechen an das deutsche BRD-Amtsgericht Mosbach im Jahr 2022 zu erstellen.

Siehe auch:

 



Das Radio, ein neues Medium zur Propaganda Verbreitung im Nationalsozialismus: Radiopropaganda im Nationalsozialismus

Studienarbeit aus dem Jahr 2008 im Fachbereich Medien / Kommunikation - Mediengeschichte, Note: 2,25, Universität Zürich (Publizistik), Veranstaltung: Wissenschaftliches Arbeiten, Sprache: Deutsch, Abstract: Im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit steht die analytische Betrachtung des Erfolgs des Radios im Nationalsozialismus. Es wird versucht, folgende Forschungsfrage zu beantworten: Wie machte das NS-Regime aus dem relativ unbekannten Unterhaltungsmedium Radio ein manipulierendes Massenmedium? Folgendes methodische Vorgehen soll zur Klärung der Forschungsfrage führen: Zuerst werden die Grundlagen des Rundfunks im Nationalsozialismus erläutert und Kriterien für den Erfolg des Radios in der NS Zeit genannt, welche später durch das Aufgreifen einer passenden Theorie analysiert werden. Durch das Abgleichen von Theorie und Erfolgskriterien wird versucht, die Forschungsfrage zu beantworten.




2. Online-Artikel und Bücher zur Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Nationalsozialismus, NS-Vergangenheitsbewältigung und Auswirkungen bis heute


Nazi-Opfer mahnen zum Frieden: Gedenkveranstaltung fand in Gedenkstätte Breitenau statt

Stand:31.03.2025, 11:05 Uhr
Von: Peter Dilling
Gedenkstätte Breitenau 80 Jahre Kriegsende Gedenkveranstaltung Generalkonsul Brian Heath
Kerzen zu Ehren der Ermordeten: Auch Generalkonsul Brian Heath entzündete eine. © Peter Dilling
Rund 150 Besucher gedachten am Sonntagmorgen in der Breitenau ermordeter Häftlinge des Zweiten Weltkrieges. Auch Gäste aus der Politik waren anwesend.
Guxhagen – Ein schneidender Wind und Temperaturen, die einen schnell frösteln ließen: Das Wetter passte so recht zum Anlass, der geschätzte 150 Besucher am Sonntagmorgen auf dem Freigelände der Gedenkstätte Breitenau zusammenkommen ließ, um des 80. Jahrestags der Ermordung von 28 Häftlingen des Arbeitserziehungslagers Breitenau am frühen Morgen des 30. März 1945 durch Nazi-Schergen kurz vor Eintreffen der US-amerikanischen Soldaten in Guxhagen zu gedenken.
Gedenkstätte Breitenau 80 Jahre Kriegsende Gedenkveranstaltung Maike Bartsch Susanne Schneider
Vergangenheitsbewältigung: Maike Bartsch und Susanne Schneider (rechts) berichteten über Hintergründe. © Peter Dilling
Die Gedenkstätte Breitenau, die Gemeinde Guxhagen, die evangelische Kirchengemeinde und die Stadt Kassel hatten zu der gemeinsamen Gedenkveranstaltung mit dem US-amerikanischen Generalkonsul Brian Heath, der aus Frankfurt angereist war, als prominentestem Teilnehmer eingeladen. Sie geriet zu einem Appell für Frieden, Gerechtigkeit, Mitmenschlichkeit und Demokratie. Die Polizei sorgte mit mehreren Kräften für die Sicherheit der Veranstaltung.
Die Ermordung der 28 ausländischen Gefangenen – darunter zwei niederländische, zehn französische und 16 russische und ukrainische Opfer zwischen 17 und 40 Jahren – am frühen Karfreitag-Morgen 1945 reiht sich ein in die vielen Gräueltaten, die die Nazis in der Endphase des Zweiten Weltkriegs begingen.
Daran erinnerten Dr. Maike Bartsch, stellvertretende Leiterin der Gedenkstätte Breitenau, und Guxhagens Bürgermeisterin Susanne Schneider. Sie zeichneten die Geschehnisse von damals nach: SS-Leute hatten auf Geheiß der Gestapo-Führung in Kassel, 30 Gefangene aus der Breitenau zum Fuldaberg gebracht, um sie dort hinzurichten und an Ort und Stelle zu verscharren. Nur zwei der Gefangenen konnten fliehen.
Gedenkstätte Breitenau 80 Jahre Kriegsende Gedenkveranstaltung Renate und Roland Häusler sangen Antikriegslieder.
Musikalische Untermalung: Renate und Roland Häusler sangen bei der Gedenkveranstaltung Antikriegslieder. © Peter Dilling
Warum die Häftlinge sterben mussten, sei bis heute unklar, sagte Bartsch. Angeblich sollen einige Widerstandskämpfer gewesen sein, andere sollen geplündert haben. Vielleicht sollten aber auch nur unliebsame Zeugen beseitigt werden. Durch Hinweise von Mitinhaftierten wurden die Leichen der Ermordeten schließlich entdeckt und zunächst in Guxhagen beigesetzt. 1960 wurden sie in eine Sammel-Kriegsgräberstätte in Witzenhausen umgebettet.
Viele Guxhagener hätten damals im Arbeitslager Breitenau Arbeit gefunden oder anderweitig davon profitiert, ein Schuldbewusstsein habe sich erst Jahrzehnte später eingestellt, sagte Schneider.  Der 30. März 1945 solle in Guxhagen „Symbol sein für die Verantwortung, das Erbe der Befreiung zu bewahren, für die Verantwortung, wachsam zu sein gegenüber den Gefahren des Hasses, der Intoleranz und der Demokratiefeindlichkeit“, erklärte sie.
Kriegsende
Parallelen zwischen damals und heute: Gedenkstättenleiterin über Rechtsruck und Kriegsende
Die Interimsleiterin der Gedenkstätte Breitenau: Dr. Maike Bartsch
Erinnerungskultur
Buchenwald-Gedenken mit Kontroverse und Eklat
80. Jahrestag Befreiung Konzentrationslager Buchenwald
Gemeinsame Werte betonen
Generalkonsul Heath betonte die Partnerschaft und die gemeinsamen Werte zwischen Deutschland und den USA, die mit der Befreiung von der Nazi-Herrschaft durch US-Soldaten ihren Anfang genommen hätten. Daran gelte es festzuhalten. Die Beziehungen zwischen beiden Staaten seien gereift und gediehen. „Heute befinden wir uns an einem weiteren Wendepunkt – einem Punkt, an dem wir gemeinsam das nächste Kapitel dieser dauerhaften Freundschaft aufschlagen müssen“, sagte Heath. Offenbar war das eine Anspielung auf das derzeit unter der Trump-Regierung angespannte Verhältnis beider Staaten.
Kassels Oberbürgermeister Sven Schoeller erinnerte an die in Kassel ermordeten ausländischen Zwangsarbeiter und Häftlinge kurz vor Eintreffen der US-Soldaten. In Deutschland wachse ein „Geschwür“ heran, das von fehlgeleitetem Nationalbewusstsein und Fremdenfeindlichkeit geprägt sei. Man müsse „aufstehen gegen Hass und Hetze“. Zum Schluss gingen die Teilnehmer zum Gedenkstein für die ermordeten Breitenau-Häftlinge am Fuldaberg. Dort sprach Pfarrer Frithjof Tümmler ein Gebet. (Peter Dilling)
https://www.hna.de/


Juergen Teller und die Demut: 820 Fotos über Auschwitz im Kunsthaus Göttingen

Stand:30.03.2025, 12:15 Uhr
Von: Thomas Kopietz
Wiedereröffnung Kunsthaus Göttingen Ausstellung „Auschwitz Birkenau“ mit Fotos aus dem gleichnamigen Buch: zu sehen sind die Fotografien von Juergen Teller, die er während einer Woche im Dezember 2024 in Auschwitz machte.
Wiedereröffnung Kunsthaus Göttingen sorgt für mediale Aufmerksamkeit - Grund ist die Ausstellung „Auschwitz Birkenau“ des Fotografen Juergen Teller. © Thomas Kopietz
Star- und Modefotograf Juergen Teller mit zeitgeschichtlicher Auschwitz-Ausstellung in Göttingen
Göttingen - Das Göttinger Kunsthaus ist nach dem Konkurs im Dezember 2024 am Donnerstag wiedereröffnet worden - mit einer Ausstellung, die international beachtet werden dürfte: Star-Fotograf Juergen Teller hat während einer Woche im Dezember viele tausend Fotos in der Gedenkstätte KZ Auschwitz Birkenau gemacht. Fotos, die das grauenhafte Gestern und das manchmal skurril anmutende Heute widerspiegeln.
Die KZ-Gedenkstätte wie sie heute ist
Hier die Aufnahmen der schockierenden Anlagen der Massenmord-Maschinerie KZ samt Gaskammern und Öfen im Krematorium, dort die Fotografien von Hinweisschildern mit Sponsorennamen und seltsamen Motive im Postkartenständer, oder der Hinweis auf die Fast-Food-Versorgung. Es sind auch diese drastischen Widersprüche, die die Ausstellung im Kunsthaus sowie das mit gut 820 Fotos ausgestattete, im Steidl-Verlag erschienene Buch „Auschwitz Birkenau“ besonders machen - im Angebot der vielen Bücher, die über das KZ und die Kontexte veröffentlicht worden sind.
Kunsthaus Göttingen Ausstellung: „Auschwitz Birkenau“ mit Fotos aus dem gleichnamigen Buch: von links Göttingens Oberbürgermeisterin Petra Broistedt, Fotograf Juergen Teller, Christoph Heubner (International Auschwitz Committee), Verleger und Kunsthaus-Kurator Gerhard Steidl sowie Tellers Partnerin Dovile Drizyte.
Wiedereröffnung Kunsthaus Göttingen mit der Ausstellung „Auschwitz Birkenau“, Fotos von Juergen Teller. Von links Göttingens Oberbürgermeisterin Petra Broistedt, Juergen Teller, Christoph Heubner (International Auschwitz Committee), Verleger und Kunsthaus-Kurator Gerhard Steidl sowie Tellers Ehefrau Dovile Drizyte. © Thomas Kopietz
Widersprüche, die dem Betrachter der kleinformatigen, etwa DIN-A-4 großen, nicht gerahmten und in Reihe gehängten, meist farbigen Fotografie-Drucke, deutlich werden. Teller hat genau diese Anachronismen aufgespürt, festgehalten und mit Gerhard Steidl in das Buch und an die Kunsthaus-Wände gebracht.
Ausstellung in Göttingen mit hoher Aktualität
Der Wert der Ausstellung sei es, die Erinnerung an Auschwitz wach zu halten, sagte eine über die Wiedereröffnung des Kunsthauses hocherfreute Oberbürgermeistern Petra Broistedt. Christoph Heubner vom International Auschwitz Committee, der eindringliche Texte für das Buch verfasst hat, sagt: „Juergen Teller hat es mit bewundernswerter Sensibilität und einem Auge geschafft, dass alle Details der Vernichtung, die in kleinen Schritten vollzogen wurde, festgehalten wurden.“ Sein Fazit zur Schau im Kunsthaus: „Es ist auch eine sehr aktuelle Ausstellung.“
Bedeutsam ist diese Dokumentation und die Vermittlung der grausamen KZ-Geschichte auch für Juergen Teller und Verleger sowie Kunsthaus-Kurator Gerhard Steidl. Letzterer macht die Arbeit im Kunsthaus und mit dieser Ausstellung auch, „um gesellschaftliche und politische Anstöße zu geben“, in einer Zeit, „da eine Partei Hetze betreibt und für den Rechtsruck in Deutschland steht“, wie Oberbürgermeisterin Petra Broistedt ergänzt.
Blick in die Gedenkstätte Auschwitz Birkenau - Fotos von Juergen Teller aus dem gleichnamigen Buch
KZ-Gedenkstätte „Auschwitz Birkenau“ heute - Fotos ausgestellt in Göttingen. © Juergen Teller
Teller: „Wiederspiegeln, was dort ist“
Juergen Teller betont, dass er mit seinen Fotos die Gedenkstätte „Auschwitz Birkenau" heute spiegelt, im Dezember 2024. „Wichtig war mir, dass ich nicht nur 30, 40, 50 dramatisch exzellente Fotos mache, sondern das widerspiegele, was dort ist.“ Die Wirkung auf ihn sei während einer Woche natürlich intensiver gewesen, als bei einem Besuch als Tourist im Jahr 1997. So zeigt er mit seinen Fotos auch, was sich in diesen knapp zwei Jahrzehnten verändert hat: Die KZ-Gedenkstätte ist kommerzieller geworden, sie ist auch „Marketing“, eine „Touristen Attraktion“, wie Teller es nennt. „Du kannst dort Postkarten kaufen und draufschreiben ´Wish you were here`draufschreiben oder auch Magneten für zu Hause kaufen. Das ist in einer bestimmten Art und Weise gut, aber natürlich auch wieder schlecht.“
Der Besuch mit seiner Ehefrau Dovile Drizyte, das Sehen, das Fotografieren habe natürlich etwas mit ihm gemacht. Seine Demut, mit der er sich Auschwitz näherte, ist zu spüren, wenn er sagt: „Freunden, Bekannten, jedem, dem ich das Buch zeige, kann ich nur sagen: Jeder sollte dort hingehen und sich das anschauen. Aber nicht hinterher am Abend wieder in Krakau Bier trinken und happy sein, sondern sich mit den Gefühlen und Gedanken auseinandersetzen, die man mitgenommen hat.“
Stilmittel der Motivwiederholung
Teller hat sich Gedanken gemacht, viele Gedanken - das zeigen die gut 820 Fotos. Zusammengestellt sind sie sorgfältig, das setzt Schwerpunkte, beinhaltet aber auch Überraschungen. Häufig gibt es visuelle, gedankliche Brüche - wie beschrieben - zwischen Fotos der grauenvollen Orte, scheinbar banaler Gebäudeteile und den Auswüchsen des kommerzialisierten Touristenorts. Ein Stilmittel ist auch die Motivwiederholung - mehrere Fotos auf einem Blatt.
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Ausstellung „Auschwitz Birkenau“ mit Fotos aus dem gleichnamigen Buch von Juergen Teller. Zu sehen im Kunsthaus Göttingen.
Ausstellung „Auschwitz Birkenau“ aus dem gleichnamigen Buch. © Juergen Teller
Auf drei Etagen im Kunsthaus sind diese Fotos quasi aus dem Buch an die Wand gelangt. Dazu gibt es im kleineren Kabinett eine Ausstellung von Christoph Heubner und Michele Deodat und des „Instituts to remember“. Diese gibt den Fotos Tellers ein Gesicht, jenes der Menschen, die in Auschwitz Birkenau inhaftiert und ermordet wurden.
Tellers Kompliment fürs Kunsthaus
Am Ende der auch von überregionalen Medienvertretern begleiteten Eröffnung, sagt Juergen Teller etwas, das Gerhard Steidl und Petra Broistedt gefallen hat: „Ich bin sehr stolz in dem wunderschönen Kunsthaus ausstellen zu können. Es ist ein exzellentes, super-toll gebautes Gebäude.“ Das solle mit Respekt behandelt werden, wünschte sich der Künstler und mahnte sogleich zwei Journalisten, sich nicht an die Wände zu lehnen.
Die Ausstellung ist bis zum 1. Juni 2025 zu sehen, im Kunsthaus Göttingen, Düstere Straße 7, Dienstag bis Freitag 14 bis 18 Uhr, Samstag und Sonntag 11 bis 18 Uhr. Eintritt: 8 Euro, ermäßigt 5 Euro. Es gibt ein umfangreiches Begleitprogramm mit Lesungen, Filmvorführungen, Theateraufführungen und Rundgängen. (Thomas Kopietz)
Infos: kunsthaus-goettingen.de; Anmeldungen für Führungen - auch für Schulklassen - unter: anmeldung@kunsthaus-goettingen.de;
https://www.hna.de/


Da hingehen, wo in Frankfurt NS-Opfer einst lebten

Stand:29.03.2023, 09:38 Uhr
Von: Anja Laud
Helga Irsch-Breuer hat das Schicksal von 32-Hausbewohner:innen recherchiert. © Peter Jülich
Bei „Denk mal am Ort“ öffnen sich an diesem Wochenende in Frankfurt Häuser und Orte, die von den Schicksalen NS-Verfolgter erzählen.
Mit einem Glockenhut auf dem Kopf, wie er damals modern war, schaut Nelly Ginsberg auf einem Foto aus besseren Zeiten selbstbewusst lächelnd in die Kamera. Sie wohnte einst in Frankfurt in der Kantstraße 6 – allerdings nicht freiwillig. Das Haus war während der Zeit des Nationalsozialismus ein „Ghettohaus“, in dem Jüdinnen und Juden bis zu ihrer Deportation leben mussten. Helga Irsch-Breuer hat das Schicksal von 32 Hausbewohner:innen aus dieser Zeit erforscht. Wer mag, kann das heutige Mietshaus besuchen und mehr über diese Menschen erfahren. Bei „Denk mal am Ort“ öffnen sich am Samstag und Sonntag, 1. und 2. April, Häuser und Orte, um an die zu erinnern, die in der NS-Zeit verfolgt wurden.
Eine Broschüre des Jüdischen Museums mit dem Titel „Vergessene Nachbarn“ über jüdische Menschen, die im Dritten Reich in Bergen-Enkheim lebten, brachte Helga Irsch-Breuer vor 15 Jahren dazu, mit der Erforschung der Geschichte ihres Wohnhauses zu beginnen. „Ich stieß dort wiederholt auf meine eigene Adresse. Das hat mich sehr aufgewühlt“, erzählt sie. Sie nahm Kontakt zu der Stolperstein-Initiative um Hartmut Schmidt auf und erfuhr, dass sie in einem früheren „Ghettohaus“ lebt. Schmidt gab ihr eine Liste mit den Namen von Bewohner:innen, die dort zwangsweise eingewiesen worden waren. Bei ihren Recherchen stieß sie dann noch auf weitere Namen.
Das Haus in der Kantstraße 6 öffnete sich schon im vergangenen Jahr für „Denk mal am Ort“. Die Idee, in Häusern und Wohnungen, in denen im Dritten Reich Verfolgte lebten oder arbeiteten, an diese zu erinnern, kommt aus den Niederlanden. Die Amsterdamerin Denise Citroen initiierte 2012 in ihrer Stadt unter dem Titel „Open Joodse Huizen“ eine Veranstaltungsreihe, bei der Besucher:innen um den 5. Mai, dem „Bevrijdingsdag“, dem Tag der Befreiung von der deutschen Besatzung, herum diese Orte besuchen können. Die Kulturwissenschaftlerin Marie Rolshoven hörte davon. Gemeinsam mit ihrer Mutter, der Künstlerin und Historikerin Jani Pietsch, holte sie das Projekt 2016 nach Berlin. „Durch das gemeinsame Erinnern an die früheren Bewohner:innen an deren authentischen Lebensorten entsteht eine besondere Intimität, die eine Verbindung schafft für alle Besucher:innen, die Nachkommen und die Aktivist:innen. Die Vergangenheit wird so mit der Gegenwart für die Zukunft verbunden“, begründet sie ihr Engagement. Weil „Denk mal am Ort“ in Berlin auf großes Interesse stieß, gibt es die Veranstaltungsreihe auf ihre Initiative inzwischen auch in München, Hamburg und Frankfurt, immer an einem Wochenende, das auf den Jahrestag folgt, an dem die jeweiligen Städte am Ende des Zweiten Weltkriegs kapitulierten.
Eine Besonderheit von „Denk mal am Ort“ ist, dass auch Nachfahr:innen von NS-Verfolgten sich beteiligen. Wie der Frankfurter Filmemacher Heiko Arendt berichtet, wird Ruth Oswalt, die Nichte von Ernst Ludwig Oswalt, nach Frankfurt reisen, um von ihrer Familie zu erzählen. Arendt, der zuletzt mit „Katzbach“ einen Dokumentarfilm über das Leben der Häftlinge im Konzentrationslager in den Adlerwerken im Gallus drehte, hat 2019 unter dem Titel „Meinen Freunden zum Abschied“ einen sehenswerten Dokumentarfilm über das Schicksal von Ernst Ludwig Oswalt, auch „Lux“ genannt, gemacht. Er war der Sohn von Wilhelm Ernst Oswalt, dem Mitinhaber des Verlages Rütten & Loening, in dem der berühmte „Struwwelpeter“ von Heinrich Hoffmann erschien. Der Film ist am Samstag im Nordend im Kino „Mal Sehn“ in der Adlerflychtstraße zu sehen.
Der Ort ist nicht zufällig ausgewählt. „Lux“ besuchte die nahe gelegene Musterschule, durfte aber, weil er Jude war, dort nicht das Abitur machen. Sein zwei Jahre älterer Bruder Wilhelm Heinrich, der Vater von Ruth Oswalt, ging zum Studium in die Schweiz und überlebte. „Lux“ und seine Eltern blieben in Frankfurt, sie wohnten zuletzt in der Bettinastraße 48. Die Mutter Wilhelmine starb 1938 an Leukämie, der Vater wurde 1942 verhaftet und kam im Konzentrationslager Sachsenhausen um. „Lux“, der seit 1941 Zwangsarbeit in Frankfurter Betrieben leisten musste, erhielt am 7. Juni 1942 den Deportationsbefehl. Am 10. Juni, dem Tag vor seiner Deportation, schrieb der später ermordete 19-Jährige, an den auch in der Gedenkstätte in der Großmarkthalle erinnert wird, einen Abschiedsbrief mit den einleitenden Worten „Meinen Freunden zum Abschied“. Diese wählte Heiko Arendt als Titel für seinen Dokumentarfilm. „Der Brief ist ein berührendes Dokument“, sagt der Filmemacher, der für seinen Film auf Fotos und Briefe zurückgreifen konnte, die im Besitz von Ruth Oswalt sind.
Wenn Cilli Kasper-Holtkotte am Samstag durch das Diplomatenviertel führt, um auf Jüdinnen und Juden aufmerksam zu machen, die dort bis 1938/39 lebten, wird auch sie von einer Nachfahrin und zwar von Stephanie Apt, der Enkelin des Ehepaares Ludwig und Elli Beckhardt, begleitet. Ihre Großeltern lebten in der Zeppelinallee 77. Was die Aufarbeitung der Verfolgung jüdischer Menschen angehe, sei das Diplomatenviertel ein „unbeleuchteter Stadtteil“, sagt die Geschichtswissenschaftlerin. die das mit ihrer Arbeit zu ändern sucht.
Veranstaltungen
Die Initiative „Denk mal am Ort“ erinnert am Samstag, 1. April, und Sonntag, 2. April, mit Führungen, Vorträgen und einer Filmvorführung an Menschen, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt wurden. Alle Veranstaltungen können kostenlos besucht werden.
Samstag, 1. April:
10 bis 11.30 Uhr: „Auf Spuren jüdischen Lebens im Diplomatenviertel“, Rundgang mit der Geschichtswissenschaftlerin Cilli Kasper-Holtkotte, Treffpunkt Zeppelinallee 47.
11 bis 14 Uhr: „Die Villa 102: Ein Gebäude als Zeitzeugin“, Führung durch die Villa, Bockenheimer Landstraße 102, Anmeldung: www.kfw-stiftung.de/ veranstaltungen.
13 Uhr: „Meinen Freunden zum Abschied: Erinnerung an Ernst Ludwig Oswalt“, Filmvorführung im Kino Mal Sehn, Adlerflychtstraße 6, anschließend Gespräch mit dem Filmemacher Heiko Arendt und Ruth Oswald, der Nichte von Ernst Ludwig Oswalt.
14 bis 15.30 Uhr: „Boykottiert – Arisiert – Enteignet – 90 Jahre Aprilboykott 1933“, Führung über die Zeil zur Geschichte einiger Kaufhäuser und den Lebenswegen ihrer jüdischen Besitzer, Anmeldung per E-Mail an: angelika.rieber@t-online.de
15 Uhr: „Ein ehemaliges ,Ghettohaus’ öffnet seine Türen: Hier wohnte die Familie Stern“, Ausstellung mit Fotografien, Dokumenten und biographischen Notizen im Treppenhaus der Kantstraße 6, die an Fam ilie Stern und die 32 Menschen erinnern, die dort lebten.
16 Uhr: „Der Rechtsanwalt Dr. Julius Meyer schrieb im Exil über die November-Pogrome“, Lesung mit dem Schauspieler Jochen Nix, Autorenbuchhandlung Marx & Co, Grüneburgweg 76.
Sonntag, 2. April:
11.30 Uhr: „ Aus dem Altenheim vertrieben – Elise Hofmann und ihre Mitbewohner:innen“, Café Anschluss, Hansaallee 150, Vortrag der Historikerin Gudrun Jäger mit anschließendem Gespräch.
14 Uhr: „Doppel-Grab ohne Inschrift: Erinnerung an Siegmund und Rosette Una und ihre Familie“, Jüdischer Friedhof, Rat-Beil-Straße 10. Vortrag und Gespräch mit Peter Lobbenberg, ein Verwandter von Siegmund und Rosette Una, der Historikerin Christine Hartwig-Thürmer und Majer Szanckower, Verwalter der jüdischen Friedhöfe in Frankfurt. lad
www.denkmalamort.de
Sie lebt in einem Haus im Garten der Villa von Ludwig und Elli Beckhardt. Ludwig besaß zusammen mit seinem Bruder Adolf ein großes Bekleidungsgeschäft auf der Zeil, das Kaufhaus W. Fuhrländer Nachf., nach dem Krieg das Modehaus Ammerschläger. Ludwig Beckhardt kam, wie Cilli Kasper-Holtkotte erzählt, im November 1938 in das Konzentrationslager _Buchenwald. Im Dezember wurde er krank entlassen. „Er zog sich dort ein Herzleiden zu“, sagt sie. Er und sein Bruder mussten ihr Kaufhaus und die Villa weit unter Wert verkaufen.
Die Beckhardts kamen in einem „Ghettohaus“ in der Zeppelinallee 65 unter. 1941 gelang ihnen, zusammen mit ihren Töchtern Lieselotte und Helene, die Ausreise in die USA. Ludwig Beckhardt erlag in New York, wo die Familie sich niederließ, früh seinem Herzleiden. Für ihn, seine Frau und ihre beiden Töchter werden am 15. Mai vor ihrer früheren Villa Stolpersteine verlegt. „Stephanie Apt wird dann auch wieder mit dabei sein“, sagt Cilli Kasper-Holtkotte. Sie wünscht sich, dass im Diplomatenviertel eine Informationsstation entsteht, mit deren Hilfe Interessierte über die Frankfurt-History-App mehr zu den Menschen, die dort in der NS-Zeit lebten, erfahren können.
Vor der Kantstraße 6 liegen bereits drei Stolpersteine. Für Seligmann Stern, seine Ehefrau Selma und für ihre Tochter Elfriede. Sie waren die einzigen, die freiwillig in dem Haus lebten, denn sie waren schon da, bevor es zu einem „Ghettohaus“ wurde. Seligmann beging Suizid, Selma starb im Konzentrationslager Theresienstadt, ihrer Tochter gelang gemeinsam mit ihrem Ehemann Walter Knopp die Flucht nach dem damaligen Palästina.
Die Sterns lebten in der Parterrewohnung, ein Stockwerk über ihnen, dort, wo Helga Irsch-Breuer heute wohnt, zog Kathinka Altheimer, eine Bergen-Enkheimerin, nach ihrer Zwangseinweisung ein. Kathinka war erst Direktrice eines Modehauses auf der Zeil gewesen, später hatte sie eine eigene Damenschneiderei, wie Helga Irsch-Breuer recherchierte. Sie lebte mit ihrer Schwester Sofie in der Kantstraße 6. Kathinka wurde im Konzentrationslager Majdanek umgebracht, Sofie in Theresienstadt. „Von den 32 Bewohnerinenn und Bewohnern haben nur sieben überlebt“, sagt Helga Irsch-Breuer.
Ihre Enkel Moritz (17) und Lucas (18) sind stolz auf ihre Großmutter. Ihre Arbeit leiste einen Beitrag dazu, die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus wachzuhalten. „Wir bekommen ein Bild von ihnen und können einen Bezug zu ihnen herstellen“, sagt Lucas. Auch Moritz findet, dass so die NS-Geschichte gerade für seine Generationen lebendig werde. „Sie ist so nicht so trocken wie in der Schule“, sagt er. Dass Argument der Kriegsgeneration, von der Verfolgung jüdischer Menschen nichts gewusst zu haben, entbehre jeder Grundlage, sagt Julia Irsch, Helga Irsch-Breuers Tochter. In der Kantstraße habe es ein weiteres „Ghettohaus“ gegeben, in der nahen Berger Straße leisteten Verfolgte Zwangsarbeit. „Die Opfer haben mitten unter den Tätern gelebt“, sagt sie.
Helga Irsch-Breuer und ihre Familie haben freundschaftlichen Kontakt zu Yoram Knopp, dem Enkel der Sterns. Er pflanzte in Israel einen Baum für ihren Ehemann als dieser starb. „Bei einem Besuch sagte er einmal, ,was meine Mutter wohl sagen würde, wenn sie wüsste, dass ich hier in ihrem alten Haus sitze und Kuchen esse’“, sagt sie.
https://www.fr.de/


POL-HAM: Wanderausstellung "Vergessenen begegnen: NS-Opfer aus Westfalen" im Polizeipräsidium Hamm eröffnet

Stand:28.03.2025, 16:41 Uhr
Polizeipräsidium Hamm / POL-HAM: Wanderausstellung "Vergessenen ...
Hamm-Mitte (ots) - Polizeipräsident Thomas Kubera eröffnete am Freitag, 28. März, die Ausstellung "Vergessenen begegnen: NS-Opfer aus Westfalen" im historischen Gebäudeteil des Präsidiums. Als Ehrengäste konnten Herr Schilling vom Verein "Spuren Finden e.V." und Frau Dr. Perrefort, ehemalige Geschichtskuratorin des Gustav-Lübke-Museums, begrüßt werden. Herr Schilling, der die Leihgabe der Ausstellung an das PP Hamm ermöglicht hat, führte die Gäste auch zu einem ersten Rundgang durch die fünf Räume der Ausstellung. "Vergessenen begegnen" lädt alle Interessierten ein, vergessenen Lebensgeschichten aus der NS-Zeit zu begegnen. Sie ist eine der wenigen Ausstellungen in Deutschland, die den erst in jüngster Zeit anerkannten Opfergruppen der sogenannten "Asozialen" und "Berufsverbrecher" ihre Stimme zurückgibt. Ziel der Ausstellung ist es, durch "dialogisches Erinnern" eine persönliche Begegnung mit den Ausgegrenzten der NS-Zeit zu ermöglichen und Querverbindungen zu Minderheiten in der Gegenwart herzustellen. Die großen Linien der nationalsozialistischen Terrorherrschaft sind weitgehend bekannt. Sie auf die lokale Geschichte und individuelle Schicksale herunterzubrechen, ist jedoch nicht immer einfach. "Die Aufarbeitung der Vergangenheit zur Vorbeugung gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ist mir ein persönliches Anliegen. Nazi-Ideologien darf es ganz besonders in den Reihen der Polizei nicht geben! Wer sich nicht eindeutig zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennt, hat in der Polizei nichts zu suchen! "so Behördenleiter Thomas Kubera. Die Ausstellung bleibt bis September im PP Hamm und ist zunächst für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizei zugänglich. Später sollen auch öffentliche Führungen, zum Beispiel für Schulklassen, angeboten werden. (ae) Rückfragen bitte an: Polizeipräsidium Hamm Pressestelle Polizei Hamm Telefon: 02381 916-1006 E-Mail: pressestelle.hamm@polizei.nrw.de https://hamm.polizei.nrw/ Weiteres Material: http://presseportal.de/blaulicht/pm/
https://www.wa.de/


Gedenken
Die dunkle Seite von Nordhausen: Die Hölle am Kohnstein – Gedenkfeier zum 80. Jahrestag der Befreiung

28.03.2025, 08:45 Uhr • Lesezeit: 5 Minuten
Mittelbau-Dora
Ein im KZ Mittelbau-Dora befreiter Häftling im Gespräch mit Soldaten der US-Armee im April 1945.
© George Stevens
Nordhausen. Besondere Tage stehen vor der Tür: Nordhausen erinnert mit mehreren Veranstaltungen an den April 1945. Unter den Gästen ist ein früherer amerikanischer Botschafter.
Vor 80 Jahren, am 11. April 1945, wurde das Konzentrationslager Mittelbau-Dora durch US-amerikanische Truppen befreit. Anlässlich des 80. Jahrestages lädt die KZ-Gedenkstätte zu zahlreichen Veranstaltungen im Gedenken an die 60.000 Häftlinge ein, die zwischen 1943 und 1945 nach Nordhausen in das KZ verschleppt worden waren.
In den Lagern des KZ Mittelbau-Dora fanden die US-Truppen bei der Befreiung nur noch wenige Überlebende vor. Die allermeisten Häftlinge waren kurz zuvor auf Räumungstransporte in Richtung anderer Lager getrieben worden. Entlang der Wegstrecken dieser Transporte starben unmittelbar vor Kriegsende noch Tausende Häftlinge aus Erschöpfung oder durch die Gewalt von Wachmannschaften und Zivilisten. Die Veranstaltungen zum Jahrestag sind daher auch Anlass zur Würdigung all derjenigen, die ihre Befreiung nicht mehr erlebten.
Aurélie Filippetti aus Frankreich besucht erstmals die Gedenkstätte am Kohnstein. Ihr Großvater Tommaso war hier inhaftiert, ihr Großonkel Mario ist in der Hölle von Dora gestorben.
Gedenken
Nordhausen und die Hölle von Mittelbau-Dora: Eine Ministerin aus Frankreich ist auf den Spuren ihres Großvaters
Von Jens Feuerriegel
Die zentrale Gedenkfeier ist am Montag, 7. April, in der KZ-Gedenkstätte. Sie beginnt um 11 Uhr in der rekonstruierten Unterkunftsbaracke. Julia Romantschenko hält die Gedenkrede. Sie ist die Enkelin von Boris Romantschenko, der als Jugendlicher die Zwangsarbeit und KZ-Haft in Mittelbau-Dora, Buchenwald und weiteren Konzentrationslagern überlebt hatte und nach seiner Befreiung in die Ukraine zurückkehrte. Vor drei Jahren wurde er bei einem russischen Angriff auf seine Heimatstadt Charkiw getötet. Im Anschluss an die Gedenkfeier erfolgt eine Kranzniederlegung auf dem Vorplatz des ehemaligen Krematoriums.
Albrecht Weinberg erlebt seine Befreiung in Bergen-Belsen
Zur Gedenkveranstaltung wird ein Überlebender des Konzentrationslagers Mittelbau-Dora in Nordhausen erwartet: Albrecht Weinberg. Er kam Anfang 1945 mit einem Räumungstransport aus dem Konzentrationslager Auschwitz nach Mittelbau-Dora. Seine Befreiung erlebte er allerdings nicht in Nordhausen. Noch im April, kurz vor Ankunft der US-Truppen, war er auf einen Räumungstransport ins KZ Bergen-Belsen getrieben worden. Er wurde dort am 15. April befreit.
Mittelbau-Dora
Albrecht Weinberg, Überlebender des KZ Mittelbau-Dora, während einer seiner Besuche in der Gedenkstätte.
© Jesco Denzel
Ebenso zur Gedenkfeier erwartet werden Familienangehörige der US-amerikanischen Veteranen, die im April 1945 die Stadt Nordhausen erreichten und das KZ Mittelbau-Dora befreiten. Einer von ihnen ist James D. Bindenagel, Sohn eines US-amerikanischen Befreiers und ehemaliger Botschafter der USA in Deutschland. Er wird bei der feierlichen Eröffnung des neugestalteten Ehrenfriedhofs in Nordhausen am 7. April um 15 Uhr eine Gedenkrede halten. „Der Besuch zahlreicher Familienangehöriger aus vielen Ländern und ihrer internationalen Verbände zeigt sehr anschaulich, dass die Jahrestage der Befreiung auch für die nächsten Generationen weiterhin von zentraler Bedeutung sind“, sagt Gedenkstättenleiter Andreas Froese.
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Rechtsruck in Nordhausen: KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora erlebt so viele Fälle von Vandalismus wie nie zuvor
Von Jens Feuerriegel
Auf dem Ehrenfriedhof gegenüber dem städtischen Hauptfriedhof waren 1945 auf Anordnung der amerikanischen Befreier die Leichen von mehr als 2000 KZ-Häftlingen und Zwangsarbeitern bestattet worden. Jetzt wurde der Friedhof durch die Stadt komplett neugestaltet, um wieder ein würdiges Gedenken zu ermöglichen. Internationale Häftlingsverbände hatten zuvor auf das vernachlässigte Erscheinungsbild des Ortes hingewiesen.
Zudem wird auch die neue Outdoor-Ausstellung „Nach der Befreiung. Mittelbau-Dora im Frühjahr 1945“ eröffnet, die die KZ-Gedenkstätte ab April in Kooperation mit den Städten Nordhausen und Ellrich präsentiert. Sie richtet ihren Blick auf das Hauptlager und einige Außenlager des KZ Mittelbau-Dora und ihre Umgebung in den Wochen nach der Befreiung 1945 und zeigt anhand von historischen Bildern, wie Befreite, Befreier sowie die lokale Bevölkerung diese Zeit erlebten. Am Ort des ehemaligen KZ-Außenlagers Ellrich-Juliushütte findet am Dienstag, 8. April, um 10.30 Uhr eine Gedenkveranstaltung statt.
Zeitzeugengespräch mit Hundertjährigem in Bibliothek
Am Abend des 8. April lädt die KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora dann ab 19 Uhr zu einer Begegnung mit dem Überlebenden Albrecht Weinberg in die Nordhäuser Stadtbibliothek ein. Weinberg, der zuletzt zum Ehrenbürger der Stadt ernannt wurde und im März dieses Jahres seinen 100. Geburtstag feierte, berichtet in einem Zeitzeugengespräch von seiner Kindheit und Jugend im Nationalsozialismus, der KZ-Haft in Auschwitz, Mittelbau-Dora und Bergen-Belsen sowie von seinem Leben nach der Befreiung.
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Bereits am Sonntag, 6. April, eröffnet der Verein Jugend für Dora um 17 Uhr seine Outdoor-Ausstellung „Vorsicht zerbrechlich? Erinnern um Nordhausen“ vor der Nordhäuser Frauenbergkirche. Die Ausstellung des Vereins, der in diesem Jahr seinen 30. Geburtstag feiert, beleuchtet den Umgang mit Erinnerungsorten für die Opfer des KZ Mittelbau-Dora in der Region und fordert zu einem bewussteren Umgang mit Gedenkzeichen auf.
Außerdem wird am 6. April das neue digitale Gedenkbuch zu den Ermordeten des Massakers von Gardelegen online freigeschaltet. Bei diesem Todesmarschverbrechen am 13. April 1945 wurden mehr als 1000 Häftlinge aus den KZ-Komplexen Mittelbau und Neuengamme nur wenige Stunden vor dem Eintreffen US-amerikanischer Truppen ermordet. Das neue Gedenkbuch, das durch die Gedenkstätte Feldscheune Isenschnibbe Gardelegen in enger Kooperation mit der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora erarbeitet wurde, ermöglicht individuelle Recherchen zur namentlichen Identität und Herkunft der Ermordeten und zu ihren Grablagen auf dem Ehrenfriedhof in Gardelegen. red
https://www.thueringer-allgemeine.de/


80 Jahre Kriegsende: "Gegen das Vergessen" – Wie Mannheim Verantwortung zeigt

Do., 27.03.2025 , 16:14 Uhr / 02:31
Es ist ein Satz, den man leicht daher sagt: „Nie wieder.“ Doch was braucht es, damit er mehr ist als ein Lippenbekenntnis? In einer Zeit, in der Rechtsextreme wieder offen auftreten, antisemitische Hetze Alltag geworden ist und der Krieg nach Europa zurückgekehrt ist, wirkt die Antwort dringlicher denn je. Mannheim gibt eine – mit einem starken Zeichen der Erinnerungskultur.
„80 Jahre Verantwortung für Frieden und Demokratie – Erinnern, Verstehen, Gestalten“ – unter diesem Titel steht die stadtweite Veranstaltungsreihe, die rund um den 8. Mai an das Ende des Zweiten Weltkriegs erinnert. Der historische Bezug ist klar: Am 29. März 1945 wurde Mannheim von amerikanischen Truppen befreit, das NS-Regime war in der Stadt am Ende. Doch wer heute zurückblickt, will nicht stehen bleiben beim Rückblick. Es geht um das Jetzt. Und das Morgen.
Oberbürgermeister Christian Specht bringt es auf den Punkt:
„Demokratie, Freiheit und Frieden in Europa sind nichts Selbstverständliches. Wir erleben täglich, was um uns herum geschieht – und deswegen ist es so wichtig, gegen das Vergessen zu arbeiten.“
Herzstück der Reihe ist die Ausstellung „Gegen das Vergessen“ des Mannheimer Fotografen und UNESCO Artist for Peace Luigi Toscano. 60 großformatige Porträts von Überlebenden der NS-Verfolgung werden vom 25. April bis zum 11. Mai auf dem Platz vor dem Wasserturm gezeigt – offen, mitten in der Stadt, mitten im Leben. Die Gesichter sind eindrückliche Mahnung und stille Anklage zugleich. Keine Theorie, keine Abstraktion – Menschenschicksale, in die man nicht wegschauen kann.
Für Toscano ist es eine Rückkehr – im besten Sinne des Wortes:
„Es ist wie Heimkommen. Ich war mit dieser Ausstellung auf der ganzen Welt unterwegs – Washington, New York, Paris, Kiew – aber am Wasserturm, unserem Wahrzeichen, zu zeigen: Das ist für mich eine große Ehre.“
Die Reise der Ausstellung begann vor zehn Jahren an der Alten Feuerwache in Mannheim. Nun kehrt sie zurück an ihren Ursprung – an einen symbolischen Ort. Denn einst hing ein riesiges Hakenkreuzbanner vom Wasserturm. Heute setzen die Porträts etwas dagegen: Menschlichkeit statt Ideologie. Würde statt Herrschaft. Erinnerung statt Verdrängung.
Was die Ausstellung besonders macht: Sie ist nicht museal, sondern lebendig. Schüler*innen des Moll-Gymnasiums übernehmen Führungen, begegnen den Geschichten, übersetzen sie in ihre Sprache, tragen sie weiter. So werden sie zu Zeugen der Zeugen – eine Generation, die Verantwortung übernimmt, weil bald niemand mehr selbst erzählen kann.
Dass die Stadtgesellschaft das Projekt gemeinsam trägt, ist kein Zufall, sondern ein Statement. Kulturamt, Marchivum, Jüdische Gemeinde, Kirchengemeinden, Vereine wie die Mannheimer Runde und Unternehmen wie die MVV Energie ziehen an einem Strang. Finanziell unterstützt wird das Schülerprojekt zudem durch den Aktionsfonds der Stadt gegen Rechtsradikalismus, Muslimfeindlichkeit, Antisemitismus und Antiziganismus.
Das Gedenken ist nicht Vergangenheit – es ist Gegenwartspolitik.
In einer aktuellen Studie sagen 30 Prozent der Deutschen, es sei Zeit, einen Schlussstrich zu ziehen. Gerade das zeigt: Es braucht dieses Erinnern. Es braucht Konfrontation. Es braucht die Gesichter derer, die überlebt haben – und die sich mit großer Würde und oft hohem persönlichem Risiko porträtieren ließen.
Toscano erzählt, wie auf Schulhöfen im Osten der Republik Lehrerinnen bedroht wurden, weil sie seine Ausstellung zeigten. Und wie wichtig es ist, sich davon nicht einschüchtern zu lassen.
„Wir müssen jungen Menschen die Chance geben, eine eigene Haltung zu entwickeln. Es geht nicht ums Überreden, sondern ums Sensibilisieren.“
Die Ausstellung „Gegen das Vergessen“ will genau das. Und sie tut es mit eindringlicher Kraft.
Mannheim hat vorgelegt. Nicht mit Pathos, sondern mit Haltung.
Infos zur Ausstellung:
📍 Gegen das Vergessen – Porträts von Überlebenden der NS-Verfolgung
📅 25. April bis 11. Mai 2025
📌 Vor dem Mannheimer Wasserturm
🎓 Führungen durch Schüler*innen des Moll-Gymnasiums
🎟️ Eintritt frei
👉 Das gesamte Programm zur Veranstaltungsreihe:
1945-2025
80 Jahre Verantwortung für Frieden und Demokratie – Erinnern, Verstehen, Gestalten
www.kriegsende-mannheim.de
https://www.rnf.de/


Stolperstein-Broschüre erzählt Biografien aller Verdener NS-Opfer

Stand:27.03.2025, 18:30 Uhr
Von: Antje Haubrock-Kriedel
Broschüre Stolpersteine
Dank der Spende der Gym-Sen-Gruppe aus Eitze konnten weitere Exemplare der Stolperstein-Broschüre gedruckt werden. © Haubrock-kriedel
Gym-Sen-Gruppe ermöglicht zweite Auflage. Erhältlich direkt beim Dokumentationszentrum Doz 2020 am Holzmarkt. QR-Code und weitere Infos auf der Website.
Die vom Dokumentationszentrum Doz 20 herausgegebene Stolperstein-Broschüre mit Informationen über die Verdener Opfer des NS-Regimes war ruckzuck vergriffen. Dank einer Spende der Gym-Sen-Gruppe des Heimatvereins Eitze unter der Leitung von Heinz Hesse konnten nun 200 Exemplare nachgedruckt werden. Erhältlich sind sie direkt beim Doz 20 am Holzmarkt und in der Tourist-Information im Rathaus.
„Die erste Auflage von 1 00 Stück haben wir zum größten Teil an den Schulen verteilt. Die restlichen für die Öffentlichkeit bestimmten 250 Stück waren dann auch ganz schnell weg“, erzählt der erste Doz-Vorsitzende Hermann Deuter. Die Biografien der Opfer stellten Dr. Joachim Woock und Werner Schröter aus ihren Forschungsergebnissen zur Verfügung. In der Broschüre gibt es eine Kurzbiografie zu jedem Opfer. Über einen QR-Code gelangt man auf eine Website mit ausführlicheren Informationen.
„Wir wollten die Informationen vor allem für Schulen handhabbar machen. Der QR-Code soll die Schüler dazu anregen, weiter zu recherchieren“, so der zweite Vorsitzende Martin Drichel, der auch die Broschüre gestaltet hat.
Bei der Veranstaltung „Sternstunden der Demokratie“ des Doz 20 im Januar besuchte Heinz Hesse einen Vortrag von Ulrich Hennies über die Stolpersteine und erfuhr, dass die Auflage vergriffen ist. Er erzählte der Gym-Sen-Gruppe beim nächsten Training davon und schnell fiel der Entschluss, die Kosten für den Nachdruck zu tragen.
„Die Judenverfolgung war bei uns zu Hause nie ein Thema. Ich war auch nie politisch unterwegs und wollte mich jetzt einbringen“, erklärt Hesse die Motivation für das Engagement. „Wir hatten gar nicht mit einem Sponsor gerechnet. Es ist das erste Mal, dass wir von einem privaten Sponsor unterstützt werden“, bedankt sich Hermann Deuter.
Auf der Suche nach neuen Paten für Verdener Stolpersteine
Das Doz 20 hat die Trägerschaft für die 161 in Verden verlegten Stolpersteine übernommen. 2024 wurden die letzten Steine eingelassen. „Jetzt ist das Projekt in Verden abgeschlossen, für alle Opfer gibt es Stolpersteine“, so Deuter. Es bestehe die Möglichkeit, dass Paten einen Stein für 120 Euro kaufen. Sie haben dann die Verantwortung für ihren Stein und sollten ihn auch regelmäßig putzen. „Leider sind schon viele Paten verstorben, wir sind daher auf der Suche nach neuen Paten“, berichtet Martin Drichel.
Als nächstes Projekt hat das Doz 20 in Kooperation mit dem Domherrenhaus die Ausstellung „Kollege kommt gleich“ mit Verdener Gastronomiegeschichten geplant. Die Ausstellung beginnt am 10. Mai.
Ebenfalls in Zusammenarbeit mit dem Domherrenhaus sowie mit dem Lernort Demokratie findet am Sonntag, 25. Mai, eine Exkursion zur Gedenkstätte Sandbostel statt. Tickets sind für 20 Euro in dem Museum in der Unteren Straße erhältlich.
Meine News

Auf einem Tisch verteilt liegen alte Fotos, Bücher und weitere Dokumente.
Als neues Projekt beschäftigt sich das Doz 20 mit der Theaterkultur in Verden. Das Themenheft „Was wir hatten, was uns fehlt“, erscheint am 18. Juni.
https://www.kreiszeitung.de/


KZ "Katzbach" in Frankfurt
Hunderte gedenken der Opfer des Todesmarschs von Frankfurt nach Hünfeld

Mit einer Gedenkstunde ist in der Paulskirche der Opfer des NS-Todesmarschs vom KZ "Katzbach" in den Frankfurter Adlerwerken nach Osthessen gedacht worden. Mehrere Rednerinnen und Redner betonten, dass sich die Stadt lange schwer getan habe mit der Aufarbeitung des Verbrechens.

    Veröffentlicht am 24.03.25 um 22:10 Uhr
    Gedenken an den Todesmarsch der Zwangsarbeiter in den Frankfurter Adlerwerken

Applaus für die Hinterbliebenen. Jennifer Hauwert-Swistak (Bildmitte, sitzend) ist die Tochter des Todesmarsch-Überlebenden Zygmunt Świstak. Bild © Stadt Frankfurt/Salome Roessler
Am Ende von jahrzehntelangem Wegsehen und Verschweigen steht ein gemeinsames Erinnern. Rund 500 Menschen haben am Montagabend in der Frankfurter Paulskirche des Todesmarschs von 360 Zwangsarbeitern von den Adlerwerken im Stadtteil Gallus ins osthessische Hünfeld (Fulda) gedacht. Eingeladen hatte das städtische Dezernat für Kultur und Wissenschaft und die Initiative "Geschichtsort Adlerwerke".
Videobeitrag
Video 03:32 Min.|24.03.25, 19:30 Uhr|hessenschau
Gedenken an KZ-Inhaftierte – 80 Jahre Todesmarsch
hs 24.03.2025Video
Bild © hessenschau.de
Ende des Videobeitrags
Eines der grausamsten Außenlager
Die Gedenkstunde fand anlässlich des 80. Jahrestags des Beginns des Todesmarschs statt. "In dieser Stunde vor 80 Jahren passierte in Frankfurt Grauenvolles. Etwa 360 abgemagerte und erschöpfte Männer zogen zu Fuß und von bewaffneten SS-Wachen angetrieben von den Adlerwerken im Stadtteil Gallus aus über das nördliche Mainufer, über die Hanauer Landstraße nach Fechenheim, über Dörnigheim, an Hanau vorbei und weiter durch zahlreiche Städte und mehr als 20 Dörfer in Hessen", fasste Kulturdezernentin Ina Hartwig (SPD) zur Eröffnung der Veranstaltung die Geschehnisse im März 1945 zusammen.
Collage aus verschiedenen Elementen: ein historisches Bild mit Menschen, vor denen geöffnete Särge stehen; eine Außenansicht eines Gewerbegebäudes mit dem Schriftzug "Adlerwerke", eine Linie aus roten Punkten, entlang welcher Ortsnamen wie "Frankfurt", "Maintal-Döringheim", "Gelnhausen" und "Ahl" stehen.
Vor 80 Jahren
Das Grauen des NS-Todesmarschs von Frankfurt nach Hünfeld
Zum Artikel
Das Ziel der als Arbeitskräfte missbrauchten und misshandelten Männer: Hünfeld. Ein letzter Versuch des NS-Systems, Opfer der eigenen Vernichtungs- und Ausbeutungspolitik für immer zum Schweigen zu bringen.
Die Gefangenen, die seinerzeit aufbrachen, gehörten zu den wenigen Überlebenden des Konzentrationslagers "Katzbach", das mittlerweile in der Geschichtswissenschaft als "eines der grausamsten Außenlager des Nationalsozialismus" gilt, wie Hartwig betonte. 1.616 Menschen aus elf Nationen, vorwiegend aus Polen, durchliefen das Lager. Die wenigsten überlebten.
Nachfahren zeigen sich bewegt
Auf dem Marsch wurden zahlreiche Zwangsarbeiter von ihren SS-Wachern ermordet - teilweise unter den Augen der Öffentlichkeit entlang der Marschroute. Ein Geschichtskapitel, das lange nicht aufgearbeitet wurde. In Frankfurt kämpften Initiativen und Unterstützer fast drei Jahrzehnte für ein würdiges Gedenken an die Opfer des KZ "Katzbach". Anlässlich des Jahrestags hatte die Stadt Frankfurt in der vergangenen Woche mit einer Veranstaltungsreihe an das Schicksal der Zwangsarbeiter erinnert.
Audiobeitrag
Audio 02:46 Min.|24.03.25|Frank Angermund
80 Jahre Todesmarsch vom KZ Katzbach nach Hünfeld
00:0002:46
Bild © Salome Roessler| zur Audio-Einzelseite
Ende des Audiobeitrags
80 Jahre nach dem Todesmarsch sind auch die letzten Überlebenden verstorben. An ihrer statt sprachen ihre Nachkommen in der Paulskirche. Jennifer Hauswert-Swistak, Tochter des Überlebenden Zygmunt Swistak - dessen Vater und Bruder in den Adlerwerken beziehungsweise auf dem Todesmarsch ermordet wurden - erinnerte daran, dass ihr verstorbener Vater sich die letzten 24 Jahre seines Lebens für die Errichtung einer Gedenkstätte eingesetzt habe.
Auf der jüngst eingeweihten Gedenkstele auf dem Hauptfriedhof seien die Namen aller Opfer verzeichnet und richtig geschrieben. Für sie und ihre Familie, erklärte die aus Australien angereiste Hauswert-Swistak, seien die "Ereignisse der Gedenkwoche" wichtig und berührend gewesen.
Das Grauen mitten in der Stadt
Bei einer anschließenden Podiumsdiskussion betonte Thomas Altmeyer, Leiter des Geschichtsorts Adlerwerke, dass die Verbrechen im KZ "Katzbach" unter den Augen der Belegschaft und der Einwohnerinnen und Einwohner des Stadtteils Gallus stattfanden: "Mitten in der Stadt. Mitten in der Fabrik." Dennoch - oder vielleicht gerade deshalb - habe es lange Zeit Widerstände gegen einen öffentlichen Ort des Erinnerns gegeben.
Die Erkenntnis, dass viele Menschen tatenlos zugesehen hätten, sei nach wie vor bedrückend, erklärte Andrea Rudorff vom Fritz Bauer-Institut. Dass acht Jahrzehnte später der Opfer gedacht werde, sei zwar angemessen und begrüßenswert, doch auch bitter, da sie "eigentlich diese Anteilnahme damals gebraucht hätten, als ihr Leben in Gefahr war".
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 24.03.25, 19:30 Uhr
Quelle: hessenschau.de
https://www.hessenschau.de/


„Unmenschliche Behandlung“: Gedenkstein für Zwangsarbeiter aufgestellt

Stand: 23.03.2025, 15:00 Uhr
Von: Markus Liesegang
Hier waren die Menschen auf der Gedenktafel zunächst in Einzelgräbern bestattet. Ende der 1990er Jahre wurden die Grabstellen überbaut, trotz ewigem Ruherecht. © Markus Liesegang
Ein neuer Gedenkstein auf dem Friedhof Hövel erinnert an die im Zweiten Weltkrieg umgekommenen Zwangsarbeiter. Am Freitag, 28. März, wird er eingeweiht.
Bockum-Hövel – Ein Feiertag für 80 Jahre Befreiung Deutschlands vom Faschismus bleibt am 8. Mai einzig den Berlinern überlassen. Mitentscheidend für das dann rasche Ende der Naziherrschaft war aber die Schließung des Ruhrkessels durch die US-Armee am 1. April 1945 – auch in Bockum-Hövel. Damit einher ging die Befreiung der überlebenden Zwangsarbeiter, die von 1939 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs größtenteils auf der Zeche Radbod, aber auch auf Bauernhöfen, in Betrieben und in Privathaushalten schuften mussten.
„Unmenschliche Behandlung“: Gedenkstein für Zwangsarbeiter aufgestellt
Viele der Osteuropäer kamen aufgrund von unmenschlicher Behandlung um. Begraben wurden sie unter anderem auf dem Friedhof Hövel. Ihrer gedacht wird am Freitag, 28. März, um 15 Uhr auf dem Friedhof Hövel mit einer Gedenkfeier. Eingeweiht wird dann auch ein Kreuz als Gedenkstein mit einer Bronzetafel mit den Namen der Verstorbenen. Darauf sind die Namen der Toten eines Gräberfelds gegossen, das um die Jahrtausendwende überbaut wurde. Die Gedenktafel wird als 17. Station in den Weg des Erinnerns und Lernens integriert, der in ganz Bockum-Hövel auf die Opfer des Nationalsozialismus hinweist.
„Eigentlich war es nicht korrekt, die Gräber zu überbauen, da Gräber dieser Art ein ewiges Ruherecht besitzen“, sagt Peter Hertel. Er, 1937 in Bockum-Hövel geboren, recherchierte die Geschichte der Zwangsarbeit und ihrer Gesichter vor Ort. „Als Kind hab ich es ja hautnah erlebt“, erinnert der heute in Ronnenberg bei Hannover lebende Journalist an sein Buch „Vor unserer Haustür.“ Darin sei das Kapitel aber nur kurz angerissen worden. Bei seinem letzten Arbeitgeber, dem NDR, sei er in der Kulturredaktion für die Erinnerungsarbeit zuständig gewesen. Warum nicht die Vergangenheit in dem Ort betrachten, in dem er die ersten 30 Jahre seines Lebens verbracht hatte, dachte Hertel. Die jüdische Geschichte, auch die Bockum-Hövels, habe er schon bearbeitet. Das Thema Zwangsarbeit führte ihn nun erneut in die alte Heimat zurück, speziell auf die Friedhöfe.
Die Recherchen Hertels und seiner Frau Christiane Buddenberg-Hertel interessierten auch Markus Klüppel. Der Landschaftsarchitekt ist im Grünflächenamt der Stadt Hamm verantwortlich für die Friedhöfe, weiß viel über die Geschichte prominenter und nicht prominenter Hammer. Mit der bronzenen Erinnerung an die Namen der Polen und Sowjetrussen aus verschiedenen Teilen des Vielvölkerstaates wird ein weißer Fleck beseitigt, das schreckliche Schicksal über die Kurzbiografien manifestiert. Die Polen wurden ihrer Konfession entsprechend auf dem katholischen Teil des Friedhofs beerdigt, in Einzelgräbern, allerdings ohne Grabzeichen. Die Gräber existieren nicht mehr, dafür sind die Toten nach Hertels Recherchen jetzt nicht mehr namenlos.
Zwangsarbeiter im Zweiten Weltkrieg: Aufwendige Recherche
„Viele von ihnen überlebten die schwere Arbeit, die unzureichende Versorgung und die oft unmenschliche Behandlung nicht. Auf dem katholischen Friedhof in Hövel wurden in den Jahren 1940 bis 1945 mehr als 70 Zwangsarbeitende bestattet“, sagt Klüppel. „Wer woran starb, ob an Hunger oder Krankheit, wer direkt ermordet wurde, das kann man nicht zweifelsfrei sagen“, ergänzt Hertel. Die Unterlagen des St.-Josef-Hospitals seien möglicherweise manipuliert. Die Behandlung der Kriegsgefangenen und Zivilisten hätte auch sicher dazu beigetragen, dass die Geschwächten unter ihnen tatsächlich an Lungenentzündung und Tuberkulose starben. Einige Biografien in Hertels neuem Buch „Gesichter der Zwangsarbeit“ deuten auch darauf hin, dass Verletzungen mangels Arbeitssicherheit einfach in Kauf genommen wurden.
Wieviel Zwangsarbeiter in Bockum-Hövel arbeiteten, weiß auch Hertel nicht. Er schätzt die Zahl auf 4 000. „Schwierig wegen der Fluktuation“, begründet er. „Wenn jemand zurück ins Lager Hemer zum Aufpäppeln geschickt wurde und zurückkehrte, wurde er möglicherweise doppelt gezählt.“
Knüppel verwendete für die Gedenkstätte übrigens ein Grabkreuz aus Fichtelgebirgs-Porphyr. Dieses Kreuz hatte er vor Jahren bei der Aufgabe einer Familiengruft erhalten. Religiöse Kunst, Denkmale und besondere Grabsteine werden bei der Stadt Hamm nicht entsorgt, sondern gesammelt.
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Erinnerung an Zwangsarbeiter: Baum als Symbol
An die Herkunft der Zwangsarbeiter erinnert zudem eine Birke. „Der Baum ist zum einen das Symbol des Neubeginns und ein in den Herkunftsländern verstorbenen häufiger Baum“, sagt Klüppel. Der Ort des Gedenkens vereint die Völker Osteuropas auch in der Hinsicht wieder: Auch gegenüber auf der gut gepflegten russischen Seite des Weges stehen Birken. Eine Überraschung hat Klüppel zum Schluss parat. Der „Unbekannte Soldat“ unter den Zwangsarbeitern ist keiner mehr. Hertel machte ihn im russischen Militärarchiv Podolsk ausfindig. Er heißt Michail Tabunow.
https://www.wa.de/


21. März 1933: Mit diesen Veranstaltungen wird an den „Tag von Potsdam“ erinnert

Zum Jahrestag des Tages von Potsdam laden die Stiftung Garnisonkirche und das Rechenzentrum zu Vorträgen und Gesprächen ein, bei denen es um Rechtsextremismus und den 20. Juli gehen wird.
Von Erik Wenk
17.03.2025, 17:18 Uhr
Am Freitag jährt sich der „Tag von Potsdam“ zum 92. Mal: Am 21. März 1933 fand in der Garnisonkirche Potsdam die Eröffnung des ersten Reichstags nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten statt, bei sich Reichskanzler Hitler und Reichspräsident Hindenburg vor der Garnisonkirche öffentlichkeitswirksam die Hand reichten.
Die Stiftung Garnisonkirche Potsdam lädt am Freitag um 15.30 Uhr zu einem Gespräch mit Hendrik Cremer vom Institut für Menschenrechte ein, bei dem es um den aktuellen Rechtsextremismus und um die Gefahren für das friedliche Zusammenleben in Deutschland gehen soll. Nach einem Impulsvortrag wird Cremer gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern des Helmholtz-Gymnasiums diskutieren. Der Eintritt ist frei.
Die PNN-App Aktuelle Nachrichten aus Potsdam und Brandenburg live auf Ihr Handy. Dazu die Digitale Zeitung.
Im benachbarten Rechenzentrum geht es um 18 Uhr unter dem Titel „Das Deutsche Alibi – wie der 20. Juli 1944 verklärt und politisch instrumentalisiert wird“ um das gescheiterte Attentat auf Hitler, bei der das gleichnamige Buch von Ruth Hoffmann vorgestellt wird. Anschließend folgt ein Gespräch mit John Zimmermann vom Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr und Philipp Oswalt vom Lernort Garnisonkirche. Der Eintritt ist frei.
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Die Stadt Potsdam selbst führt keine eigene Veranstaltung zum Tag von Potsdam durch. Unpassenderweise startet am Freitag jedoch eine Waffenausstellung im kommunalen Potsdam Museum: „Historische Waffen – vom Keller ins Museum“ heißt die Ausstellung, bei der es um den Umgang von Museen mit Waffensammlungen gehen soll: „Historische Waffen sind oft mit Gewalt behaftet. Bei vielen Menschen sorgen sie deshalb für Unbehagen“, heißt es in der Ankündigung.
https://www.tagesspiegel.de/


Ausstellung zeigt Xanten 1945 und 2025
Schwarz-weiß-Fotos als Mahnung

Xanten · Im Rathaus ist die Ausstellung „80 Jahre Xanten“ eröffnet worden. Darin geht es um die weitgehende Zerstörung der Stadt und den Wiederaufbau. Dafür werden Fotos vom Ende des Zweiten Weltkriegs und von heute gezeigt.
16.03.2025 , 15:07 Uhr 4 Minuten Lesezeit

    Eröffnung der Ausstellung 80 Jahre Xanten: Einen interessierten Blick auf das Bild der zerstörten evangelischen Kirche am Markt und das wiederaufgebaute Gebäude werfen hier Pfarrerin Simone Drensler, Norbert Beuckmann und Rolf Peter Weichhold (v.l.).
    Von Jürgen Kappel

Die große Zahl der Interessierten lasse vermuten, dass das Gedenken an die Kriegsereignisse von vor 80 Jahren doch viele Menschen bewege, vor allem, wenn es um die Geschichte der eigenen Stadt gehe, begrüßte Thomas Görtz, Bürgermeister von Xanten, die Anwesenden am Sonntag im Xantener Ratssaal. In der Tat war der Andrang so groß, dass viele Stühle geholt werden mussten, damit wenigstens ein Teil der Interessierten einen Platz bekamen.
Diejenigen, die die Eröffnung der Fotoausstellung „1945 – 2025. 80 Jahre Xanten“ miterlebten, wurden mit den furchtbaren Folgen des Kriegsendes konfrontiert. Die Befreiung Deutschlands hatte auch in Xanten zu heftigen Kämpfen und zur Zerstörung geführt. Im März 1945 waren sowohl auf deutscher, wie auf alliierter Seite hunderte Soldaten gefallen. Die Stadt lag auch aufgrund des verheerenden Luftangriffes der Alliierten in Schutt und Asche.

Info

Lesung mit Berichten von Zeitzeugen
Termin Der nächste Termin in der Veranstaltungsreihe „80 Jahre Xanten“ ist am Donnerstag, 20. März, 19 Uhr, im APXplore des LVR-Archäologischen Park Xanten (APX). Wie haben die Menschen die Bombardierungen, Kämpfe und Zerstörungen im Februar und März 1945 in Xanten erlebt? Bei einer Lesung werden Zeitzeugenberichte vorgetragen. Eine Aufführung von Ralph Trost (Historiker), Jörg Zimmer (Rezitator) und Friedhelm „Ika“ Hußmann (Musik). Der Eintritt ist frei. Der Zugang erfolgt über die LVR-Verwaltung, Bahnhofstraße 46-50.
Der Niederrheinische Altertumsverein (NAVX) hat unter der Federführung seines Vorsitzenden Ralph Trost in Kooperation mit dem Fotografen Jürgen Hegner und der Stadt Xanten eine Fotoausstellung mit dem Titel „80 Jahre Xanten“ konzipiert, in der Fotografien des zerstörten Xanten aus der unmittelbaren Nachkriegszeit Fotoaufnahmen aus dem heutigen Xanten aus derselben Perspektive gegenüber gestellt werden.
Vorstellung der Veranstaltungsreihe „80 Jahre Xanten“
Stadt erinnert an „80 Jahre Xanten“
Veranstaltungsreihe
Stadt erinnert an „80 Jahre Xanten“
Der Xantener Dom wurde bei den
Xantens Todesstunde
Luftangriffe am Ende des Zweiten Weltkriegs
Xantens Todesstunde
Angesichts der dunklen Kapitel der Weltgeschichte sei es wichtiger denn je, an die Zeiten von Hass, Gewalt und Krieg zu erinnern, die in Untergang und Zerstörung mündeten, sagte Görtz in seiner Eröffnung. Denn in den zerstörten Gebäuden hätten Menschen gelebt und gearbeitet und dort seien sie dem Krieg zum Opfer gefallen. Das Buch zur Ausstellung werde deshalb an Xantener Schülerinnen und Schüler verteilt, um an die furchtbaren Ereignisse zu erinnern und sie lebendig zu halten. Ein Projekt, das nur aufgrund der Hilfe vieler Spender und Sponsoren möglich gewesen sei, sagte Görtz.
Der Fotograf Jürgen Hegner erläuterte seine Methode, die Fotos zur Ausstellung herzustellen. Ihn habe die Konzeption der Ausstellung sehr interessiert. Er habe die aktuellen Bilder im Zeitraum von Februar bis März hergestellt, der Jahreszeit, in der auch die Archivbilder entstanden seien, sagte er. Die Perspektive der neuen Bilder sollte der auf den alten Bildern entsprechen. Er hoffe sehr, dass der Betrachter auf den neuen Bildern einen Moment entdecke, der ihn zum Nachdenken anrege, so Hegner.
Wer heute durch Xanten flaniere, entdecke keine Spuren der Zerstörung, die sich vor 80 Jahren zugetragen habe, berichtete Ralph Trost. Und doch habe Xanten damals zu 85 Prozent in Schutt und Asche gelegen, erinnerte der Vorsitzende des NAVX. Vor 80 Jahren sei der Krieg zu Ende gegangen. Ein Krieg, der von Deutschland ausgegangen sei und Leid und Tod über die ganze Welt gebracht habe.
Einer der Redner während des Gottesdienstes
„Wir müssen die Erinnerungskultur pflegen“
Jahrestag der Zerstörung des Xantener Doms
„Wir müssen die Erinnerungskultur pflegen“
Auf dem Xantener Friedhof erinnerten Bürgermeister
Xanten gedenkt der „Opfer einer faschistisch ausgelösten Katastrophe“
80 Jahre nach Luftangriff
Xanten gedenkt der „Opfer einer faschistisch ausgelösten Katastrophe“
Die Gegenüberstellung historischer Fotos mit der Gegenwart berge oft das Risiko einer Romantisierung der Vergangenheit, erklärte der Historiker. Die Ruhe und die Leere, die sie ausdrücken könnten, könne darüber hinwegtäuschen, dass sich genau das Gegenteil abspiele.
Anders bei den Aufnahmen aus dem Zweiten Weltkrieg, wo die Zerstörung unübersehbar sei. Xanten sei eine Stadt in Ruinen gewesen. Die Gegenüberstellung mit aktuellen Bildern zeige, mit welchem Aufwand Xanten wiederaufgebaut worden sei, und dass es sich „in vielen Bereichen um eine andere Stadt handelt“, so Trost. Hegner habe dies in seinen aktuellen Fotos sehr gut aufgenommen, lobte er.
Am Ende Rede warnte Trost eindringlich vor den Gefahren einer in Teilen rechtsradikalen Partei, „der Leute angehören, die man als ‚Faschisten‘ bezeichnen darf“. Sie habe auch in Xanten 15,2 Prozent der Zweitstimmen erhalten, und es sei zu befürchten, dass nach der Kommunalwahl im Herbst auch Vertreter im Stadtrat säßen. „Was dabei herauskommt, wenn Rechtsradikale und Faschisten an der Macht sind oder man sich mit ihnen gemein macht, können Sie in dieser Ausstellung in jedem einzelnen Schwarz-Weiß-Bild sehen. Und wer noch mehr Beweise möchte, muss nur auf den Xantener Friedhof gehen. Dort liegen viele, die deshalb ihr Leben lassen mussten“. Das dürfe nicht wieder passieren, mahnte Trost.
(jkap wer)
https://rp-online.de/


„Sag mir, wo die Blumen sind ...“: Anselm Kiefers Bilder der deutschen Erbsünde: Hitler, Holocaust, Verdrängung

Deutschlands größter Mal-Mystiker Anselm Kiefer wird 80. Gefeiert aber wird der Wahl-Franzose nicht hierzulande, sondern auf dem Amsterdamer Museumsplein.
Author - Ingeborg Ruthe
08.03.2025 08:20 Uhr
Anselm Kiefer, hier im Dogen-Palast von Venedig, März 2022.
www.imago-images.de
Blei, Ziegelbrocken, Mörtelstaub, Erde, totes Holz, Asche, Stroh, Haare und alte Textilfetzen – das sind neben den Gebirgen von Ölfarbe die Materialien seiner Wahl. Anselm Kiefer ist ein Maler und Bildhauer, der aus den Trümmern der deutschen Kriegs- und NS-Geschichte und zugleich den Formen der Natur seine ganz eigene schroff-gespenstische Monumental-Ikonografie erschuf. Eine schwermütig-körperliche Ästhetik ohne Menschenbilder. In der Gestik des Neoexpressionismus, rückhaltlos die Grenzen zwischen Malerei, Bildhauerei und Architektur überwindend. Kiefer tut es seit langem so gewaltig wie schmerz- und schuldgetränkt.
Anselm Kiefer: „Sag mir wo die Blumen sind“ (Detail), 2024
Atelier Anselm Kiefer
Vor 80 Jahren, am 8. März 1945, kam er in Donaueschingen während eines Luftangriffs im Luftschutzkeller zur Welt. Er wuchs zwischen Trümmern auf; diese Zeugen menschengemachter Zerstörung und naturgegebener Vergänglichkeit prägen bis heute sein mit Ehren überschüttetes  Œuvre: vom Goslarer Kaiserring über den Praemium Imperiale des japanischen Kaiserhauses, zig französische Orden, Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, Bundesverdienstkreuz, Nationalpreis. Seltsamerweise aber sind es Kunstinstanzen anderer Länder, die sich seit mehr als 30 Jahren um Kiefers schwermütige Werke reißen. Im deutschen Kunstbetrieb, der eher spielerische, junge Kunst liebt, will man sie offenbar nicht mehr so gern betrachten, diese monumentale Bildwerdung der deutschen Erbsünde: Hitler, Holocaust, Verdrängung.
Könnten wir am 80. Geburtstag des Künstlers ins Depot des Nationalgalerie-Hauses Hamburger Bahnhof gehen, würden wir vor dem Bleiflugzeug „Mohn und Gedächtnis“ (nach Paul Celans Gedichtband), stehen und auch vor der bleiernen Bibliothek aus der an das Berliner Museum geschenkten Sammlung des Mäzens Erich Marx. Und ins eben am Kulturforum entstehende Museum des 20.Jahrhunderts kommt eine wandfüllende Tafel, darauf ein riesiger verbrannter, noch rauchenden Acker, und oben drüber in Kinderschreibschrift aus dem Kriegstrauma-Kinderreim von anno 1800 „Maikäfer flieg ...“ (... der Vater ist im Krieg. Die Mutter ist in Pommerland. Pommerland ist abgebrannt ...).
Anselm Kiefer: „Voyage au bout de la nuit“, 1990/„Untitled“, 1989
Stedelijk Museum Amsterdam
Es könnten heute ebenso die bizarr aschigen Felder der Ost-Ukraine sein, verwüstet, unfruchtbar gebombt und verbrannt von Putins Truppen. Das unlängst aufwändig restaurierte Bild ist schon länger nicht zu sehen. Allein im Durchgang zum Ostflügel steht man vor dem Blei-Relief „Lilith am Roten Meer“, und in der Sammlungsschau „Nationalgalerie. Eine Sammlung für das 21. Jahrhundert“ hängt  „Leviathan“. Noch ein Beleg, wie Kiefer seinen Mythenkreis auf jüdisch-christliche, orientalische Kulturen erweitert hat.
Nein, solche Bildwerke sind nicht cool, nicht schick und funny. Statt Glamour erzählen sie von Katastrophen, im auf die Leinwand gespachtelten, erstarrten Mörtel-Erde-Asche-Ölfarben-Matsch. Und obenauf Verse von Ingeborg Bachmann und Paul Celan. Hier erklärt es sich auch, wie Kiefers intensiver Austausch mit dem schamanischen Bildhauer Joseph Beuys an der Kunstakademie Düsseldorf und dessen mythologischer, metaphorischer Umgang mit der deutschen Geschichte nachwirkt. Kiefer, der erst Romanistik studierte, dann bei Peter Dreher in Freiburg und Horst Antes in Karlsruhe in die Maler-Lehre ging und früh beeindruckt war von er italienischen Arte Povera (Arme Kunst).
Anselm Kiefer malte diese Sonnenblume für Vincent van Gogh, 2025
Van Gogh-Museum Amsterdam/Peter Dejong/AP
Seither wurden seine kruden Materialien immer zu Bedeutungsträgern. Darum spielt die Alchemie, als Lehre von der Wandlung unedler Stoffe in Gold, eine besondere Rolle in Kiefers Kunst. Geht es ihm doch, wie er sagt, „darum, dass selbst scheinbar Wertloses und Ruinöses ein schöpferisches Potenzial und damit die Kraft des Lebens bereithält“.
Deutlich wird das in Wim Wenders’ filmischem Kiefer-Porträt „Das Rauschen der Zeit“ von 2023. Die Kamera fährt hinein in die Pariser Atelierhalle, wo die „Kosmologien“ des Bildermachers entstanden, erstarrter Matsch aus Ölfarbe, Acrylborken und Schellack wird zu monströsen Landschaften und Architekturen. Da sehen wir auch die „Milchstraße“: Eine endlose Landschaft mit einem unendlichen Sternenhimmel. Und „Sternenfall“ zeigt eine eiserne Sonnenblume im Stil einer Totenkopf-Fahne aus dem Ersten Weltkrieg. Das ist bildhauerische Malerei, die schmerzhaft aus der Fläche hinauswuchtet, zurück in die dunkle Vergangenheit und als Zeitstrahl ins kollektive Gedächtnis. Mächtig, gewaltig, als Darstellung des Unbegreiflichen.
Anselm Kiefer: „The Starry Night“, 2019
Collection of the artist/courtesy White Cube/Georges Poncet
1992 zog Kiefer nach Frankreich, erst in die Cevennen, später nach Croissy-Beaubourg bei Paris. Dort malte, formte er Bildwerke von der Hermannschlacht bis zum Holocaust und der Zerstörung der jüdischen Kultur im Dritten Reich. Die so erschrockene wie überwältigte Kunstwelt nennt den Maler seither den „Erneuerer der Historienmalerei und großen Illustrator geschichtlicher Katastrophen“. Das ist Lob und Abwehr zugleich: Und seine heftigsten Kritiker legen ihm die radikal-dramatische Inszenierung von Erinnerungskultur irrigerweise gar als Sympathie für die NS-Ästhetik aus.
Wim Wenders’ Künstlerfilm über Anselm Kiefer: Der Pinsel wird zum Flammenwerfer
Video
Der Pinsel wird zum Flammenwerfer: Wim Wenders’ Künstlerfilm über Anselm Kiefer
Mit neuester 3D- und 6K-Technik schafft der Filmemacher Wim Wenders eine Annährung auf Augenhöhe an den bildenden Künstler Anselm Kiefer – im „Rauschen der Zeit“.
Von Daniel Kothenschulte
Stil
11.10.2023
Vor Jahren konnte ich es selber erleben, wie ihm dieses Missverständnis zusetzt: Kiefer hatte eine exklusive Ausstellung in Potsdam, und die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel war die Laudatorin. Mystisch geht es ja immer zu in seiner Kunst. Und so fiel mitten in Merkels Rede für zwei Minuten der Strom aus, gerade da, als sie vom Mythos und der Realität Europas sprach. Und als sie viele Sätze später den Künstler fragte, was denn an seiner Wahlheimat Frankreich so viel schöner sei als an Deutschland, erwiderte er lakonisch: „Wir haben etwas gemeinsam: Sie und ich sind im Ausland halt beliebter als hier.“
Anselm Kiefer: „Die Krähen (The Crows)“, 2019
Collection of the artist,/courtesy White Cube/Georges Poncet
In Frankreich, wo er seit 1992 lebt, wird er verehrt wie ein Nationalheld. 2020 beauftragte Staatschef Macron ihn damit, mehrere Werke für das Panthéon – die Ruhmeshalle und Grabstätte berühmter französischer Persönlichkeiten – zu schaffen. In den Niederlanden wird der Maler gefeiert, als deutscher Künstler, der gegen das Vergessen anmalt: So bedeutend, könnte man bei der Doppel-Schau meinen, ist das Werk Kiefers, dass man zwei große Häuser braucht, um ihm gerecht zu werden. Die Kiefer-Retrospektive „Sag mir, wo die Blumen sind“ öffnet am Abend vor seinem Achtzigsten. Im Van-Gogh-Museum treffen 25 seiner Werke auf ikonische Gemälde Vincent van Goghs, denn Kiefer hat sich immer wieder auf dessen Sonnenblumen bezogen. Und im Stedelijk entfaltet sich Kiefers Kunst in dramatischer Symbolkraft. Vor allem mit dem monumentalen Titelwerk nach dem einst von Marlene Dietrich gesungenen Antikriegslied, der deutschen Version von „Where Have All The Flowers Gone“ des amerikanischen Songwriters Pete Seeger; der hatte die Verszeilen vom Wiegenlied aus Scholochows Weltliteratur-Roman „Der stille Don“.
Wer aber weiß schon, dass es ein ukrainisches Volkslied ist? Kiefer lässt in der Ölfarbe erstarrte Uniformen, getrocknete Rosenblätter und Goldüberzüge sprechen – als Inszenierung des ewigen Kreislaufes von Leben und Tod und des Schreis der Völker und der Natur nach Vernunft und Frieden.
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Südwest
80 Jahre nach dem Krieg - Hering regt Gedenkorte an

80 Jahre nach der Eroberung der Brücke von Remagen
Erinnerung an das »Wunder von Remagen« am 7. März 1945.
Foto: Thomas Frey/dpa
07.03.2025 - 16:44 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Vor dem Tag der Befreiung Deutschlands von der NS-Diktatur am 8. Mai 1945 hatten die Amerikaner das heutige Rheinland-Pfalz schon besetzt. Landtagspräsident Hering knüpft daran einen Appell.
Mainz (dpa/lrs) - Die Befreiung von der NS-Diktatur war in Rheinland-Pfalz früher als andernorts in Deutschland. Die Amerikaner hatten das Gebiet des 1946 gegründeten Bundeslands schon vor dem 8. Mai 1945 besetzt: Großlangenfeld im Eifelkreis Bitburg-Prüm war am 25. Januar der erste Ort. Katzwinkel im Westerwald am 2. April der letzte, sagt Landtagspräsident Hendrik Hering im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Mainz.
Er wünscht sich eine lebendigere Erinnerungskultur mit Gedenkorten an das Ende des Zweiten Weltkriegs und die Befreiung von der NS-Herrschaft, die sich in diesem Jahr zum 80. Mal jähren.
Hering wünscht sich lebendige Erinnerung an die Geschichte
Viele wüssten nicht, wie eigentlich ihr eigenes Heimatdorf befreit worden sei, sagt Hering. «Wurde es kampflos übergeben, oder nicht? Oft sind in den letzten Tagen des Krieges noch Menschen hingerichtet worden.»
80 Jahre nach der Eroberung der Brücke von Remagen
Gedenkfeier an das »Wunder von Remagen« am 7. März 1945.
Foto: Thomas Frey/dpa
Über Deutschland hinaus bekannt ist die Brücke von Remagen. Eine Vorhut der 9. US-Panzerdivision hatte sie am 7. März vor 80 Jahren unerwartet überquert. Weil die Brücke unzerstört und ohne Gegenwehr eingenommen werden konnte, ist auch vom «Wunder von Remagen» die Rede.
Brücke von Remagen als Symbol für Frieden und Demokratie
Das Friedensmuseum Brücke von Remagen und die Stadt haben am Jahrestag zu einer Gedenkfeier geladen. «Wenn wir heute auf die Brücke von Remagen blicken, erinnern wir uns an einen Wendepunkt im Zweiten Weltkrieg, der dazu beigetragen hat, Schrecken und unermessliches Leid zu beenden», sagte Ministerpräsident Alexander Schweitzer. Die Brücke sei auch zu einem «Symbol für Frieden, Demokratie und Freundschaft geworden».
Diese Botschaft sei ein klarer Auftrag an Politik und Gesellschaft, Brücken für die Demokratie zu bauen, betonte der SPD-Politiker. «Es gilt, Verbündete zu gewinnen und Menschen wieder für die Demokratie zu begeistern.»
80 Jahre nach der Eroberung der Brücke von Remagen
Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) betont anlässlich der Gedenkfeier die deutsch-amerikanische Freundschaft.
Foto: Thomas Frey/dpa
Schweitzer betont deutsch-amerikanische Freundschaft
Ebenso wichtig sei es, Bündnisse über nationale Grenzen hinweg zu stärken: «Rheinland-Pfalz pflegt eine langjährige und enge Verbundenheit mit den USA. Die amerikanischen Streitkräfte und ihre Familien sind ein fester Bestandteil unseres Alltags und Ausdruck unserer transatlantischen Freundschaft», betonte Schweitzer. «Deswegen schmerzt es uns besonders, dass wir aktuell erleben, wie unser transatlantisches Bündnis, das für uns eine wichtige Schutzgemeinschaft ist, Risse zeigt.»
Landtagspräsident Hendrik Hering
Landtagspräsident Hendrik Hering macht sich 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Befreiung von der Nazi-Diktatur für mehr Erinnerungsorte im Land stark.
Foto: Andreas Arnold/dpa
Zu der Gedenkfeier in Remagen wurden auch erwartet: US-Generalkonsul Brian Heath, der französische Generalkonsul Nicolas Bergeret, die Enkelin von General Patton, Helen Patton, und der US-General Andrew Rohling von der Nato.
Landtagspräsident betont die Bedeutung von Gedenkorten
Hering wünscht sich mehr Gedenkorte wie das Friedensmuseum in Rheinland-Pfalz. «Wenn keine Zeitzeugen mehr da sind, die Orte sind da.» Für Einwohner und zugewanderte Menschen sei es wichtig, sich konkret vor Ort klarzumachen, was vorgefallen ist. Nach dem Motto der Geschichtswerkstätten: «Grabe da, wo Du stehst!» Viele Rheinland-Pfälzer wüssten nicht, dass die US-Streitkräfte 1945 vor den Franzosen ihre Heimat befreit hätten.
Das Rhine River Crossing Memorial in Nierstein - ein Monument am Rheinufer - ist für Hering ein positives Beispiel der Erinnerungskultur. Amerikanische Streitkräfte erreichten den rheinhessischen Weinort am 21. März 1945. Sie setzten leise mit Schlauchbooten in der Nacht über und bauten dann nach und nach mehrere Pontonbrücken. Tausende Fahrzeuge konnten so innerhalb weniger Tage den Rhein überqueren, sagte Hering.
80 Jahre nach der Eroberung der Brücke von Remagen
Die Brücke von Remagen ist 80 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg nach den Worten von Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) ein »Symbol für Frieden, Demokratie und Freundschaft«.
Foto: Thomas Frey/dpa
Hering: Es gibt nur wenige Gedenkorte an das Kriegsende vor Ort
Kurz zuvor habe es im gegenüberliegenden rechtsrheinischen Kornsand noch ein nationalsozialistisches Verbrechen gegeben: Am 21. März seien sechs Menschen aus Nierstein und dem benachbarten Oppenheim - die für ihre kritische Haltung gegenüber der NSDAP bekannt waren, ermordet worden. Ein Gedenkstein auf dem Kornsand im hessischen Trebur erinnert seit 1954 daran.
Viele Städte und Dörfer im ländlich strukturierten Rheinland-Pfalz seien - oftmals gegen die Anweisungen der nationalsozialistischen Führung - kampflos übergeben worden, berichtet der Landtagspräsident. Symbolisch dafür seien weiße Fahnen, oft aus Bettlaken, gewesen, die von Deutschen beim Einmarsch der amerikanischen Truppen gehisst wurden. Immer wieder hätten auch Bewohner mit den Amerikanern Kontakt aufgenommen, über die friedliche Übergabe des Orts verhandelt und so viele Leben auf beiden Seiten gerettet.
Landtagspräsident Hendrik Hering
Landtagspräsident Hendrik Hering (SPD) macht sich nach dem Vorbild der Brücke in Remagen für mehr Erinnerungsorte in Rheinland-Pfalz stark. (Archivbild)
Foto: Andreas Arnold/dpa
Wenn es keine Zeitzeugen mehr gibt, können Orte sprechen
In Lahnstein hätten drei Männer am 21. März in einem Holzkahn den Rhein überquert, um den Amerikanern die Kapitulation der Stadt anzubieten. Der deutsche Ortskommandant habe die Übergabe Lahnsteins aber weiter abgelehnt, am 27. März sei es von den Amerikanern besetzt worden.
Der Ingelheimer Volkssturmführer habe entgegen anderslautender Befehle am Morgen des 17. März die Bevölkerung aufgerufen, besonnen zu agieren und keinen Widerstand zu leisten, wie Hering berichtet. Daraufhin sei er am selben Tag verhaftet und am nächsten Morgen auf dem Marktplatz an einem Baum gehängt worden. «So stirbt jeder, der sein Vaterland verrät!» habe auf einem um seinen Hals gehängten Schild gestanden. Zwei Tage später seien amerikanische Truppen weitgehend kampflos in Ingelheim einmarschiert.
Es gibt auch noch immer Forschungsbedarf
Am Beispiel von Hamm/Sieg (Kreis Altenkirchen) lasse sich zeigen, wie der Einsatz von Bürgern bei Kriegsende die Zerstörung des Ortes verhindert haben soll, so Hering. Allerdings gebe es dafür nur eine Quelle, weitere Forschungen seien notwendig. Danach sollen ein Fabrikant, der Bürgermeister und ein Metzger die Streitkräfte am 27. März gebeten haben, Hamm zu besetzen, da im Ort keine Soldaten mehr gewesen seien, die hätten Widerstand leisten können.
Die US-Streitkräfte hielten sich aber nur wenige Wochen und Monate auf dem Gebiet des im August 1946 gegründeten Rheinland-Pfalz auf. Denn mit dem Inkrafttreten der Beschlüsse der Konferenz von Jalta am 5. Juni 1945 entstanden die vier Besatzungszonen - und Rheinland-Pfalz wurde Teil der französischen.
80 Jahre nach der Eroberung der Brücke von Remagen
US-Streitkräfte konnten die Brücke von Remagen am 7. März 1945 einnehmen. Daran wird 80 Jahre später erinnert.
https://www.rheinpfalz.de/


"Das kostbarste aller Güter": Ein kleines Animations-Meisterwerk

Für "The Artist" gewann er einen Oscar. Jetzt bringt Regisseur Michel Hazanavicius einen Animationsfilm ins Kino. "Das kostbarste aller Güter" erzählt ein Märchen inmitten der größten Katastrophe des 20. Jahrhunderts, dem Holocaust. Geht das gut?
07.03.2025, 11:39 Uhr
Von
Gregor Wossilus
Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 Die Welt am Morgen am 06.03.2025 um 06:05 Uhr.
"Es war einmal in einem großen Wald... ": So beginnt dieser Film. Ein Anfang wie im Märchen. Und auch die Geschichte spricht eine eindeutige Sprache. "Eines Tages" erfüllt sich der sehnlichste Wunsch einer Bauersfrau.Eine Bauersfrau nimmt ein Findelkind auf
Eben hat sie noch den Zug beobachtet, der unweit von ihr durch den verschneiten Wald dampfte. Dann hört sie das Wimmern. Ein Kleinkind. Es liegt im Schnee. Ein verzweifelter Vater hat es gerade aus dem Zug geworfen, dem Zug ins Vernichtungslager Auschwitz. Diese Findelkind im polnischen Winter 1943 ist für die Bauersfrau das titelgebende "kostbarste aller Güter".
Der Film basiert auf dem gleichnamigen Jugendroman von Jean-Claude Grumberg von 2019. Als Animationsfilm inszeniert hat ihn nun Michel Hazanavicius. Der französische Regisseur gelangte zu Weltruhm mit dem Stummfilm "The Artist", der 2011 den Oscar als bester Film gewonnen hatte.
Regisseur Hazanavicius kannte den Autor der Buchvorlage
"Als ich es las, war es eine so schöne Geschichte", so Hazanavicius im Interview. "So einfach und so bescheiden und gleichzeitig so kraftvoll und emotional. Da konnte ich nicht nein sagen." Hazanavicius kennt Grumberg von Kindheit an. Seine Eltern waren mit dem Schriftsteller befreundet. Dessen Geschichte habe ihn deshalb an "sehr intimen Punkten" berührt, sagt er.
Und nicht nur wegen der Bekanntschaft zu Grumberg. "Diese Geschichte ist die Geschichte meiner Familie", erzählt Hazanavicius. "Nicht diese spezifische Geschichte, aber der Genozid. Meine Großeltern waren Juden und haben den Genozid überlebt."
Szene aus "Das kostbarste aller Güter"
Das Unfassbare im Gewand eines Märchens
Hazanavicius schildert das Unfassbare in seiner Verfilmung wie ein Märchen. Er erzählt von den Ärmsten, die unter schwierigsten Bedingungen leben, von rauen Holzfällern, die sich nach der harten Arbeit bei Schnapps offen dem Fremdenhass hingeben. Und auch der Bauersfrau misstrauisch begegnen, nachdem sie das Kind aus dem Zug aufnimmt.
Doch es geht auch darum, wie Menschen aus dem Fremdenhass erwachen. Der Holzfäller lernt schnell, dass das Kind natürlich einen Herzschlag hat, dass die "Herzlosen", wie er sie nennt, ein Herz haben. Und verfällt der Kleinen – eine der schönsten Szenen des Films – mit Haut und Haaren. Hass wandelt sich zu Nächstenliebe.
Die grundlegenden Zeichnungen für den Film hat der Regisseur selbst angefertigt. "Das kostbarste aller Güter" bewegt sich ästhetisch weit jenseits der computergenerierten Perfektion der Disney-Pixarfilme. Die Zeichnungen wirken wie Scherenschnitte.
Animation schafft Distanz
Hazanavicius erzählt hier von unfassbarem Grauen, aber nicht in expliziten Bildern. Eher bleibt der Schrecken im Hintergrund erahnbar. Dadurch erhält der Film eine ganz besondere Wirkung.
Animation schaffe Distanz, sagt der Regisseur. "Wenn man etwas für Kinder macht, muss man sie schützen. Man will ihnen erzählen, was passiert ist, und man will ihnen die Wahrheit der Geschichte erzählen. Aber man will sie nicht traumatisieren." Aus dem Grund habe er sich gegen eine Realverfilmung entschieden.
Das Ergebnis ist ein kleines Meisterwerk. Eine Ode an das Leben, ein bewegendes Plädoyer, dass die Würde eines jeden Menschen unantastbar ist. Und ein Film, der Hoffnung macht, weil er zeigt, wie Menschen aus Fremdenhass und Misstrauen erwachen können.
https://www.br.de/


Gedenken an Bombardierung Dresdens 1945: Rechter Aufmarsch und mehrere Gegendemos

15.02.2025  
Gedenken in Dresden am Donnerstag
© AFP
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Im Zusammenhang mit dem Gedenken an die Zerstörung Dresdens im Zweiten Weltkrieg hat am Samstag ein von Rechtsextremisten organisierter sogenannter Trauermarsch stattgefunden - begleitet von zahlreichen Gegendemonstrationen. An dem "Trauermarsch" nahm einem Polizeisprecher zufolge eine "niedrige vierstellige" Zahl an Menschen teil, an den Gegendemonstrationen insgesamt eine "mittlere vierstellige" Zahl. Insgesamt wurden demnach mehr als 30 Kundgebungen abgehalten.
Dem Sprecher zufolge versuchten die Gegendemonstranten mehrmals den Aufzug der Rechtsextremen in der Dresdner Altstadt zu blockieren. So hatten sich zum Beispiel am Vormittag dutzende Menschen auf eine Straße gesetzt und dort spontan eine Versammlung angemeldet. Da die Teilnehmenden auch nach Ende der Versammlung nicht die Fahrbahn verließen, wurden sie von den Einsatzkräften von der Straße getragen.
Zudem versuchten nach Polizeiangaben Gegendemonstrierende zu der von der Polizei abgesicherten rechten Kundgebung durchzubrechen. Die Beamtinnen und Beamten wehrten dies aber ab und setzen dabei auch Pfefferspray ein.
Die Demonstrationen sorgten für zahlreiche Verkehrsbeeinträchtigungen in der Innenstadt, von denen auch der Öffentliche Personennahverkehr betroffen war. Die Dresdner Polizei war mit einem Großaufgebot vor Ort, unterstützt von Kräften aus Bremen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Hamburg, Thüringen und Sachsen-Anhalt sowie der Bundespolizei.
Bei den Luftangriffen alliierter Bomber auf Dresden am 13. und 14. Februar 1945 waren etwa 25.000 Menschen getötet worden. Weite Teile der historischen Altstadt wurden zerstört. Mit Kranzniederlegungen, Andachten und Kerzen wurde bereits am Donnerstag daran erinnert.
In der Vergangenheit versuchten Rechtsextremisten immer wieder, den Jahrestag für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Aufgrund der starken Gegenproteste wurden größere Neonaziaufmärsche rund um den 13. Februar in den vergangenen Jahren verhindert.
In diesem Jahr allerdings beobachteten Polizei und Verfassungsschutz eine deutlich stärkere Mobilisierung der rechtsextremen Szene zum Jahrestag der Zerstörung Dresdens. Die Sicherheitsbehörden erwarteten Rechtsextremisten aus dem gesamten Bundesgebiet und dem Ausland. Die Dresdner Polizei ging deshalb von einer "konfrontativen Versammlungslage" aus.
AFP 
https://www.stern.de/


80 Jahre Freiheit in Rees
Die „Bailey-Brücke“ wird zum Denkmal

Rees · Am 23. März wird auf der Reeser Rheinpromenade ein Denkmal eingeweiht, das an den Rheinübergang der Alliierten 1945 erinnert. Es besteht aus einem Brückenteil, das vor zweieinhalb Jahren in Rees geborgen wurde. Warum es so besonders ist.
15.02.2025 , 12:08 Uhr 4 Minuten Lesezeit
Generalfeldmarschall Bernard Montgomery (Mitte, vorne) schreitet 1945 in Rees über die Bailey-Brücke.
Foto: Stadtarchiv Rees
Von Markus BalserEs war schon eine kleine Sensation, als Thijs van Dooren im August 2022 bei extremem Niedrigwasser das intakte Element einer militärischen Bailey-Brücke aus dem Rhein in Rees bergen konnte (die RP berichtete). Jetzt erfüllt sich ein Wunsch des niederländischen Restaurators aus Gendringen: Zum 80. Jahrestag des alliierten Rheinübergangs wird am Sonntag, 23. März, um 11.30 Uhr an der Reeser Rheinpromenade ein Denkmal für die Bailey-Brücken eingeweiht.
Mitarbeiter des Reeser Bauhofs werden es schon am kommenden Montag zwischen dem Zollturm und dem Pegelturm errichten. Es besteht aus eben jenem Element, das van Dooren in Rees nahe der Rheinbrücke entdeckt hatte. Und genau das ist besonders selten, weil es sich dabei nicht nur um ein Originalteil der von den britischen Royal Engineers im Baukastensystem errichteten Behelfsbrücken handelt, sondern obendrein um einen Anker, der für Bailey-Brücken verwendet wurde und von denen es weltweit nur noch wenige gibt. Für viele internationale Militär-Experten war der Fund aus Rees deshalb besonders bedeutsam.
Der verrostete Stahlrahmen wurde vor zweieinhalb Jahren aufwändig aus dem Uferbereich ausgegraben.
Foto: Michael Scholten
Info
Sonntag: Gedenken an den „Schwarzen Freitag“
Der Erfinder Der Ingenieur Donald Bailey (1901 - 1985) hatte die nach ihm benannten Brücken im „Baukastenkastenprinzip“ erfunden. 1945 kam er nach Rees, um dort die Arbeit an der längsten Bailey-Brücke der Welt zu begutachten. Die Stahlelemente für die Brücken wurden in einer Fabrik in Christchurch produziert und nach Cumbria verschifft, wo Soldaten lernten, sie unter schwierigen Bedingungen im Wasser und bei Nacht zu montieren.
80 Jahre Frieden Die Einweihung des Denkmals am 23. März ist Bestandteil der Veranstaltungsreihe „80 Jahre Frieden“, mit der die Stadt Rees an das Ende des Krieges erinnert. Nächster Termin ist am morgigen Sonntag, wenn in der Mariä-Himmelfahrtkirche mit Zeitzeugenberichten der Zerstörung von Rees am 16. Februar 1945 gedacht wird (17 Uhr).
Er wurde in der Zwischenzeit in Abstimmung mit der Stadt Rees und dem LVR von Thijs van Dooren gesandstrahlt und in Dinxperlo in den Original-Farben, die damals von der britischen Armee benutzt wurden, lackiert. Am Freitag wurde das 3,15 Meter breite und 1,55 Meter hohe Brücken-Element vom Bauhof nach Rees gebracht.
Eine der Bailey-Brücken, mit der die Truppen der Allierten bei Rees den Rhein überwinden konnten.

Foto: Stadtarchiv Rees
Bailey-Brücken spielten in der Endphase des Zweiten Weltkriegs eine wichtige Rolle. Sie ermöglichten es den Alliierten, Soldaten, Waffen und Fahrzeuge in großer Anzahl schnell zu bewegen, nachdem die Wehrmacht die bestehenden Brücken gesprengt hatte.
1945 errichteten die alliierten Truppen zwischen Dinslaken und Emmerich mehr als 20 dieser Behelfsbrücken. Entworfen vom britischen Ingenieur Donald Bailey, bestanden sie aus vorgefertigten, geschweißten Stahlrahmen, die jeweils von sechs Soldaten getragen und mit Hilfe von Bolzen und Splinten relativ einfach zusammengesteckt werden konnten. In der Regel wurden sie auf schwimmenden Pontons befestigt.
Allein bei Rees bauten britische und kanadische Pioniere zwischen März und Mai 1945 sieben Brücken – anfangs sogar unter Gefechtsbedingungen. Die erste Verbindung, auf den Namen „Waterloo Bridge“ getauft, führte auf der Höhe von Hönnepel auf das rechte Rheinufer zu. Auch das Meisterstück, eine parallel verlaufende Doppelbrücke, die mit 1,5 Kilometern die längste Bailey-Brücke des Zweiten Weltkriegs war (inklusive Vorbrücke im überschwemmten Vorland auf der Reeserschanz), führte nach Rees.
Vom ersten Tag an wurden die Arbeiten vom Reeser Geschichtsverein, vertreten durch Michael Scholten und den ZDF-Historiker Alexander Berkel, begleitet. Beide verfassen auch den Text für die Infotafel des Denkmals in deutscher, niederländischer und englischer Sprache. Darauf wird ein Zitat von Feldmarschall Bernard Montgomery stehen, der den Rheinübergang der alliierten Truppen bei Rees befehligte. Er sagte: „Ohne die Bailey-Brücken hätten wir den Krieg nicht gewonnen.“
Der Standort des Denkmals ist bewusst nahe der Fähranlegestelle gewählt: Zum einen endete dort die größte Bailey-Brücke, zum anderen soll die Rheinfähre den Brückenschlag von 1945 symbolisieren. Mittelfristig könnte linksrheinisch, auf der Reeserschanz, ein zweites Bailey-Brücken-Element aufgestellt werden. Dann würden Radtouristen, die auf die Fähre warten, schon dort die Info-Tafel lesen können. Erste Gespräche mit der Stadt Kalkar laufen, ein zweites Bailey-Brücken-Element wurde von der niederländischen Armee bereitgestellt.
Die Niederländer möchten das neue Denkmal an der Rheinpromenade künftig in ihre geführten „Liberation-Touren“ einbauen, die bislang von Weeze aus nur bis Reeserward führten. Auch der Reeser Gästeführer Heinz Wellmann wird das Denkmal in seine „Sergeant Henry“-Touren einbauen.
Die niederländischen Helfer und Handwerker schenken der Stadt Rees ihre Arbeitsstunden als Spende. Kosten für den Transport des Denkmals und das Erstellen des Fundamentes übernehmen der VVV, der Geschichtsverein und das Interreg-Programm Deutsch-Nederland, kofinanziert durch die Europäische Union.
In den Niederlanden wurde das bei Rees gefundene Brückenteil von Rost befreit und im Original-Farbton lackiert.
Foto: Ressa
Thijs van Dooren freut sich, dass das restaurierte Fundstück als Denkmal aufgestellt wird: „Die Bailey-Brücken haben uns allen die Freiheit gebracht, denn der Rheinübergang der Alliierten war der Anfang vom Ende des Krieges“, sagt der Niederländer.
(bal/hg)
https://rp-online.de/

Stadtgeschichte
„Saufen für den Führer“: Vergessene Skurrilität der NS-Zeit

14.02.2025, 12:52 Uhr • Lesezeit: 1 Minute
Thomas Richter
Von Thomas Richter
Redakteur Lokal
Dieses Patenwein-Etikett aus der NS-Zeit wird auch ein Teil des Bildvortrages in Gelsenkirchen sein.
© Heimatbund Gelsenkirchen
Gelsenkirchen. Im Dritten Reich mussten 1000 Städte eine Patenschaft mit Winzerorten eingehen. Ein Vortrag in Gelsenkirchen beleuchtet dieses dunkle Kapitel.
Das ist kein vorgezogener Aprilscherz: In der Nazi-Zeit ordnete das Terror-Regime tatsächlich offiziell an, dass die Bevölkerung mehr deutschen Wein zu trinken habe. In den Jahren 1935 bis 1937 wurden daher rund 1000 Städte in Deutschland dazu verdonnert, eine Patenschaft mit einem heimischen Winzerort einzugehen. Für Gelsenkirchen war das vor genau 90 Jahren ein Zwangsbund mit Traben-Trarbach an der Mosel. Und der Volksmund taufte diese Aktion damals kurzerhand um in: „Saufen für den Führer“.
Vortrag steigt am 20. Februar im Gelsenkirchener Kulturraum „Die Flora“
Dieses dunkle, bis heute aber dennoch weithin unbekannte Kapitel deutscher Geschichte steht im Fokus eines Bildvortrages, zu dem der Heimatbund Gelsenkirchen an diesem Donnerstag, 20. Februar, einlädt. Beginn im Kulturraum „Die Flora“ (Florastraße 26, Altstadt) ist 19 Uhr.
Historiker Christof Krieger hält den Vortrag über die bislang kaum bekannten Weinpatenschaften in der NS-Zeit.
© Krieger
Den Vortrag halten wird der Historiker Christof Krieger, seines Zeichens Leiter des Mittelmosel-Museums in Traben-Trarbach. Er hat für dieses außergewöhnliche Themenfeld insgesamt über zehn Jahre bislang unveröffentlichte Quellen gesichtet und ausgewertet. Die Ergebnisse seiner akribischen wissenschaftlichen Recherchen an der Universität Trier wurden als Buch unter dem Titel „Wein ist Volksgetränk – Weinpropaganda im Dritten Reich“ (bereits in der 2. Auflage) veröffentlicht. Dazu gehört etwa die Tatsache, dass den deutschen Winzern seitens des NS-Staates eine propagandistische Aufmerksamkeit geschenkt wurde, wie sie nur wenigen anderen Berufsgruppen zuteilwurde.
Teilnahme an dem Vortrag ist kostenlos
Die Teilnahme an diesem Bildvortrag, bei dem auch noch ein Blick auf Gelsenkirchens andere Weinpatenschaften im Dritten Reich geworfen wird, ist kostenlos.
https://www.waz.de/

Gegen Hass und Hetze: SPD gedenkt der NS-Opfer am Türkheimer Mahnmal

Stand:06.02.2025, 07:09 Uhr
SPD gedenkt der NS-Opfer am Türkheimer Mahnmal
Vor dem Mahnmal in Türkheim v.r.: Peter Dziewior, Walter Fritsch, Christian Kähler, Irmgard Schäffler, Carina Volger, Agnes Sell und Marcel Keller. © Kogge
Kürzlich jährte sich die Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz zum 80. Mal und damit auch das Gedenken an die Opfer der NS-Gewaltherrschaft.
Türkheim - Der Türkheimer SPD war es deshalb ein Anliegen, auch an die Opfer des KZ-Außenlagers Türkheim zu erinnern und einen Moment innezuhalten.
SPD gedenkt der NS-Opfer am Türkheimer Mahnmal – Veranstaltung gegen das Vergessen
Die beiden Ortsvorsitzenden Agnes Sell und Carina Volger legten stellvertretend für alle SPD-Mitglieder am KZ-Mahnmal eine Blumenschale nieder. Sell erläuterte kurz die Geschichte des KZ-Außenlagers. Die Ermordung von Millionen Juden, Sinti und Roma, Menschen mit Behinderung, Homosexuellen, Zwangsarbeitern und anders Denkenden dürfe nicht in Vergessenheit geraten, betonte Irmgard Schäffler. „Es ist Auftrag aller Demokratinnen und Demokraten den Anzeichen von Antisemitismus, Hass und Hetze oder der Verharmlosung der NS-Zeit mit Entschiedenheit entgegenzutreten“, so die SPD-Vertreter.
Gäste der Gedenkveranstaltung waren Bürgermeister Christian Kähler und Bundestagskandidat Marcel Keller.
https://www.merkur.de/


Migrationsdebatte
Auschwitz-Überlebender Weintraub: „Bleiben Sie Mensch, Herr Merz“

05.02.2025, 20:28 Uhr
Lesezeit 2 Minuten
Former Auschwitz prisoner Leon Weintraub delivers a speech during commemorations on the 80th anniversary of the liberation of the German Nazi concentration and extermination camp Auschwitz-Birkenau by the Red Army, in Oswiecim, Poland on January 27, 2025. (Photo by Wojtek RADWANSKI / AFP)
Der Auschwitz-Überlebender Leon Weintraub spricht bei einer Veranstaltung zum 80. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz. (Archivfoto)
Leon Weintraub (99), einer der letzten Überlebenden des Holocaust, hat das Vorgehen des CDU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz in der Migrationspolitik kritisiert. „Dringende Korrekturen in der Migrationspolitik sind sicherlich notwendig. Aber doch bitte nicht in der von Ihnen durchgeführten, verfassungswidrigen und rechtsradikalen Form“, schreibt Weintraub in einem in der „taz“ (Mittwoch) veröffentlichten offenen Brief an Merz mit Blick auf das im Bundestag letztlich gescheiterte „Zustrombegrenzungsgesetz“.
Weintraub, der einer jüdischen Familie im polnischen Lodz entstammt und der Ermordung im NS-Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau entging, appellierte an Merz: „Bitte hören Sie nicht auf die Lockrufe der Rechten und vor allen Dingen, nehmen Sie ernst, was diese von sich geben, sie meinen, was sie propagieren!“ Weiter schreibt Weintraub: „Unser Grundgesetz deklariert: ‚Asylrecht ist Menschenrecht‘. Wir sind als Menschen geboren, bleiben Sie Mensch, Herr Merz.“
Der Bundestag hatte am Freitag das von der Union zur Verschärfung der Migrationspolitik eingebrachte „Zustrombegrenzungsgesetz“ durchfallen lassen. Zuvor war befürchtet worden, dass erstmals ein Gesetzentwurf mit Hilfe der in Teilen rechtsextremen AfD beschlossen werden könnte. Bereits am vergangenen Mittwoch hatte der Bundestag erstmals einen Unions-Antrag zur Migrationspolitik mit Hilfe der AfD-Stimmen verabschiedet.
Weintraub: Unions-Gesetz menschenfeindlich
Das beabsichtigte Zustrombegrenzungsgesetz sei „menschenfeindlich“, betonte der Mediziner Weintraub, der heute mit seiner Frau in Stockholm lebt. Es sorge für Fremdenfeindlichkeit und eine Polarisierung der Gesellschaft. Weintraub appellierte an den CDU-Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten: „Wenden Sie sich ab von rechtsradikalen Parteien in Deutschland und tragen Sie nicht zu eventuellen Triumphen im rechtsradikalen Lager bei.“ Weintraub fügte hinzu: „Arbeiten Sie mit demokratischen Parteien und Menschen guten Willens.“
Erneuter Tabubruch von Merz droht
Tausende protestieren – Holocaust-Überlebender zieht Konsequenzen
Von
David Schmitz
Eine Teilnehmerin hält bei einer Kundgebung gegen die Migrationspläne von Union und AfD vor dem Konrad-Adenauer-Haus ein Plakat. Mehrere Tausend Menschen demonstrierten am Donnerstagabend vor der CDU-Bundesgeschäftsstelle.
Weintraub hatte nach dem Krieg Medizin in Göttingen studiert, war 1950 nach Polen zurückgekehrt und hatte als Gynäkologe in einer Frauenklinik in Warschau gearbeitet. Seit vielen Jahren hält er als Zeitzeuge der NS-Zeit Vorträge vor Schulklassen. Das in Freiburg ansässige Maximilian-Kolbe-Werk organisiert die Begegnungen. (kna)
https://www.rundschau-online.de/


Berlin & Brandenburg
SS-Massaker in Lieberose: Gedenken an das Unbegreifliche

    Stand: 02.02.2025
    Im Außenlager Lieberose wurden vor 80 Jahren Hunderte Menschen ermordet. (Archivbild)
    Quelle: Patrick Pleul/dpa

Vor 80 Jahren wurden Hunderte Menschen kurz vor Kriegsende von der Waffen-SS ermordet. Der Ministerpräsident dringt angesichts des «unfassbaren Verbrechens» darauf, die Erinnerung wachzuhalten.
Zum 80. Jahrestag des Massakers der Nationalsozialisten an Hunderten KZ-Häftlingen im Außenlager Lieberose hat Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) zur Achtsamkeit aufgerufen. Der Ort mahne, «dass die Vergangenheit sich so nicht wiederholen darf», sagte Woidke laut einer Mitteilung der Staatskanzlei. Die Gedenkstätte im Landkreis Dahme-Spreewald halte die Erinnerung an den Terror der Nazis wach.
«Die unfassbaren Verbrechen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wird man vielleicht nie begreifen», sagte Woidke. An einigen Gedenkstätten des Landes wie in Jamlitz würden diese Taten und das Leid greifbarer. «Orte, die erschüttern und beklemmen.»
Das KZ-Außenlager Lieberose im Südbrandenburger Dorf Jamlitz war von der SS errichtet worden. Im Februar 1945 ermordete die SS auf dem Lagergelände kurz vor der Räumung mehr als 1.300 überwiegend jüdische Häftlinge. Die rund 8.000 Häftlinge wurden nach Angaben der Gedenkstätte unter unmenschlichen Arbeitsbedingungen für den Bau des Truppenübungsplatzes der Waffen-SS eingesetzt.
dpa-infocom GmbH
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Vorbereitungen zum 80. Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz

Ein Mann geht am Tor "Arbeit Macht Frei" in der Gedenkstätte und Museum Auschwitz-Birkenau vorbei, 23. Januar 2025
Copyright AP Photo
Von Gavin Blackburn mit AP, EBU
Zuerst veröffentlicht am 26.01.2025 - 7:57 MEZ
Mehr als 1,1 Millionen Menschen wurden in Auschwitz ermordet. Historiker gehen davon aus, dass die meisten von ihnen, etwa eine Million, Juden waren, aber zu den Opfern gehörten auch Polen, Roma und sowjetische Kriegsgefangene.
In Auschwitz II-Birkenau laufen die Vorbereitungen für die Feierlichkeiten zum 80. Jahrestag der Befreiung des nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslagers.
An der Gedenkveranstaltung am 27. Januar werden Überlebende des Holocaust, internationale Gäste und polnische Behördenvertreter teilnehmen.
"Die Hauptgedenkveranstaltung beginnt um 16 Uhr in einem eigens errichteten Zelt, das über dem Haupttor des Lagers Auschwitz-Birkenau, dem berüchtigten Todestor, aufgebaut ist. Vor diesem Tor steht ein historischer Waggon. Solche Waggons wurden von den Deutschen benutzt, um Menschen aus fast dem gesamten besetzten Europa nach Auschwitz zu deportieren", erklärt Paweł Sawicki, der stellvertretende Sprecher des Museums Auschwitz-Birkenau.
Besucher gehen entlang der Eisenbahnschienen, auf denen einst Juden aus ganz Europa nach Auschwitz transportiert wurden, 23. Januar 2025
Besucher gehen entlang der Eisenbahnschienen, auf denen einst Juden aus ganz Europa nach Auschwitz transportiert wurden, 23. Januar 2025Oded Balilty/Copyright 2025 The AP. All rights reserved
"Delegationsleiter von Staaten und Vertreter verschiedener internationaler Organisationen werden dort sein. Außerdem kommen Gäste aus vielen Institutionen, die verschiedene Gedenkstätten und Museen erhalten und betreuen. Wir werden den Worten der Überlebenden zuhören, was sehr wichtig ist. Es gibt hier keine Reden von Politikern".
Anfang dieses Monats gab die polnische Regierung eine Erklärung ab, in der sie garantierte, dass Israels Premierminister Benjamin Netanjahu nicht verhaftet wird, wenn er an der Gedenkfeier teilnimmt, obwohl ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) gegen ihn vorliegt.
Der polnische Staatspräsident Andrzej Duda von der Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) habe die Regierung schriftlich gebeten, Netanjahu nicht zu verhaften, falls er am 27. Januar an der Auschwitz-Gedenkfeier teilnehmen wolle, sagte ein Berater des Präsidenten.
Das Büro von Ministerpräsident Donald Tusk veröffentlichte eine Resolution, in der es heißt, dass es die "sichere Teilnahme der israelischen Führer an den Gedenkfeiern" gewährleisten werde.
Der IStGH erließ im November letzten Jahres Haftbefehle gegen Netanjahu und seinen ehemaligen Verteidigungsminister sowie einen Hamas-Führer, Ibrahim Al-Masri, wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des 15-monatigen Krieges in Gaza.
Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu spricht während einer Pressekonferenz in Jerusalem, 2. September 2024Ohad Zwigenberg/Copyright 2024 The AP. All rights reserved
Mitgliedsländer des IStGH, wie z. B. Polen, sind verpflichtet, Verdächtige, gegen die ein Haftbefehl vorliegt, in Haft zu nehmen, wenn sie ihr Land betreten, aber der Gerichtshof hat keine Möglichkeit, dies durchzusetzen.
Israel ist nicht Mitglied des IStGH und bestreitet dessen Zuständigkeit.
Dem Gerichtshof gehören mehr als 120 Mitgliedstaaten an. Einige weitere Länder, darunter Frankreich und Ungarn, bereits erklärt haben, dass sie Netanjahu nicht festnehmen würden.
Der ungarische Premierminister Viktor Orbán erklärte sogar, er werde sich über den Haftbefehl hinwegsetzen und Netanjahu nach Budapest einladen.
Im Juli letzten Jahres warnte die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, dass die Antisemitismus-Fälle in der gesamten EU zugenommen hätten.
Eine von einem Besucher hinterlassene Rose neben den Ruinen einer Gaskammer und eines Krematoriums in Auschwitz, 23. Januar 2025
Eine von einem Besucher hinterlassene Rose neben den Ruinen einer Gaskammer und eines Krematoriums in Auschwitz, 23. Januar 2025Oded Balilty/Copyright 2025 The AP. All rights reserved
Die letzte Umfrage wurde vor Beginn des Gaza-Krieges im Oktober 2023 durchgeführt. 80 % der Befragten gaben an, dass der Antisemitismus in ihrem Land in den fünf Jahren vor der Umfrage zugenommen habe.
90 % der Befragten gaben an, dass sie im Jahr vor der Umfrage online mit Antisemitismus konfrontiert waren, und 37 % sagten, sie seien im wirklichen Leben belästigt worden.
Nach der militärischen Reaktion Israels auf die Hamas-Anschläge vom 7. Oktober 2023 meldeten einige Organisationen in der EU einen Anstieg der antisemitischen Vorfälle um 400 %.
"Antisemitismus ist ein Gift für unsere Gemeinschaft. Es liegt an uns allen, ihn zu bekämpfen, ihm vorzubeugen und ihn auszurotten", sagte die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen.
Die Gedenkfeierlichkeiten in Auschwitz finden in Oświęcim statt, einer Stadt, die während des Zweiten Weltkriegs unter deutscher Besatzung stand und in der die deutschen Streitkräfte das berüchtigtste ihrer Todeslager betrieben.
Eine Luftaufnahme des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau in Polen, 4. April 1944AP/AP
Mehr als 1,1 Millionen Menschen wurden in Auschwitz ermordet. Historiker gehen davon aus, dass die meisten von ihnen, etwa eine Million, Juden waren, aber zu den Opfern gehörten auch Polen, Roma, sowjetische Kriegsgefangene und andere.
Mindestens 3 Millionen der 3,2 Millionen polnischen Juden wurden von den Nazis ermordet, was etwa der Hälfte der im Holocaust ermordeten Juden entspricht.
Fast sechs Millionen europäische Juden wurden nach offiziellen Zahlen von den Nazis während des Holocausts ermordet.
Die sowjetischen Truppen der Roten Armee befreiten Auschwitz-Birkenau am 27. Januar 1945. Dieser Tag wurde als internationaler Holocaust-Gedenktag bestimmt.
https://de.euronews.com/


Berlin & Brandenburg
Soldaten marschieren in Gedenken an Gefangene der Nazis

26.01.2025, 16:25 Uhr
(Foto: Patrick Pleul/dpa)
In Sagan errichteten die Nazis ein großes Kriegsgefangenenlager. Nun haben Soldaten mit einem Marsch von Polen nach Brandenburg der Gefangenen gedacht.
Spremberg (dpa/bb) - Soldaten verschiedener Nationen haben mit einem Marsch an die Kriegsgefangenen der Nationalsozialisten erinnert. Besonders gedacht wurde den Insassen im ehemaligen Lager in Sagan (polnisch Żagań) - im heutigen Westpolen. Rund 45 Soldaten der US-Army, der britischen Royal Air Force, der polnischen Armee und der Bundeswehr machten sich auf den Weg von dem ehemaligen sogenannten Stammlager Luft III in Sagan nach Spremberg, wie die Organisatoren mitteilten. Heute endete der Marsch mit einem Gedenkappell in Spremberg.
Erinnerung an die Evakuierung im Winter 1944
Die Soldaten erinnerten mit ihrem Marsch an die Evakuierung von mehreren Tausend Kriegsgefangenen im Winter 1944/45 aus dem Stammlager in Sagan. Sie wurden damals nach Spremberg geschickt.
Das Kriegsgefangenenlager erlangte besondere Berühmtheit durch einen spektakulären Fluchtversuch vieler Insassen während der Nazi-Zeit. Mehr als 200 Menschen hatten 1944 versucht, aus dem Lager auszubrechen. Dazu hatten die Gefangenen Tunnel in bis zu zehn Meter Tiefe gegraben.
Insgesamt schafften es 76 Menschen durch die Tunnel, bevor die Flucht von den Deutschen entdeckt wurde. Nur drei gelangten in Freiheit, die anderen wurden gefasst und 50 von ihnen erschossen.
Geschichte Grundlage eines Kinofilms
Der Fluchtversuch der Häftlinge wurde 1963 mit Steve McQueen in der Hauptrolle verfilmt. Der Streifen mit dem Titel "Gesprengte Ketten" (Original: "The Great Escape") war schon damals ein großer Erfolg.
Quelle: dpa
https://www.n-tv.de/


Vor der Laurentius-Kirche
Grefrath gedenkt der Opfer des Nazi-Regimes

Grefrath · An der Stele gegen das Vergessen in Grefrath wurden weiße Rosen niedergelegt. Organisatorin Irmgard Tophoven appellierte, Antisemitismus keinen Raum zu geben.
26.01.2025 , 15:00 Uhr 2 Minuten Lesezeit
Viele setzten ein sichtbares Zeichen der Solidarität mit den Jüdinnen und Juden.
Foto: Norbert Prümen
Von Uli Rentzsch
Am Sonntag gedachte die Gemeinde Grefrath an der St.-Laurentius-Kirche der Opfer des Nationalsozialismus. Denn auch hier wurde jüdisches Leben beraubt, vertrieben, entwürdigt und ermordet. Eine Erinnerung an das unfassbar grausame Nazi-Regime ist die Stele aus schwedischem Granit, dem Gedenkstein gegen das Vergessen, gleich an der Treppe hinauf zu St. Laurentius. Während Organisatorin Irmgard Tophoven die Namen der Grefrather Opfer des Nationalsozialismus verlas, legten Grefratherinnen und Grefrather weiße Rosen an den Fuß der Stele.
Sicherlich können Worte Türen des Gedenkens öffnen und können versuchen, das Vergessen zu verhindern. Was Worte nicht können, ist, das Unbegreifliche zu beschreiben, das den Opfern des Nationalsozialismus angetan wurde. Die Ohnmacht des Wortes machten Schülerinnen und Schüler deutlich, die von ihrer Fahrt nach Auschwitz berichteten. Auf all ihre Fragen würden sie wohl nie eine Antwort finden, betonten sie. Mona Schlegel, Schülerin aus Kempen, stellte die weiße Rose mit ihrer Symbolkraft gegen den Widerstand in den Fokus und richtete ihre Gedanken auf das, was war, und auf das, was sein kann.
Bürgermeister Stefan Schumeckers (CDU) rückte die Zuversicht in den Mittelpunkt seiner Worte. Beispielhaft nannte er das Schicksal einer Flüchtlingsfamilie, der die Abschiebung drohte, Grefrather Bürger dies aber verhindern konnten. Heute sei die Familie integriert, hätte Arbeit gefunden, die Kinder besuchten die Schule. Ja, bestätigte Pastor Johannes Quadflieg, die Grefrather wollten wach bleiben – für die Erinnerung, für das Gedenken. Ein gemeinsam gesprochenes Gebet aller Anwesenden unterstrich Quadfliegs Appell.
Pfarrerin Barbara Münzenberg rief dazu auf, nicht auf die „alternativen Nachrichten“ und Verschwörungstheorien hereinzufallen. Der Holocaust habe stattgefunden: Zeugnis legten die Sowjetsoldaten ab, die das Lager in Auschwitz am 27. Januar 1945 befreiten. Als ob sie geahnt hätten, dass es schwer werden würde, das Unvorstellbare zu erklären, hätten sie alles dokumentiert. Wie schnell sich Fremdenhass in der Gesellschaft verbreiten kann, machte Hanns Dieter Hüsch bereits 1981 deutlich. Ute Bernstein trug nun dieses Gedicht, „Das Phänomen“, zum Gedenktag vor.
Irmgard Tophoven hatte sich zuvor bedankt, dass auch in diesem Jahr ein „sichtbares Zeichen der Solidarität“ mit den Jüdinnen und Juden gesetzt wurde, „angesichts des erschreckend anwachsenden Antisemitismus und Rechtsextremismus – 80 Jahre nach dem Holocaust.“
Die musikalische Begleitung übernahmen Markus Türk an der Trompete und Johannes Herrig am Klavier.
(ure msc)
https://rp-online.de/


Parlament
Steinmeier und Schwarzman gedenken der NS-Opfer im Bundestag

20.01.2025
Eine Fotocollage. Auf der linken Seite befindet sich ein Foto von Frank-Walter Steinmeier, auf der rechten Seite eins von Roman Schwarzman.
Hauptredner der Gedenkstunde sind Frank-Walter Steinmeier (links) und Roman Schwarzman (rechts). (© DBT/Kira Hofmann/photothek)
Mit einer Gedenkstunde erinnert der Deutsche Bundestag am Mittwoch, 29. Januar 2025, an die Opfer des Nationalsozialismus. Anlass ist die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau am 27. Januar 1945. Traditionell gedenkt das Parlament rund um den Jahrestag mit einer Veranstaltung im Plenarsaal der Millionen Menschen, die während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft entrechtet, verfolgt und ermordet wurden. Die diesjährige Gedenkstunde steht im Zeichen des 80. Jahrestages der Auschwitz-Befreiung. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas eröffnet die Gedenkstunde um 12 Uhr mit einer Ansprache. Im Anschluss werden Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier sowie der Holocaust-Überlebende Roman Schwarzman zwei Reden halten.
Die Gedenkstunde wird live im Parlamentsfernsehen und im Internet auf www.bundestag.de übertragen.
Schwarzman überlebte als Kind das Ghetto Berschad
Roman Schwarzman wurde 1936 in Berschad, nördlich von Odessa, in der Ukraine geboren. Aufgrund seines jüdischen Glaubens wurde er als Kind im Sommer 1941 in das Ghetto in Berschad deportiert. Im März 1944 befreite die Rote Armee das deutsch-rumänisch kontrollierte Ghetto. Heute ist Schwarzman unter anderem Vorsitzender des ukrainischen Verbandes für jüdische KZ- und Ghetto-Überlebende.
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas begrüßte Schwarzman bereits am 22. Oktober 2022 im Plenarsaal des Deutschen Bundestages. „Seit 30 Jahren engagieren Sie sich für die jüdischen Überlebenden der Ghettos und Konzentrationslager in der Ukraine und ganz besonders in Ihrer Heimatstadt, und Sie setzen sich mit aller Kraft dafür ein, dass die Opfer des Holocaust nicht vergessen werden, dass ihre Geschichten weitergetragen werden und ihrer würdig gedacht wird“, bedankte sich die Bundestagspräsidentin bei Schwarzman.
Podiumsdiskussion mit Jugendlichen
Nach der Gedenkstunde treffen Bundestagspräsidentin Bärbel Bas sowie Roman Schwarzman rund 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Jugendbegegnung 2025 zu einer Podiumsdiskussion. Die Veranstaltung wird ab 14 Uhr live auf www.bundestag.de übertragen. Seit 1997 lädt der Deutsche Bundestag aus Anlass des Tages des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus junge Erwachsene aus Deutschland und seinen Nachbarstaaten zu einer Begegnung und Auseinandersetzung mit Themen und Fragen in Zusammenhang mit den nationalsozialistischen Verbrechen ein.
Musikalisch begleitet wird die Gedenkstunde von Studierenden der Universität der Künste Berlin. Ein Streichertrio bestehend aus Stefan Burchardt, Karina Lewicka und Jakob Seel wird zunächst das Lied „Molto Vivace“ von Gideon Klein (1919-1945) intonieren. Anschließend folgt die von Felicitas Kukuck (1914-2001) komponierten Klaviervariationen „Es ist ein Schnitter, heißt der Tod“, vorgetragen von Beren Gürcüoğlu (Klavier). Ebenfalls am Klavier wird Zhora Sargsyan das Stück „Drei Präludien für Klavier, Op. 65, II. Lento e tranquillo“ von Hans Gál (1890-1987) interpretieren. (mtt/20.01.2025)
https://www.bundestag.de/


Neugründung in Mönchengladbach
Verein für Erinnerungskultur – am 31. Januar wird Tacheles geredet

Mönchengladbach · Die Initiative hat schon konkrete Vorhaben und lädt nun zum Kennenlernen ein. Was die Idee des ersten Abends ist, was dort geboten wird und welche Ziele der Verein verfolgt.
26.01.2025 , 05:10 Uhr 3 Minuten Lesezeit
Ricarda, Ira und Frank Jansen (v.l.) haben den Verein „Tacheles“ gegründet.
Foto: Ja/Knappe, Joerg (jkn)
Thomas Geuchen
Der Name verheißt Eindeutigkeit. „Tacheles“. Das Wort, das in der deutschen, jiddischen sowie der hebräischen Sprache bekannt ist, ist nun der Name eines neu gegründeten Vereins in Mönchengladbach. Alle sollen wissen, was es mit der Initiative auf sich hat und Lust bekommen, sich selber zu engagieren – egal, ob dauerhaft oder zeitweise für ein konkretes Projekt. Um den Verein, seine Ziele und Projekte vorzustellen, laden die Gründer für Freitag, 31. Januar, zu einer Auftaktveranstaltung im „Messajero“ ein.
Hinter „Tacheles“ steckt eine Idee der 22-jährigen Kulturpädagogik-Studentin Ira Lilith Jansen. Ihr schwebt eine stärkere zivilgesellschaftliche Beschäftigung mit der NS-Zeit in Mönchengladbach vor. „Ziel des Vereins ist es, einen Raum in der Stadt zu schaffen, der Erinnerungsarbeit und die Auseinandersetzung mit der eigenen Stadtgeschichte ermöglicht. Jeder und jede soll partizipieren und an selbst ausgewählten Projekten arbeiten können“, teilt sie mit. „In Zeiten, in denen Antisemitismus, Rassismus und weitere Diskriminierungen immer präsenter werden, ist es umso wichtiger, unsere Demokratie zu stärken.“
Ricarda, Ira und Frank Jansen (v.
„Wollen möglichst viele dazu bringen, über deutsche Geschichte nachzudenken“
Verein „Tacheles“ aus Mönchengladbach
Es ist den Verantwortlichen gelungen, Professoren der Hochschule Niederrhein sowie viele lokale, in der Erinnerungskultur tätige Gesellschaften und Verbände und örtliche Parteijugendorganisationen ins Boot zu holen. Die internationale Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem unterstützt „Tacheles“ bei der Archivarbeit und hat bereits zu einem Besuch in Israel eingeladen.
Viele Menschen in Europa fürchten Wiederholung des Holocaust
Neue Befragung
Viele Menschen in Europa fürchten Wiederholung des Holocaust
Die Auftaktveranstaltung beinhaltet eine Lesung des Generalintendanten des Theaters, Michael Grosse, aus der Autobiografie „Zwischen Tag und Dunkel“ von Hilde Sherman-Zander. Nach der Holocaust-Überlebenden aus Mönchengladbach wird am Montag, 27. Januar, – dem internationalen Holocaust-Gedenktag – ein Abschnitt der Blücherstraße umbenannt. Darum hatte es in der Stadtgesellschaft und der Politik eine monatelange, Kostenpflichtiger Inhalt teils erbittert geführte Auseinandersetzung gegeben.
Außerdem wird „Tacheles“ bei dem Treffen „Messajero“ Einblicke in seine ersten Projekte gewähren: eine Beschäftigung mit den ehemaligen jüdischen Geschäften auf der Hindenburgstraße sowie der Aufbau einer „akustischen Bibliothek“, die die Erinnerungen von heute mindestens 85-jährigen Zeitzeugen an die Zeit zwischen 1933 und 1945 in Mönchengladbach sammeln und bewahren soll.
„Ich vermisse den Willen, wirklich gegen Antisemitismus in der Gesellschaft anzukämpfen“
Furcht in Jüdischer Gemeinde Mönchengladbach
„Ich vermisse den Willen, wirklich gegen Antisemitismus in der Gesellschaft anzukämpfen“
Den Veranstaltern ist daran gelegen, dass die Gäste in ungezwungener Atmosphäre miteinander ins Gespräch kommen. So wird es eine Pause geben, in der man sich an Ständen informieren kann und „Near East Snacks“ gereicht werden. „Wir wollen in der jüdischen Tradition des Schabbat-Empfangs feiern, bei der Vertreter unterschiedlicher Glaubensrichtungen zusammenkommen und willkommen geheißen werden“, sagt Mitorganisatorin Ricarda Jansen. Im Anschluss an das offizielle Programm wird DJ Rokka zum Tanz auflegen.
Das Programm beginnt um 19 Uhr im „Messajero“ (Sophienstraße 17) und steht allen Interessierten kostenfrei offen.
Info Das Interview mit den Gründern von „Tacheles“ lesen Sie Kostenpflichtiger Inhalt hier.
(tg capf)
https://rp-online.de/


Bündnis ruft zum Holocaust-Gedenken in Eisenach
Nachrichten aus dem Wartburgkreis

25.01.2025, 07:00 Uhr • Lesezeit: 5 Minuten

Erneut erinnert das Bündnis gegen Rechtsextremismus Eisenach an die Opfer des Massenmords an Juden im Nationalsozialismus. Am 27. Januar, dem Holocaust-Gedenktag, jährt sich zum 80. Mal die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz im Jahr 1945. Das Bündnis lädt deshalb alle Eisenacherinnen und Eisenacher ein, sich um 17 Uhr in der Karlstraße zu einer Menschenkette zusammenzufinden. „Gemeinsam erinnern wir an die jüdischen Bürgerinnen und Bürger, die am 9. Mai und 19. September 1942 aus Eisenach verschleppt und in Viehwaggons in den Tod deportiert wurden“, heißt es in dem Aufruf.
Vorgestellt wird am 27. Januar die dritte Edition des Stolpersteinbuches. Es dokumentiert die Gedenksteine in Straßen der Stadt, die an die ehemaligen Wohnorte jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger erinnern und die dazugehörigen Geschichten. Herausgegeben wird es vom Bündnis gegen Rechtsextremismus und in Zusammenarbeit mit der Stadt. red
https://www.thueringer-allgemeine.de/


Aktion in Kevelaer
„Niemals Wieder“ – Lichtinstallation zum Holocaust-Gedenktag

Kevelaer · Zum Gedenktag am 27. Januar wird in Kevelaer der Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und des Völkermordes gedacht. Dazu gibt es eine besondere Aktion.
23.01.2025 , 12:00 Uhr 3 Minuten Lesezeit
Der Stolperstein in Kevelaer erinnert an Maria Wackers.
Foto: Seybert, Gerhard (seyb)
Anlässlich des Gedenktages an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und des Völkermordes wird das Rathaus am Montag, 27. Januar, besonders in Szene gesetzt. In den Abendstunden (17 bis 22 Uhr) wird das Gebäude mit dem Schriftzug „Niemals wieder“ angestrahlt. Diese Worte sollen ein sichtbares Zeichen setzen, aus den Gräueltaten des Nationalsozialismus zu lernen und Ähnliches für alle Zeiten zu verhindern. Die Bürgerinnen und Bürger werden auffordert, innezuhalten und sich ihrer Verantwortung bewusst zu werden, aus der Geschichte zu lernen. Die Licht-Installation setzt das Technik-Team des Konzert- und Bühnenhauses um.
In Vorbereitung auf den Gedenktag hat Stadtarchivar Till Bodden einen Fachaufsatz über die Opfer der NS-Zeit in Kevelaer recherchiert und verfasst. Der Beitrag widmet sich Einzelschicksalen von Betroffenen aus unserer Stadt. Zum Beispiel Maria Wackers, Anna Boland und Margaretha Hejmanns. Alle drei wurden zwischen 1941 und 1945, wegen angeblicher geistiger Krankheit, zur „Heilung“ in verschiedene Anstalten eingewiesen und dort durch die Nationalsozialisten ermordet. Für sie wurden auf Kevelaerer Stadtgebiet bereits drei Stolpersteine verlegt. Till Bodden gibt in seinem Aufsatz aber auch Einblicke in das Schicksal verschiedener Menschen aus Kevelaer, wie sie ihr eigenes Schicksal schildern, als sie nach dem Krieg beim Amt um Entschädigung für die NS-Zeit ersuchten.
„Leider ist die Überlieferung für Akten aus der Zeit des Dritten Reiches in Kevelaer nur sehr lückenhaft. Trotzdem wissen wir, dass es auch in unserer Stadt sowohl Menschen gab, die aktiv an den Untaten des Nationalsozialismus teilnahmen, als auch solche, die darunter leiden mussten. An die Geschichten von letzteren wollen wir jetzt einmal mehr erinnern, indem wir die Selbstzeugnisse von betroffenen Verfolgten wiedergeben - von Menschen, die aus willkürlichsten Gründen aus ihrem Leben gerissen wurden," erklärt der Stadtarchivar.
Die aufgeführten Schicksale machen betroffen und regen auch grundsätzlich zum Nachdenken über die Folgen von Diskriminierung, Verfolgung und menschenverachtendem Handeln an. „Die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus ist eine Mahnung an uns alle“, betont Bürgermeister Dominik Pichler. „In einer Zeit, in der Antisemitismus, Rassismus und Hass wieder verstärkt auftreten, ist ein klares Bekenntnis zu Menschlichkeit, Toleranz und Demokratie wichtiger denn je. Es ist unsere Pflicht, dass solche Gräueltaten nie wieder geschehen“.
https://rp-online.de/

Berchtesgaden
Besucherrekord bei Dokumentation Obersalzberg

Inmitten der Bergidylle am Obersalzberg plante Hitler Kriege und Massenmord. Im September 2023 eröffnete dort die neu gestaltete Dokumentation Obersalzberg - sie lockt unerwartet viele Besucher an.
Eröffnung Dokumentation Obersalzberg       -  Rund 220.000 Besucherinnen und Besucher haben in den ersten zwölf Monaten die Dauerausstellung gesehen.
Foto: Sven Hoppe/dpa | Rund 220.000 Besucherinnen und Besucher haben in den ersten zwölf Monaten die Dauerausstellung gesehen.
dpa
22.01.2025
|  aktualisiert: 22.01.2025 13:19 Uhr
Das Interesse an der 2023 neu eröffneten Dokumentation Obersalzberg ist ungebrochen. Im vergangenen Jahr kamen 205.000 Besucherinnen und Besucher - ein neuer Spitzenwert, wie das Institut für Zeitgeschichte München–Berlin mitteilte. Im bisherigen Rekordjahr 2015 kamen 171.000 Gäste. Nun waren es gut 34.000 Menschen mehr, das entspricht einer Steigerung von rund 20 Prozent.
„Wir sind überwältigt von dem großen Interesse an der Dokumentation Obersalzberg im ersten Kalenderjahr nach der Eröffnung”, sagt Sven Keller, Leiter der Dokumentation Obersalzberg. „Dass so viele Menschen das Museum besuchen, bestärkt uns in unserer Arbeit. Besonders freuen wir uns zu sehen, wie viel Zeit sich die Gäste für den Ausstellungsbesuch nehmen und wie konzentriert sie sich mit dieser schwierigen Thematik auseinandersetzen.”
Hitlers Wahlheimat
Im Mittelpunkt der Dauerausstellung „Idyll und Verbrechen” steht der historische Ort Obersalzberg, den Adolf Hitler ab 1933 zu seiner Wahlheimat machte. Im Bergidyll am Obersalzberg bei Berchtesgaden hatte Hitler Staatsgäste empfangen, aber auch Verfolgung, Krieg und Massenmord geplant.
Hier wurden Propagandabilder geschaffen, die ihn als volksnahen „Führer” inszenierten. Etwa ein Viertel seiner Regierungszeit verbrachte Hitler zwischen 1933 und 1945 im Berghof als Zentrum des Führersperrgebiets, fünf Minuten von der heutigen Dokumentation entfernt.
NS-Regime im Berg-Idyll
Die Ausstellung setzt sich in fünf Kapiteln mit dem scheinbaren Gegensatz zwischen der idyllischen Berglandschaft und den Verbrechen der NS-Herrschaft auseinander. Rund 350 Objekte, Dokumente, Fotografien und multimediale Elemente erzählen von der Rolle des Obersalzbergs als Zentrum von Macht und Terror und beleuchten das Schicksal der Opfer des NS-Regimes.
Millionenprojekt Neubau
Seit dem 28. September 2023 ist die neue Dauerausstellung „Idyll und Verbrechen“ in einem deutlich größeren Haus zu sehen. Der Neubau war nötig geworden, weil das 1999 installierte Doku-Zentrum mit deutlich mehr Besuchern als erwartet aus den Nähten platzte. 2012 wurde der teils in den Berg versenkte Neubau beschlossen, der am Ende nach bisher vorliegenden Angaben gut 30 Millionen Euro kostete.
Die „Dokumentation Obersalzberg” zählt zu den bundesweit und international bedeutenden Einrichtungen. Mehr als drei Millionen Menschen besuchten das Zentrum mit der Dokumentation über die NS-Gewaltherrschaft und ihre Folgen, ehe es wegen des Neubaus geschlossen wurde.  Neben den Ausstellungen bietet die neue Dokumentation Obersalzberg ein vielfältiges Bildungs- und Veranstaltungsprogramm, darunter Führungen. Auch hier sei die Nachfrage hoch, hieß es.
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Gedenken an NS-Opfer in Altglienicke: Gebetsveranstaltung auf Friedhof

Die Pfarrei St. Josef Treptow-Köpenick lädt am Montag zu einem Gedenkgebet auf dem Friedhof Altglienicke ein. Es wird an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert.
BLZ
21.01.2025 14:02 Uhr
Auf dem Friedhof Altglienicke wurden 1360 Opfer nationalsozialistischer Gewaltmaßnahmen ohne Nennung der Namen beigesetzt.
Auf dem Friedhof Altglienicke wurden 1360 Opfer nationalsozialistischer Gewaltmaßnahmen ohne Nennung der Namen beigesetzt.
Bezirksamt Treptow-Köpenick
Am Montag, dem 27. Januar, wird in Adlershof eine Gedenkveranstaltung anlässlich des Tages der Opfer des Nationalsozialismus stattfinden. Ab 17 Uhr wird auf dem Friedhof Altglienicke in Treptow-Köpenick ein Gebetsgedenken organisiert. Bezirksbürgermeister Oliver Igel (SPD) wird die Gedenkfeier mit einem Grußwort eröffnen und zusammen mit weiteren Teilnehmenden die Namen der Opfer verlesen.
Die Veranstaltung soll an die mehr als 1300 Opfer erinnern, die dort bestattet wurden und aus verschiedenen Ländern stammen und bei nationalsozialistischen Gewaltmaßnahmen ums Leben kamen. Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden gebeten, Kerzen oder Grablichter mitzubringen, um der Verstorbenen zu gedenken.
Schon im September 2021 wurde der Friedhof Altglienicke als Erinnerungsort neu gestaltet, um die Anonymität der Opfer aufzuheben. Mit Unterstützung von Namenspatinnen und -paten wurden die Namen und Lebensdaten der Opfer auf einer Erinnerungswand festgehalten.
Quelle: Bezirksamt Treptow-Köpenick
https://www.berliner-zeitung.de/


Die Ermittlung
Frankfurter Auschwitzprozesse als "Dokumentarisches Theater"

20.01.2025  Lesedauer: 1 Min
teleschau - Jonas Decker
Die Ermittlung
Foto: Hans-Joachim Pfeiffer/ARTE
Vier schwer verdauliche Stunden: ARTE zeigt "Die Ermittlung" in ungekürzter Fassung als TV-Premiere. Der Film über die Frankfurter Auschwitzprozesse, der 2024 auch im Kino lief, basiert auf dem bekannten gleichnamigen Theaterstück von Peter Weiss aus dem Jahr 1965.
Mag sein, dass manche bei diesem Film nicht bis zum Ende durchhalten. Und das liegt nicht an der Spielzeit von insgesamt vier Stunden. Von 1963 bis 1965 fanden die ersten Frankfurter Auschwitzprozesse statt, bereits im Jahr 1965 brachte Peter Weiss im Rahmen einer breit angelegten Ring-Aufführung (unter anderem in London) sein berühmtes Theaterstück "Die Ermittlung" auf die Bühne, das auf Protokollen der Prozesse basierte. Sieben Jahrzehnte später hat Regisseur RP Kahl einen Film daraus gemacht.
Ein dunkler Raum, eine Frau berichtet: "Der Offizier, der uns einteilte, war sehr freundlich. Ich fragte ihn, wohin denn die anderen gingen. Und er antwortete: 'Die gehen jetzt nur baden." Alleine diese zehn Sekunden lassen schaudern, und doch ist es nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was RP Kahl da mit seinen Kameras eingefangen hat. Ein Richter, ein Staatsanwalt, ein Verteidiger, 18 Angeklagte, insgesamt 39 Zeugenaussagen, und immer wieder geht es um das eigentlich unbeschreibliche Grauen von Auschwitz.
Bruch mit modernen Filmkonventionen
"Dokumentarisches Theater", so nennt sich der Stil, mit dem Peter Weiss seinerzeit arbeitete. RP Kahl blieb bei seiner Inszenierung, die 2024 in einigen Kinos lief, dicht dran an diesem Konzept und bricht so auch klar mit den Konventionen des modernen Films. Seine "Ermittlung", umgesetzt mit Promi-Schauspielern wie Tom Wlaschiha, Clemens Schick und Christiane Paul, setzt auf eine minimalistisch-reduzierte Ausstattung und wirkt in vielen Momenten eher wie ein Theaterstück als wie ein Film. Zur besonderen Wirkung trägt auch der bewusst nüchterne und doch immer wieder erschütternde Vortrag der Darstellerinnen und Darsteller bei, wenn sie als Zeugen ihre Erfahrungen und Erlebnisse schildern. "Am Ende der Rampe war der Himmel rot gefärbt. Der Rauch roch süßlich und versengt." Am Set soll es im Rahmen der fünftägigen Dreharbeiten immer wieder kleine Zusammenbrüche gegeben haben.
ARTE zeigt "Die Ermittlung" genau 80 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz (27. Januar 1945) als Free-TV-Pemiere. Nach mehreren Dokumentationen und Filmen im Januar schließt RP Kahls viel gelobte Inszenierung einen entsprechenden Themenschwerpunkt bei dem öffentlich-rechtlichen Kultursender ab. In der ARD Mediathek steht "Die Ermittlung" als serielles Format in elf Episoden ebenfalls ab Montag, 27. Januar, zum Abruf bereit.
Die Ermittlung - Mo. 27.01. - ARTE: 21.45 Uhr
https://www.infranken.de/


Gedenken an Verfolgung und Mut: Brandenburg Museum plant neuen Themenparcours zu Jüdischem Leben

Im Vorfeld des 80. Jahrestags der Befreiung von Auschwitz-Birkenau integriert das Potsdamer Museum einen neuen Fokus in seine Dauerausstellung.
Von Lena Schneider
19.01.2025, 20:11 Uhr
Am 27. Januar 1945 wurde das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau von sowjetischen Soldaten befreit. Zum 80. Jahrestag der Befreiung und zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus will das Brandenburg Museum einen neuen Themenparcours zur Geschichte jüdischen Lebens in Brandenburg anbieten, wie das Haus mitteilt.
Der neue Themenschwerpunkt „Jüdisches Leben in Brandenburg“ kann im Rahmen einer Führung oder individuell mit einem kostenlosen Tour-Heft erkundet werden. Er soll mittels 22 Objekten von der Kontinuität jüdischen Lebens in Brandenburg erzählen. In die Dauerausstellung integriert werden sollen unter anderem der Grabstein eines jüdischen Menschen aus dem 13. Jahrhundert und Spuren des Alltagslebens jüdischer Bürgerinnen in der DDR. Berichtet werden soll von Diskriminierung und Verfolgung, aber auch von Selbstbehauptung und Mut.
Zudem sollen vier Veranstaltungen eine lebendige Erinnerungskultur und den Dialog um ein demokratisches und tolerantes Morgen fördern. Den Auftakt macht am 21. Januar eine Konferenz zum Thema „Wie erinnern? Talk & Game Zone“, gefolgt von dem Filmgespräch „Pizza in Auschwitz“ am 29. Januar.
Mehr zum Thema
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Noch bis zum 30. März zeigt das Brandenburg Museum unter dem Titel „In Echt? – Virtuelle Begegnung mit NS-Zeitzeug:innen“ eine mit der Filmuniversität Babelsberg zwischen 2022 und 2024 entwickelte innovative Virtual Reality-Anwendung, die es ermöglicht, den Erzählungen der Holocaust-Überlebenden auf eine neue, eindringliche Weise zu begegnen. Besuchende können dort mit einer VR-Brille fünf jüdische Zeitzeugen dreidimensional erleben. (les)
https://www.tagesspiegel.de/


80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz
„Unsere Verantwortung hört nicht auf“

Bei einer Veranstaltung der Jüdischen Gemeinde Frankfurt hat Kanzler Scholz der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz vor 80 Jahren gedacht. Unrecht nicht zu dulden und nie mehr wegzuschauen, das muss uns heute Richtschnur sein, betonte der Kanzler in seiner Rede.

Sonntag, 19.01.2025

    Auf dem Foto zu sehen ist Bundeskanzler Olaf Scholz bei der Gedenkveranstaltung der Jüdischen Gemeinde Frankfurt. Er steht am Rednerpult.

Bei einer Gedenkveranstaltung der Jüdischen Gemeinde Frankfurt hat Kanzler Scholz eine Rede gehalten.

    Foto: Bundesregierung/Marvin Ibo Güngör
    Am 27. Januar 2025 jährt sich die Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz zum 80. Mal. Bundeskanzler Olaf Scholz hat an einer Gedenkveranstaltung der Jüdischen Gemeinde Frankfurt teilgenommen. In seiner Rede gedachte er der Opfer des Nationalsozialismus und sprach darüber, was die Politik, aber auch jede und jeder Einzelne für jüdisches Leben in Deutschland tun können.
    Antisemitismus und unverhohlene Menschenfeindlichkeit erfahren vielerorts eine erschreckende und alarmierende Normalisierung. Unrecht nicht zu dulden, das müsse auch heute Richtschnur sein, 80 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz, so Kanzler Scholz. „Wir schauen nicht weg. Wir schauen hin und wir handeln, wenn Bürgerinnen und Bürger unseres Landes angefeindet werden, weil sie Jüdinnen und Juden sind“, sagte er.
    Gegen das Vergessen, für die Sichtbarkeit

Darüber hinaus müsse die Erinnerung an den von Deutschen begangenen Zivilisationsbruch der Schoah wachgehalten und jeder Generation in Deutschland immer wieder neu vermittelt werden. „Unsere Verantwortung hört nicht auf“, betonte der Kanzler. Es gehe um die Vermittlung der historischen Wahrheit, der unzweifelhaften Fakten, denen sich jede und jeder in unserem Land stellen müsse.
Zugleich müsse jüdisches Leben in Deutschland als Selbstverständlichkeit begriffen und behandelt werden. „Unser aller Anspruch – von dem wir niemals abrücken dürfen – muss sein, dass das jüdische Deutschland genauso selbstverständlich, genauso alltäglich ist wie das Deutschland jedes anderen Glaubens oder Nichtglaubens.“ Dazu gehöre auch die Sichtbarkeit des jüdischen Lebens in Deutschland.
Zu Beginn seiner Rede erinnerte der Kanzler an einen der größten Strafprozesse der deutschen Nachkriegsgeschichte: Der sogenannte Auschwitz-Prozess begann Ende 1963 in Frankfurt. 18 Jahre nach Kriegsende standen 22 Mitglieder der Lagermannschaft von Auschwitz vor Gericht, über 350 Zeuginnen und Zeugen aus 19 Ländern berichteten von den unvorstellbaren Verbrechen. Für nicht wenige der Beobachterinnen und Beobachter bekamen die Opfer der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik in Frankfurt erstmalig ein Gesicht und eine Stimme.
Sehen Sie hier das Video der Rede:
17:05
Video-Player: Rede des Kanzlers in Frankfurt
Video Rede des Kanzlers in Frankfurt
Lesen Sie hier die Mitschrift der Rede:
Sehr geehrter Herr Dr. Schuster,
sehr geehrter Herr Graumann,
sehr geehrter Herr Grünbaum,
sehr geehrter Herr Professor Friedman,
sehr geehrte Frau Sander,
sehr geehrter Herr Staatsminister,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
liebe Mitglieder der jüdischen Gemeinde Frankfurt,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
reichlich zwei Kilometer von hier entfernt, im Plenarsaal des Frankfurter Römers, begann Ende 1963 einer der größten Strafprozesse der deutschen Nachkriegsgeschichte. Der Prozess platzte hinein in die Zeit des Wirtschaftswunders, der vollen Warenhäuser, des angestrengten Blicks nach vorn.
Initiiert vom hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, von dem schon die Rede war, der als Jude und als SPD-Mitglied im Nationalsozialismus selbst verfolgt worden war, standen hier in Frankfurt 22 Mitglieder der Lagermannschaft von Auschwitz vor Gericht. 18 Jahre nach Kriegsende berichteten über 350 Zeuginnen und Zeugen aus 19 Ländern von unvorstellbaren Verbrechen. Für nicht wenige der Beobachter bekamen hier in Frankfurt die Opfer der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik zum ersten Mal ein Gesicht und eine Stimme. Sie legten vor den Augen der schockierten nationalen und internationalen Öffentlichkeit minutiös Zeugnis ab vom Alltag eines von Deutschen begangenen, beispiellosen Menschheitsverbrechens.
Gefragt, was ihn antreibe, äußerte Fritz Bauer: „Wenn die Prozesse einen Sinn haben, so ist es die unumgängliche Erkenntnis, dass Anpassung an einen Unrechtsstaat Unrecht ist.“ Wenn der Staat kriminell sei, sei Mitmachen kriminell, egal ob als aktiver Täter, Nutznießer oder nur beifällig nickender Zuschauer.
Es ist diese bleibende Wahrheit, es ist diese Aufforderung an uns alle, nie mehr wegzuschauen, Nein zu sagen, die Fritz Bauer hier in Frankfurt gegen Anfeindungen, gegen Verwürfe der Nestbeschmutzung, gegen erhebliche Widerstände aus dem damaligen Justizapparat erkämpft hat.
Unrecht nicht zu dulden, nie mehr wegzuschauen, Nein zu sagen, das muss auch uns heute Richtschnur sein, 80 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz. Gerade heute, wo Antisemitismus, Rechtsextremismus, völkisches Gedankengut, wo teils unverhohlene Menschenfeindlichkeit vielerorts eine erschreckende und alarmierende Normalisierung erfährt. Vor allem das Internet und soziale Netzwerke werden oft zu Durchlauferhitzern für extremistische Positionen, für Hass und Hetze – Hass, der nicht im Netz bleibt, sondern Bürgerinnen und Bürger, besonders oft Jüdinnen und Juden, real gefährdet.
Wenn wir also heute gemeinsam darüber sprechen, was die Politik für jüdisches Leben in Deutschland tut, dann muss die erste Antwort sein: Wir schauen nicht weg. Wir schauen hin und wir handeln, wenn Bürgerinnen und Bürger unseres Landes angefeindet werden, weil sie Jüdinnen und Juden sind.
Deswegen schützen unsere Sicherheitsbehörden die jüdischen Gemeinden. Deswegen bekämpfen wir in Deutschland konsequent jede Form von Antisemitismus, Terrorpropaganda und Menschenfeindlichkeit. Deswegen verfolgen wir mit den Mitteln des Strafrechts diejenigen, die Terrorismus unterstützen und antisemitisch hetzen. Deswegen haben wir im neuen Staatsangehörigkeitsrecht ganz klar geregelt, dass Antisemitismus einer Einbürgerung entgegensteht. Und deswegen haben wir in der Europäischen Union mit dem Digital Services Act einen robusten Rechtsrahmen, um gegen Anbieter großer Online-Plattformen vorzugehen, wenn sie systematisch zur Verbreitung von Desinformation und Hassrede beitragen.
Die zweite Antwort muss sein, dass wir die Erinnerung an den von Deutschen begangenen Zivilisationsbruch der Schoah wachhalten und jeder Generation in unserem Land immer wieder neu vermitteln: Unsere Verantwortung hört nicht auf. Dabei geht es gerade heute – gegen jede Relativierung – um die Vermittlung der historischen Wahrheit, der unzweifelhaften Fakten, denen sich jede und jeder in unserem Land stellen muss, unabhängig von Herkunft, Familiengeschichte oder Religion.
Sechs Millionen ermordete Jüdinnen und Juden ‑ getötet in Vernichtungslagern wie Auschwitz, Kulmhof, Belzec, Sobibor und Treblinka, ausgehungert in Ghettos und Arbeitslagern, umgekommen auf Todesmärschen, erschossen und erschlagen bei Massakern in mehr als 1.500 Städten, Kleinstädten und Dörfern in Osteuropa.
Und am 27. Januar gedenken wir auch alle anderen Opfer des Nationalsozialismus. Wir gedenken der ermordeten Sinti und Roma, der ermordeten politischen Gegner des NS-Regimes, der ermordeten Homosexuellen, der ermordeten Kranken, Behinderten und als sogenannte „Asoziale“ Diffamierten. Wir gedenken der ermordeten Polinnen und Polen und der ermordeten sowjetischen Kriegsgefangenen.
80 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz ist es wichtiger als je zuvor, diese Fakten klar auszusprechen und die richtigen Lehren daraus zu ziehen.
Ich trete jedem Schlussstrich, jedem „Lange her“ entgegen.
Auschwitz bleibt „eine brennende Wunde der Menschheit, ein sich auf ewig gen Himmel erhebender Schrei der Opfer“. So schrieb es der Auschwitzüberlebende und spätere polnische Außenminister Władysław Bartoszewski noch kurz vor seinem Tod in einem Buch über seinen lebenslangen Einsatz für das Gedenken. Seinen Bericht schloss er mit einer Bitte und seiner Hoffnung im Namen aller Zeitzeugen: „Ich habe berichtet, Zeugnis abgelegt. Die letzten von uns gehen heim. Es bleiben unsere Geschichten – Ihr tätet gut daran, Schlüsse daraus zu ziehen.“
Damit auch die nächsten Generationen, Kinder und Jugendliche von heute, die richtigen Schlüsse ziehen, gehört zur Vermittlung der historischen Fakten auch die Vermittlung von Empathie mit den Opfern. Die Schoah, das sind Millionen einzelne Geschichten, Schicksale voller Leid, Trauer und Verlust. Das waren Menschen wie du und ich – auch um diese Einsicht muss es bei unserer Erinnerungsarbeit gehen.
Diese Einsicht in einer Gesellschaft mit unterschiedlichsten Herkunftsgeschichten zu vermitteln, ist eine zentrale Aufgabe der Gedenkstätten und der Unterstützung des Bundes für deren Arbeit. Wir sind hier gemeinsam mit Ihnen, mit den Gedenkstätten und allen Beteiligten auf dem Weg zur Reform des Gedenkstättenkonzepts. Dieser Diskussionsprozess ist wichtiger als die Tagespolitik. Er wird sicherlich nicht in den kommenden Wochen des Wahlkampfes beendet sein, sondern auch in der nächsten Legislaturperiode weiter geführt werden müssen.
Die Aufgabe, Empathie zu vermitteln, steht auch im Fokus des Bundesprogramms „Jugend erinnert“, das wir im vergangenen Jahr modernisiert und verstetigt haben. Auf diese Perspektive legen wir großen Wert bei der vielfältigen Zusammenarbeit und bei der Unterstützung für Gedenkorte im In- und Ausland, die wir vonseiten des Bundes weiter ausbauen werden. In diesem Zusammenhang bin ich sehr froh, dass der Bund im vergangenen November den Förderbescheid zur Neugestaltung der hessischen „Euthanasie“-Gedenkstätte Hadamar erteilen konnte und so unter anderem die umfassende Modernisierung der Dauerausstellung unterstützen wird.
Ich möchte beim Thema Empathie bleiben und damit zum dritten Punkt kommen, nämlich was die Politik, aber was vor allem auch jede und jeder Einzelne für jüdisches Leben in Deutschland tun kann: nämlich es als Selbstverständlichkeit begreifen und behandeln. Dazu gehört Sichtbarkeit.
Das Chanukka-Fest, das Anfang des Monats zu Ende gegangen ist, ist dafür ein wichtiges Beispiel. Auch in diesem Jahr stand ein Chanukka-Leuchter unter anderem wieder auf dem Pariser Platz in Berlin. Hier in Frankfurt stand einer auf dem Opernplatz. Genau da gehören Sie hin, an die prominentesten Plätze unserer Städte – und keine feige Sachbeschädigung, wie es sie auch in diesem Jahr wieder gab, kann daran etwas ändern. Sie gehören in die Mitte unserer Städte als ein unmissverständliches Zeichen jüdischer Selbstverständlichkeit – der Selbstverständlichkeit, dass Chanukka zu Deutschland gehört, genauso wie Weihnachten und das Zuckerfest, dass Synagogen zu Deutschland gehören wie Kirchen und Moscheen und dass wir in diesem Land untrennbar zusammengehören.
Unser aller Anspruch, von dem wir niemals abrücken dürfen, muss sein, dass das jüdische Deutschland genauso selbstverständlich, genauso alltäglich ist, wie das Deutschland jedes anderen Glaubens oder Nichtglaubens. Leider sind wir davon noch entfernt. Das ist und bleibt empörend.
Und ja, wir müssen Versäumnisse aufarbeiten. Es war naiv zu glauben, in einer Einwanderungsgesellschaft würden irgendwann schon alle die gleiche Perspektive auf unsere Geschichte einnehmen, nur weil sie hier wohnen. Ich finde es gut, dass die Kultusministerkonferenz anlässlich des Jahrestags des brutalen Terrorangriffs der Hamas auf Israel im vergangenen Oktober noch einmal bekräftigt hat, den Umgang mit Antisemitismus, Judentum, jüdischer Geschichte und jüdischer Gegenwart – dazu gehört natürlich auch der Staat Israel – in allen Schulfächern, die dafür infrage kommen, zu verankern. Das muss nun auch schnell geschehen.
Lassen Sie mich an dieser Stelle kurz aufgreifen, was alle meine Vorredner gesagt haben und was richtig ist. Ich bin froh, dass jetzt drei Geiseln freigelassen worden sind. Ich habe immer wieder mit den Angehörigen der von der Hamas Entführten gesprochen, auch in Israel, und ich kann sagen: Es ist sehr bedrückend, diese Gespräche zu führen. Deshalb ist es ein Zeichen der Hoffnung, dass auch die übrigen Geiseln freikommen und dass diejenigen, die gestorben sind, ausgeliefert werden, sodass die Angehörigen Abschied nehmen können. Aber es bleibt eine bittere Wahrheit, dass ein furchtbarer Terrorangriff Ursache all dieses Leids ist, ein Terrorangriff, der das Ziel der Entmenschlichung hatte. Darauf war er ausgerichtet. Das dürfen wir niemals vergessen.
Ich habe über die Aufklärung an den Schulen gesprochen. Diese Art von Aufklärung ist weiterhin bitter nötig, in Schulen genauso wie in Universitäten, Ausbildungsbetrieben, Integrationskursen und im ganz normalen Alltag. Ich weiß, viele jüdische Gemeinden, auch hier in Frankfurt, wollen das unterstützen, bieten Synagogenführungen an und organisieren Informationsveranstaltungen. Ich kann Lehrerinnen und Lehrer, Ausbilderinnen und Ausbilder nur ermutigen und bitten: Nehmen Sie mit Ihren Schülern und Auszubildenden solche Angebote an! Wir gehören zusammen. Sprechen wir miteinander, nicht übereinander!
Das ist hier in Frankfurt schon deswegen ein Muss, weil man diese Stadt kaum ohne ihre fast 900 Jahre alte jüdische Geschichte und ihre feste Verbindung zum Judentum verstehen kann. Der Oberbürgermeister hat darauf hingewiesen. Hier in Frankfurt war eines der Zentren des Reformjudentums. Hier wirkten bekannte Rabbiner aller religiöser Richtungen. Viele Institutionen wie die Goethe-Universität oder die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ gehen auf jüdische Gründung zurück. Selbst die nationalsozialistische Verfolgung, selbst Vertreibung und der Mord an mindestens 12.000 Frankfurter Jüdinnen und Juden konnte diese Verbindung nicht zerstören.
Wie tief auch die emotionale Beziehung zu dieser Stadt war und ist, das lässt sich vielleicht an der ergreifenden Geschichte von Rabbiner Dr. Leopold Neuhaus erahnen, die Frau Rabbinerin Klapheck in einer Publikation aus dem vergangenen Jahr erzählt hat. Nachdem er, der Rabbiner der Vorkriegsgemeinde, fast drei Jahre im Konzentrationslager Theresienstadt überlebt hatte, war Dr. Neuhaus dringlichster Wunsch, nach der Befreiung so schnell wie möglich nach Frankfurt zurückzukehren, um die Gemeinde wieder aufzubauen. Der letzte Rabbiner Frankfurts in der Zeit der Shoa wurde damit für eine kurze Zeit auch der erste Rabbiner danach. Schon Anfang Mai 1945 hatte er in einem Brief um Unterstützung beim Transport für ihn und die weiteren Überlebenden aus Frankfurt gebeten. Sie alle würden ‑ Zitat ‑ sehnsüchtig darauf warten, von hier aus in die Heimat zu kommen. Heimat, was für ein Wort!
„Auf Leben“ haben sie als Motto der Feierlichkeiten zum 75. Jubiläum der offiziellen Neugründung im vergangenen Jahr gewählt. In diesem Titel steckt eine so treffende Beschreibung der Geschichte der Gemeinde seit 1949. Aus dem langsamen Wiederaufleben nach dem Menschheitsverbrechen der Shoa mit anfänglich 800 Mitgliedern, die vielfach auf gepackten Koffern saßen, hat sich eine der größten und lebendigsten jüdischen Gemeinden Deutschlands entwickelt, eine Gemeinde, der es gelungen ist, innerhalb weniger Wochen nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ein Willkommenszentrum für ukrainische Geflüchtete aufzubauen, die seit Kriegsbeginn mehr Ukrainerinnen und Ukrainer und Frauen und Männer aus der ehemaligen Sowjetunion als Mitglieder aufgenommen hat, als jede andere jüdische Gemeinde, eine Gemeinde, die bei der Integration Geflüchteter weiterhin Großes leistet, und eine Gemeinde, die mit der Eröffnung der Jüdischen Akademie um ein bedeutendes intellektuelles Zentrum bereichert wird. Ich bin sehr froh, dass wir als Bundesregierung einen Beitrag leisten können, um dieses große Projekt zu realisieren. Ich bin mir sicher: Diese Akademie in der Tradition des jüdischen Lehrhauses von Franz Rosenzweig wird eine große Strahlkraft entwickeln und ein lebendiger und sichtbarer Ort der Debatte für Frankfurt und weit darüber hinaus werden.
Das ist ein Grund zur Freude und noch ein Grund, um im Sinne des Mottos der Feierlichkeiten des vergangenen Jahres auf das Leben anzustoßen, auf das jüdische Leben hier in Frankfurt, das so selbstverständlich zu dieser Stadt gehört, wie der Römer oder die Eintracht.
Jüdisches Leben, das ist Frankfurt. Jüdisches Leben, das ist Deutschland, das sind wir. Das bleibt, 80 Jahre danach, und das werden wir weiterhin mit aller Kraft verteidigen, jeden Tag.
Schönen Dank.
https://www.bundesregierung.de


Gedenkfeier für die Opfer des NS-Terrors am Neanderthal Museum

27. Januar am Neanderthal Museum
Gedenkfeier für die Opfer des NS-Terrors
Mettmann · Am 27. Januar jährt sich die Befreiung des Konzentrationslagers in Auschwitz durch die Armee der Sowjetunion. Es finden deutschlandweit Mahnwachen statt. Am Neanderthal Museum gibt es ebenfalls eine Gedenkfeier.
18.01.2025 , 13:00 Uhr 2 Minuten Lesezeit

  • An der Skulptur „Heller Schatten“ von Künstlerin Franziska Peter wird die Gedenkfeier stattfinden.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)Zur Erinnerung an die Opfer von NS-Verbrechen im Neandertal lädt der Kreis Mettmann am Montag, 27. Januar, um 11 Uhr am Gedenkzeichen gegenüber dem Neanderthal Museum zu einer Gedenkfeier ein. Dort steht seit August 2020 das vom Kreis Mettmann gestiftete Gedenkzeichen „Heller Schatten“ der Berliner Künstlerin Franziska Peter. Es erinnert an nationalsozialistische Verbrechen, die zwischen 1933 und 1945 an politisch Andersdenkenden, an Rückkehrer aus dem Ausland und an Menschen, die Zwangsarbeit leisten mussten, begangen wurden. Es sprechen Landrat Thomas Hendele und Kreisarchivar Joachim Schulz-Hönerlage. Gerne am Ende der Zeremonie können mitgebrachte Blumen am Gedenkzeichen niedergelegt werden. Hendele hatte im vergangenen Jahr die Bedeutung solcher Gedenktage betont: „Der Respekt und die Achtung des menschlichen Lebens sind die Grundlagen unserer Gesellschaft. Die Freiheit jedes Einzelnen, die Gewaltenteilung im Staat, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit und ein friedliches Zusammenleben sollten für uns alle selbstverständlich sein. Um unsere Demokratie, ihre im Grundgesetz formulierten Werte und den funktionierenden Rechtsstaat zu sichern und zu schützen, ist historisch-politische Bildungsarbeit unabdingbar.“
Für denselben Tag ist die Verlegung von Stolpersteinen im Bereich der Goethestraße und Düsseldorfer Straße im Ausschuss für Stadtplanung angekündigt worden (wir berichteten), Vier Personen lebten hier, wurden jedoch einst von den Nationalsozialisten deportiert: Gustav Simson (Jahrgang 1903) kam am 22. Mai 1944 im Konzentrationslager Kauen ums Leben. In Auschwitz verliert sich die Spur von Auguste Hildegard Simson (Jahrgang 1906) und Wilhelm Feodor Simson (Jahrgang 1902). Fanny Simson (Jahrgang 1905) starb vermutlich in Riga. Die vier Steine lagen über mehrere Jahre im Baubetriebshof. Grund war der Umbau des Kreishauses.
Das Datum für beide Aktionen ist bewusst gewählt: Am 27. Januar 1945 befreiten Soldaten der Roten Armee die Überlebenden des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau, des größten Vernichtungslagers des NS-Regimes. In Deutschland wird seit 1996 an diesem Tag auf Anregung des damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog an die Verbrechen und alle Opfer der NS-Herrschaft erinnert. Seit 2005 ist es auch der internationale Holocaust-Gedenktag der Vereinten Nationen.
(elk am)
https://rp-online.de/


Sachsen
Gedenken an Deportationen in Nazi-Zeit an Bahnhof in Dresden

16.01.2025, 19:03 Uhr
(Foto: Robert Michael/dpa-Zentralbild/d)
Das jährliche Dresdner Gedenken ist mehr als die Erinnerung an die Zerstörung der Stadt am Ende des Zweiten Weltkriegs. Im Fokus stehen immer auch Orte nationalsozialistischer Gewalt.
Dresden (dpa/sn) - Die Stadt und Dresdens jüdische Gemeinden erinnern auch in diesem Jahr an die Deportationen jüdischer Mitbürger aus der Region im Nationalsozialismus. Am kommenden Dienstag ist dazu eine öffentliche Gedenkveranstaltung für die Opfer der Schoah am Alten Leipziger Bahnhof geplant, von dem 1942 und 1943 die Züge direkt ins Lager Riga in Lettland abfuhren. Dabei steht nach Rathausangaben auch die künftige Vision für den authentischen Ort im Mittelpunkt.
Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch (Linke) sieht es laut Mitteilung als historische Verantwortung, derer zu gedenken, die vor den Augen der Stadtbevölkerung deportiert wurden. Dieser Tag erinnere "an die unvorstellbaren Gräueltaten der NS-Diktatur und die unfassbaren Schicksale, die mit den Deportationen verbunden sind." Er mahne zugleich, "eine klare Haltung gegen Antisemitismus, Rassismus und jede Form von Menschenfeindlichkeit einzunehmen".
Nach einem Stadtratsbeschluss soll auf dem Areal mit erhaltenem Bahnhofsgebäude ein Gedenk- und Erinnerungsort entstehen, inklusive jüdischem Kultur- und Begegnungszentrum. Es ist nach Ratshausangaben einer der Täter- und Opferorte aus der Zeit des Nationalsozialismus im Stadtgebiet, die mit Skulpturen oder Stelen versehen und inhaltlich aktuell beschrieben werden.
Stadt macht auf weitere Gedenkorte aufmerksam
Dazu gehört auch der sogenannte Ehrenhain für Kämpfer gegen Faschismus und die Verfolgten des Naziregimes, der immer wieder Gegenstand von Diskussionen ist wegen der Gleichsetzung der Zerstörung Dresdens mit Nazi-Verbrechen.
Auch eine Fläche in den Hellerbergen, wo sich ein Zwangsarbeiterlager befand, und einer der ehemaligen Kasernenflügel in Hellerau, die Ausbildungsstätte für SS- und Wehrmachtsoffiziere waren, sollen bezeichnet werden auf der Basis aktueller Forschungen.
Quelle: dpa
https://www.n-tv.de/


"Heute ist das Gestern von morgen" aus The HISTORY Channel
"Immunsystem unserer Demokratie": Doku zeigt, wie Erinnerungskultur heute funktioniert

14.01.2025  Lesedauer: 3 Min
teleschau - Elisa Eberle
"Heute ist das Gestern von morgen"
Bildunterschrift
+5 Bilder
Foto: Michael Kalb Filmproduktion / The HISTORY Channel
Wie kann die Erinnerung an den Holocaust gelingen, wenn alle Überlebenden tot sind? Diese Frage diskutiert der sehenswerte Dokumentarfilm "Heute ist das Gestern von morgen" am Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus beim Pay-TV-Anbieter The HISTORY Channel.
Acht Jahrzehnte sind vergangen, seit die Alliierten Deutschland vom Nationalsozialismus befreiten. Die meisten Zeitzeugen sind inzwischen gestorben. Das Gedenken der Opfer lebt jedoch weiter und ist in Zeiten, in denen in Europa abermals Krieg herrscht, und in denen Hass, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit an Kraft gewinnen, vielleicht wichtiger denn je. The HISTORY Channel zeigt am Montag, 27. Januar, dem Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, deshalb gleich vier Dokumentationen zum Thema. Los geht es mit der deutschen TV-Premiere von "Heute ist das Gestern von morgen" um 20.15 Uhr.
Der Titel ist ein Zitat aus dem Gedicht "An die, die zögern zu fragen" der 2024 verstorbenen Holocaust-Überlebenden Batsheva Dagan: "Fragt heute", heißt es darin: "denn heute / ist das Gestern / von morgen". Tatsächlich ist der unvermeidbare Tod der letzten noch lebenden Holocaust-Überlebenden die wohl größte Herausforderung, mit der sich die Verantwortlichen von Gedenkstätten derzeit konfrontiert sehen, wie Filmemacher Jonas Neumann betont: "Sie sind nicht zu ersetzen, und diese Lücke ist spürbar und kann Sorge bereiten. Es ist meine Überzeugung, dass die Erinnerung und damit auch das Immunsystem unserer Demokratie nur dann intakt bleiben, wenn eben auf breiter Basis immer wieder unsere Vergangenheit - und damit die Lehren fürs Heute - betont werden. Dafür sind die Gedenkorte an den früheren Verbrechensorten unabdingbar, aber auch nicht genug. Es braucht immer frische Ideen, Initiativen, Projekte, Diskussionen und solidarischen Einsatz."
Über den Alltag einer wichtigen Arbeit
Wie die Erinnerungskultur heute aussieht, zeigt der Film unter anderem am Beispiel der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Dachau, in dem der Urgroßvater des Filmemachers selbst einst inhaftiert war: In den oft recht unaufgeregten Szenen des 82-minütigen Films sieht man Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter organisatorische Telefonate oder Videocalls führen, mit einem der letzten, hochbetagten Zeitzeugen zu Vorträgen an Schulen fahren oder auch mal Pavillons als Schutz gegen den Regen aufbauen. Die Selbstverständlichkeit, mit der fast schon banale Alltagsszene wie diese mit den zutiefst berührenden Erzählungen der Holocaust-Überlebenden gepaart werden, ist eine besondere Stärke des Films.
Gedreht wurde "Heute ist das Gestern von morgen" im Zeitraum von Januar 2022 bis Januar 2023. Der Überfall der Hamas auf Israel im Oktober 2023 spielt somit keine Rolle, wohl aber der von Putin im Februar 2022 verübte Angriffskrieg auf die Ukraine: "Ich habe diesen Krieg überlebt, und zwar im Ghetto der Stadt Scharhorod im Bezirk Winniza", erinnert sich der ukrainische KZ-Überlebende Boris Zabarko im Film an den Zweiten Weltkrieg: "Es war eine schreckliche Katastrophe, für mich und all die anderen. Und jetzt erlebe ich eine neue Katastrophe: Ich bin Zeuge, wie ein Land das meine überfällt - und wieder Tränen, wieder Blut, wieder Zerstörung, wieder großes Unglück für sehr viele Menschen in meiner Heimat auch in Russland und anderen Ländern Europas." Er betont: "Für mich ist das eine große Katastrophe, dass wir, die den Holocaust und den Weltkrieg überlebt haben, einen erneuten Krieg nicht verhindern konnten. Die Menschheit hat weder aus dem Holocaust noch aus dem Zweiten Weltkrieg Lehren gezogen."
"Es müssen Orte der Begegnung werden"
"Heute ist das Gestern von morgen" vermittelt einen spannenden Einblick in die unverzichtbare Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gedenkstätte und darüber hinaus, etwa wenn gezeigt wird, wie zukünftige Guides zur verbalen Präzision für ihren Einsatz auf dem KZ-Gelände geschult werden. Auf die Frage, wie die Erinnerungskultur im KZ Dachau in Zukunft aussehen könnte, liefert letztlich Andrea Heller vom Förderverein für internationale Jugendbegegnung und Gedenkstättenarbeit in Dachau eine spannende Antwort: "Wir können nicht das einfach weiter nur als Kranzabwurfstelle benutzen, um an ein paar Gedenktagen hier die üblichen Rituale durchzuziehen, sondern eigentlich müssen es Orte der Begegnung werden, wo sich Menschen austauschen, über das Thema reden." Wie zum Beiweis sieht man den heute 89-jährigen Boris Zabarko in einer der letzten Szenen des Films mit jungen Menschen auf dem einstigen KZ-Gelände Tischtennis spielen.
Direkt im Anschluss an "Heute ist das Gestern von morgen" zeigt The HISTORY Channel eine weitere Doku als deutsche TV-Premiere: In "Willem & Frieda - Widerstand gegen die Nazis" (21.45 Uhr) erzählt der britische Schauspieler Stephen Fry die Geschichte des niederländischen Malers Willem Arondeus und der niederländischen Cellistin Frieda Belinfante, die tausenden Juden mit gefälschten Pässen das Leben retteten. Im weiteren Verlauf des Abends wiederholt der Pay-TV-Sender die Doku "Die Befreier" (23.10 Uhr) über die Befreiung des KZ Dachau aus dem Jahr 2015 und "Die letzten Zeitzeugen" (0.10 Uhr) aus dem Jahr 2020. Auf HISTORY Play sowie bei WOW/Sky stehen die beiden neuen Dokus ab dem Erscheinungstag, die anderen beiden bereits vorab zum Abruf bereit.
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Lebensunwert - Auf den Spuren des NS-Vernichtungsprogramms

Stand: 14.01.2025, 22:45 Uhr
MENSCHEN HAUTNAH -WDR: „Für mich ist es eine Gratwanderung. Wie gehe ich an dieses Thema ran, wie spiele ich das?“ Gabriele Wermeling soll sich als Schauspielerin in dem neuen Stück ihrer Theatergruppe der Geschichte der Tötungsanstalt Grafeneck stellen.
Hier, in der Nähe von Reutlingen, ermordeten Nationalsozialisten 1940 insgesamt 10.654 Menschen, die unter den Begriff „lebensunwert“ fielen, in einer Gaskammer.
Die Opfer kamen aus ganz Deutschland, denn Grafeneck war Teil eines Pilotprojektes. Hier erprobten die Nationalsozialisten das systematische, industrielle Töten zum ersten Mal, bevor es später im großen Ausmaß in Ausschwitz und in anderen Lagern angewendet wurde.
Blumen für Gedenkstätte Grafeneck Mitglieder des inklusiven Ensembles des Theaters Reutlingen „Die Tonne“ legen Blumen an der Gedenkstätte Grafeneck nieder.
Gabriele Wermeling kämpft mit wiederkehrenden Psychosen und auch die anderen Schauspielerinnen und Schauspieler des Ensembles „Die Tonne“ haben psychische, körperliche oder geistige Beeinträchtigungen. Und so ist das neue Stück der Theatergruppe für alle aufgrund seines Themas eine Herausforderung. Gabriele Wermeling will ihre Rolle dennoch „frei von Angst spielen“.
Der Film begleitet die inklusive Gruppe des Theaters Reutlingen über zwei Jahre mit der Kamera bei der Entstehung und Aufführung des Straßentheaterstücks. Dabei gibt er zugleich tiefe Einblicke in das Leben von Seyyah Inal, Anne-Kathrin Killguss und Gabriele Wermeling. Die Darstellerinnen und Darsteller erleben in der Auseinandersetzung mit dem Thema, wie ihr Schicksal vor circa 80 Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgesehen hätte. Ausgelöst durch die Beschäftigung mit Grafeneck stellen sich für sie Fragen nach ihrer gesellschaftlichen Anerkennung im Hier und Heute, nach der Wertschätzung ihrer Arbeit bis hin zur Rolle in der eigenen Familie. Denn auch im Privaten ringen sie oft darum, „für voll genommen“ zu werden.
Die Gedenkstätte GrafeneckDie Gedenkstätte Grafeneck
"Lebensunwert“ ist eine berührende Dokumentation über die persönliche Auseinandersetzung mit dem Holocaust. Zugleich zeigt der Film, dass die Frage nach dem Wert, den wir dem Leben zumessen, aktueller denn je ist.
Redaktion: Maik Bialk
Autorinnen: Yvonne Lachmann und Nora Mazurek
https://www1.wdr.de/


Arzt mit NS-Vergangenheit
Frankfurter Uniklinik ändert umstrittenen Namen von Hörsaal

Das Uniklinikum Frankfurt würdigte jahrelang einen Mediziner trotz seiner Verstrickungen in NS-Verbrechen mit dem "Franz-Volhard-Hörsaal". Nun hat das Krankenhaus eine Umbenennung des Saals angekündigt.
Anikke Fischer
Von Anikke Fischer
Veröffentlicht am 12.01.25 um 13:25 Uhr
Drei Fotos liegen weiß umrandet leicht übereinander auf einer mittelblauen Fläche: Außenansicht Gebäude Klinikum Frankfurt - s/w-Portrait Franz Volhard - Detailfoto Hörsaal-Eingang mit Schild
Der umstrittene Mediziner wurde als Namensgeber eines Hörsaals geehrt. Bild © Franz Volhard - Familienbesitz, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=136963980, hr / Anikke Fischer, hessenschau.de
Der Namen des umstrittenen "Franz-Volhard-Hörsaals" am Universitätsklinikum Frankfurt soll geändert werden. Das teilte das Haus dem hr auf Anfrage mit.
Volhard, der ehemalige Direktor der Frankfurter Uniklinik, soll in NS-Verbrechen involviert gewesen sein. Der hr hatte im Juni vergangenen Jahres darüber berichtet. Der Mediziner starb im Jahr 1950 in Frankfurt.
Audiobeitrag

    Audio 00:36 Min. |12.01.25|Pia Stenner

"Franz-Volhard-Hörsaal" der Uniklinik Frankfurt soll umbenannt werden
00:0000:36
Bild © hessenschau.de| zur Audio-Einzelseite
Ende des Audiobeitrags
Neuer Hörsaal-Name noch unbekannt
Nach Beratungen mit einem Medizinhistoriker habe sich der Vorstand des Universitätsklinikums für die Umbenennung entschieden, so ein Sprecher. Die Umsetzung werde aktuell vorbereitet.
Wann diese genau erfolgen soll und wie der neue Name des Hörsaals lauten soll, teilte die Klinik nicht mit.
Tödliche Experimente ermöglicht
Professor Franz Volhard, ehemaliger Direktor der Frankfurter Uniklinik, erlangte einst als Ausnahmemediziner Weltruhm. Der Internist galt noch bis ins Jahr 2022 als "Papst für Herz- und Nierenkrankheiten".
Dabei war Volhards Beteiligung an Verbrechen der Nazizeit seit langem bekannt. Schon 2019 legten Historiker Rechercheergebnisse vor, wonach Volhard in den 1940er Jahren rechtswidrige medizinische Experimente mit einem nicht zugelassenem Tuberkulosemedikament an Kindern durch den Nazi-Arzt Werner Catel gerechtfertigt hatte. Volhard, ein Förderer Catels, entlastete seinen Schützling damals in einem Gutachten.
Historische Schwarz-Weiß-Aufnahme von Kindern, die in Krankenbetten auf einem Balkon liegen
Studie vorgelegt
Unternehmen und Behörden deckten Nazi-Arzt Werner Catel
Zum Artikel
Im Zuge dessen konnte Catel bis in die 1950er Jahre hinein seine tödlichen Experimente an der Landeskinderheilstätte Mammolshöhe in Königstein (Hochtaunus) fortführen.
Nephrologen distanzierten sich von Volhard - die Uniklinik zunächst nicht
Für die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie (DGfN), die Nierenheilkundler, waren die Erkenntnisse zum Verhalten Volhards Grund, sich im Jahr 2023 von ihm zu distanzieren: Ihre beiden höchsten Dotierungen, die bis dahin "Franz-Volhard-Medaille" und der "Franz-Volhard-Preis" hießen, erhielten neue Namen.
In der Frankfurter Uniklinik wurde Volhard trotz Kenntnissen über dessen Verstrickungen mit der Benennung eines Hörsaals und einer Büste gewürdigt. Nach der Berichterstattung des hr hatte die Klinik eine Aufarbeitung des Falls angekündigt.
Quelle: hessenschau.de
https://www.hessenschau.de/


Faktencheck: Vance' Aussage über AfD und Nazis ist falsch

PolitikDeutschland
Kathrin Wesolowski
04.01.2025
Ist die AfD vor allem dort erfolgreich, wo die Menschen früher den Nazis Widerstand leisteten? Das behauptet der designierte US-Vizepräsident JD Vance. Doch stimmt das wirklich? Ein Faktencheck.
JD Vance spricht in ein Mikrofon. Hinter ihm steht Donald Trump. Dahinter US-Flaggen.
Hier steht mal die zukünftige Nr. 2 vor der zukünftigen Nr. 1: JD Vance spricht, Donald Trump hört zu.Bild: Joe Marino/UPI Photo/IMAGO
Erst Elon Musk, nun JD Vance: Mächtige Männer der USA sprechen sich vor der anstehenden Bundestagswahl in Deutschland für die in Teilen rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD) aus. Dabei polarisieren Elon Musk, reichster Mann der Welt, und JD Vance, designierter US-Vize-Präsident und damit demnächst Vertreter Donald Trumps als US-Präsident, mit ihren Aussagen.
Aktuell kritisiert Vance nicht nur amerikanische Medien, die die AfD als Nazi-nah bezeichnen - er behauptet auch, dass die rechtspopulistische Partei in den Gegenden Deutschlands am beliebtesten sei, in denen der Widerstand gegen die Nazis am größten gewesen sei. Aber stimmt das wirklich?
Behauptung: In einem Post auf X(hier archiviert), der mehr als fünf Millionen Mal aufgerufen wurde, behauptet JD Vance, dass amerikanische Medien die AfD als Nazi-nah verleumden würden und schreibt außerdem: "Die AfD ist in den Regionen Deutschlands am beliebtesten, die den meisten Widerstand gegen die Nazis leisteten."
DW-Faktencheck: Falsch.
02.01.2025 | Screenshot aus X.COM von "JD Vance"02.01.2025 | Screenshot aus X.COM von "JD Vance"
JD Vance liefert keinerlei Belege für seine AussageBild: X/JD Vance
Diese Behauptung ist falsch. Wahlergebnisse und wissenschaftliche Studien über geografische Zusammenhänge von Wahlverhalten legen eher das Gegenteil nahe, doch dazu später mehr.
Zunächst stimmt es, dass US-amerikanische Medien wie beispielsweise die New York Times oder auch Fox News die AfD zum Teil mit dem Nationalsozialismus in Verbindung bringen. Das liegt auch daran, dass die AfD zum Teil selbst nationalsozialistische Parolen verwendet. 2021 wurde der AfD-Politiker Björn Höcke, der ehemals als Geschichtslehrer arbeitete, beispielsweise dafür verurteilt, öffentlich die nationalsozialistische und damit verbotene Parole "Alles für Deutschland" verwendet zu haben.
Zudem gelten einige Landesverbände sowie die Jugendorganisation der AfD als gesichert rechtsextrem sowie die gesamte Partei als rechtsextremer Verdachtsfall. Alice Weidel, Parteivorsitzende der rechten Partei, bezeichnete den 8. Mai, also den Jahrestag der Befreiung Deutschlands von den Nazis, als Niederlage des eigenen Landes
Nahaufnahme: Björn Höcke im Thüringer LandtagNahaufnahme: Björn Höcke im Thüringer Landtag
Björn Höcke ist Vorsitzender der AfD-Fraktion im Thüringer LandtagBild: dts-Agentur/picture alliance
Die AfD ist vor allem in Ostdeutschland beliebt
Nun behauptet der angehende Vize-Präsident der USA JD Vance, dass die AfD gerade in den Regionen Deutschlands beliebt sei, die den Nazis am meisten Widerstand geleistet hätten. Einen Beleg dafür liefert er allerdings nicht - und seine Behauptung ist auch falsch, wie unsere Recherchen zeigen.
Die meisten aktuellen Umfragen vor der anstehenden Bundestagswahl 2025 beziehen sich auf die gesamtdeutsche Stimmung und schauen nicht auf die Stimmung einzelner Regionen. Bei der vergangenen Bundestagswahl 2021 ging die AfD in Teilen Thüringens, Sachsen-Anhalts und Sachsens als Wahlsiegerin hervor, was die Zweitstimmen angeht. Die Zweitstimmen bestimmen, wie viele Sitze eine Partei im Deutschen Bundestag erhält. Insgesamt war sie besonders in den sogenannten neuen Bundesländern (Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen), also Ländern der ehemaligen DDR, stark.
Ein ähnliches Bild ergibt sich, wenn man sich die Wahlergebnisse Deutschlands für die Europawahl im Juni 2024 ansieht. Auch hier war die AfD vor allem in Ostdeutschland erfolgreich. In Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen hatte die AfD mindestens 27 Prozent der Stimmen und somit den größten Stimmanteil in diesen Bundesländern. Deutschlandweit erhielt die AfD 15,9 Prozent der Stimmen.
Auch bei den vergangenen Landtagswahlen dieser zuvor genannten Bundesländer war die AfD besonders stark.
Warum die Behauptung von JD Vance falsch ist
Aber waren genau diese Regionen, in denen die AfD besonders beliebt ist, auch besonders widerständig im Nationalsozialismus, wie JD Vance behauptet? Adolf Hitlers Partei, die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP), kam 1933 an die Macht. In der letzten Reichstagswahl vor seiner Machtübernahme, nämlich am 6. November 1932, war die NSDAP mit 33,1 Prozent stärkste Kraft.
Schaut man auf die Wahlergebnisse der Regionen im November 1932, so bekam die NSDAP in weiten Teilen Deutschlands die meisten Stimmanteile, so auch im Osten Deutschlands und auch in den Regionen, in denen heutzutage viele Menschen die AfD wählen – aber auch in vielen anderen Regionen Deutschlands.
Forschungsergebnisse widersprechen JD Vance' Aussage
In der Reichstagswahl im März 1933 war die NSDAP noch stärker und bekam in den meisten Wahlkreisen die meisten Stimmen, wobei Nord- und Ostdeutschland die Hochburgen darstellten. Diese Wahl wird historisch aber als unfrei bezeichnet, da die NSDAP und ihre Anhänger Wählende massiv einschüchterten, zum Teil auch mit Gewalt.
Die Behauptung von JD Vance, dass die Regionen, in denen die AfD beliebt ist, im Nationalsozialismus besonders widerständig waren, ist also falsch.
"Unsere Forschungsergebnisse widersprechen dieser Aussage konkret", erklärt auch Felix Hagemeister, Co-Autor einer Studie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, im DW-Interview. Für die bisher noch unveröffentlichte Studie, aus der aber Auszüge schon öffentlich sind, analysierten die Autoren geografische Zusammenhänge zwischen Gemeinden, in denen viele die AfD wählen, und Gemeinden, die 1933 die NSDAP stark unterstützten und im März 1933 wählten.
In Ostdeutschland ist der geografische Zusammenhang besonders ausgeprägt
Geografisch gesehen habe es 1933 eine hohe Wahlunterstützung für die NSDAP in den Gemeinden gegeben, in denen auch heute die AfD stärker unterstützt werde, sagt Hagemeister. "Falsch wäre es da von einer Kausalität zu sprechen", betont Hagemeister jedoch. Es gehe eher um eine Kontinuität, rechte Tendenzen von Generation zu Generation weiterzugeben. "Es gibt Forschung, die zeigt, dass Kinder dazu tendieren, Einstellungen ihrer Eltern zu übernehmen", fügt er hinzu.
In Ostdeutschland ist dieser geografische Zusammenhang zwischen Gemeinden, in denen damals die NSDAP stark gewählt wurde und heute die AfD, besonders ausgeprägt. Aber auch im Westen Deutschlands lässt sich der Zusammenhang feststellen.
Alice Weidel steht am Rednerpult und spricht in ein MikrofonAlice Weidel steht am Rednerpult und spricht in ein Mikrofon
Alice Weidel tritt bei der kommenden Bundestagswahl für die AfD als Kanzlerkandidatin anBild: Ebrahim Noroozi/AP Photo/picture alliance
Dennoch ist Vorsicht geboten, wenn es darum geht, Wahlergebnisse der 1930er Jahre mit denen von heute zu vergleichen, gerade wenn es um die NSDAP und die AfD geht. Es sollte nicht darum gehen, Wähler der AfD mit Wählern der NSDAP vor über 80 Jahren sowie die beiden Parteien zu vergleichen, schreibt beispielsweise der Autor Christian Booß für die Bundeszentrale für politische Bildung.
Eine Analyse von 2024 zeigt beispielsweise auf, dass der AfD-Stimmenanteil zum Teil auch durch sozioökonomische Unterschiede bedingt ist - also durch Lebensumstände der Menschen in bestimmten Regionen, die zum Teil deren Wahlverhalten beeinflussen. Zudem seien auch kulturelle und ideologische Merkmale relevant.
Mitarbeit: Torsten Neuendorff
DW Fact Checking-Team | Kathrin WesolowskiDW Fact Checking-Team | Kathrin Wesolowski
Kathrin Wesolowski Reporterin und Faktencheckerin zu politischen, gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Themen
wiesokate

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Stolpersteine - Gegen das Vergessen
Es geschah in der Nachbarschaft

12.12.2024  Lesedauer: 1 Min
teleschau - Wilfried Geldner
Stolpersteine - Gegen das Vergessen
Bildunterschrift
Foto: Guido Schweren / WDR
"Hier wohnte" steht auf einer Messingplatte, danach das Datum der Geburt, der Deportation und der Ermordung. 1993 verlegte der Künstler Gunter Demnig in Köln erstmals einen "Stolperstein". Inzwischen gibt es 100.000 in 30 Ländern. Sie bringen die Schicksale von Verfolgten und Ermordeten näher als abstrakte Zahlen, wie der WDR-Film von Marius Möller überzeugend anschaulich macht.
"Jeder Stein erinnert an ein im Nationalsozialismus zerstörtes Leben", sagt der Konzeptkünstler Gunter Demnig, der in den frühen 90-ern die Idee hatte, mit in den Boden eingelassenen Erinnerungssteinen an die vergessenen Opfer des Naziterrors zu erinnern. Die Anfänge waren schwierig, es gab Widerstand, Städte und Gemeinden sperrten sich aus unterschiedlichen Gründen. Doch inzwischen hat das Konzept der "Stolpersteine", das die Auseinandersetzung der Nachkommen und Nachbarn mit persönlichen Schicksalen anregen soll, Erfolg. Das zeigt die so informative wie lebendige Dokumentation von Marius Möller (WDR / ARTE).
"Hier wohnte ...", so beginnen die in Messingplatten gravierten Aufschriften vor Häusern, in denen einst Deportierte und Ermordete wohnten - Juden zumeist, aber auch Sinti und Roma, Euthanasie-Opfer und politisch Verfolgte. Weiter werden der Name des früheren Bewohners sowie das Datum der Deportation und des Todes genannt. Es ist die Alltäglichkeit des Geschehens, die hier ins Bewusstsein zurückgeholt wird. Nicht nur der Opfer wird gedacht, frühere Mitbewohner und Nachbarn werden einbezogen.
"Nicht der Stein ist das Kunstwerk", sagt Demnig, sondern die Auseinandersetzung damit. Statt abstrakter Trauer soll die Nähe zu den Opfern hergestellt werden. Immer mehr Angehörige wollen inzwischen mit "Stolpersteinen" an ihre Vorfahren erinnern. Inzwischen gibt es über 100.000 Denksteine - Betonklötze mit Messingplatte - in 30 Ländern, in Deutschland und Holland die meisten. Frankreich sperrte sich lange, das Land hat eine andere Gedenkkultur, sie blieb dort lange staatlich verordnete Pflicht.
Mit kurzen Archivbildern aus der NS-Zeit und - große Ausnahme - mit lebendigen Statements von engagierten Historikern wird im Film Zeitgeschichte lebendig. Nachkommen aus Kanada wollen in Frankfurt sich und andere an ihre ermordeten Vorfahren "Georg und Susi" erinnern, die einmal "ein Teil von Frankfurt" waren. Aber auch eine jüdische Widerstandskämpferin aus Berlin-Kreuzberg bekam jüngst einen Gedenkstein. Mit 14 war sie auf das Dach des Kaufhauses Hertie gestiegen, hatte den Spruch: "Nieder mit Hitler" aufgemalt und später eine Widerstandsgruppe gegründet. Bisher hatte es keine Erinnerung an sie gegeben.
Auch, wenn sich manche Städte und Gemeinden sträuben, Erinnerungssteine auf öffentlichem Grund zuzulassen und die Verantwortung lieber ins Private verschieben, ist mit ihnen doch der Anfang für eine neue, mehrere Generationen übergreifende "Erinnerungskultur" gemacht. Letztlich plädiert auch diese Doku selbst für ein neues, anderes Erinnern, das sich nicht nur aus Zahlen, aus Schuld und Sühne speist, sondern aus persönlichem Interesse.
Stolpersteine - Gegen das Vergessen - Do. 23.01. - ARTE: 21.05 Uhr
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80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs
So gedenkt Leverkusen der Opfer der Nationalsozialisten

Leverkusen · „Gegen das Vergessen“ heißt eine Fotoschau, die für Mai in Wiesdorf geplant ist. Zum Holocaustgedenktag am Montag, 27. Januar, gibt es vorab Ausschnitte zu sehen. Gegen das Vergessen sind an dem Tag auch Landrat-Lucas-Schüler aktiv.
22.01.2025 , 15:00 Uhr 2 Minuten Lesezeit

Das Säubern der Stolpersteine in der Fußgängerzone, wie hier im vergangenen Jahr, hat am Landrat-Lucas-Gymnasium Tradtion.

Das Säubern der Stolpersteine in der Fußgängerzone, wie hier im vergangenen Jahr, hat am Landrat-Lucas-Gymnasium Tradtion.

Foto: Miserius, Uwe (umi)

Der 27. Januar ist im Schulkalender des Landrat-Lucas-Gymnasiums in jedem Jahr besonders markiert. Weil er seit 1996 ein gesetzlich verankerter Gedenktag hierzulande ist. An dem Tag vor 80 Jahren wurde das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau befreit. Seit 2005 ist der 27. Januar auch der „Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust“.

Aber auch, weil Schüler des Gymnasiums in Opladen das Gedenken an dem Tag Jahr für Jahr ganz praktisch umsetzen. So wird der Geschichte-Leistungskursus der Stufe Q1 am kommenden Montag die zur Erinnerung an ehemalige jüdische Mitbürger gelegten Stolpersteine in der Opladener Fußgängerzone reinigen. Zunächst an der Kölner Straße 15 und 22 die Steine der Familien Joseph und Benjamin, dann den für Peter Neuenheuser an der Aloysiuskapelle und die Stolpersteine für die Familie Salomon an der Kölner Straße 54.

Für den frühen Abend lädt die Volkshochschule (VHS) ein. Ab 18 Uhr findet in der Galerie des Forums in Wiesdorf die städtische Gedenkveranstaltung statt, die die VHS ausrichtet. „Zu diesem Anlass präsentiert sie einen Ausschnitt der Ausstellung ,Gegen das Vergessen‘ des renommierten Fotografen Luigi Toscano“, informieren Stadt und VHS.

Die Hauptausstellung wird im Mai auf dem Vorplatz des Forums zu sehen sein. Am Holocaustgedenktag am kommenden Montag wird es „eine Preview zu diesem Erinnerungsprojekt geben, bei der Max Martin vom Team Luigi Toscano in die Ausstellung einführen wird. Jeannine Engelen und Julian Hilgert werden die Veranstaltung musikalisch begleiten“, kündigt die VHS an.

So prüfen Mieter die Neben­kosten­abrechnung
Weil die Platzzahl in der Galerie begrenzt ist, bittet die Volkshochschule um eine Anmeldung unter info@vhs-leverkusen.de oder telefonisch unter 0214 406-4181. Wer es am 27. Januar nicht schafft, das Forum zu besuchen: Die Vorschau zur Hauptausstellung ist bis zum 9. Februar in der Galerie des Forums zu den Öffnungszeiten des Forums (montags bis freitags jeweils 10 bis 13 Uhr) zu sehen.
(LH fbu)
https://rp-online.de/


Staatspreis des Landes Nordrhein-Westfalen an Die Toten Hosen verliehen

Die Toten Hosen sind Kult. Ihre Musik begeistert Millionen, ihr Engagement für Menschlichkeit und Demokratie ist herausragend. Ministerpräsident Hendrik Wüst hat die Düsseldorfer Band mit dem Staatspreis ausgezeichnet. „Die Toten Hosen machen unser Land zu einem besseren Ort“, so Wüst zur Preisverleihung.
30.10.2024
Gruppenfoto auf dem Roten Teppich
Foto: Land NRW / Bernd Thissen
Ministerpräsident Hendrik Wüst hat am Mittwoch, 30. Oktober 2024, den Staatspreis des Landes Nordrhein-Westfalen im Düsseldorfer Apollo Varieté an Die Toten Hosen verliehen und damit ihr jahrzehntelanges soziales und gesellschaftliches Engagement geehrt.
Der Ministerpräsident über die Rockband: „Die Toten Hosen gehören zum reichen kulturellen Erbe unseres Landes und sind herausragender Teil jüngerer Musik-Geschichte. Sie sind Kult in Deutschland und darüber hinaus. Ihre Musik begeistert seit mehr als 40 Jahren Millionen von Menschen – über Generationen und alle sozialen Unterschiede hinweg. Ihre Musik bewegt, weil sie vom Leben erzählt. Von Hoffnungen, vom Scheitern und vor allem: vom Wiederaufstehen.“

    30.10.2024
    Staatspreis des Landes Nordrhein-Westfalen an Die Toten Hosen verliehen
    Den Staatspreis erhielten die Toten Hosen nicht nur wegen ihrer Musik, sondern auch wegen ihres großen sozialen Engagements. Der Text auf der Urkunde lautet: „Der Staatspreis des Landes Nordrhein-Westfalen 2024 wird Andreas Frege (Campino), Andreas von Holst (Kuddel), Michael Breitkopf (Breiti), Andreas Meurer (Andi), Stephen George Ritchie (Vom) als „Die Toten Hosen“ verliehen für ihren prägenden Einfluss durch ihre Musik auf den gesellschaftlichen Diskurs und die kulturelle Landschaft in Nordrhein-Westfalen und für ihr jahrzehntelanges soziales und gesellschaftliches Engagement.“
    Rund 300 Gäste kamen zur Verleihung des Staatspreises in das Apollo Varieté am Rheinufer in Düsseldorf, darunter viele persönliche Gäste der Toten Hosen. Die Laudatio auf die Preisträger hielt auf Wunsch der Toten Hosen der Düsseldorfer Starregisseur Wim Wenders, der der Band seit vielen Jahren eng verbunden ist. 1999 lernten sich Wenders und Die Toten Hosen bei Dreharbeiten zu einem Musikvideo kennen, daraus entstanden viele weitere Kollaborationen.
    Die Band positioniert sich seit vielen Jahren gegen Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und rechtsextreme Gewalt und unterstützt Menschen in Armut und schwierigen sozialen Lagen. Sie engagiert sich in der Entwicklungs-, Flüchtlings-, und Obdachlosenhilfe. Als Reaktion auf das schwere Erdbeben in der Türkei und Syrien im Februar 2023 haben Die Toten Hosen innerhalb weniger Tage ein Benefizkonzert für die Opfer der Katastrophe organisiert.
    „Es sind ‚Tage wie diese‘, die uns in Erinnerung bleiben sollen“, so Ministerpräsident Wüst bei der Verleihung. „Es sind aber vor allem ‚Menschen wie diese‘. Menschen wie diese fünf Männer und ihr Team, deren Einsatz für eine bessere Gesellschaft wir uns zum Vorbild nehmen sollten. Musiker, die bei allem Erfolg und Ruhm nie vergessen haben, was wirklich zählt im Leben. Die sich unermüdlich für Menschen einsetzen, die Hilfe brauchen. Die Menschen in Not unter die Arme greifen und für ihre Würde kämpfen. Die Toten Hosen machen unser Land zu einem besseren Ort mit ihrem Einsatz für die Werte, die unsere Gesellschaft tragen“, so der Ministerpräsident weiter.
    Rede von Ministerpräsident Hendrik Wüst MdL
    anlässlich der Verleihung des Staatspreises des Landes Nordrhein-Westfalen
    an Die Toten Hosen
    am 30. Oktober 2024
    Es gilt das gesprochene Wort!
    Ich bin mir sicher, dass viele zustimmend nicken, wenn ich von folgendem Phänomen erzähle: Sie sitzen im Auto, sind so in Gedanken, das Radio läuft und plötzlich kommt ein Lied, das Sie aufhorchen lässt. Ein Lied, das mit den ersten Takten direkt präsent ist, das Sie sofort in eine andere Welt, in eine andere Zeit versetzt.
    Dieses Lied haben Sie irgendwann mal für sich entdeckt, vor Tagen, Wochen, vor Jahren. Und seitdem ist es fest verknüpft mit einer konkreten Erinnerung. Das kann eine bestimmte Begegnung sein, ein Mensch, mit dem Sie das Lied verbinden. Das kann ein einzelner Tag sein, ein schöner Moment oder ein trauriger.
    Zu irgendeinem Zeitpunkt haben Sie dieses Lied das erste Mal gehört und seitdem gehört es ganz fest zu diesem konkreten Abschnitt Ihres Lebens. Immer wieder kommt mal ein solches Lied hinzu und so bildet sich über die Jahre eine ganz persönliche Playlist, der ganz persönliche Soundtrack zum eigenen Leben.
    Dieses Phänomen ist für mich mit das Schönste, was Musik mit uns machen kann. Und ich bin sicher, dass hier in diesem Saal einige Menschen sitzen, in deren persönlichem Soundtrack auch ein Lied der Toten Hosen dabei ist. Bei mir ist das jedenfalls so.
    Das mag für den Einen „Altes Fieber“ oder „Tage wie diese“ sein, für den Anderen vielleicht auch „Zehn kleine Jägermeister“ – das darf jeder für sich behalten.
    Heute sind wir hier, um Die Toten Hosen zu ehren – nicht nur wegen ihres musikalischen Erbes und Erfolgs, sondern vor allem wegen ihrer herausragenden Verdienste für unsere Gesellschaft. Das hört sich groß an – und so ist es auch. Später mehr.
    Wir ehren Die Toten Hosen mit dem Staatspreis des Landes Nordrhein-Westfalen, mit der höchsten Auszeichnung, die das Land vergibt. Der Staatspreis wurde 1986 zum 40. Geburtstag des Landes vom damaligen Ministerpräsidenten Johannes Rau gestiftet.
    Im Ministerialblatt des Landes Nordrhein-Westfalen vom 8. November 1986 ist festgehalten: „Der Staatspreis soll an Persönlichkeiten verliehen werden, die dem Land Nordrhein-Westfalen durch Werdegang und Wirken verbunden sind.“ Gewürdigt werden herausragende kulturelle, wissenschaftliche Leistungen oder herausragende Leistungen in anderen Lebensbereichen.
    1986 – da waren Die Toten Hosen schon längst im Ratinger Hof in Düsseldorf gegründet. Sie waren mit ihrem dritten Album „Damenwahl“ mit Liedzeilen unterwegs, die man am heutigen Tag nicht zwingend zitieren muss.
    Damals konnten sich die Bandmitglieder sicher vieles vorstellen, aber wohl kaum, dass sie einmal den Staatspreis erhalten würden. Geschweige denn, dass sie ihn annehmen würden.
    59 Frauen, Männer und Institutionen, die in Werk und Wirken mit dem Land Nordrhein-Westfalen verbunden sind, wurden bisher ausgezeichnet.
    Heute kommen fünf weitere hinzu: Andreas Frege, besser bekannt als „Campino“, Andreas von Holst, „Kuddel“, Michael Breitkopf, „Breiti“, Andreas Meurer, „Andi“, Stephen George Ritchie, „Vom“ – Die Toten Hosen. Herzlichen Glückwunsch.
    Eigentlich sind es sechs Preisträger, denn bis zum Jahr 2000 saß Wolfgang Michael Rohde, genannt „Wölli“, hinterm Schlagzeug. 2016 ist er an seiner schweren Krankheit verstorben. Heute denken wir auch an ihn und seinen großartigen Einsatz.
    Die Toten Hosen sind Kult, deutschlandweit und darüber hinaus. Ihre Musik begeistert seit mehr als 40 Jahren, Millionen von Menschen über Generationen und alle sozialen Unterschiede hinweg. Ihre Musik bewegt, weil sie vom Leben erzählt. Von Hoffnungen, vom Scheitern und vor allem: vom Wiederaufstehen.
    „Am Anfang war der Lärm“ – so ist die Biographie der Band überschrieben. In der Tat: Die Toten Hosen waren immer laut und sie sind laut. Und das in jeder Hinsicht. Sie sind laute Stimmen gegen Fremdenfeindlichkeit, gegen Antisemitismus, gegen rechtsextreme Gewalt. Die Toten Hosen finden immer wieder klare Worte gegen Ausgrenzung, Nationalismus und Egoismus.
    Campino ist in diesem Jahr an die Düsseldorfer Universität zurückgekehrt. Ich habe gelesen, Sie waren da als junger Mann mal eingeschrieben, konnten aber keine Vorlesung besuchen „aus terminlichen Gründen“. Tja, Termine, Termine. Das Problem kenne ich.
    Jetzt sind Sie als Gastprofessor zurückgekehrt und haben in einer Ihrer Vorlesung etwas gesagt, das ebenso wahr wie wichtig ist. Ich zitiere: „Wir stehen vor einer großen Aufgabe. Wir alle gegen die Dummheit. Da wird jede Stimme gebraucht.“
    Menschlichkeit und Menschenwürde, Freiheit und Demokratie, Solidarität, Zusammenhalt und Freundschaft – das sind die Kern-Werte unseres Landes. Und das sind genau die Werte, für die Die Toten Hosen einstehen. Danke, liebe Tote Hosen, dass Sie Ihre Stimme immer wieder klar, deutlich und laut erheben!
    Liebe Tote Hosen, Sie engagieren sich mit Ihrer Musik, mit Worten und genauso mit Taten. Sie erheben mit anderen Künstlern wie Bono, Bob Geldof und Herbert Grönemeyer Ihre „Stimme gegen Armut“ oder helfen Menschen am Rande der Gesellschaft ganz konkret – etwa Wohnungslosen.
    Sie haben zum Beispiel Verkäuferinnen und Verkäufern der Obdachlosenzeitung „fiftyfifty“ 10.000 Aufkleber geschenkt, die diese verkaufen konnten. Auch für Wohnungslose haben Sie Ihre laute Stimme erhoben – etwa als eine Supermarktkette es Obdachlosen untersagt hat, Zeitungen vor ihren Filialen zu verkaufen.
    Wenn Menschen in Notlagen geraten – zum Beispiel nach dem verheerenden Erdbeben im Frühjahr 2023 in der Türkei und Syrien – sind die Toten Hosen zur Stelle. Binnen weniger Tage haben Sie damals ein großes Benefizkonzert zugunsten der Opfer des schweren Erdbebens organisiert. Ich durfte dabei sein. Es war ein Abend der Zusammenhalt gestiftet und Mitgefühl geweckt hat. Mehr als 1,6 Millionen Euro an Spenden für die Erdbebenopfer sind zusammengekommen.
    Die Toten Hosen gehen mit wachen Augen durch die Welt. Sie unterstützen zahlreiche Organisationen, die sich dafür einsetzen, Menschen ein würdigeres Leben zu ermöglichen – in Düsseldorf, in Deutschland, auf der ganzen Welt. Die Toten Hosen sehen, wo Hilfe gebraucht wird und sie helfen. Die Toten Hosen sind fest verwurzelt in ihrer Heimat, unserem Land, in der Landeshauptstadt Düsseldorf. Ich weiß nicht, ob Sie das gerne hören: Sie gehören schon heute zu unserer Kulturgeschichte und Ihre Musik zum kulturellen Erbe unseres Landes. Erlauben Sie es mir, das heute zu sagen: Darauf sind wir sehr stolz.
    Ihre Verbundenheit zu Nordrhein-Westfalen, insbesondere zu Düsseldorf, zeigen Die Toten Hosen immer wieder. Sie sind eng verbunden mit der Düsseldorfer Feuerwehr, der die Band ein Lied gewidmet hat: 112. Sie sind Fans des rheinischen Karnevals, Fans der Düsseldorfer EG und große Fußball-Fans.
    Ihr Herz schlägt ganz besonders für die Fortuna hier in Düsseldorf. Nun denn, Erfolgs-Fans zu sein, den Vorwurf kann man Ihnen wahrlich nicht machen.
    Im Gegenteil: Sie haben die Fortuna auch durch die schwierigen Phasen der Vereinsgeschichte mitgetragen und immer wieder auch finanziell unterstützt. Legendär bleibt die Unterstützung des Transfers von Anthony Baffoe zur Fortuna. Lieber Anthony Baffoe, es heißt, seitdem gehört Ihr rechtes Bein quasi offiziell den Toten Hosen.
    Lassen Sie mich zum Ende noch ein kleines Geheimnis lüften, hoffentlich ohne dabei indiskret zu sein. Als ich Campino vor einigen Monaten angerufen habe, um der Band den Staatspreis anzutragen, sprachen wir auch kurz über Politik. Sie haben ausdrücklich die „Geräuschlosigkeit“ mit der wir in Nordrhein-Westfalen regieren, gelobt.
    Ich will ehrlich sagen: Als ich selbst angefangen habe, ein politischer Mensch zu werden und natürlich auch Die Toten Hosen mit lauten, politischen Texten gehört habe, hätte ich mir eine, eigentlich zwei Sachen kaum vorstellen können – dass ich einmal Ministerpräsident werden würde und Die Toten Hosen mich dann für „Geräuschlosigkeit“ loben.
    Danke, liebe Mona Neubaur, sehr geehrte Stellvertretende Ministerpräsidentin, dass wir das gemeinsam erleben dürfen.
    Ja, es sind „Tage wie diese“, die uns in Erinnerung bleiben sollen, die wir – und ganz besonders Sie, liebe Tote Hosen – genießen sollen. Aber was mir heute noch wichtiger ist:  Es sind vor allem „Menschen wie diese“. Menschen wie diese fünf Männer und ihr Umfeld und Team, deren Einsatz für eine bessere Gesellschaft wir uns zum Vorbild nehmen sollten.
    Musiker, die bei allem Erfolg und bei allem Ruhm nie vergessen haben, was wirklich zählt im Leben. Die sich unermüdlich für Menschen einsetzen, die Hilfe brauchen. Die Menschen in Not unter die Arme greifen und für ihre Würde kämpfen.
    Die Toten Hosen machen unser Land zu einem besseren Ort mit ihrem Einsatz für die Werte, die unsere Gesellschaft tragen.
    Vor knapp 40 Jahren haben sie gesungen: „Wir werden immer laut durchs Leben zieh'n. Jeden Tag in jedem Jahr“. Weiter heißt es: „Und wenn wir wirklich einmal anders sind ist das heute noch scheißegal“.
    Wie gesagt, es ist eher unwahrscheinlich, dass Die Toten Hosen der ersten Stunde den Staatspreis angenommen hätten. Umso dankbarer bin ich, dass sie es heute tun. Weil sie unser Land bereichern, weil sie – wie es im Ministerialblatt von 1986 steht – unser Land mit Werk und Wirken prägen, weil sie damit tatsächlich perfekt in die würdige Reihe der bisherigen Staatspreisträgerinnen und Staatspreisträger passen.
    Danke für Ihre Verdienste um unser Land Nordrhein-Westfalen. Danke für Ihr großes Engagement. Danke für Ihre Musik, die für viele von uns zum Soundtrack unseres Lebens gehört.
    https://www.land.nrw/



Sollen Straßennamen umbenannt werden? Darum ist Kassel hier Vorreiter

Stand:10.12.2024, 05:25 Uhr
Von: Matthias Lohr
Der Soemmerringplatz in Kirchditmold erinnert an den Anatomen Samuel Thomas von Soemmerring, der mit Arbeiten wie „Über die körperliche Verschiedenheit des Negers vom Europäer“ versuchte, den Rassismus wissenschaftlich zu begründen.
Ein belasteter Ort? Der Soemmerringplatz in Kirchditmold erinnert an den Anatomen Samuel Thomas von Soemmerring, der seit seinen Kasseler Studien als Mitbegründer des wissenschaftlichen Rassismus gilt. Auch darüber wird die Fachkommission in den nächsten zwei Jahren beraten. © Schachtschneider, Dieter
In Kassel wird seit Langem über Straßen diskutiert, deren Namensgeber historisch belastet sind. Nun arbeitet eine Kommission zu dem Thema. Auch hier wird es wohl hitzige Diskussionen geben.
Kassel – Sollten Straßen in Kassel umbenannt werden, die an Menschen erinnern, auch wenn die in Kolonial- oder NS-Verbrechen verstrickt waren? Darüber wurde in den vergangenen Jahren viel diskutiert. Nun hat eine von der Stadt einberufene Fachkommission ihre Arbeit aufgenommen, die eine „historisch-wissenschaftliche Überprüfung und Bewertung“ ermöglichen soll, wie Oberbürgermeister Sven Schoeller sagt. Wir haben mit dem Vorsitzenden gesprochen, dem Marburger Geschichts-Professor Eckart Conze.
Herr Prof. Conze, würden Sie gern in Straßen wohnen, die nach Adolf Lüderitz oder Hermann von Wissmann benannt sind? Beide waren „klar in Kolonialverbrechen verstrickt oder haben sie sogar angeschoben“, wie der Kasseler Historiker Hubertus Büschel sagt.
Das würde ich nicht gern. Und genau dies ist ein wichtiger Punkt in der Diskussion. Es geht um Straßennamen, bei denen die historische Belastung der Namensgeber bis in die Gegenwart spürbar ist. Es geht um Namen, mit denen wir uns heute nicht mehr identifizieren können, Personen, die heute nicht mehr durch Straßenschilder geehrt werden sollten. Dennoch stellen die Straßennamen für viele Anwohner ein ganz praktisches Problem dar, allerdings kein unlösbares.
„Hier ist Kassel durchaus in einer Art Vorreiterrolle“
Die Gruppe „Kassel postkolonial“ weist schon länger auf historisch belastete Namen hin und kritisiert, dass sich die Stadt bislang zu wenig damit auseinandergesetzt habe. Wie hat Kassel seine koloniale und seine Nazi-Vergangenheit bislang aufgearbeitet?
Über beide Bereiche wird seit einigen Jahren intensiv diskutiert. In der Öffentlichkeit gibt es eine breite Beschäftigung mit dem Thema. Die nun gebildete Fachkommission ist auch ein Ergebnis dieser Debatten. Wir sind als Kommission aber nur ein Akteur in einem größeren Kontext. Unsere Arbeit hat gerade erst begonnen. An ihrem Ende wird es wissenschaftliche Ergebnisse und Handlungsempfehlungen geben, die in den städtischen Gremien und auch in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Die Fachkommission steht also weder am Anfang noch am Ende des Prozesses einer kritischen Auseinandersetzung mit kolonialer und nationalsozialistischer Vergangenheit in Kassel.
Machen das andere Städte ähnlich?
Es gab und gibt vergleichbare Kommissionen, sogar in wachsender Zahl. Dass in Kassel die koloniale Belastung systematisch einbezogen wird, ist jedoch ziemlich außergewöhnlich. Das gibt es anderswo kaum – allenfalls im Hinblick auf einzelne Straßen. Hier ist Kassel, ohne darauf stolz sein zu müssen, durchaus in einer Art Vorreiterrolle. Mit ihrer NS-Geschichte setzt sich die Stadt schon länger auseinander, denken Sie beispielsweise an die Untersuchung der NS-Belastung der Nachkriegs-Oberbürgermeister Willi Seidel, Lauritz Lauritzen und Karl Branner.
Auch damals waren Sie Teil der Expertenkommission. Wie läuft Ihre Arbeit diesmal konkret ab?
Die Arbeit ist auf zwei Jahre angelegt. Wir treffen uns mehrmals im Jahr und werden Informationen zu Namensgebern und Umständen der Benennung recherchieren, analysieren und diskutieren. Das geht im Hinblick auf die NS-Vergangenheit über die Frage hinaus, ob jemand in der NSDAP war oder nicht. Der wissenschaftliche Fachreferent der Kommission, Kristian Geßner, ein Historiker, wird in Archiven und Bibliotheken forschen und uns in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv biografisches Material zur Verfügung stellen. Den Bewertungen und Empfehlungen der Kommission werden klare und präzise Kriterien einer kolonialen oder nationalsozialistischen Belastung zugrunde liegen. Und am Ende sollten die Ergebnisse veröffentlicht werden - ob elektronisch oder in Buchform. Wichtig ist aber: Nicht wir als Kommission entscheiden darüber, ob eine Straße umbenannt wird oder nicht. Wir liefern wissenschaftliche Grundlagen, auf deren Basis in der Stadtgesellschaft diskutiert und am Ende von den zuständigen Gremien über eine Umbenennung entschieden werden kann. Allein die Diskussion ist schon wichtig.
Sollen Straßennamen in Kassel umbenannt werden?
Offensichtlich stören sich die Bewohner der Lüderitz- und Wissmannstraße nicht an den Namen. Sollte man Straßen auch gegen den Willen der Betroffenen umbenennen?
Die Meinung der Betroffenen ist ein Faktor, den man nicht ignorieren sollte. Allerdings kann der Wille der Anwohner auch nicht zum Maß aller Dinge gemacht werden. Das würde zu kurz greifen. Es wird sicher kontroverse Diskussionen geben. Aber das muss nicht schlecht sein, im Gegenteil. Der Diskurs ist Ausdruck einer pluralistischen Stadtgesellschaft, auch in ihrer Auseinandersetzung mit der Vergangenheit.
Selbst Vorbilder wie Immanuel Kant und Hannah Arendt haben sich in ihren Schriften rassistisch geäußert. Inwieweit kann man historische Persönlichkeiten überhaupt nach heutigen Wertmaßstäben beurteilen?
Wir können gar nicht anders, als sie nach heutigen Wertmaßstäben zu beurteilen. Unsere Urteile über die Vergangenheit sind immer bestimmt von den Wertvorstellungen und moralischen Standards der Gegenwart. Zugleich müssen wir Menschen auch in ihrer Zeit verstehen. Beides gehört zusammen. Im Übrigen hat es über Jahrhunderte immer wieder Umbenennungen von Straßen und Plätzen gegeben. Der Wandel ist das Normale, nicht die Kontinuität – gerade in Deutschland. Und die Gesellschaft der Gegenwart setzt sich nach langer Verdrängung und Nicht-Thematisierung besonders intensiv und kritisch mit der Vergangenheit auseinander.
In Kirchditmold gibt es einen Platz, der an den Anatomen Samuel Thomas von Soemmerring erinnert, der seit seinen Kasseler Studien als Mitbegründer des wissenschaftlichen Rassismus gilt, sich aber auch im Kampf gegen Cholera verdient gemacht hat. Sollte man einem solchen Mann einen Platz widmen?
Das kann ich im Moment nicht sagen, weil ich dazu noch nicht über präzise Informationen verfüge. Wir werden aber immer wieder mit Straßennamen konfrontiert sein, die sich genau durch eine solche Ambivalenz auszeichnen. Sich damit auseinanderzusetzen, ist ein Kern unserer Arbeit. In dem speziellen Fall ist es jedoch noch zu früh, mich dazu zu befragen.
Es wird sicher kontroverse Diskussionen geben. Aber das muss nicht schlecht sein, im Gegenteil.
Eckart Conze
In Kassel wurde auch schon über die Mohren-Apotheke am Bebelplatz gestritten. Inwiefern können Sie die Kritik an dem Begriff verstehen, der ja ursprünglich gar keine abwertende Bedeutung hatte?
Ich kann diese Kritik gut nachvollziehen. In seiner ursprünglichen Bedeutung war der Begriff nicht abwertend gemeint, aber Konnotationen verändern sich. Worte, Bezeichnungen können eine abwertende Bedeutung bekommen. In der Regel gibt es auch auf solche Fragen keine einfachen Antworten. Aber es ist wichtig, für diese Problematik zu sensibilisieren. In meiner Heimatstadt Coburg verbannten die Nazis 1934 einen „Mohrenkopf“ aus dem Stadtwappen – aus rassistischen Gründen. Da ist sie wieder, die Ambivalenz. (Interview: Matthias Lohr)
https://www.hna.de/


Mahnmal Lüsekamp in Niederkrüchten
Wanderung zum Gedenken an Nazi-Morde

Grenzland · Die „Voettocht 30 december“ ist eine Wanderung zum Mahnmal Lüsekamp zum Gedenken an die Menschen, die vor 80 Jahren von den Nazis an diesem Ort ermordet wurden.
16.12.2024 , 16:54 Uhr Eine Minute Lesezeit

  • Die Wanderung führt vRoermond durch den Elmpter Wald bis hin zum Mahnmal.

Foto: Gemeinde Niederkrüchten

  • Der 30. Dezember ist in der Grenzregion ein Tag des Gedenkens. An diesem Tag findet auch in diesem Jahr wieder die „Voettocht 30 december“ statt, die immer zahlreiche Menschen aus der Region zum Anlass nehmen, von Roermond aus zum Mahnmal Lüsekamp zu wandern. Dort sowie an an anderen Orten gedenken sie den Menschen, die 1944 an dieser Stelle von den Nationalsozialisten hingerichtet wurden. Die Geschehnisse von damals liegen bereits 80 Jahre zurück, doch sie sollen auch mit Blick auf zahlreiche aktuelle Entwicklungen nicht in Vergessenheit geraten.
  • Bereits am Tag zuvor, am 29. Dezember, können sich ab 11 Uhr Interessierte unter Leitung von Dieter Polmans auf den Weg der „Grenzgeschichte(n)“ machen. Im Vorgriff auf die Gedenkveranstaltung am Folgetag erfahren die Teilnehmenden bei der rund 7,5 km langen Wanderung Details zu den 14 erschossenen Männern, die aus Roermond und Polen stammten, sowie zu weiteren Opfern dieser Tage. Darüber hinaus liefert die Wanderung spannende Informationen zu Schützen- und Panzergräben, deren Anlagen auch noch heute erkennbar sind.
  • Für die Wanderung am 29. Dezember ist die Anmeldung ab sofort möglich. Dies geht per Mail an dieter_polmans@web.de oder per Telefon unter der Nummer 02163 81903.

(MBK)
https://rp-online.de/


Vor 80 Jahren
Als der Bombenhagel auf Erkelenz begann

Erkelenz · In der Endphase des Zweiten Weltkriegs geriet die deutsche Infrastruktur zunehmend unter Bombenbeschuss. Auch Erkelenz wurde gravierend zerstört. Günther Merkens vom Heimatverein der Erkelenzer Lande blickt zurück.
03.12.2024 , 05:10 Uhr 4 Minuten Lesezeit

  • Nach dem Bombenangriff lag die Kreissparkasse in Erkelenz in Trümmern.

Foto: Archiv Heimatverein

  • Ende 1944, also vor genau 80 Jahren begann auch der Bombenterror in Erkelenz. Ab 1940 bis 1944 erfolgten während des Zweiten Weltkriegs nur wenige Bombenabwürfe auf Erkelenz, zum Teil waren es Brandbomben. So wurden am 20. Juni 1940 das Alte Rathaus und einige Häuser auf der Horst-Wessel-Straße (heute Brückstraße) getroffen, der Dachstuhl des Alten Rathauses brannte ab. Es wurde ein Notdach errichtet. Insgesamt gab es aber noch kein Flächenbombardement.
  • Auch danach kam es immer wieder zu wenigen Bombenabwürfen, die aber nur vergleichsweise geringe Schäden verursachten. Aber es gab auch schon einige Todesopfer in dieser Zeit.
  • INFO

Infrastruktur stand im Fokus

Bombenangriffe Die Bombenangriffe auf Deutschland, die während des Zweiten Weltkriegs vor allem von britischen und amerikanischen Truppen geflogen wurden, hatten zwei Ziele: Vor allem sollten sie die deutsche Infrastruktur, also Bahnhöfe, Straßen, Industrie und wichtige Gebäude, zerstören. Andererseits sollte aber auch die Bevölkerung demoralisiert werden.
Erkelenz Den verheerendsten Angriff in Erkelenz gab es am 23. Februar 1945. Er legte fast die ganze Stadt in Schutt und Asche.
Der erste große Bombenteppich (etwa 25 Bomben) ging dann am 8. Oktober 1944 auf die Stadt nieder. Bei diesem Bombardement wurden insbesondere Gebäude auf der Hindenburgstraße (heute Kölner Straße), der Theodor-Körner-Straße, Mühlenstraße und der Hermann-Josef-Straße getroffen und teilweise völlig zerstört – es gab ein Todesopfer.
Weitere Bombenangriffe erfolgten am 9. und am 11. November. Dieser zweite Angriff war der bisher heftigste auf Erkelenz. Etwa 27 Bomber warfen rund 60 Bomben auf die Stadt. Der Bahnhof wurde in Trümmer gelegt, die „Bohr“ durch mehrere Bomben in Brand gesteckt. Etliche Bomben fielen auch in der oberen Hindenburgstraße. Zwei Häuser erhielten Volltreffer, weitere Bomben fielen in der Horst-Wessel-Straße (heute Brückstraße), in der Hermann-Josef-Straße, auf der Aachener Straße und der Ostpromenade. Der dritte Luftangriff war dann am 18. November. Wieder fielen Bomben überwiegend in der oberen Hindenburgstraße. Es waren 20 Häuser bei diesem Angriff unbewohnbar und 50 beschädigt worden. Diesmal gab es zwei Tote und zehn Verletzte. Die Verletzten waren meist ausländische Arbeiter der „Bohr“, die in ihrer Baracke zu Schaden kamen.
Bei den Bombenangriffen im Oktober und November wurde deutlich, dass die Bahnanlagen getroffen werden sollten, weil darüber unter anderem auch der Nachschub für die Wehrmachtsfront in der Eifel erfolgte. Auch Ende November und Anfang Dezember gab es mehrere Bombenabwürfe, die aber nur geringe Schäden anrichteten, es gab aber auch einige Tote.
Muskelkater: Tipps zum Umgang mit den Schmerzen
Der nächste heftige Bombenangriff erfolgte dann am 6. Dezember 1944. Schon am Morgen wurde ein Bombengriff gegen 11 Uhr angesagt, Erkelenz sollte bombardiert werden. Kurz vor 12 Uhr, bei bedecktem Himmel, fiel dann die erste Welle längs der Bahn; zerstörte Häuser gab es in der Graf-Reinald-Straße und Alleestraße (heute Anton-Raky-Allee).
Es folgte eine zweite Welle, keine fünf Minuten später, diese hatte verheerende Wirkung. Auf der Hindenburgstraße bis hin zur Bahn waren zahllose Bombentrichter und zerstörte Häuser, unter anderem die Kreissparkasse , die Post, die Kaplanei in der Ecke Hindenburgstraße/Südpromenade und die Eckhäuser an der Hermann-Josef-Straße.
Widersprüchliche Angaben gibt es zur Paterskirche am Franziskanerplatz. Während Kaplan Schmalen berichtet, dass die Paterskirche völlig zerstört sei, schreibt Dechant Frings, dass sowohl die Pfarrkirche als auch die Paterskirche nur an den Fenstern größeren Schaden genommen hätten, die Pfarrkirche nur an der Marktseite. Die Chorfenster waren demnach unversehrt geblieben. Zwar war die Paterskirche vorher schon beschädigt worden, tatsächlich wurde sie dann bei den Angriffen am 16. Januar und 23. Februar 1945 völlig zerstört.
Die Zivilbevölkerung von Erkelenz war größtenteils seit September evakuiert, sodass sich die Zahl der Todesopfer dieses Angriffes in Grenzen hielt, insgesamt waren acht Tote zu beklagen, fast ausschließlich auf der Hindenburgstraße.
Seit Dezember 1944 lag die Stadt auch in Reichweite des alliierten Granatbeschusses, was immer wieder für Unruhe sorgte. Eine vorübergehende Beruhigung wird aus der zweiten Dezemberhälfte 1944 berichtet, als die schweren Kämpfe bei der deutschen „Eifeloffensive“ den Gegner eine Zeit lang fesselten.
Aber diese vorübergehende Ruhe war trügerisch. Am 16. Januar 1945 erfolgte der nächste schwere Bombenangriff auf Erkelenz. Dazu wird unsere Redaktion dann im Januar berichten.
https://rp-online.de/


Humboldt-Forum Berlin
Für Toleranz und Dialog: Margot-Friedländer-Preis vergeben

Mi 27.11.24 | 23:23 Uhr
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Margot Friedländer (M) übergibt den Margot Friedländer Hauptpreis 2024 an «apropolis - das politische Forum für Jugendliche e.V».
Audio: radioeins vom rbb | 28.11.2024 | Elisabeth Mattner | Bild: dpa
Der Margot-Friedländer-Preis ist am Mittwochabend in Berlin vergeben worden. Ausgezeichnet wurden sechs Menschen bzw. Vereine, die sich für Toleranz, Menschlichkeit und gegen Antisemitismus und Demokratiefeindlichkeit einsetzen, wie die Margot-Friedländer-Stiftung mitteilte.
Hauptpreisträger ist der Verein Apropolis aus Burgwedel in Niedersachsen, der deutschlandweit junge Menschen für Demokratie begeistern will. Er schule junge Leute in Workshops, Vorurteile und Fake News zu erkennen, gegen Diskriminierung einzutreten und richtig zu streiten, so die Friedländer Stiftung.
Aus Berlin-Marzahn ist die "Interessensgemeinschaft Friedenstaube" des Otto-Nagel-Gymnasiums mit dem Margot-Friedländer-Schulpreis ausgezeichnet worden.
Weitere Preisträger sind der Verein Zweitzeugen aus Bünde in Nordrhein-Westfalen, das Zentrum "Barrierefrei erinnern" der Thüringer Lebenshilfe, der Hamburger Lehrer Hedi Bouden und die Schülerzeitung "josefine" der Mädchenrealschule St. Josef in Hanau.
Margot Friedländer beim Vortragen und beim Signieren ihre Bücher am 21.05.2024 in einer Grundschule in Kleinmachnow(Quelle:rbb/L.Steger)
rbb/L.Steger
Holocaust-Überlebende Friedländer spricht mit Grundschülern
"Seid gut. Seid Menschen. Versteht mich."
Preis von Friedländers eigener Stiftung
Benannt ist der Preis nach der 103-jährigen Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer - sie übergab die Auszeichnung. "Ich engagiere mich jeden Tag dafür, dass wir nicht vergessen dürfen, was geschehen ist", erklärte die Berliner Ehrenbürgerin zur Preisverleihung. "Und ich danke allen, die sich meiner Mission mutig und engagiert anschließen. Seid Menschen."
Der Preis wurde erstmals von Friedländers eigener Stiftung vergeben und ist insgesamt mit 25.000 Euro dotiert. Jury-Vorsitzende ist die Frau von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Elke Büdenbender. Von 2014 bis 2023 wurde er von der Schwarzkopf-Stiftung vergeben, allerdings mit einem anderen Konzept.
Margot Friedländer wurde 1921 in eine jüdische Familie in Berlin geboren und überlebte als einzige ihrer Familie den Holocaust. Nach mehr als 60 Jahren in den USA kehrte sie 2010 in ihre Geburtsstadt zurück. Für ihr Engagement als Zeitzeugin wurde Friedländer 2023 mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt.
Sendung: radioeins vom rbb, 28.11.2024, 7 Uhr
https://www.rbb24.de/


DER MARGOT FRIEDLÄNDER PREIS

Der Margot Friedländer Preis wird im Jahr 2024 erstmals von der Margot Friedländer Stiftung verliehen
Auf Wunsch von Stifterin wurde der Margot Friedländer Preis grundlegend neu konzipiert:
Es sollen ab sofort Menschen ausgezeichnet werden, die sich mit Aktionen und Initiativen für Toleranz und Menschlichkeit und gegen Antisemitismus oder Demokratiefeindlichkeit einsetzen – zum Beispiel in Schulen, an Hochschulen, in Elterninitiativen, Vereinen, Betrieben oder Bürgerinitiativen. Es gibt dabei keine Altersgrenze.
https://margot-friedlaender-stiftung.de/


Frankreich
Macron und Rehlinger gedenken Befreiung Straßburgs von Nazi-Herrschaft

AFPIn POLITIK 23.11.2024, 14:38 Uhr
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Bild:AFP
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat gemeinsam mit Bundesratspräsidentin Anke Rehlinger (SPD) des 80. Jahrestags der Befreiung Straßburgs von der NS-Herrschaft gedacht. Macron würdigte die elsässischen Widerstandskämpfer.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat gemeinsam mit der derzeitigen Bundesratspräsidentin, Saarlands Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD), des 80. Jahrestags der Befreiung Straßburgs von der NS-Herrschaft gedacht. Macron verneigte sich am Samstag vor dem Denkmal für General Jacques-Philippe Leclerc, der am 23. November 1944 mit seiner 2. Panzerdivision Straßburg von der Nazi-Herrschaft befreit hatte. Der französische Staatschef würdigte außerdem die elsässischen Widerstandskämpfer und kündigte an, den Historiker Marc Bloch ins Panthéon aufzunehmen.
Rehlinger nahm als derzeitige Bundesratspräsidentin an dem Gedenken teil. Die saarländische Ministerpräsidentin ist außerdem Deutschlands Kulturbevollmächtigte im Rahmen des Vertrages über die deutsch-französische Zusammenarbeit.
Macron ging in seiner Rede auch auf das heikle Thema der Zwangsrekrutierungen von Elsässern durch die deutsche Wehrmacht ein. "Die Tragödie der Zwangsrekrutierten muss benannt, anerkannt und gelehrt werden", sagte der Staatschef. "Diese Kinder des Elsasses und aus (dem Département) Moselle wurden gefangen, in Uniformen gesteckt, die sie hassten, im Dienste einer Sache, die sie zu Sklaven und Instrumenten eines Verbrechens machte", fügte Macron hinzu.
Nazi-Deutschland hatte die Grenzregionen Elsass und Moselle in Lothringen de facto annektiert und deren Einwohner als Deutsche betrachtet. Mehr als 130.000 Männer aus den Gebieten wurden daher in die deutsche Armee eingezogen. Lange Zeit war dieses Thema in Frankreich tabu.
Die Zwangsrekrutierungen seien "immer falsch verstanden" worden, sagte einer der Betroffenen, der 99-jährige Jean-Marie Hostert, am Samstag. "Wir wollten da nicht hingehen", stellte er zu dem Zwangseinsatz in der Wehrmacht klar.
Wie die Nachrichtenagentur AFP aus mehreren Quellen erfuhr, kündigte Macron an dem Gedenktag an, den französischen Historiker Marc Bloch in die nationale Ruhmeshalle Panthéon in Paris aufzunehmen, wo zahlreiche bedeutende Franzosen ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Der Gelehrte, der von 1919 bis 1936 an der Universität von Straßburg mittelalterliche Geschichte gelehrt hatte, war 1944 wegen seines Widerstands gegen die Nazis von der Gestapo verhaftet und gefoltert worden. Drei Monate später wurde er exekutiert.
Auf Macrons Besuchsprogramm stand auch das ehemalige NS-Konzentrationslagers Natzweiler-Struthof rund 60 Kilometer von Straßburg entfernt. Es war das einzige Konzentrationslager auf französischem Boden. SS-Einheiten ließen es 1941 in den Vogesen errichten und inhaftierten dort Juden, Sinti und Roma und Widerstandskämpfer unter grausamen Bedingungen. Von rund 50.000 Inhaftierten kamen 17.000 ums Leben.
https://unternehmen-heute.de/


Kulturelles Vermächtnis: Gedenkkonzert im ehemaligen Konzentrationslager Theresienstadt

Stand: 21.11.2024 23:17 Uhr
Player: videoKulturelles Vermächtnis: Gedenkkonzert im ehemaligen Konzentrationslager Theresienstadt
4 Min
tagesschau24
https://www.tagesschau.de/


20 Gedenkstücke an acht Orten
An diese Mönchengladbacher erinnern die neuen Stolpersteine

16.11.2024 , 10:00 Uhr Eine Minute Lesezeit

Mönchengladbach · Der Künstler Gunter Demnig, der 2022 mit dem Benediktpreis von Mönchengladbach eine der wichtigsten Auszeichnungen des Landes erhalten hatte, hat nun an acht Orten im Stadtgebiet weitere Stolpersteine verlegt. Damit steigt die Zahl dieser in Mönchengladbach eingebrachten Gedenkstücke auf 372. Was hinter dem Projekt steckt und welcher 20 Menschen mit den neuen Steinen gedacht wird.
Carsten Pfarr
Von Carsten Pfarr
Sie sollen die Erinnerung wachhalten, das Vergessen unmöglich machen, die Menschen im Alltag über die vielen Opfer des Nationalsozialismus‘ gedanklich „stolpern“ lassen: Seit Anfang der 1990er Jahre verlegt der aus Berlin stammende Künstler Gunter Demnig seine „Stolpersteine“, zunächst in anderer Form und in anderem Ausmaß. Daraus entwickelte sich das Kunstprojekt, bei dem der heute 77-Jährige mittlerweile mehr als 100.000 Gedenktafeln in über 30 Ländern eingebracht hat – davon 372 in Mönchengladbach.
Hier geht es zur Bilderstrecke: Das sind die Geschichten der Menschen hinter den 20 neuen Stolpersteinen
https://rp-online.de/


Auftakt zur Erinnerungskultur

Stand:15.11.2024, 14:56 Uhr
Von: Sandra Sedlmaier
Reichsschüler Feldafing Bahnhofstraße
Aufmarsch in der Bahnhofstraße: Die Reichsschüler und die Lehrer (mit nacktem Oberkörper) waren in Feldafing präsent. Das Propagandafoto der Jungmannen in Marschformation entstand vor dem damaligen „Weißen Rössl“. © Gemeindearchiv Feldafing
„Traum und Albtraum“: Diesen treffenden Titel gaben die Historiker Prof. Marita Krauss und Erich Kasberger ihrem Buch über Feldafings Geschichte in der Nazi- und Nachkriegszeit. Das Dorf wurde wegen seiner besonderen Lage immer wieder zum Schauplatz unter anderem von gelebter NS-Ideologie und Nachkriegsdramen. Die Autoren hoffen, dass das Buch der Auftakt für Diskussion und Erinnerungskultur ist.
Feldafing - Schloss-Fantasien von Max II. um 1850, Villenbau um 1900, Reichsschule ab 1934, DP-Camp ab 1945: Schlagworte aus der Feldafinger Geschichte. Doch nie wurde genau geforscht und recherchiert. Das war einer der Gründe, die den Feldafinger Gemeinderat dazu bewogen, diesen Teil der Ortshistorie genauer anschauen zu lassen. Die Historiker Prof. Marita Krauss und Erich Kasberger haben vier Jahre lang in Archiven geforscht und Quellen und Interviews ausgewertet. Das Buch „Traum und Albtraum. Feldafing im Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit“ wirft auf mehr als 500 Seiten nicht nur den Blick auf viele Details, es räumt auch mit Vorurteilen auf. Es ist die erste wissenschaftliche Aufarbeitung zur Geschichte der Reichsschule, einer einzigartigen Institution im Deutschen Reich, und es wirft den Blick auf viele Schicksale.
Sontheim Krauss Kasberger Buch Feldafing
Buchpräsentation (v.l.): Bernhard Sontheim, Prof. Marita Krauss und Erich Kasberger. © Andrea Jaksch
Die wechselvolle Geschichte ihres Heimatortes bewegt viele Feldafinger. Der Rathaussaal war mit rund 150 Personen am Dienstagabend bei der Buchpräsentation knallvoll. Manch einer war mit einem mulmigen Gefühl gekommen – wie würden die Feldafinger wegkommen? Für vieles konnten die Einheimischen nichts, das machten Krauss und Kasberger deutlich. „Feldafing wurde immer wieder ausgewählt“, sagte Krauss. „Bauernland wurde erst Kunstlandschaft“, sagte sie mit Blick auf den Lenné-Park. „Und dann wurde Bauernland zum Spekulationsobjekt am Höhenberg“, sagte sie über die Entstehung der Villenkolonie.
„Feldafing war kein katholisches Bauerndorf mehr“, erklärte Krauss. In Feldafing gab es viele Gewerbetreibende, Handwerker und Kaufleute, aber keine bäuerliche Elite mehr, ein Drittel der Bevölkerung war evangelisch. 44 Prozent stimmten im März 1933 für die NSDAP. Mit der NS-Herrschaft veränderte sich die soziale Struktur. „Es gab kein Oben und kein Unten mehr“, zitierte Kasberger aus den Erinnerungen von Elizabeth Pschorr. Der gefürchtete Ortsgruppenführer Dr. Heinrich Brubacher bedrängte und bedrohte die Feldafinger. Aber es gebe keinen Hinweis, dass er jemanden denunziert habe, betonte Krauss.
Ab 1934 dominierte die Reichsschule das Dorf, „das regelrecht übernommen wurde“, berichtete Krauss. Die Lehrer versahen auch Ämter im Dorf, Schulleiter Julius Goerlitz wurde Bürgermeister. SA-Chef Ernst Röhm, der die Idee für die Schule und den Platz ausgewählt hatte, wurde zwar zehn Wochen nach der Eröffnung der Schule ermordet. Doch neue Parteieliten, darunter Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß und später Martin Bormann, rückten an Röhms Stelle und gaben Goerlitz freie Hand bei der Auswahl von Lehrern und Schülern.
Diese mussten vor allem körperlich dem NS-Ideal entsprechen, sagte Kasberger. Im Zeugnis wurde als Erstes die körperliche Eignung des Schülers bewertet, dann erst der Charakter und die Leistung im Unterricht. Durchfallen konnte man nicht, man wurde heimgeschickt. Betont wurden Kameradschaft und Sport, die musische Bildung, es gab moderne Projektarbeit und Unterricht im Wald. „Sie verstanden, die Schüler zu begeistern“, sagte Kasberger. „Aber subtil stand eine unglaubliche Lenkung dahinter.“
Hitler Feldafing Reichsschüler
Besuch in Feldafing: Adolf Hitler 1935 vor dem Hotel Kaiserin Elisabeth mit strammstehenden Reichsschülern bei einem privaten Besuch. © Gemeindearchiv Feldafing
Die Reichsschule war eine Schule der Partei, unterstrich Kasberger. „Es gab keine Lehrpläne, keine Beschwerdemöglichkeit für Eltern, die Schule unterstand nicht dem Kultusministerium.“ Die Partei kaufte Grundstücke, konfiszierte Häuser und finanzierte die Schule. Unter den 20 Villen waren drei Villen jüdischer Bürger, keineswegs alle. Auch die „arischen“ Besitzer seien zum Verkauf gezwungen worden, so Krauss. Von der Schule stehen heute noch die Sturmblockhäuser auf dem Kasernengelände, bei denen KZ-Häftlinge aus Dachau mitgebaut haben. Die Nazis hatten weitere Pläne für eine „Riesenanlage“, wie Krauss sagte, die Feldafing massiv verändert hätten.

    Mit Kriegsende verschwanden die Schüler, und die Amerikaner nutzten Schulgebäude und Villen für die am Starnberger See gestrandeten KZ-Häftlinge. Die wähnten sich nach der Hölle in den KZ zum Teil „wie im Himmel“, so ein Bericht. In Feldafing entstand das größte rein jüdische Camp für Displaced Persons (DP). Für die Camp-Bewohner, aber auch für die Feldafinger war das nicht einfach. „Es kam zu Plünderungen auf beiden Seiten“, so Krauss.
    „Ein amerikanischer Berichterstatter resümierte 1946, das ursprüngliche Dorf Feldafing sei praktisch ausradiert, weil alle Feldafinger ausquartiert waren“, erzählte Kasberger. „Was für die einen ein Traum war, wurde für die anderen Albtraum und umgekehrt.“
    Bürgermeister Bernhard Sontheim dankte den beiden Autoren, dass die Geschichte Feldafings nun aufgearbeitet ist. „Es gab immer wieder Gerüchte und Behauptungen“, sagte er. Jetzt gebe es eine Diskussionsgrundlage. Kasberger und Krauss freuen sich auf Gespräche. Der nächste Vortrag über „Feldafinger Identitäten“ findet am 11. Dezember um 18 Uhr im Rathaussaal statt. Das Buch ist im Volk-Verlag in München erschienen und kostet 39,90 Euro.
    https://www.merkur.de/



Mit Gedenkstein in Sottrum: NS-Kriegsverbrecher taucht in Achim unter

Stand:29.09.2024, 09:21 Uhr
Von: Matthias Röhrs
Portraitbild von Kurt Wulkau in Uniform
Kurt Wulkau taucht nach dem Krieg unter. Über seine Verbrechen ist lange nichts bekannt. © Bundesarchiv Berlin
Während ein Dorf eines Gefallenen aus seinen Reihen gedenkt, lebt er nur ein paar Kilometer weiter mit neuer Familie. Was die Dorfgemeinschaft und seine früheren Nachbarn erst jetzt erfahren: Als Gestapo-Mitarbeiter hat er bis 1945 wohl mehrere hundert Menschen getötet.
Stuckenborstel/Achim – Sie wurden belogen. Als das Dorf Stuckenborstel bei Sottrum 1957 sein Gefallenendenkmal einweiht, würdigt es auch Franz Ernst Kurt Wulkau mit einem Gedenkstein. Viele Jahre noch kommt die Dorfgemeinschaft zum Volkstrauertag dorthin, um seiner und der anderen Gefallenen beider Weltkriege zu gedenken. Was sie nicht weiß: Zum Zeitpunkt der Einweihung ist Wulkau noch lange nicht tot, sondern als mutmaßlicher NS-Kriegsverbrecher lediglich untergetaucht. 67 Jahre später soll Schluss sein mit dieser Würdigung.
Es ist eine befremdliche und bizarre Geschichte, die tief eintaucht in von Nationalsozialisten verübte Grausamkeit und Terror, die Bigamie genauso zum Bestandteil hat wie Blutbäder.
Eine Annäherung
Am besten fängt man hinten an. Dort stehen Bürgermeister Hans-Jürgen Krahn und Erste Samtgemeinderätin Kerstin Wendt am Stuckenborsteler Denkmal mit der zentralen Inschrift „Neige Dich vor Tod und Tapferkeit“. Die Toten des Zweiten Weltkriegs sind hier auf einzelnen Steinen verewigt, die das Areal einrahmen. Viele Jahre lang konterkariert Wulkau den Gedenkspruch. Die Gemeinde Sottrum, deren Ortsteil Stuckenborstel ist, steckt mittendrin in der Frage, wie sie ihre Erinnerungskultur an das Dritte Reich leben möchte. Erst im Februar sind im Ortskern Stolpersteine verlegt worden, die an die jüdische Familie Moses erinnern. Deren Mitglieder wurden von den Nazis vertrieben und ermordet. Das Gedenken an die Opfer ist das eine. Aber wie geht man mit den Tätern um?
Zumindest in diesem Fall soll der Gemeinderat am Montag eine Entscheidung treffen. Man möchte kurzen Prozess machen und den Stein mit der Aufschrift „Kurt Wulkau – verm. 1945“ entfernen und vernichten. Da waren sich die Ratsfraktionen informell schnell einig, erläutert Krahn. Die hinterlassene Lücke soll erhalten bleiben. Nachdem Wulkaus wahre Lebensgeschichte belegt war, habe man die Familien informiert, berichtet der Bürgermeister. „Wichtig war uns, schnell zu handeln.“ Bereits am nächsten Volkstrauertag soll der Stein nicht mehr stehen.
Gedenkstein mit Aufschrift „Kurt Wulkau - verm. 1945“
Den Gedenkstein möchte die Gemeinde Sottrum schnell vernichten. © Röhrs, Matthias
Auf Wulkaus Stein in direkter Nachbarschaft zu den tatsächlich gefallenen Söhnen des Dorfes steht natürlich nichts von seinen Taten. Nicht, dass er mutmaßlich Tausende Menschen selbst erschossen hat, mindestens aber war er beteiligt an den von den Nationalsozialisten durchgeführten Massenmorden hinter der Ostfront. Dort steht nicht, dass er später untergetaucht war, um sich nicht verantworten zu müssen. Weder vor einem Gericht in Deutschland noch in Polen, wo nach dem Krieg vielen Tätern die Todesstrafe drohte. Dort steht ebenso wenig, dass er noch bis 1978 in Achim lebte.
Wer ist Kurt Wulkau?
Ein kurzer Abriss von Wulkaus Steckbrief: Er wird 1906 in Berlin-Wannsee geboren, heiratet 1933 eine Stuckenborstelerin, lebt mit ihr in Bremen, wo er in den Polizeidienst eintritt. Er geht zur Gestapo, tritt der SS bei, wirkt nach Kriegsbeginn in Osteuropa in mobilen Einsatzkommandos mit, heiratet 1943 unter falschen Namen eine weitere Frau, lebt mit ihr ab 1946 in Achim-Baden, stirbt 1978.
Seine eigentliche Frau, inzwischen ins Stuckenborsteler Elternhaus zurückgekehrt, meldet ihn 1950 als vermisst, lässt ihn 1954 für tot erklären. Drei Jahre später wird der Gedenkstein aufgestellt. Es war üblich, auch Angehörige von Dorfbewohnern zu berücksichtigen, selbst wenn sie nicht von dort stammten.
Claudia Koppert hört im Frühjahr 2024 davon, dass am Stuckenborsteler Ehrenmal etwas nicht stimmt, dass möglicherweise ein Kriegsverbrecher gewürdigt wird. Die Autorin engagiert sich im jüdischen Museum Cohn-Scheune in Rotenburg, hat bereits zur Sottrumer Familie Moses geforscht und die Stolpersteinverlegung unter anderem mit Vorträgen begleitet. Sie habe festgestellt, dass die Sottrumer interessiert sind am Dritten Reich und dessen Auswüchse vor Ort, berichtet sie. „Es ist wichtig, dass Gedenken nicht allgemein, sondern mit konkreten Personen verknüpft ist.“
Der Unmittelbarkeit dieser Angelegenheit fasziniert. „Geschichte ist auf einmal greifbar geworden“, sagt Kerstin Wendt. Deshalb berühre der Fall Wulkau die Leute.
Seinen Namen hatte Koppert nach dem Hinweis noch nicht, nach einer ersten Netzrecherche blieb nur noch Wulkau als Verdächtiger übrig. Wo er sich während des Zweiten Weltkriegs aufhielt und mit welchen Aufgaben er betraut war, lässt sich immer noch gut nachvollziehen. Unter anderem in einer Bewerbung an den Kolonialdienst listet er sie zum Teil selbst auf, Briefwechsel zeugen von einem regelmäßigen Kontakt mit dem Reichssicherheitshauptamt in Berlin. Koppert hat über Bundes- und Landesarchive Dokumente zu Wulkau zusammengetragen und der Forschungsliteratur gegenübergestellt.
Wulkau im Krieg
Diesem eigenen Lebenslauf zufolge nimmt er am Einmarsch in Polen teil – als Mitglied einer Einsatzgruppe, die hinter der nach Osten rückenden Wehrmacht Tausende Intellektuelle, Klerus-Angehörige und vor allem Juden ermordet. „An der Front waren die nie“, räumt Koppert jeglichen Verdacht auf die am Stuckenborsteler Denkmal glorifizierte Tapferkeit vom Tisch. Anderthalb Jahre lang ist er Mitarbeiter des Kommandanten der Gestapo im südpolnischen Zakopane, die in einem Hotel Hunderte Menschen verhörte, folterte und tötete.
Ab Sommer 1941 ist er Teil einer mobilen Sicherheitspolizei-Truppe hinter der Frontlinie. Es ist das „Einsatzkommando z. b. V.“ – „zur besonderen Verwendung“, ein Euphemismus für die Durchführung von Massenmorden und vor allem die Erschießung von Juden. Wulkau wird Abteilungsleiter in der Sicherheitspolizei- und SD-Außenstelle Stanislau – heute das ukrainische Ivano-Frankiwsk.
Die Forschung zeigt: Die Dienststelle wird zu einer der brutalsten Mordeinheiten der nationalsozialistischen Herrschaft insgesamt. Lebten dort im Sommer 1941 bis zu 90.000 Juden, waren sie Ende 1942 fast alle ermordet. Der 12. Oktober 1941 geht als „Blutsonntag von Stanislau“ in die Geschichte ein. Auf dem jüdischen Friedhof erschießen Sicherheitspolizei und Hilfskräfte 10.000 bis 12.000 Männer, Frauen und Kinder. Wulkau hingegen wird im Februar 1942 befördert. Es ist sein Aufstieg zum SS-Sturmscharführer und innerhalb der Sicherheitspolizei zum Kriminalsekretär. Den Rang bekommt er für seine Zugehörigkeit zum „Einsatzkommando z. b. V.“ und sein „zielbewusstes und energisches Auftreten“ bei sicherheitspolizeilichen Einsätzen.
Eine Wohnstraße mit Hecken und Spielgeräten
Bei seinen Achimer Nachbarn hat Wulkau alias Kurylak einen schlechten Ruf. © Bartz, Dennis
„Aufgrund der schwachen personellen Besetzung wird nahezu jeder Funktionär bei Großaktionen wie Razzien oder Judenerschießungen eingesetzt“, hat Koppert über die historische Literatur herausgefunden. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit greift Wulkau bei den Ermordungen selbst zur Waffe. Die Oberstaatsanwaltschaft Dortmund stellt 1964 fest: „Es ist davon auszugehen, dass diejenigen, welche etwa zwei Jahre in Stanislau blieben, eigenhändig etwa 1.000 Juden getötet haben.“ Diese Staatsanwaltschaft strengt 1962 Ermittlungen gegen Wulkau an. Da er offiziell tot ist, stellt man sie ein. Das Abtauchen ist erfolgreich. Koppert: „Dank seiner Todeserklärung wurde er nie zur Verantwortung gezogen.“
In Achim untergetaucht
Nach dem Krieg lebt Wulkau als Kurt Ernst Franz Kurylak weiter. Er hat einfach seine Vornamen neu angeordnet und einen neuen Nachnamen angenommen. Während in Stuckenborstel seiner wahren Identität gedacht wird, wohnt er unbehelligt in Achim-Baden, bis er 1978 im Bremer Krankenhaus St.-Joseph-Stift stirbt. Ein ehemaliger Nachbar in Baden beschreibt ihn als jähzornigen Menschen mit wenig Kontakt zu den anderen Einwohnern. Zu seinen Söhnen seien Wulkau alias Kurylak und seine Frau sehr streng gewesen. Er soll häufig seinen Arbeitsplatz – er war den Erzählungen nach viel im Bau beschäftigt – gewechselt haben. Nein, von seiner wahren Vergangenheit habe man nichts gewusst.
„Irgendjemand wusste Bescheid“, sagt Koppert. Inwieweit Kurylak mit seiner Vergangenheit konfrontiert war, ist bislang eine der offenen Fragen. Ebenso, wie er nach Achim, in die unmittelbare Nähe seiner ersten Familie, gekommen ist und warum. Aber bereits 1980, zwei Jahre nach seinem Tod, meldet das Amtsgericht Achim Zweifel an der Wahrhaftigkeit der Identität Kurylak an. Es lässt Nachforschungen anstellen, doch erst 15 Jahre später wird das zuständige Landgericht in Bremen seine Sterbeurkunde korrigieren. Über die Gründe für die falsche Identität notiert es nichts.
Zurück zum Ende
Nun stellt sich für Sottrum die Frage nach dem Umgang mit dem Stein. Für die Gemeinde steht fest: Er muss weg. Krahn betont die Einstimmigkeit der Parteien in dieser Sache, die am Montag besiegelt wird. Einen Königsweg in der Frage nach der Erinnerung an diesen Fall gibt es wohl nicht. Auch Claudia Koppert kennt ihn nicht, ist aber überzeugt: Irgendeine Reaktion muss es geben. Die Gemeinschaft müsse ihren Weg finden, sagt sie. Wichtig sei aber, dass sie überhaupt darüber spricht. Das sei auch eine stärkere Haltung, als sich vorzumachen, dass nichts gewesen ist. Nicht nur am Montagabend im Gemeinderat, sondern auch darüber hinaus.
https://www.kreiszeitung.de/


Nie wieder ist heute: Erinnerung an Reichspogromnacht im Sauerland

Stand: 13.11.2023, 10:03 Uhr
Von: Kristin Sens, Jörg Leske, Claudia Metten
Auf den Grundrissen der ehemaligen Synagoge in Brilon gedachten zahlreiche Briloner der Reichspogromnacht vor 85 Jahren und stellten Kerzen auf. © Jörg Leske
Ein stilles, aber deutliches Zeichen wurde am Donnerstagabend in den Städten Brilon, Marsberg und Meschede gesetzt, denn genau vor 85 Jahren, in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938, brannten die Synagogen im gesamten Deutschen Reich. Auf Anweisung der Nationalsozialisten waren jüdische Geschäfte, Gotteshäuser und andere Einrichtungen in Brand gesetzt worden.
Brilon/Marsberg/Meschede – Gerade in der heutigen Zeit mit den aktuellen Konflikt im Nahen Osten, dem Terror der Hamas – aber auch den judenfeindlichen Ausschreitungen in Deutschland – wollten sich zahlreiche Menschen gegen Antisemitismus und für Toleranz, Frieden und Solidarität positionieren.
Schweigemarsch in Meschede
In Gedenken an die Reichspogromnacht, in der Tausende von Menschen aufgrund von Antisemitismus und Judenfeindlichkeit misshandelt, verhaftet oder getötet wurden, gingen einige hundert Mescheder Bürger mit ihren Kerzen durch die Innenstadt. In der damaligen, zerstörenden Nacht begann im nationalsozialistischen Deutschland die systematische Verfolgung und Vernichtung des europäischen Judentums, der Anfang des Holocaust.
Wir wollen der Juden gedenken, die in der Nacht ihr Leben ließen und deportiert wurden.
Schüler vom Gymnasium der Stadt Meschede
„Wir wollen der Juden gedenken, die in der Nacht ihr Leben ließen und deportiert wurden“, so die Schüler vom Gymnasium der Stadt Meschede. „Wir wollen den Blick auf die Gegenwart richten, denn noch heute kommt es immer wieder zu antisemitischen Übergriffen. Wir gedenken der Opfer in der Vergangenheit und setzen ein Zeichen gegen Rechtsradikalismus und Antisemitismus.“
Mit diesem klaren Statement zeigten die drei Mescheder Schulen (Gymnasium der Stadt Meschede, Gymnasium der Benediktiner, St. Walburga-Realschule) in dieser momentan schwierigen politischen Zeit, dass sie Flagge zeigen, sich für Solidarität, Mitmenschlichkeit und die Menschenwürde einsetzen.
Meschede Schweigemarsch
„Gegen das Vergessen“: Der Schweigemarsch in Meschede wurde unter anderem von drei örtlichen Schulen organisiert. © Claudia Metten
„Ich bin eine aktive Christin und finde es furchtbar, was in Israel gerade passiert“, so die Meschederin Ursula Keinert. „Ich bin ein Israelfan und möchte daher mit meiner Israelfahne an den 9. November 1938 erinnern. Darum gehe ich heute mit.“
Genau wie Ursula Keinert sahen es auch alle anderen Teilnehmer des Mescheder Schweigemarsches. Sie hatten sich um 18 Uhr auf dem Stiftsplatz vor der St. Walburga-Kirche versammelt, um für die Wahrung der Menschenrechte einzutreten.
„Ich gehe mit, um ‚Gegen das Vergessen’ zum Ausdruck zu bringen. In der heutigen Zeit ist es ganz wichtig auf die Pogromnacht hinzuweisen.
Ulrike Hömberg, Teilnehmerin in Meschede
„Ich gehe mit, um ‚Gegen das Vergessen’ zum Ausdruck zu bringen. In der heutigen Zeit ist es ganz wichtig auf die Pogromnacht hinzuweisen“, erklärte Ulrike Hömberg mit Nachdruck.
Wie sie sieht es auch Christine Kuhnert, die deutlich zu verstehen gab: „Hier geht es um Menschlichkeit. Es gibt kein christliches, jüdisches und muslimisches Blut. Es gibt nur menschliches Blut.“
Mit ihren Lichtern signalisierten die stillen Wanderer auf ihrem Marsch durch die Nacht, dass Solidarität und Zusammenhalt über Grenzen hinweg Hoffnung geben. Leise, mit ihren Kerzen in der Hand brachten sie zum Ausdruck, dass sie sich stark gegen Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus jeglicher Art einsetzen. Denn insbesondere seit der seit 2015 andauernden Flüchtlingskrise, den damit verbundenen Herausforderungen sowie den Kriegen am Gaza-Streifen und in der Ukraine sei es heute wichtiger denn je, Xenophobie, Vorurteile und Hass abzulehnen sowie klar und deutlich Stellung für Demokratie, für Solidarität und für eine geeinte Nation zu beziehen.
Schweigemarsch in Meschede: Erinnerung an die Reichspogromnacht
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Unter dem Motto „Erinnerung ist der Schlüssel zur Zukunft“ fand deshalb in diesem Jahr der Schweigemarsch in Meschede statt.
Er brachte zum Ausdruck: „Wir treten ein für die Wahrung der Menschenrechte, widersprechen jeder Art von Judenhass, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, engagieren uns für Flüchtlinge und führen den Dialog über ethnische, kulturelle und religiöse Grenzen hinweg.“
Erinnerung in Marsberg
Auch in Marsberg wurde an die Opfer der Reichspogromnacht gedacht. Dicht an dicht stand die schweigende Menge in der Dunkelheit vor dem früheren Wohnhaus von Henriette Meyer in der Hauptstraße 9 – einige hatten Lichter dabei, um der Erinnerung an eine der dunkelsten Stunden deutscher Geschichte etwas entgegenzusetzen. Etwas entgegensetzen wollte man offensichtlich auch dem aktuellen Geschehen im Nahen Osten, denn mit rund 130 Teilnehmern wohnten ungewöhnlich viele dem Gedenken an die Reichsprogromnacht vor 85 Jahren bei.
Die „Reichskristallnacht“, wie der 9. November 1938 von den Tätern euphemistisch wegen der vielen zerbrochenen Fensterscheiben genannt wurde, war zwar nicht der Beginn der antisemitischen Hetze in Deutschland, aber sie schuf eine neue Dimension. Und sie war kein Ereignis weit weg in Zeit und Raum, sie fand auch in Marsberg statt, vor gerade einmal einem Menschenalter.
Eindrücklich schilderte Bürgermeister Thomas Schröder, wie der Mob aus Hitlerjugend, SA und SS sich an jenem 9. November versammelte und dann gewalttätig, zerstörend und plündernd die Hauptstraße entlang zog, bis zur jüdischen Synagoge – - just den Weg, den die aktuelle Gedenkveranstaltung auch nehmen würde. Dass diese Straße damals Adolf-Hitler-Straße hieß, wussten im Übrigen viele der Anwesenden nicht mehr.
Nach der Begrüßung und einigen einführenden Worten durch den Bürgermeister, ordneten Schüler der Q2 des Carolus-Magnus-Gymnasiums die Ereignisse in den geschichtlichen Kontext ein und verlasen die ersten Namen jener Marsberger Bürger, die Opfer des nationalsozialistischen Wahnsinns mit System geworden waren.
Gedenkveranstaltung zum Jahrestag der Reichspogromnacht in Marsberg
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Vor einem weiteren jüdischen Wohnhaus in der Hauptstraße 31 ergriffen Schüler der Sekundarschule das Wort. Sie erzählten von der Familie Levy, die hier gelebt hatte und deren Wohnung an jenem 9. November komplett zerstört wurde. Die Emigration misslang und sowohl die Eltern als auch die Töchter, Margot, Ingeborg und Liselotte, laut Zeugnissen kluge, dem Leben offen und neugierig gegenüberstehende Mädchen, überlebten den Holocaust nicht, beziehungsweise gelten als verschollen.
46 Marsberger Juden sowie ein junges Mädchen, welches sich verbotenerweise mit einem polnischen Zwangsarbeiter eingelassen hatte, wurden bis zum Ende des NS-Terrors ermordet oder starben an den Folgen der unmenschlichen Behandlung. In knappen Stichworten verlasen die Schüler die Namen aller Opfer. „Deren Namen wir nie vergessen sollten“, mahnte Thomas Schröder. Brisant, nicht nur weil immer wieder Nachfahren der wenigen Überlebenden den Weg nach Marsberg finden, sondern weil schon wieder – oder immer noch – Juden in Deutschland öffentlich angefeindet und bedroht werden.
„Nie wieder“ – diese Beschwörungsformel um das Grauenhafte zu bannen – „was ist dieses Versprechen heute wert“, rief fast verzweifelt Propst Meinolf Kemper, bevor er sich an Gott wandte mit der inständigen Bitte, dass dieser sein Versprechen halten möge. „Wie kann man nicht, angesichts des Geschehens, seinen Glauben verlieren“, fragte auch Pfarrer Markus Pape.
Die Resonanz war gut – und ich bin richtig stolz auf unsere engagierten und klugen Schüler.
Lehrer Martin Köbele vom CM
Umso bedeutender – und ein ermutigendes Zeichen, dass rund 40 Marsberger Schüler sich bereit erklärten, bei der Gestaltung der Gedenkveranstaltung mitzuwirken. In ihrer Freizeit und mit viel Eigeninitiative, wie ihnen die Lehrer bescheinigten, recherchierten sie und entwickelten ihre Redebeiträge in gerade einmal zwei Wochen Vorbereitungszeit. „Die Resonanz war gut – und ich bin richtig stolz auf unsere engagierten und klugen Schüler“, so Lehrer Martin Köbele vom CMG.
Eine klare Position bezog im Übrigen auch die Politik in Marsberg: Nicht nur die Ortsvorsteher, auch alle Fraktionen nahmen an der Gedenkveranstaltung teil: „Wir stehen geschlossen gegen jegliche antisemitische Hetze“, betonten sie.
Gedenkfeier in Padberg
Psalmen in hebräischer und deutscher Sprache klingen durch die ehemalige Synagoge in Padberg. Etwa 40 Männer, Frauen und ein Kind trafen sich, um am 85. Jahrestag der Reichspogromnacht vom 9./10. November 1938 ein Zeichen gegen Fanatismus und Eiferer zu setzen. Im Gedenken an die beispiellose Zerstörung von Synagogen, jüdischen Geschäften und Wohnungen, lauschten sie dem vorbereiteten Programm und erhielten einen kurzen historischen Überblick zu den Ereignissen, die letztlich zu der von langer Hand geplanten Aktion gegen die Juden führte.
Ulrike Gräfin Droste zu Vischering entzündete eine Gedenkkerze für die Opfer der Shoa und die ungezählten Toten aller Glaubensrichtungen und Nationen in den Konzentrations-, Internierungs- und Vernichtungslager. Anschließend wurden die Namen der 60 ermordeten Mitglieder der Synagogengemeinde Padberg aus den Orten Beringhausen, Giershagen, Helminghausen, Madfeld, Messinghausen und Padberg verlesen. Aber auch die vielen Menschen, die ihre Heimat Richtung Argentinien, USA, England, Palästina oder einem anderen Ort auf der Welt verlassen mussten, wurden in die Gedanken und Gebete eingeschlossen. Heute gibt es keine Juden mehr im Amtsbezirk Marsberg. Die Vernichtung und Vertreibung hat hier systematisch, effektiv und vollständig ein viele Jahrzehnte, ja sogar Jahrhunderte, andauerndes gutes Miteinander zwischen Juden und Christen zerstört und ausgelöscht.
Eine Besucherin der Veranstaltung äußerte im Anschluss der Versammlung: „Vor allem die Namen der Menschen zu hören, die vor so vielen Jahren Teil der Dorfgemeinschaften waren, hat mich sehr getroffen. Unvorstellbar schrecklich und unglaublich wichtig, dass man an sie und ihre Schicksale erinnert.“
Auch andere Teilnehmer empfanden den Abend als bewegend und tief emotional. Sie beeindruckte das „El male rachamim“ (G’tt voller Erbarmen). Ein Gebet, das während einer jüdischen Bestattung oder zum Todestag eines Verstorbenen gesprochen wird; in der Version zum Gedenken an die Opfer des Holocaust ergänzt durch die Namen der größeren Konzentrationslager.
Das Gedenken an die Wut und Zerstörung während der Novemberpogrome, die im Volksmund als „Reichskristallnacht“ bekannt wurde, soll ein Mahnmal sein und uns vor der Wiederholung der Geschichte bewahren. Es soll uns helfen, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen und uns der Unmenschlichkeit und dem Fanatismus zu widersetzen. In unseren heutigen durch Krisen und Krieg, Gewalt und Provokation geprägten Tagen ein Wunsch, den die Besucher der ehemaligen Synagoge in Padberg von ganzem Herzen mittragen.
Padberg Synagoge Gedenkfeier Gedenkveranstaltung Reichspogromnacht
Psalmen in hebräischer und deutscher Sprache klingen durch die ehemalige Synagoge in Padberg. Etwa 40 Männer, Frauen und ein Kind trafen sich, um am 85. Jahrestag der Reichspogromnacht vom 9./10. November 1938 ein Zeichen gegen Fanatismus und Eiferer zu setzen. © Heinz Körner/Ring Padberg
Gedenkfeier in Brilon
Anlässlich der Reichspogromnacht vor 85 Jahren richtete das Briloner Jugendparlament ebenfalls eine Gedenkfeier aus. Matti Bertels (Jugendparlament) begrüßte die weit über 100 Teilnehmer vor dem Rathaus und lud zum Gang zur ehemaligen Synagoge ein: „Wir denken heute nicht nur an Jüdinnen und Juden, sondern an alle Opfer von Krieg und Gewalt. Nichts ist schlimmer für unser gemeinsames Zusammenleben, egal wo wir herkommen und an was wir glauben, als wenn wir uns gegenseitig mit Vorurteilen, Angst und Gewalt begegnen.“
Wir sind nicht dafür verantwortlich, was in der Geschichte passiert ist, aber dafür, was jetzt daraus gemacht wird.
Organisatoren der Gedenkfeier in Brilon
Die Konfirmanden der evangelischen Kirche, die Pfadfinder, die Schüler der Schule-ohne-Rassismus-AG der Sekundarschule, sowie Stadtkaplan Pastor Tobias Keine und Bürgermeister Dr. Christof Bartsch erinnerten an das dunkle Kapitel der Geschichte und setzten ein Zeichen für Frieden und gegen Gewalt und Vergessen: „Wir sind nicht dafür verantwortlich, was in der Geschichte passiert ist, aber dafür, was jetzt daraus gemacht wird.“
Gedenkfeier zum Jahrestag der Reichspogromnacht in Brilon
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Nach einem kurzen Stopp in der Bahnhofstraße vor dem damaligen Wohnhaus der Familie Buchdahl ging es zum ehemaligen Standort der Synagoge zwischen der Kreuziger Mauer und der Hubertusstraße. Hier stellten die Teilnehmer Kerzen auf dem ehemaligen Grundriss ab. In der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 zertrümmerten etwa 20 bis 30 Männer, zum großen Teil in Uniformen der Sturmabteilung der NSDAP, das Inventar und setzten das jüdische Versammlungs- und Gotteshaus mit Benzin in Brand. Die herbeieilende Feuerwehr durfte den Brand nicht löschen. Die Kellerdecke wurde später eingerissen und die Räume darunter mit Schutt verfüllt. Die Kellergewölbe sind noch vorhanden und liegen etwa einen Meter unter der Erde.
https://www.sauerlandkurier.de/


ARD History: Emilie Schindler – Die vergessene Heldin

Emilie Schindler, die als betrogene Ehefrau von vielen belächelt wurde, ist eine von der Geschichte vergessene Heldin, die furchtlos und mutig Juden rettete. Die Dokumentation holt sie aus dem Schatten ihres Mannes und porträtiert eine Frau, die ohne großes Aufsehen Menschen beschützte. Nach dem Krieg wurde sie von ihrem Mann verlassen und von der Welt vergessen. Weiteres Bildmaterial finden Sie unter www.br-foto.de.Emilie Schindler, die als betrogene Ehefrau von vielen belächelt wurde, ist eine von der Geschichte vergessene Heldin, die furchtlos und mutig Juden rettete. Die Dokumentation holt sie aus dem Schatten ihres Mannes.
Oskar Schindler wurde zum Synonym für Menschlichkeit im Nationalsozialismus. Doch welche Rolle spielte seine Frau Emilie Schindler? Emilie Schindler, die als betrogene Ehefrau von vielen belächelt wurde, ist eine von der Geschichte vergessene Heldin, die furchtlos und mutig Juden rettete. Die Regisseurin Annette Baumeister porträtiert eine Frau, die ohne großes Aufsehen Menschen beschützte. Nach dem Krieg wurde Emilie von ihrem Mann verlassen und von der Welt vergessen. Emilie Pelzl wird 1907 im Sudetenland geboren. Von klein auf arbeitet sie auf dem elterlichen Bauernhof und pflegt Angehörige. Mit 20 verliebt sie sich in den charmanten Oskar Schindler. Obwohl dieser als Herzensbrechers gilt, heiratet sie ihn. Oskar hat Affären und verjubelt die Mitgift, aber Emilie bleibt bei ihm. Gemeinsam werden sie durch die Nazis mit ihrer Fabrik erst reich und retten dann viele Juden vor dem sicheren Tod. In der Dokumentation beschreiben Historiker*innen sowie Emilie Schindlers argentinischer Pfleger, Leandro Coseforti und ihre Nichte Traude Ferrari eine vergessene Heldin. Die Regisseurin Annette Baumeister rekonstruiert einfühlsam das Leben von Emilie Schindler. Nachgesprochene Zitate vermitteln das Bild einer Frau, die sich aus der Rolle der passiven Ehefrau löst und aktiv Menschen hilft. Für "ihre Juden" besorgt sie Lebensmittel, Medikamente und rettet Todgeweihte unter den Augen der SS.
https://www.daserste.de/


Emilie Schindler · Die vergessene Heldin

12.11.2024 ∙ ARD History ∙ BR
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Emilie Schindler, die als betrogene Ehefrau von vielen belächelt wurde, ist eine von der Geschichte vergessene Heldin, die furchtlos und mutig Juden rettete. Die Dokumentation holt sie aus dem Schatten ihres Mannes.
https://www.ardmediathek.de/


Gedenken
Neue Stolpersteine verlegt: Erinnerungen an NS-Opfer

09.11.2024, 16:30 Uhr • Lesezeit: 2 Minuten
Künstler Gunter Demnig verlegt in Gladbeck weitere Stolpersteine
Der 77-jährige Künstler Gunter Demnig verlegte etwa ein Dutzend neue Stolpersteine in der Gladbecker Innenstadt. Schüler waren an der Aktion beteiligt.
© WAZ | Joachim Stuebben
Gladbeck. Künstler Gunter Demnig war nach Gladbeck gereist und traf einen Nachfahren. Stolpersteine erinnern an Opfer des Nationalsozialismus.
Gladbeck ist um weitere Erinnerungsstücke an das schwärzeste Kapitel deutscher Geschichte, den Nationalsozialismus, reicher. Der 77-jährige Aktionskünstler Gunter Demnig verlegte etwa ein Dutzend weitere Stolpersteine – zu einem denkwürdigen Datum.
In den Stunden vom 9. auf den 10. November 1938 brannten deutschlandweit die Synagogen. Geschäfte und Wohnhäuser jüdischer Menschen standen ebenfalls in Flammen, ein Mob verprügelte und drangsalierte die Opfer – auch in Gladbeck.
Nachfahre war zur Steinverlegung aus den USA angereist
Die sogenannte Reichspogromnacht setzte den Anfang der systematischen Verfolgung und Ermordung von Juden sowie anderer Bevölkerungsgruppen in der NS-Zeit. Das Grauen hatte beispiellose Dimensionen.
An die Opfer erinnern die Stolpersteine, die Demnig in vielen Ländern verlegt. Geburtsdatum und Wohnort, Ort eines Konzentrationslagers und Todesdatum führen an vielen Stellen in Gladbeck vor Augen: Die Verfolgten, Verschleppten und Getöteten waren Mitglieder der Gesellschaft, wohnten Tür an Tür mit Nichtjuden.
Nachkomme Jeffrey Bleiweis traf in Gladbeck den Künstler Gunter Demnig
Künstler Gunter Demnig traf Jeffrey Bleiweis, der mit seiner Frau aus Chicago nach Gladbeck gereist war. Jeffrey Bleiweis‘ Eltern hatten an der Karlstraße gewohnt und rechtzeitig die Flucht aus Nazi-Deutschland ergriffen.
© WAZ | Joachim Stuebben
Die neuen Stolpersteine befinden sich an der Rentforter und Horster Straße sowie Hoch-, Karl-, Hege- und Roßheidestraße. Jeffrey Bleiweis und seine Frau waren aus den USA – genauer gesagt: aus Chicago – nach Gladbeck gereist. Hier traf das Paar den Künstler Demnig. Jeffrey Bleiweis‘ Eltern hatten an der Karlstraße gewohnt und rechtzeitig die Flucht aus Nazi-Deutschland ergriffen.
Auch interessant
Eva Weyl überlebte den Nationalsozialismus. Die Zeitzeugin schilderte Jugendlichen des Ratsgymnasiums in Gladbeck Flucht, Verfolgung und Leben im Lager.
Geschichte hautnah
Bewegende Lektion: Holocaust-Überlebende spricht zu Schülern
Von Werner Waldner
Jugendliche mehrerer Gladbecker Schulen beschäftigen sich seit Jahren mit dem Schicksal von NS-Opfern, recherchieren zu deren Biografien. So auch diesmal zur Steinverlegung.
https://www.waz.de/


Gedenken an Todesmarsch
„Symbol für Mut und Versöhnung“: Nachfahren der Nisei-Soldaten im Landkreis zu Besuch

Am Todesmarsch-Denkmal in Waakirchen legten die Nachfahren der Nisei-Soldaten gemeinsam mit Bürgermeister Norbert Kerkel (li.) Kränze nieder.
© Max Kalup
Eine US-amerikanische Reisegruppe besonderer Art war jetzt Gast in Bad Tölz. Es handelt sich um Nachfahren der Nisei-Soldaten, die 1945 den Todesmarsch-Teilnehmern halfen.
Bad Tölz - Die Gruppe folgte der historischen Route des „522nd Field Artillery Bataillons“, das im Frühjahr 1945 entscheidend zur Befreiung der Todesmarschhäftlinge des Konzentrationslagers Dachau beigetragen hatte. Nisei-Soldaten sind japanischstämmige Amerikaner, die für ihr Heimatland kämpften, obwohl ihre Familien nach dem Angriff auf Pearl Harbor im Dezember 1941 in den USA pauschal diskriminiert und in Internierungslager gesperrt wurden.
In der ehemaligen Flintkaserne zufällig noch Amerikaner getroffen
Auf den Spuren ihrer Großväter und Väter reisten die Nachfahren der Soldaten durch Belgien, Frankreich und Deutschland. Der Geretsrieder Florian Völler, Kreisbeauftragter im Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, begleitete die Gruppe. Wie er berichtet, besichtigten die Gäste unter anderem die ehemalige Flintkaserne in Bad Tölz und trafen dort zufällig auf einige ehemalige Angehörige der 10th Special Forces, die einst hier stationiert waren.
Kranzniederlegung am Denkmal
An einer Kranzniederlegung am Todesmarsch-Denkmal in Waakirchen nahm dann auch der dortige Bürgermeister Norbert Kerkel teil. In bewegenden Worten erinnerte er an die Ereignisse im Frühjahr 1945. „In Waakirchen fand sich am 2. Mai 1945 eine Gruppe von etwa 2000 KZ-Häftlingen ein, die auf einem Todesmarsch waren“, sagte Kerkel. „Sie hatten unsagbares Leid hinter sich, waren gezeichnet von Hunger, Kälte und den Verbrechen der NS-Diktatur. Doch hier, im Wald, wo sie in Schnee und Schmutz um ihr Überleben kämpften, fand sich eine Hand, die ihnen half: Soldaten des 522. Feldartillerie-Bataillons, auch ,Nisei genannt`.“ Diese Soldaten hätten nicht gezögert, den leidenden Menschen zu helfen. „Sie brachten die Häftlinge in unsere Gemeinde, wo sie in Privatquartieren, im Pfarrhof und in umliegenden Orten Unterkunft und Fürsorge erhielten.“ Die Geschichte dieser Befreiung bezeichnete Kerkel als „Zeichen der Menschlichkeit in einer Zeit der Unmenschlichkeit“. Sie zeige, „dass Mitgefühl und Solidarität stärker sind als Hass und Gewalt“.
Treffen mit Vertreter der Stadt und des Volksbunds
Nachdem Völler die Nachfahren der Nisei-Soldaten zu den wichtigsten Schauplätzen der dramatischen letzten Kriegstage im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen geführt hatte, wurden die Gäste am Abend in Bad Tölz vom Zweiten Bürgermeister Michael Lindmair und von Maximilian Fügen, Landesbildungsreferent des Volksbunds, empfangen. Der Landesbund setzt sich für die Pflege und Erinnerung an die Kriegsgräber sowie für Versöhnung und Friedenserziehung ein.
Kreisbeauftragter Völler spricht von „tiefen Eindrücken“, die die Gruppe mit nach Hause genommen habe. „Die Reise führte ihnen nicht nur die Schrecken des Zweiten Weltkriegs vor Augen, sondern auch die bewundernswerte Tapferkeit und den schwierigen Weg der Nisei-Soldaten“, so Völler. „Ihr Vermächtnis lebt weiter als ein Symbol für Mut und Versöhnung, das auch nachfolgende Generationen inspirieren soll.“
https://www.merkur.de/


„Ein Zeichen gegen das Vergessen“: Veranstaltungen in Brilon erinnern an NS-Opfer

Stand: 07.11.2024, 16:30 Uhr
Dr. Hans-Günther Bracht bietet in einer Lesung tiefe Einblicke in das Leben eines Juden, der nach 1945 ins Land der Täter zurückgekehrt ist. © stadt brilon
Im November gedenken die Stadt Brilon, das Jugendparlament und das Bündnis für Demokratie der Pogromnacht, die in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 stattfand und in der auch die Synagoge in Brilon niedergebrannt wurde.
Brilon – Dieses furchtbare Ereignis markierte einen Wendepunkt in der deutschen Geschichte und erinnert an die Schrecken des Antisemitismus und der Gewalt.
Um der Opfer zu gedenken und das Bewusstsein für die Bedeutung von Demokratie und Toleranz zu schärfen, sind alle Bürger eingeladen, an den folgenden Veranstaltungen teilzunehmen:
• Ein Gedenkmarsch findet am Freitag, 8. November, statt. Er beginnt um 19 Uhr am alten jüdischen Friedhof, im Derkerborn oberhalb der Grundschule St. Engelbert, und führt durch die Straßen Brilons bis zum Mahnmal am Standort der jüdischen Synagoge. Gemeinsam soll ein Zeichen gegen das Vergessen gesetzt und die Werte der Menschlichkeit und des Respekts gestärkt werden. Der Weg führt auch durch das Rathaus, in dem Portraits von ehemaligen jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, die in Brilon lebten und deren Schicksale durch die nationalsozialistische Verfolgung geprägt wurden, hängen werden.
• Am Samstag, 9. November, findet im Foyer des Rathauses um 16 Uhr eine Autorenlesung mit Dr. Hans-Günther Bracht statt. Diese Lesung über Hugo Stern bietet tiefe Einblicke in das Leben eines Juden, der nach 1945 ins Land der Täter zurückgekehrt ist. Die Veranstaltung zeigt die Herausforderungen und Hoffnungen der Rückkehrer und regt zur Reflexion über die Vergangenheit und die Bedeutung der Erinnerungskultur an. Der Eintritt ist kostenlos. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
„Es ist wichtig, dass wir die Geschichte nicht vergessen und aus ihr lernen“, so Bürgermeister Dr. Christof Bartsch. „Wir laden alle ein, sich an den Veranstaltungen zu beteiligen und gemeinsam für eine demokratische und tolerante Gesellschaft einzutreten.“
https://www.sauerlandkurier.de/


Der Schrecken von Auschwitz: Diese Serie erinnert an das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte

03.11.2023 von SWYRL
"Nichts gehört, nichts gesehen, nichts gewusst": Die deutsche Disney-Serie "Deutsches Haus" rekapituliert die Gräuel der Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg. Zu sehen sind in der Produktion deutsche Schauspielstars wie Iris Berben, Heiner Lauterbach und Anke Engelke.
Der Krieg und die Gräuel der Nationalsozialisten sind 1963 längst verdrängt, der Blick ist nach vorne gerichtet. Und die jüngere Generation, die während des Krieges noch im Kindesalter war, besticht in der deutschen Disney-Serie "Deutsches Haus" (ab 15. November bei Disney+) hauptsächlich mit Nichtwissen. So auch Eva Bruhns (Katharina Stark). Die junge Frohnatur packt in der titelgebenden Gaststätte ihrer Eltern Edith (Anke Engelke) und Ludwig (Hans-Jochen Wagner) mit an, ehe die Dolmetscherin unversehens mit einer neuen Aufgabe betraut wird: Sie soll bei dem Auschwitz-Prozess aus dem Polnischen ins Deutsche übersetzen.
Je länger der Prozess dauert, desto erschütternder offenbaren sich der jungen Übersetzerin die Wahrheit und die Taten der Angeklagten um Robert Mulka (Martin Horn) und Wilhelm Boger (Heiner Lauterbach). Durch ihren Job stellt Eva nicht nur die zarte Liebesbeziehung mit Versandmagnat Jürgen Schoormann (Thomas Prenn) aufs Spiel. Ihre Nachforschungen bringen auch ihre eigene Familie ins Wanken.
Das fünfteilige Disney-Original "Deutsches Haus" debütiert am 15. November bei Disney+. Zur Besetzung der Serie gehören auch Iris Berben, Max von der Groeben, Sabin Tambrea und Aaron Altaras.
https://swyrl-dev.teleschau.de/


"Nie wieder ist jetzt!" -Im Gedenken an die Opfer der Reichspogromnacht 1938

86 Jahre nach der von den Nationalsozialisten initiierten Reichspogromnacht mit Überfällen auf jüdische Privatpersonen, Wohnungen, Geschäfte und Synagogen gedenken die Gedenk- und Erinnerungsorte in NRW den Opfern der Nacht vom 08. auf den 09. November 1938. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen, vor Ort an den verschiedenen Veranstaltungen teilzunehmen und ein Zeichen gegen Antisemitismus zu setzen.
Verfasst am 01.11.2024
Gedenkstätte und NS-Dokumentationszentrum, Bonn
Die Initiative zum Gedenken an die Bonner Opfer des Nationalsozialismus und die Stadt Bonn erinnern am Sonntag, 10. November 2024, an die Novemberpogrome 1938 und laden dazu ein, der Opfer zu gedenken.
Am Vormittag des 10. November 1938 brannte die Bonner Synagoge in der ehemaligen Tempelstraße am Rheinufer. Sie war eine von insgesamt fünf jüdischen Gotteshäusern, die in Bonn, Poppelsdorf, Beuel, Bad Godesberg und Mehlem in Brand gesteckt wurden.
Im Foyer des Opernhauses findet um 14.30 Uhr ein Gedenkkonzert statt. Das Yaron-Quartett (Melanie Torres-Meißner, Ieva Hieta, Thomas Plümacher und Johannes Rapp) spielt das Streichquartett Nr. 1 des Komponisten und Dirigenten Gerhard Samuel, der als Kind mit seiner Familie 1939 in die USA fliehen konnte. Der Bass aus dem Bonner Opernensemble Christopher Jähnig singt den Liederzyklus des in Vergessenheit geratenen jüdischen Komponisten Robert Kahn „Sieben Gesänge“ nach Gerhardt Hauptmann mit Klavierbegleitung von Ana Craciun. Aufgrund der begrenzten Platzkapazität startet der Einlass bereits um 14 Uhr.
Anschließend findet um 15.30 Uhr das Gedenken am Synagogen-Mahnmal am Moses-Hess-Ufer statt, mit Ansprachen von Oberbürgermeisterin Katja Dörner, dem Vorsitzenden der Bonner Synagogengemeinde Jakov Barasch, und mit musikalischer Begleitung von Matthias Höhn. Kantor Shmuel Sintag spricht zum Abschluss das Gedenkgebet „El Male Rachamim“.
Oberbürgermeisterin Katja Dörner: „Im November 1938 sah ein Großteil der Menschen in Bonn die brennenden Synagogen, die zerstörten Geschäfte und die drangsalierten und verängstigten Menschen. Das dürfen wir nicht vergessen. Gerade heute ist es an uns allen zu beweisen, dass die Erinnerung an den 10. November 1938 mehr ist als ein Ritual. Es ist mir eine Herzensangelegenheit, den Jüdinnen und Juden in unserer Stadt zu versichern, dass die Stadt Bonn das ihre tut, sie zu unterstützen und zu schützen.“
Jakov Barasch, Vorsitzender der Synagogengemeinde: „Ich freue mich über die Einigkeit im Rat, Gedenkstätte und NS-Dokumentationszentrum am historischen Ort des Ghettolagers im in der NS-Zeit beschlagnahmten Benediktinerinnenkloster in Endenich, dem Gedenken und der historisch-politischen Bildungsarbeit zur NS-Zeit in Bonn in Zukunft einen würdigen Rahmen zu geben.“
Kranzniederlegung, Gedenkgang und Theaterinstallation, Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf
“Möge denn auf dem Hause, in das wir einzuziehen im Begriffe sind, Gottes Auge stets schützend ruhen, dass es den Sturm der Zeiten überdauere, immerdar Zeugnis ablegend von der hohen Genialität seines Erbauers, von der Opferwilligkeit der Gemeinde, von der Schaffensfreudigkeit ihrer Vertretung! Möge dieses Haus eine Stätte der Andacht werden, welche die Menschenseele erfüllt mit Ahnungen des Göttlichen, mit Demut, Zuversicht, Vertrauen! Möge sittliches Fühlen und Handeln hier immer erneute Anregung und Förderung erhalten! Mögen Treue zum Vaterland, Liebe zur Heimat, Liebe zum Nächsten die edelsten Früchte sein, welche auf dem Gott geweihten Boden dieses Heiligtums zur Reife gelangen! Ein Baustein sei dieses Haus zu dem hehren Werk der Menschenverbrüderung, das dereinst alle Erdenkinder vereinen wird in der Anbetung Gottes, in der Übung der Tugend, in der Pflege der Wahrheit und der Gerechtigkeit! Das walte der Herr in den Höhen!” Ansprache zur Einweihung der Synagoge 1904 von Josef Levison, Vorsitzender der Gemeinde
34 Jahre später wurde die Synagoge in Brand gesetzt und zerstört. Noch in den Morgenstunden des 10. November 1938 brannte sie, die Feuerwehr bespritzte nur die Nachbarhäuser. Die Jüdische Volksschule nebenan im einstigen Rabbinerhaus wurde innen vollständig demoliert.
Die Jüdische Gemeinde und die Mahn- und Gedenkstätte laden zur Kranzniederlegung und zum Gebet am Freitag, 08. November um 10:15 Uhr, zum Standort der 1938 zerstörten Synagoge (Kasernenstraße/ Siegfried-Klein-Straße). Männliche Teilnehmer werden gebeten, eine Kopfbedeckung zu tragen.
Gedenkgang
In diesem Jahr werden am Sonntag, 10. November ab 15 Uhr, die Ereignisse im Zooviertel in den Blick genommen: Wie erlebten jüdische Bewohner:innen wie Edith Fürst und Carl Weyl den 9. und 10. November 1938 in ihrem Stadtviertel? Wie verhielten sich die Nachbar:innen der Familien Rosendahl, Cohen und Klestadt? Und wie waren die Mitglieder der NSDAP-Ortsgruppe Zoo an den Überfällen beteiligt?
Und welche persönlichen Folgen hatten die gewaltsamen Ausschreitungen dieser Tage für die verfolgten Personen und Familien? Eine Gruppe junger, engagierter Freiwilliger gibt Einblicke in die Lebensgeschichten der ehemaligen Bewohner:innen des Zooviertels.
Der Gedenkgang endet an der Lindemannstraße 35, von wo aus gemeinsam zur Matthäikirche (Lindemannstraße 70) gegangen wird. Dort erwartet das Evie-Mobil der Evangelischen Kirche alle Interessierten und lädt zu Gesprächen bei einem warmen Kakao, Kaffee oder Tee ein.
Um 17 Uhr beginnt dann der Ökumenische Gottesdienst. Die Predigt wird Hochschulpfarrer Stefan Wißkirchen halten. Es singt der Chor “Aufwind” unter der Leitung von Feliks Sokol.
Der Gedenkgang und der Ökumenische Gottesdienst werden veranstalten von der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf, dem Evangelischen Kirchenkreis Düsseldorf, der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit e.V. in Düsseldorf, der Katholischen Kirche in Düsseldorf, der Evangelischen Studierenden-Gemeinde und der Katholischen Hochschulgemeinde.
Treffpunkt: Graf-Recke-Strasse 78
Szenische Installation
Dienstag, 12. November und Mittwoch 13. November jeweils um 18:30 Uhr
DIENSTAG, 12. UND MITTWOCH, 13. NOVEMBER 2024 18.30 UHR SZENISCHE INSTALLATION „SCHWARZ-HELLE NACHT“ – THEATERKOLLEKTIV PIÈRRE.VERS
Tickets und Informationen unter Tel. 0211/ 89 96205 oder nicole.merten@duesseldorf.de
Veranstaltungsort: Beatrice-Strauß-Zentrum der Mahn- und Gedenkstätte, Marktstraße 2, 40213 Düsseldorf
Am 9. und 10. November 1938 fanden in Düsseldorf etwa 460 Überfälle auf jüdische Bürger:innen statt. Diese landesweit geplanten Aktionen gingen als Novemberpogrom in die Geschichte ein.
Das Vernichten von Gebetshäusern wurde in dieser Nacht genauso vollzogen, wie die Zerstörung von privatem Eigentum. Zeit- und Augenzeug:innen berichteten vom Eindringen in die intimsten Räume, von gewalttätigen Übergriffen und Todesfällen. Die Ereignisse sind ein erster trauriger Höhepunkt der systematischen Vertreibungs- und Vernichtungspolitik des NS-Regimes. Auf ihn sollten noch viele folgen.
In einer szenischen Installation nähert sich das Theaterkollektiv den Ereignissen dieser Nacht. Auf Grundlage von archivierten Zeitzeug:innenberichten der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf werden die Ereignisse in einer längst überfälligen Prozesssituation verhandelt. Auf dem Tisch liegen Zeitungsausschnitte, erlassene Paragrafen zur systematischen Erschwerung des jüdischen Lebens und persönliche Berichte von ehemaligen jüdischen Bürger:innen Düsseldorfs, die von den Darsteller:innen nach und nach ihre Stimmen wieder bekommen. Stimmen, die ihre Rechte einklagen. Ihre Rechte auf Freiheit in Meinung und Religion, ihr Recht auf Besitz und Eigentum. Ihr Menschenrecht.
Lern – und Gedenkort Jawne, Köln
Am Freitag, 8. November 2024, findet um 12.00 Uhr die Gedenkstunde anlässlich des 86. Jahrestags der Novemberpogrome am Löwenbrunnen statt.
Es wird an die Pogrome am 9. und 10. November 1938, die sich gegen die jüdische Bevölkerung in Köln und an allen anderen Orten Deutschlands richteten, erinnert. Zugleich wird ein Zeichen der Anteilnahme und Verbundenheit mit Jüdinnen und Juden in Köln gesetzt, die auch heuten wieder und immer noch von Antisemitismus betroffen sind.
Die Gedenkstunde wird von Schülergruppen von zwei Kölner Schulen mitgestaltet. Herzlich eingeladen sind alle Bürger*innen, die ein Zeichen der Solidarität und ein Zeichen gegen Antisemitismus und jede Form von Rassismus und Hass setzen möchten.
Gedenkstunde am Platz der Synagoge, Siegen
Am Sonntag, 10. November, findet um 16 Uhr am Platz der Synagoge im Siegener Obergraben die Gedenkstunde zur Reichspogromnacht im Jahr 1938 statt. Vor 86 Jahren steckten Männer der Siegener SS und SA in der Mittagsstunde des 10. November die Siegener Synagoge unter den Blicken zahlreicher Schaulustiger in Brand. Das jüdische Gotteshaus wurde vollständig zerstört. Alle jüdischen Männer, derer man habhaft werden konnte, wurden verhaftet und ins KZ Sachsenhausen verschleppt. Der 10. November 1938 markiert damit das Ende des sichtbaren jüdischen Lebens in Siegen. Die Gedenkstunde mahnt an die Schrecken der Vergangenheit und erinnert, dass auch heute wieder jüdisches Leben in Deutschland stark bedroht ist.
Moderiert wird die Gedenkstunde vom Ev. Vorsitzenden der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Siegerland e. V. (CJZ) Pfr. i. R. Raimar Leng. Im Anschluss spricht der Bürgermeister der Universitätsstadt Siegen, Steffen Mues, ein Grußwort. Den zentralen Redebeitrag hält in diesem Jahr Elke Büdenbender. Sie wurde 1962 in Siegen-Weidenau geboren und arbeitet seit dem Jahr 2000 als Richterin am Verwaltungsgericht Berlin. Sie ist die Ehefrau von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.  Das jüdische Totengebet (Kaddisch) spricht Alon Sander, jüdischer Vorsitzender der CJZ Siegerland. Beteiligt sind weiterhin israelische Jugendliche aus Emek Hefer (Partnerkreis Siegen-Wittgenstein) sowie der Walter-Krämer-AStA der Universität Siegen. Das Mitbringen von Flaggen und Transparenten ist nicht erlaubt.
Der Obergraben wird von 15.00 Uhr bis ca. 18:00 Uhr von der Einmündung Kohlbettstraße bis zum Parkhaus Karstadt (Unteres Schloss) gesperrt. Nach der Gedenkstunde besteht die Möglichkeit, die Sonderausstellung „Die nationalsozialistischen ‚Euthanasie‘-Morde. Die Ausstellung des Gedenk- und Informationsorts Tiergartenstraße 4 in Berlin (Wanderausstellung der Gedenkstätte Topographie des Terrors)“ im Aktiven Museum Südwestfalen zu besuchen. Die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Siegerland e. V. und das Aktive Museum Südwestfalen e. V. laden herzlich zum Besuch der Gedenkstunde ein.
„Vergiss es nicht“ – Filmvorführung im Rahmen der „Nacht der Kultur“ in Lüdenscheid, Ge-Denk-Zellen Altes Rathaus Lüdenscheid e.V.
Im Rahmen der Lüdenscheider Veranstaltung „Nacht der Kultur“ am 09. November wird in der VHS im Alten Rathaus ab 18.15 Uhr halbstündlich ein Film über das jüdische Leben damals in Lüdenscheid gezeigt. Die VHS und die Gedenkzellen sind an diesem Abend kostenfrei bis 22 Uhr geöffnet.
„Zerbrechlich und wortgewaltig oder: Nachrichten aus dem Nirgendland“ - Gedenkstunde und Lesung mit Musik im Jüdischen Museum Westfalen Dorsten
Im Anschluss an das gemeinsame Gedenken im Museumsgarten an die Opfer der Pogrome vom 9./10. November 1938 um 10:30 lädt das Jüdische Museum Westfalen in Kooperation mit der Stadt Dorsten und der Friedrich Naumann-Stiftung alle Interessierten am 10. November 2024 um 11:00 Uhr zu einer Lesung der Journalistin und Autorin Caroline Vongries ein.
Gedichte deutsch-jüdischer Autorinnen wie Mascha Kaléko, Nelly Sachs und Rose Ausländer, begegnen den Lebensgeschichten von Frauen, die eng mit Franz Kafka verbunden sind wie Grete Bloch und Julie Whoryzek, die ermordet wurden oder flüchten konnten. Ihnen zur Seite gestellt werden Gedichte arabischer und iranischer Autorinnen, die für die Befreiungsbewegung der Frauen im Iran eine Rolle spielen. Die Liedermacherin Josefin Rabehl singt passende Lieder aus ihrer eigenen Liederwerkstatt. Der Eintritt ist frei.
Gedenkstätte „Landjuden an der Sieg“, Windeck-Rosbach
Samstag, 9. November 2024, 15.00 Uhr
Evangelische Salvatorkirche, Kirchplatz 4, 51570 Windeck-Rosbach, Eintritt frei
In den Tagen um den 9. November 1938 fanden überall im Deutschen Reich, so auch in unserem Kreisgebiet, staatlich inszenierte und von der Öffentlichkeit hingenommene Pogrome gegen jüdische Bürgerinnen und Bürger statt. Die antisemitische Pressekampagne in diesen Novembertagen bereitete den Boden für die entgrenzte Gewalt gegen jüdische Menschen und für die gelenkte Zerstörung von jüdischen Einrichtungen – Synagogen und Betstuben, Friedhöfen, Wohnungen, Läden und Geschäftsräumen. Aus dem Antisemitismus, der seit 1933 Staatsdoktrin war und der die gesellschaftliche Ausgrenzung aller Jüdinnen und Juden begründete, wurde Verfolgung, die in Vernichtung mündete. Diese als Novemberpogrome bezeichneten Ereignisse waren das Fanal für alles Künftige. Die Ereignisse bedeuteten eine Katastrophe für die bürgerliche Existenz und das Bewusstsein vieler jüdischer Bürger. Sie sollen uns als Mahnung in Erinnerung bleiben, damit sich solches Unrecht in unserem Lande niemals wiederholt. Zur Erinnerung und Mahnung an diese Geschehnisse findet diese Gedenkstunde statt.
Im Zentrum der Veranstaltung steht der Vortrag „Langes Schweigen – späte Ehrung: Zum 50. Todestag von Oskar Schindler“ von Annette HIRZEL, Schulpfarrerin a. D. Erst durch Steven Spielbergs mit sieben Oscars prämierten Film „Schindlers Liste“, der Ende 1993 in den USA und 1994 in Deutschland in die Kinos kam, wurde Oskar Schindler (1908-1974) und seine Rettung von ca. 1.200 jüdischen Menschen weltbekannt. Dieser erfolgsgierige opportunistische Geschäfts- und Lebemann hatte sich angesichts der sadistischen Brutalität im von den Nazis besetzten Polen, deren Augenzeuge er geworden war, entschieden, nicht nur sein Vermögen, sondern auch sein Leben für die Rettung der „Schindlerjuden“, wie sie sich selbst später nannten, einzusetzen, unterstützt von seiner Frau Emilie. Erst in den 1960er-Jahren wurde man auf den seit 1957 in Frankfurt in bescheidenen Verhältnissen lebenden „Judenretter“ aufmerksam, und auch er selbst trat erst viele Jahre nach Kriegsende öffentlich auf. Die Referentin wirft ohne Anspruch auf Vollständigkeit mit einigen O-Tönen einen Blick auf die Umstände, unter denen Oskar Schindler nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Deutschland (und Israel) lebte und – zum Teil erst posthum – geehrt wurde.
Samstag, 9. November 2024, 17.00 Uhr
Evangelische Salvatorkirche, Kirchplatz 4, 51570 Windeck-Rosbach
Eintritt frei, Spenden für den Förderverein Gedenkstätte Landjuden an der Sieg e. V. erwünscht
Konzert mit der Gruppe Saitensprung:
„Zog nit keyn mol...“
Die Windeck-Waldbröl-Berliner Formation Saitensprung pflegt bereits seit 25 Jahren ihre Leidenschaft für Klezmer, Balkan- und Roma-Musik. Die sieben Musiker*innen haben etliche Schätze vom Balkan und aus dem jiddischen Schtetl für sich entdeckt und arrangiert.
Mit ergreifend schwermütigen und durchaus auch lebenslustigen Liedern der Roma und der Ostjuden sowie einigen Instrumentalklassikern unternimmt Saitensprung eine musikalische Reise in andere Zeiten und Regionen Europas.
Die Besetzung: Ralf Merian – Gesang, Perkussion / Corinna Schenker – Klarinette / Jakobus und Andreas Bönisch – Geigen, Mandoline/ Martin Schulte – Akkordeon, Tenorhorn, Perkussion / Niko Bönisch – Gitarre, Bouzuki / Ute Krämer-Bönisch – Kontrabass.
https://www.ns-gedenkstaetten.de/


Der Nazi-Schatzjäger und das blinde Mädchen: Pulitzer-Preis-Roman als außergewöhnliche Netflix-Serie

2015 bekam Anthony Doerr für „Alles Licht, das wir nicht sehen“ einen Pulitzerpreis. Netflix hat daraus ein märchenhaftes Historiendrama gemacht.
Von Kurt Sagatz
01.11.2023, 17:19 Uhr
Dass Netflix Shawn Levy mit der Umsetzung des Romans „Alles Licht, das wir nicht sehen“ – Anthony Doerr erhielt dafür 2015 einen Pulitzerpreis – beauftragt hat, war naheliegend. Shawn Levy hat bei allen drei Teilen von „Nachts im Museum“ Regie geführt. Und auch in der vierteiligen Mini-Serie (Netflix, ab 2. November) über die Macht des Lichts und der Liebe und die endliche Macht des „Irrsinns alter Nazi-Männer“ (Drehbuch: Steven Knight) spielt ein Museum und vor allem ein Exponat eine besondere Rolle. Dem Edelstein „Das Meer der Flammen“ wird einerseits ein schrecklicher Fluch nachgesagt, andererseits soll er seinem Besitzer Gesundheit und ewiges Leben schenken.
Die Amerikaner haben 1944 damit begonnen, die bretonische Hafenstadt Saint-Malo zu bombardieren, um die Nazis zur Aufgabe zu zwingen. Diese haben den Befehl, bis zum letzten Mann auszuharren, und – wenn nötig – die ganze Bevölkerung mit in den Tod zu nehmen.
Deine Finger sind deine Augen. Du hast zehn, die meisten Menschen nur zwei Augen. Du bist also fünfmal besser dran.
Daniel LeBlanc (Hugh Laurie) zu seiner blinden Tochter Marie-Laure (in jungen Jahren gespielt von Nell Sutto).
In dieser Zeit betreibt das blinde Mädchen Marie-Laure (gespielt von der ebenfalls blinden Schauspielerin Aria Mia Loberti) einen Radiosender. Sie liest ihren Zuhörern aus Jules Vernes „20.000 Meilen unter dem Meer“ vor, um Hoffnung in einer wenig hoffnungsvollen Zeit zu verbreiten. Einen Piratensender zu betreiben, steht unter Todesstrafe. Der deutsche Funküberwacher Werner Pfennig (Louis Hofmann) soll die junge Frau aufspüren. Vor vielen Jahren hat auf der gleichen Frequenz ein „Professor“ mit einer ähnlichen Absicht gesendet – und Werner hat heimlich mitgehört und wird nun zu Marie-Laures Beschützer.
Der Führer hat derweil den hochrangigen Gestapo-Offizier Reinhold von Rumpel damit beauftragt, ihm die wertvollsten Juwelen Europas zu besorgen. Doch diesen Stein will der von Lars Eidinger gespielte, todkranke und skrupellose Schatzjäger ganz für sich allein haben. Dabei erinnert die Figur an Christopher Waltz‘ SS-Standartenführer Hans Landa in „Inglourious Basterds“.
Netflix kündigt die Miniserie als Historiendrama an, das 1944 in der von den Deutschen besetzten Stadt Saint-Malo spielt. Trotz der dramatischen Ereignisse geht die sehenswerte Serie aber eher in Richtung Märchen. Das macht einige besonders überzeichnete Nazi-Protagonisten verzeihlich.
https://www.tagesspiegel.de/


Selenskyj erinnert an Massaker in Babyn Jar

Kiew: Der ukrainische Präsident Selenskyj hat am 82. Jahrestag an die Opfer des Massakers von Babyn Jar unter deutscher Besatzung erinnert. In nur wenigen Tagen seien im September 1941 mehr als 30.000 Menschen getötet worden, sagte er in seiner abendlichen Videoansprache. Es sei wichtig, die Erinnerung an diese Opfer wachzuhalten und daran, dass das Böse, das durch den Holocaust begangen wurde, besiegt und bestraft wurde.
Sendung: Bayern 2 Nachrichten, 30.09.2023 15:00 Uhr
https://www.br.de/nachrichten/meldung/selenskyj-erinnert-an-massaker-in-babyn-jar,3005e4bd6


CDU will Geld für Kriegsgefangenen-Gedenkstätte streichen

Stand: 13.09.2023, 16:37 Uhr
Die CDU-Kreistagsfraktion in Gütersloh will weniger Geld für eine neue Forschungs- und Gedenkstätte auf dem Gelände des Kriegsgefangenenlagers STALAG 326 in Stukenbrock ausgeben. Nun ist das gesamte Projekt gefährdet.
Von Theo Knepper
300.000 Kriegsgefangene hatten die Nationalsozialisten in Schloss Holte-Stukenbrock zusammengepfercht. Sie mussten im Bergbau und in der Rüstungsindustrie unter unmenschlichen Bedingungen schuften. Die meisten starben. Also sollte ein Ort entstehen, der an die Nazi-Verbrechen an den Zwangsarbeitern erinnert. Kein Denkmal, sondern eine Forschungs- und Bildungsstätte mit einer modernen Ausstellung.
Förderer fürchten um das Projekt
Burkhard Poste vom Förderverein Gedenkstätte STALAG 326 zeigt Besuchern gerne das Entlausungshaus. Eine triste dunkle Halle. Hier mussten sich die Kriegsgefangenen entkleiden. Nackt waren sie fortan der Willkür der Nazi-Schergen ausgeliefert. "So etwas gibt es nirgendwo sonst", sagt er.
2. April 1945 - Befreiung des Kriegsgefangenenlagers "Stalag 326" | mehr
Das Gebäude sollte das Herzstück einer modernen Ausstellung werden, in der die Leiden der Kriegsgefangenen mit 3D-Technik und audio-visuellen Medien erfahrbar werden. Aber wenn die Mittel für den Betrieb der Gedenkstätte fehlten, sei das ganze Projekt gefährdet, so Poste.
CDU-Fraktion schert aus
Bislang wollten der Bund, das Land NRW und der Landschaftsverband Westfalen Lippe 64 Millionen Euro bereitstellen. Städte und Kreise in Ostwestfalen-Lippe sollten später ein Viertel der Betriebskosten zahlen, so hatten es die Beteiligten über die Parteigrenzen hinweg vereinbart.
Aber jetzt schert die CDU-Fraktion im Gütersloher Kreistag aus. Fraktionschefin Birgit Ernst meint, 460.000 Euro pro Jahr aus der Kreiskasse seien zu viel, 200.000 würden reichen. Und dann lässt sie durchblicken, was sie antreibt: "Viele Bürger signalisieren uns, dass sie das nicht wollen. Sollen wir riskieren, dass sie zur AfD abwandern?" Überhaupt sei das Projekt viel zu teuer. Zehn, 15 Millionen, mehr solle die Gedenkstätte nicht kosten.
Fatales Signal
Gerade jetzt beim Erstarken des Rechtsextremismus sei Haltung gefragt, sagt Günter Garbrecht vom Verein gegen Vergessen – für Demokratie. Er sieht die CDU-Kreistagsfraktion in gefährlicher Nähe zur AfD. Die Gedenkstätte sei wichtig, um gerade jungen Menschen die Folgen der Nazi-Diktatur nahe zu bringen. Teile der CDU lehnten aber so eine Erinnerungskultur ab.
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe hält weiter unbeirrt an den Plänen für die Gedänkstätte Stalag 326 fest. Die zuständige Dezernentin hat am Mittwoch im LWL-Kulturausschuss über den Stand der Dinge informiert. Der Antrag der CDU im Kreis Gütersloh, weniger Geld für den Betrieb der Gedenkstätte zu geben, war dabei kein Thema, heißt es vom LWL.
Kommenden Montag ist die Beteiligung an den Betriebskosten Thema im Kreistag.
https://www1.wdr.de/


Erinnerung an Juden-Ausraubung
Bremen bekommt besonderes NS-Mahnmal

Von
dpa
Aktualisiert am 10.09.2023
Lesedauer: 2 Min.
Mahnmal erinnert an Ausraubung der Juden in NS-Zeit
Vergrößern des Bildes
Eine Skizze von Evin Oettingshausen zeigt, wie das "Arisierungs"-Mahnmal aussehen wird: Es steht in Sichtachse zum neuen "Kühne und Nagel"-Gebäude. (Quelle: Sina Schuldt/dpa/dpa-bilder)
Das Nazi-Regime brachte die jüdische Bevölkerung im großen Stil um ihr Hab und Gut. In Bremen soll nun ein bundesweit einzigartiges Mahnmal daran erinnern.
Ein neues Mahnmal erinnert in Bremen an die systematische Enteignung und Ausraubung der Juden während der Zeit des Nationalsozialismus. "Wir müssen uns auf vielen Ebenen fragen, wie wir mit diesem Erbe umgehen wollen. Insofern sehe ich die bauliche Fertigstellung des Mahnmals nicht als Schlusspunkt des Projekts, sondern als Doppelpunkt", betonte Initiator Henning Bleyl vor der Einweihung am Sonntag.
Es ist nach Angaben des Bremer Senats das erste Mahnmal bundesweit, das explizit die Enteignung, den Abtransport und die Verwertung jüdischen Eigentums thematisiert.
Das Mahnmal nach einem Entwurf von Evin Oettingshausen steht an der Weser – also dort, wo Schiffe damals die geraubten Möbel und Gegenstände aus den besetzten Ländern in Westeuropa nach Bremen brachten. Ein Fenster gewährt einen Blick in einen sechs Meter hohen Schacht und lässt nur erahnen, was sich in der Tiefe verbirgt. "Der Schacht soll die bis heute andauernden Geschichtslücken signalisieren", erklärte Evin Oettingshausen. Von der Weser-Promenade aus sind Blicke durch seitliche Fenster ins Innere des Mahnmals möglich, wo Reliefs von Möbeln zu sehen sind – "in Beton eingelassene Leerstellen".
Mahnmal in Sichtachse mit neuem "Kühne und Nagel"-Gebäude
Die Idee zum Mahnmal hatte Henning Bleyl, nachdem der Schweizer Logistikkonzern Kühne und Nagel bei einer Feier zum 125-jährigen Firmenjubiläum die Verwicklungen beim Transport des jüdischen Raubguts ausgespart hatte. Als das Unternehmen sich ein Jahr später um öffentliche Flächen für den Neubau seines Stammsitzes in Bremen bewarb, startete der Journalist gemeinsam mit der "taz" eine Spendenaktion und gab ebenfalls ein Kaufgebot ab – für vier Quadratmeter direkt vor der Firmenzentrale. Der Senat gab dem Logistikkonzern den Zuschlag, beschloss aber den Bau des Mahnmals an einer anderen Stelle.
Da seinerzeit neben dem Staat auch Firmen und Privatleute profitierten, wurden die Baukosten von rund einer halben Million Euro nicht nur von der öffentlichen Hand übernommen. 62.000 Euro stammen aus Spenden von Privatpersonen. Der Verein der Bremer Spediteure beteiligte sich ebenfalls – und damit auch Kühne und Nagel als Mitglied des Vereins.
Weitere Orte in Bremen mit der Beraubung der Juden verknüpft
In Bremen soll die Erinnerungskultur fortgeführt werden. "Derzeit wird eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die dem Senat Vorschläge machen wird, in welcher Struktur das Thema umgesetzt werden sollte", teilte ein Sprecher des Kultursenators mit. Evin Oettingshausen und Henning Bleyl wollen derweil auf eigene Initiative erinnerungspolitische Radtouren zu Orten in Bremen anbieten, die mit der Beraubung der jüdischen Bevölkerung verknüpft sind. "Im Weserstadion etwa wurden große Mengen 'gebrauchter Oberbetten, Unterbetten und Kopfkissen' angeboten", berichtete Bleyl.
Nationalsozialisten nannten die Beschlagnahme, den Abtransport und den Verkauf des Hab und Guts von deportierten oder geflohenen Juden "M-Aktion". Das M stand für Möbel. Profiteure waren das NS-Regime, aber auch Speditionen, Museen oder Privatpersonen.
https://www.t-online.de/


ERINNERUNGSKULTUR
Mahnmal zur Ausraubung der Juden in NS-Zeit wird eingeweiht

Eine Skizze von Evin Oettingshausen zeigt, wie das "Arisierungs"-Mahnmal zukünftig aussehen wird. Foto
© Sina Schuldt/dpa
10.09.2023, 05:17
Möbel, Schmuck und Kunst: Das Nazi-Regime brachte die jüdische Bevölkerung im großen Stil um ihr Hab und Gut. In Bremen soll nun ein bundesweit einzigartiges Mahnmal daran erinnern.
Ein neues Mahnmal erinnert in Bremen an die systematische Enteignung und Ausraubung der Juden während der Zeit des Nationalsozialismus. "Wir müssen uns auf vielen Ebene fragen, wie wir mit diesem Erbe umgehen wollen. Insofern sehe ich die bauliche Fertigstellung des Mahnmals nicht als Schlusspunkt des Projekts, sondern als Doppelpunkt", betonte Initiator Henning Bleyl vor der heutigen Einweihung.
Es ist nach Angaben des Bremer Senats das erste Mahnmal bundesweit, das explizit die Enteignung, den Abtransport und die Verwertung jüdischen Eigentums thematisiert.
Bis heute andauernde Geschichtslücken
Das Mahnmal nach einem Entwurf von Evin Oettingshausen steht an der Weser - also dort, wo Schiffe damals die geraubten Möbel und Gegenstände aus den besetzten Ländern in Westeuropa nach Bremen brachten. Ein Fenster gewährt einen Blick in einen sechs Meter hohen Schacht und lässt nur erahnen, was sich in der Tiefe verbirgt. "Der Schacht soll die bis heute andauernden Geschichtslücken signalisieren", erklärte Evin Oettingshausen. Von der Weser-Promenade aus sind Blicke durch seitliche Fenster ins Innere des Mahnmals möglich, wo Reliefs von Möbeln zu sehen sind - "in Beton eingelassene Leerstellen".
Die Idee zum Mahnmal hatte Henning Bleyl, nachdem der Schweizer Logistikkonzern Kühne und Nagel bei einer Feier zum 125-jährigen Firmenjubiläum die Verwicklungen beim Transport des jüdischen Raubguts aussparte. Als das Unternehmen sich ein Jahr später um öffentliche Flächen für den Neubau seines Stammsitzes in Bremen bewarb, startete der Journalist gemeinsam mit der "taz" eine Spendenaktion und gab ebenfalls ein Kaufgebot ab - für vier Quadratmeter direkt vor der Firmenzentrale. Der Senat gab dem Logistikkonzern den Zuschlag, beschloss aber den Bau des Mahnmal an einer anderen Stelle.
Erinnerungskultur soll fortgeführt werden
Da seinerzeit neben dem Staat auch Firmen und Privatleute profitierten, wurden die Baukosten von rund einer halben Million Euro nicht nur von der öffentlichen Hand übernommen. 62.000 Euro stammen aus Spenden von Privatpersonen. Der Verein der Bremer Spediteure beteiligte sich ebenfalls - und damit auch Kühne und Nagel als Mitglied des Vereins.
In Bremen soll die Erinnerungskultur fortgeführt werden. "Derzeit wird eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die dem Senat Vorschläge machen wird, in welcher Struktur das Thema umgesetzt werden sollte", teilte ein Sprecher des Kultursenators mit. Evin Oettingshausen und Henning Bleyl wollen derweil auf eigene Initiative erinnerungspolitische Radtouren zu Orten in Bremen anbieten, die mit der Beraubung der jüdischen Bevölkerung verknüpft sind. "Im Weserstadion etwa wurden große Mengen "gebrauchter Oberbetten, Unterbetten und Kopfkissen" angeboten", berichtete Bleyl.
Nationalsozialisten nannten die Beschlagnahme, den Abtransport und den Verkauf des Hab und Guts von deportierten oder geflohenen Juden "M-Aktion". Das M stand für Möbel. Profiteure waren das NS-Regime, aber auch Speditionen, Museen oder Privatpersonen.
dpaERINNERUNGSKULTUR
Mahnmal zur Ausraubung der Juden in NS-Zeit wird eingeweiht
Eine Skizze von Evin Oettingshausen zeigt, wie das "Arisierungs"-Mahnmal zukünftig aussehen wird. Foto: Sina Schuldt/dpa
Eine Skizze von Evin Oettingshausen zeigt, wie das "Arisierungs"-Mahnmal zukünftig aussehen wird. Foto
© Sina Schuldt/dpa
10.09.2023, 05:17
Möbel, Schmuck und Kunst: Das Nazi-Regime brachte die jüdische Bevölkerung im großen Stil um ihr Hab und Gut. In Bremen soll nun ein bundesweit einzigartiges Mahnmal daran erinnern.
Ein neues Mahnmal erinnert in Bremen an die systematische Enteignung und Ausraubung der Juden während der Zeit des Nationalsozialismus. "Wir müssen uns auf vielen Ebene fragen, wie wir mit diesem Erbe umgehen wollen. Insofern sehe ich die bauliche Fertigstellung des Mahnmals nicht als Schlusspunkt des Projekts, sondern als Doppelpunkt", betonte Initiator Henning Bleyl vor der heutigen Einweihung.
Es ist nach Angaben des Bremer Senats das erste Mahnmal bundesweit, das explizit die Enteignung, den Abtransport und die Verwertung jüdischen Eigentums thematisiert.
Bis heute andauernde Geschichtslücken
Das Mahnmal nach einem Entwurf von Evin Oettingshausen steht an der Weser - also dort, wo Schiffe damals die geraubten Möbel und Gegenstände aus den besetzten Ländern in Westeuropa nach Bremen brachten. Ein Fenster gewährt einen Blick in einen sechs Meter hohen Schacht und lässt nur erahnen, was sich in der Tiefe verbirgt. "Der Schacht soll die bis heute andauernden Geschichtslücken signalisieren", erklärte Evin Oettingshausen. Von der Weser-Promenade aus sind Blicke durch seitliche Fenster ins Innere des Mahnmals möglich, wo Reliefs von Möbeln zu sehen sind - "in Beton eingelassene Leerstellen".
Die Idee zum Mahnmal hatte Henning Bleyl, nachdem der Schweizer Logistikkonzern Kühne und Nagel bei einer Feier zum 125-jährigen Firmenjubiläum die Verwicklungen beim Transport des jüdischen Raubguts aussparte. Als das Unternehmen sich ein Jahr später um öffentliche Flächen für den Neubau seines Stammsitzes in Bremen bewarb, startete der Journalist gemeinsam mit der "taz" eine Spendenaktion und gab ebenfalls ein Kaufgebot ab - für vier Quadratmeter direkt vor der Firmenzentrale. Der Senat gab dem Logistikkonzern den Zuschlag, beschloss aber den Bau des Mahnmal an einer anderen Stelle.
Erinnerungskultur soll fortgeführt werden
Da seinerzeit neben dem Staat auch Firmen und Privatleute profitierten, wurden die Baukosten von rund einer halben Million Euro nicht nur von der öffentlichen Hand übernommen. 62.000 Euro stammen aus Spenden von Privatpersonen. Der Verein der Bremer Spediteure beteiligte sich ebenfalls - und damit auch Kühne und Nagel als Mitglied des Vereins.
In Bremen soll die Erinnerungskultur fortgeführt werden. "Derzeit wird eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die dem Senat Vorschläge machen wird, in welcher Struktur das Thema umgesetzt werden sollte", teilte ein Sprecher des Kultursenators mit. Evin Oettingshausen und Henning Bleyl wollen derweil auf eigene Initiative erinnerungspolitische Radtouren zu Orten in Bremen anbieten, die mit der Beraubung der jüdischen Bevölkerung verknüpft sind. "Im Weserstadion etwa wurden große Mengen "gebrauchter Oberbetten, Unterbetten und Kopfkissen" angeboten", berichtete Bleyl.
Nationalsozialisten nannten die Beschlagnahme, den Abtransport und den Verkauf des Hab und Guts von deportierten oder geflohenen Juden "M-Aktion". Das M stand für Möbel. Profiteure waren das NS-Regime, aber auch Speditionen, Museen oder Privatpersonen.
dpa
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Mahnmal-Einweihung in Bremen
:Ein langer Weg zum Erfolg

Eine Skizze von Evin Oettingshausen zeigt, wie das "Arisierungs"-Mahnmal in Bremen zukünftig aussehen wird.
In Bremen entsteht ein einzigartiges Mahnmal, das an Ausplünderung der jüdischen Bevölkerung erinnertFoto: Sina Schuldt/dpa
1. 9. 2023, 16:00 Uhr
BREMEN taz | 2015 entstand die Idee eines Mahnmals in Bremen, das sich auf die Frage fokussiert, wie die restlose Ausplünderung der jüdischen Bevölkerung in der NS-Zeit angemessen thematisiert werden kann: Welche Bedeutung die Vielzahl von Profit-Gelegenheiten historisch für die Unterstützung des NS-Regimes hatte – und wie wir heute politisch, öffentlich, aber auch familien-biographisch mit diesem lange Zeit wenig beachteten Befund umgehen wollen. Am 10. September wird das Mahnmal nun eingeweiht.
Anlass der Mahnmal-Initiative, die damals von der taz ausging, waren die großen Jubiläumsfeierlichkeiten Kühne + Nagel, des in Bremen gegründeten, heute weltweit drittgrößten Speditionskonzerns – denn Bremen hatte als Hafen- und Logistikstadt einen besonderen Anteil an der „Verwertung“ des beweglichen Hab und Guts der jüdischen Bevölkerung.
Die komplette Ausplünderung, das Ausräumen der Wohnungen und Häuser, fand freilich überall in Deutschland statt und ebenso in den von der Wehrmacht besetzten Ländern. Die ungeheure Zahl von Möbeln und Haushaltsgegenständen, die versteigert und an die deutsche „Volksgemeinschaft“ verteilt wurden, galten, auch angesichts der zunehmenden Ausbombungen, als „siegwichtig“ für die Aufrechterhaltung der Kriegsmoral. Zugleich löschte das restlose Ausräumen die Lebensspuren der Vertriebenen und Ermordeten aus – und brachte große Mengen an „arisiertem“ Eigentum in die Familien der Profiteur*innen. Wie wollen wir mit diesem Erbe umgehen?
Mahnmal in Bremen wird errichtet
Die Errichtung des Mahnmals, gestaltet von Evin Oettingshausen, ist eine erste Antwort. Dass wir sie geben konnten, dass die Stadt Bremen das Projekt als Bauherrin umsetzt, verdanken wir der Unterstützung zahlreicher Personen, die sich politisch, finanziell und anteilnehmend eingebracht haben. Entsprechend würden wir uns sehr freuen, möglichst viele von ihnen am 10. September bei der Einweihung begrüßen zu können.
Der Spendenaufruf wurde von 210 Personen erstunterzeichnet, die sich seit Beginn der Bemühungen um ein Mahnmal für das Projekt interessiert und engagiert haben – von zahlreichen Bre­me­r*in­nen ebenso wie von internationalen Fachleuten aus den Bereichen politische Bildung, bildende Kunst und Geschichtswissenschaft. Darin zeigt sich sowohl die überörtliche fachliche Unterstützung des Anliegens als auch der konkrete Rückhalt, den das Projekt in der Bremer Stadtgesellschaft gewonnen hat: Zu den Un­ter­stüt­ze­r:in­nen gehören die Bremer Eh­ren­bür­ge­r:in­nen ebenso wie Werder, der Sportgarten, Schü­le­r:in­nen und Stadtteil-Initiativen.
Abendprogramm in der Bremischen Bürgerschaft
Der Bau des Mahnmals basiert auf einem im November 2016 fraktionsübergreifend gefassten Beschluss der Bremischen Bürgerschaft. Am 10. September 2023 um 18 Uhr lädt Bürgerschaftspräsidentin Antje Grotheer daher zu einem inhaltlichen Rahmenprogramm ein, bei dem Prof. Dr. Frank Bajohr, Leiter des Zentrums für Holocaust-Studien am Institut für Zeitgeschichte (IfZ) München einen Vortrag mit dem Titel „Opa war kein Profiteur? Zum gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Umgang mit der „Arisierung““ halten wird.
Des weiteren werden unter dem Titel „Das Bremer Mahnmalprojekt und seine Hürden: Schlaglichter und Schlussfolgerungen“ verschiedene Perspektiven auf das Projekt zu Wort kommen. Mit Sophia Beer und Levin Meyer stellen zwei Schü­le­r:in­nen des Gymnasiums Horn ihre Gedanken zum Thema „Welche Rolle kann und sollte das Thema „Arisierung“ in der schulischen Bildung spielen?“ zur Diskussion.
Im Anschluss gibt es ein erinnerungspolitisches Panel mit dem Titel „Das Mahnmal steht, wie geht es weiter? Perspektiven, Herausforderungen und Fallstricke der Gedenkkultur“.
Anmeldungen für das Abendprogramm in der Bürgerschaft sind bis zum 4. September möglich an die Mailadresse einladung@buergerschaft.bremen.de
Bürgermeister Andreas Bovenschulte nimmt teil
Für die Teilnahme an der Einweihung des Mahnmals am 10.9. um 11 Uhr an den Weserarkaden durch Bürgermeister Andreas Bovenschulte ist keine Anmeldung erforderlich. Neben dem Bürgermeister werden dort auch Grigori Pantijelew von der Jüdischen Gemeinde Bremen und Barbara Maass aus Montréal sprechen, eine Enkelin des in Auschwitz ermordeten früheren Miteigentümers der Speditionsfirma Kühne+Nagel. Zudem werden Henning Bleyl als Initiator des Mahnmals und Evin Oettingshausen, Ge­stal­te­r*in des Mahnmals, einen Beitrag leisten. Zusammen haben sie sich in den vergangenen sieben Jahren um die Umsetzung des Projekts durch die Stadt Bremen bemüht.
Musikalisch wird die Einweihung begleitet durch eine Komposition des Bremer Cellisten Don Jaffé, Mitglied der jüdischen Gemeinde, gespielt von Lynda Cortis.
Im Rahmenprogramm der Einweihung gibt es zudem einen begleitenden Workshop und Radtouren zu „Orten der Beraubung“ wie dem Weserstadion, in dem große Mengen „gebrauchter Oberbetten, Unterbetten und Kofkissen“ aus jüdischem Besitz an die „Volksgemeinschaft“ verteilt wurden.
https://taz.de/


Gedenkfeier für Sinti und Roma
78. Jahrestag zur Befreiung des KZ Buchenwald

Kränze liegen auf dem ehemaligen Appelplatz bei einer Gedenkfeier zum 78. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald.
Vor 78 Jahren wurde das KZ Buchenwald bei Weimar befreit. Bei einer Gedenkfeier ist an das Schicksal das Sinti und Roma erinnert worden. Der stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma warnte zugleich vor aktuellen gefährlichen Entwicklungen in Deutschland.
16.04.2023, 18:24 Uhr
Weimar. Bei der Gedenkfeier zur Befreiung des einstigen NS-Konzentrationslagers Buchenwald bei Weimar vor 78 Jahren ist am Sonntag an das Schicksal der Sinti und Roma erinnert worden. Es gebe bei den deutschen Sinti und Roma keine Familie, die nicht vom nationalsozialistischen Verbrechen des Völkermords in existenzieller Weise betroffen gewesen sei, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Jacques Delfeld, bei der Veranstaltung in Buchenwald.
Diese Erfahrung absoluter Rechtlosigkeit habe sich tief in das kollektive Gedächtnis eingebrannt, sagte Delfeld und warnte zugleich vor aktuellen gefährlichen Entwicklungen: „Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa hetzen Rechtsextreme und nationalistische Gruppen und Parteien ganz offen gegen unseren demokratischen Rechtsstaat und auch gegen Minderheiten.“ Er rief die staatlichen Institutionen dazu auf, „den Antiziganismus als Gefahr ernstzunehmen und diesem entgegenzuwirken“.
Häftlinge waren Ukrainer, Russen und Belarussen
Das Gedenken stand auch in diesem Jahr unter dem Eindruck des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. Es sei eine Schande, dass Überlebende des Nazi-Terrors und ihre Angehörigen heute in der Ukraine fürchten müssten, Opfer russischer Bomben zu werden, sagte der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Jens Wagner. Er erinnerte daran, dass etwa ein Drittel aller Häftlinge des KZ Buchenwald aus der früheren Sowjetunion stammten - darunter Ukrainer, Russen und Belarussen. Wie schon 2022 waren auch zu den Gedenkfeierlichten am Sonntag offizielle Vertreter aus Russland und Belarus nicht erwünscht.
In das im April 1945 von US-Truppen befreite KZ Buchenwald hatten die Nationalsozialisten von 1937 bis kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs rund 280.000 Menschen aus ganz Europa verschleppt, 56.000 kamen ums Leben.
RND/dpa
https://www.rnd.de/


»Böswillige Angriffe«
Roger Waters weist Kritik an SS-ähnlichem Bühnenoutfit zurück

Die Deutschlandtournee von Pink-Floyd-Mitgründer Roger Waters wird von Antisemitismusvorwürfen überschattet. Der Musiker sagt nun: Seine an SS-Uniformen erinnernde Kleidung sei ein »klares Zeichen gegen Faschismus.«
27.05.2023, 20.23 Uhr
Pink-Floyd-Mitbegründer Roger Waters hat die Vorwürfe rund um seinen Auftritt in Berlin als »böswillige Angriffe« zurückgewiesen. Seine Kritiker wollten ihn »verleumden und zum Schweigen bringen«, erklärte Waters in einem auf Twitter und Instagram veröffentlichten Statement.
Der 79-jährige Sänger war in der vergangenen Woche bei einem Konzert in einem langen schwarzen Ledermantel und einer roten Armbinde aufgetreten. Die Berliner Polizei ermittelt deshalb nun wegen Volksverhetzung, weil die Kleidung der eines SS-Offiziers ähnele, wie ein Polizeisprecher sagte. Waters will sein Outfit im Gegenteil als »klares Zeichen gegen Faschismus und Ungerechtigkeit« verstanden wissen.
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Tatsächlich handelt das Stück »In the Flesh«, zu dem Waters die Uniformjacke trägt, von einer Traumatisierung des fiktiven Helden aus dem Album »The Wall«, der sich in die Rolle eines Diktators hineinimaginiert. Die Darstellung des fanatischen und faschistischen Demagogen ist seit 1980 fester Bestandteil von Waters’ Konzerten.
Israelkritik und Antisemitismus
Kritik an dieser Aufführung ist nicht neu, erhält jedoch durch zahlreiche Israel-kritische Äußerungen des Musikers neue Aufmerksamkeit. Waters wird etwa seine Nähe zur sogenannten BDS-Kampagne vorgeworfen, einer antiisraelischen Boykottinitiative. Bei früheren Konzerten ließ Waters Ballons in Schweineform mit einem Davidstern aufsteigen. Die Stadt Frankfurt hatte versucht, ein Konzert des Sängers abzusagen. Waters ging gerichtlich gegen die Absage vor und hatte Erfolg.
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, forderte nun weitere juristische Schritte. »Ich appelliere an die Wachsamkeit von Polizei und Justiz und ermutige zu weiteren Anzeigen«, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Leider seien die Gerichtsverfahren, die gegen Waters angestrengt wurden, bisher zu dessen Gunsten ausgegangen. »Obwohl er Antisemitismus verbreitet und mutmaßlich Volksverhetzung betreibt.«
rai/AFP
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GESCHICHTE: Schon 100.000 Stolpersteine zum Gedenken an NS-Opfer verlegt

Nürnberg Es gilt als das größte dezentrale Mahnmal der Welt: Das Stolperstein-Projekt, das an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert. Der Künstler dahinter hat gerade den 100.000 Stein verlegt.
Der Künstler Gunter Demnig hat seinen inzwischen 100.000. Stolperstein zum Gedenken an Opfer des Nationalsozialismus verlegt.
Der Stein in der Nürnberger Bartholomäusstraße ist dem Feuerwehrmann Johann Wild gewidmet, der wegen Abhörens und Verbreitens ausländischer Rundfunkmeldungen von den Nazis im Mai 1941 in München mit dem Fallbeil hingerichtet wurde. Bis 1933 war der Nürnberger Mitglied der SPD, des Reichsbanners und der Eisernen Front.
Dass es über die Jahre so viele Steine werden, habe er nie gedacht, sagte Demnig. Zuvor hatten mehrere Medien berichtet.
Demnig verlegt Steine meist selbst
Mit dem Stolperstein-Projekt will der 1947 in Berlin geborene Künstler an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern, es gilt als das größte dezentrale Mahnmal der Welt. Die Steine, die auf der Oberseite kleine Messingplatten mit den Namen der Opfer tragen, werden seit 1996 vor deren einstigen Wohnungen im Straßen- oder Gehwegpflaster verlegt - meist von Demnig selbst. Er sei stolz, dass er über all die Jahre einen Preis von 120 Euro pro Stein habe halten können, sagte Demnig am Freitag.
Stolpersteine liegen inzwischen auch unter anderem in Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Liechtenstein, Luxemburg, den Niederlanden, Norwegen, Polen sowie Rumänien, Russland und Schweden. Desweiteren in der Schweiz, Serbien, der Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, der Ukraine, Ungarn und im Vereinigten Königreich.
© dpa-infocom, dpa:230526-99-839697/2
(dpa)
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Die Bücherverbrennungen der Nazis

10. MAI 1933

Stand: 10. Mai 2023, 12:44 Uhr
Unter den Nazis werden 1933 Tausende Bücher namhafter Autoren, wie zum Beispiel Sigmund Freud, Kurt Tucholsky und auch Erich Kästner, verbrannt. Mancherorts haben sogar Polizisten die bücherraubenden Horden begleitet. Professoren, Studenten und Bibliothekare unterstützten die Aktion. Öffentliche Proteste gab es kaum.
Nationalsozialisten verbrennen in Universitätsstädten Bücher
Bücherverbrennung 1933 - von Studenten, die namhafte Autoren als "undeutsch" verunglimpfen und liberale Gedanken brennen sehen wollen.
Bildrechte: dpa
Es ist das Ende der Gedankenfreiheit: Am 10. Mai 1933 – nicht einmal vier Monate nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 – landen in Berlin Tausende Bücher im Feuer. Darunter die Erzählungen Tucholskys, die Romane von Döblin, Brechts Gedichte und Freuds Schriften. "Jüdisch, pazifistisch, kommunistisch, das sind die Todsünden im neuen Land", erklärt Buchautor und Journalist Volker Weidermann. Er hat die Geschichte jener Nacht im Mai aufgeschrieben und erzählt in seinem "Buch der verbrannten Bücher" von den Autoren, deren Werke in Flammen aufgingen.
Portrait Erich Kästner
BÜCHERVERBRENNUNG 1933
Warum Kästners Bücher verbrannt wurden >>>
Propagandaminister Goebbels ist überrascht
Der promovierte Philologe und Germanist Joseph Goebbels, seines Zeichens "Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda", lässt es sich nicht nehmen, den barbarischen Akt mit einer Rede zu begleiten:
Das Zeitalter eines überspitzten jüdischen Intellektualismus ist nun zu Ende. Und der kommende deutsche Mensch wird nicht nur ein Mensch des Buches, sondern auch ein Mensch des Charakters sein.
Joseph Goebbels 10. Mai 1933
Die mitternächtliche Inszenierung ist zwar ganz in seinem Sinn, seine Idee ist sie aber nicht, erklärt Weidemann: "Goebbels selbst hat erst einen Tag vor der Bücherverbrennung zugesagt, dass er teilnehmen würde. Denn, das hat er auch in seiner Feuerrede gesagt, er hätte sich selbst nicht vorstellen können, dass Deutschland so kurze Zeit nach dem Machtantritt der Nazis schon so weit sein würde."
Adolf Hitler wird im Mai 1933 von einer jubelnden Menschenmenge begrüßt
Studenten in SA-Uniformen sammeln die Bücher ein
Es sind Studenten, die in SA-Uniformen bereitstehen und die Schriften jüdischer Autoren beseitigen. Liberale Gedanken gelten vielen von ihnen als "undeutsch". Die Bücher, in denen sie niedergeschrieben sind, sollen verschwinden. Es kommt zu Sammelaktionen. Die Studenten gehen in Bibliotheken, in Büchereien und in Universitäten. Geplant wird die Kampagne von der deutschen Studentenvertretung.
Bücherverbrennung Berlin 01.05.1933
12. MAI 1933
Bücherverbrennung in Halle: Was geschah vor 90 Jahren? >>>
In ganz Deutschland sind die Mitarbeiter der öffentlichen Bibliotheken angewiesen, die sogenannte "Schmutz- und Schundliteratur" selbstständig zu kennzeichnen und zum Abtransport bereitzustellen. In Stoßtrupps überfallen die Studenten private Leihbüchereien und Buchhandlungen.
Polizisten unterstützen Bücherverbrennungen
Mancherorts, wie in Halle an der Saale, werden die bücherraubenden Horden sogar von Polizisten eskortiert, um der Aktion den Anschein von Legalität zu geben. Einige Buchhändler legen vorsorglich selbst Hand an. Köln, Dresden, Hamburg, Halle, Würzburg, Nürnberg, München, Rostock, Frankfurt – zwischen März und Juni finden in mehr als 50 Städten Bücherverbrennungen statt.
MDR AKTUELL - DAS NACHRICHTENRADIO
Kalenderblatt: Bücherverbrennung vor 90 Jahren. Was "undeutsch" war, landete im Feuer >>>
MDR AKTUELL Mi 10.05.2023 10:54Uhr 02:57 min
Bücherverbrennung: Wo bleibt der öffentliche Protest?
Bücherverbrennung Berlin 01.05.1933
Zehntausende Bücher werden allein in der Nacht des 10. Mai 1933 verbrannt.
Bildrechte: imago/ZUMA/Keystone
Öffentliche Proteste gibt es kaum. Auch die deutsche Professorenschaft will es sich nicht mit den neuen Machthabern verderben. Stattdessen unterstützt sie die Aktion mit feierlichen Brandreden. Diese Tatsache stellt die Geschichtswissenschaft bis heute vor Rätsel.
Das ist eines der großen Geheimnisse, die wir bis heute nicht gelöst haben. Ja, wie ist es möglich, dass es praktisch keinen Protest dagegen gab, dass Germanistikprofessoren, dass Studenten, dass ausnahmslos alle teilnehmen?! Wie war das möglich, so kurze Zeit nach dem Machtantritt? Das ist tatsächlich überraschend.
Volker Weidermann, Buchautor
Deutschland: Das Land der Dichter und Denker?
Deutschland, das sich so gerne als das Land der Dichter und Denker rühmt, gibt in dieser Zeit seinen kritischen Geist auf und überlässt alles weitere dem "Führer". "Und natürlich, man kann nicht die Bücherverbrennung mit dem Morden im KZ messen. Aber es war der Anfang. Und der Satz: Da, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man später auch Menschen, der stimmt ganz genau", resümiert Volker Weidermann.
Eine Skulptur eines sitzendes Menschen vor einer blühenden Wiese, im Hintergrund das Gebäude des Gartenbaumuseums in Erfurt
MIT AUDIO
VOR 90 JAHREN Bücherverbrennung: Ausstellung in Erfurt erinnert an vergessene Schauplätze >>>
https://www.mdr.de/


Landtagspräsidentin: Russland schändet Erbe der Befreiung

07.05.2023
Zum Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus hat Landtagspräsidentin Birgit Pommer den Angriff Russlands auf die Ukraine erneut verurteilt. Die Sowjetunion und die westlichen Alliierten beendeten die Schreckensherrschaft des Nationalsozialismus und ermöglichten es, Verantwortung zu übernehmen, wie Pommer (Linke) am Sonntag mitteilte. «Am Tag der Befreiung gedenken auch sie dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Umso mehr ist es zu verurteilen, wenn Russland mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine dieses Erbe schändet», so Pommer. Russland solle die Waffen niederlegen.
Am 8. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg in Europa durch die vollständige Kapitulation der deutschen Wehrmacht und die Befreiung Deutschlands von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.
© dpa-infocom, dpa:230507-99-597447/2
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16 Stolpersteine für Homburg

04.02.2023 | 10:38 Uhr
In der Homburger Innenstadt sollen ab Samstag 16 Gedenksteine an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern. Sie werden von dem Künstler Gunter Demnig vor den früheren Häusern der Opfer verlegt. Auch an anderen Orten im Saarland gibt es bereits solche sogenannten Stolpersteine – unter anderem in der Landeshauptstadt.
In dieser Woche hat sich die Machtergreifung Adolf Hitlers zum 90. Mal gejährt. Am 30. Januar 1933 war er durch einen regulären Regierungswechsel an die Macht gekommen.
Unter seiner nationalsozialistischen Regierung wurden zahlreiche Menschen verfolgt und ermordet. Um ihrer zu gedenken, werden seit etwas mehr als 30 Jahren sogenannte Stolpersteine verlegt.
ERSTE STOLPERSTEINE AUCH IN HOMBURG
Am 16. Dezember 1992 hat der Künstler Gunter Demnig vor dem Rathaus in Köln den ersten Stolperstein verlegt. Seither sind zahlreiche hinzugekommen in deutschen Städten, aber auch in anderen Ländern. Auch im Saarland finden sich bereits mehrere der Gedenksteine – etwa in Saarbrücken oder auch in Dirmingen.
Ab Samstag sollen nun auch in der Homburger Innenstadt 16 Stolpersteine an Opfer des Nationalsozialismus erinnern. Demnig wird sie am Samstagmorgen ab 9.00 Uhr vor den ehemaligen Wohnhäusern der damals Betroffenen verlegen.
MEHR ZUM THEMA
Stolpersteine im Straßenpflaster zum Gedenken an jüdische Opfer des Nazionalsozialismus (Foto: picture alliance/dpa | Federico Gambarini)
Stadtrat entscheidet am 8. Februar
Saarbrücken plant 25 weitere Stolpersteine
In Saarbrücken sollen 25 weitere Stolpersteine verlegt werden. Nach Angaben der Verwaltung in Stadtteilen, in denen es bislang kaum Möglichkeiten des Gedenkens gibt. Der Stadtrat hat den Plänen zugestimmt.
https://www.sr.de/


Deutscher Bundestag Drucksache 20/6627
20. Wahlperiode 27.04.2023

Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 26. April 2023 übermittelt. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt.

Antwort
der Bundesregierung
auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Andrej Hunko,
Ina Latendorf, Żaklin Nastić und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 20/6112 –
Gedenken der Bundesregierung an den Jahrestag der Befreiung vom
Faschismus und an den Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion

Die Fragestellerinnen und Fragesteller sind allerdings der Auffassung, dass die Notwendigkeit von Aufklärungs- und Gedenkveranstaltungen zum Zweiten Weltkrieg und zu NS-Verbrechen auch vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine nach wie vor hoch ist. Sie stellen bei beiden Kriegsparteien wie auch in Teilen der deutschen und europäischen Öffentlichkeit und Politik eine erhebliche, geschichtsverzerrende Instrumentalisierung von NS-Verbrechen zum Zweck der Rechtfertigung der jeweiligen politischen Positionierung im Ukraine-Krieg fest, insbesondere in Form von Hitler-Putin-Vergleichen oder Gleichsetzungen der russischen Kriegführung mit derjenigen von Wehrmacht und Waffen-SS oder gar dem Holocaust. Der Holocaust-Forscher Frank Bajohr, wissenschaftlicher Leiter des Zentrums für Holocauststudien am Institut für Zeitgeschichte in München, beklagt „eine inflationäre Verwendung von Begriffen“, die in der Erinnerungskultur bislang
mit anderen Inhalten verbunden waren (www.rnd.de/politik/russlands-krieg-in-der-ukraine-tatsaechlich-ein-zivilisationsbruch-wie-der-holocaust-RHWQFVGHFJFSXO2ECKZ5U4C6I4.html).
Der Relativierung von NS-Verbrechen muss nach Auffassung der Fragestellerinnen und Fragesteller dringend widersprochen werden. Sie erfordert eine intensive Aufklärung, aber auch die Stärkung des Gedenkens an den genannten Jahrestagen, wenn möglich auch mit in Eigenregie durch die Bundesregierung organisierten Veranstaltungen, der Beteiligung ukrainischer, russischer und belarussischer Akteure und der Teilnahme deutscher Regierungsvertreter an Gedenkfeiern im In- und Ausland.

V o r b e m e r k u n g  d e r  B u n d e s r e g i e r u n g
Die Bundesregierung erkennt die historische deutsche Verantwortung für den Überfall auf die Sowjetunion und die in Russland, Belarus sowie der Ukraine begangenen Gräueltaten ohne Einschränkung an. Sie ist sich bewusst, dass die Bürgerinnen und Bürger, die Soldatinnen und Soldaten dieser Länder den höchsten Verlusten an Menschenleben im Zweiten Weltkrieg bezahlt haben. Die Bundesregierung ist sich der Singularität der NS-Verbrechen bewusst und lehnt Relativierungen dieser Verbrechen ab. Nicht zuletzt deshalb liegt ein Schwerpunkt des Gedenkens in Deutschland auf der Begehung des Tags des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar. Der 8. Mai und der 22. Juni sind keine offiziellen Gedenktage der Bundesregierung. Gleichzeitig erkennt die Bundesregierung an, dass in anderen Staaten andere
Schwerpunkte gelegt werden und versucht, diese im In- und Ausland, unter Berücksichtigung der nationalen Erinnerungskulturen, öffentlichkeitswirksam zu würdigen.
Aus Sicht der Bundesregierung hat die derzeitige russische Regierung aufgrund ihres völkerrechtswidrigen Angriffskriegs gegen die Ukraine und der damit einhergehenden geschichtsverzerrenden Propaganda und Desinformationskampagnen zur eigenen Rechtfertigung des Kriegs, ihre Legitimierung als Partner in
Bezug auf Gedenken und Forschung zu NS-Verbrechen diskreditiert. Vor diesem Hintergrund werden derzeit keine Einladungen an Vertreterinnen oder Vertreter staatlicher oder staatsnaher Stellen aus Russland oder Belarus zur Teilnahme an Veranstaltungen der Bundesregierung ausgesprochen. In Ausnahmefällen nehmen Vertreterinnen und Vertreter der Bundesrepublik Deutschland nach Einzelfallprüfung dennoch Einladungen zu offiziellen Gedenkveranstaltungen des Gastlandes im Sinne der Fragestellung wahr.
https://dserver.bundestag.de/btd/20/066/2006627.pdf


Bundestag beteiligt sich an der Gedenk­kampagne „#WeRemember“

Parlament
Die Mitglieder des Bundestagspräsidiums Petra Pau, Katrin Göring-Eckardt, Bärbel Bas und Wolfgang Kubicki (v.l.n.r) vor einem Schriftzug aus weißen Alu-Buchstaben, die das Wort #WeRemember darstellen.
Die Mitglieder des Bundestagspräsidiums Petra Pau, Katrin Göring-Eckardt, Bärbel Bas und Wolfgang Kubicki (v.l.n.r) setzen im Rahmen der #WeRemember-Kampagne vor dem Reichstagsgebäude ein Zeichen gegen Antisemitismus. Die übrigen Mitglieder des Bundestagspräsidiums konnten krankheitsbedingt nicht am Fototermin teilnehmen. (DBT/von Saldern)
Der Deutsche Bundestag beteiligt sich in diesem Jahr erneut an der Gedenkkampagne „#WeRemember“ des Jüdischen Weltkongresses und der Unesco, der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation.
Jedes Jahr zum 27. Januar, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, rufen die beiden Organisationen dazu auf, sich an der digitalen Erinnerungsaktion in den sozialen Medien zu beteiligen. Menschen auf der ganzen Welt sind aufgerufen, sich mit einem Plakat mit der Aufschrift „#WeRemember“ zu fotografieren und ihre Bilder in den sozialen Medien zu veröffentlichen.
Schriftzug vor dem Reichstagsgebäude
Ziel des Projekts ist es, das Andenken an die sechs Millionen jüdischen Opfer des Nationalsozialismus zu wahren und im Internet ein Zeichen gegen Antisemitismus, Hass und Fremdenfeindlichkeit zu setzen.
Noch bis 29. Januar 2023 wird eine beleuchtete Nachbildung des „#WeRemember“-Schriftzuges mit einer Länge von ungefähr elf Metern auf der Treppe des Westportals des Reichstagsgebäudes platziert und so die Beteiligung des Parlaments nach außen sichtbar gemacht. An der Aktion nehmen neben dem Deutschen Bundestag auch andere nationale Parlamente der Europäischen Union sowie das Europäische Parlament teil.
Gedenkstunde im Plenum
Am Freitag, 27. Januar 2023, erinnert der Deutsche Bundestag in einer Gedenkstunde an die Opfer des Nationalsozialismus. Anlass ist die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau vor 78 Jahren. Traditionell gedenken die Abgeordneten rund um den Jahrestag mit einer Veranstaltung im Plenarsaal der Millionen Menschen, die während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft entrechtet, verfolgt und ermordet wurden. Im Mittelpunkt stehen in diesem Jahr Menschen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität Opfer der Verfolgung durch die Nazis wurden.
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas eröffnet die Gedenkstunde um 10 Uhr mit einer Ansprache. Sie übergibt das Wort dann an die Zeitzeugin des Holocaust Rozette Kats, die eine Gedenkrede halten wird, ebenso wie Klaus Schirdewahn, der als Vertreter der queeren Community vor dem Plenum sprechen wird. Der Schauspieler Jannik Schümann und die Schauspielerin Maren Kroymann werden darüber hinaus Texte über zwei Opfer vortragen, deren Lebensgeschichten exemplarisch für die Verfolgung sexueller Minderheiten während des Nationalsozialismus sind. (ste/irs/25.01.2023)
https://www.bundestag.de/


77. Jahrestag der Befreiung des KZ Dachau
: Licht und Schatten

27. April 2022, 17:02 UhrLesezeit: 3 min
77. Jahrestag der Befreiung des KZ Dachau: Bei der Befreiungsfeier auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte flatterte 2017 die Flagge der Ukraine besonders gut sichtbar im Wind auf dem ehemaligen Appellplatz. Die Nationalfahnen von Belarus und Russland werden diesmal nicht gehisst.
Bei der Befreiungsfeier auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte flatterte 2017 die Flagge der Ukraine besonders gut sichtbar im Wind auf dem ehemaligen Appellplatz. Die Nationalfahnen von Belarus und Russland werden diesmal nicht gehisst. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Erstmals seit zwei Jahren können die Feierlichkeiten wieder in Präsenz stattfinden - mit Überlebenden des Konzentrationslagers. Allerdings wird der Gedenkakt vom russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine überschattet.
Von Helmut Zeller, Dachau
Sie kommen aus Österreich, Italien, Frankreich, Israel und der Ukraine nach Dachau - fünf Überlebende nehmen am Gedenkakt zum 77. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau teil. Nach zwei Jahren Pause in der Corona-Pandemie können die Veranstaltungen endlich wieder in Präsenz stattfinden. Die Freude darüber ist aber getrübt: Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine am 24. Februar bangt man in Dachau um die KZ-Überlebenden in der Ukraine. Sie sind hochbetagt, einige auch zu krank, um vor dem Bombenhagel in den Westen fliehen zu können. Der 96-jährige Holocaust-Überlebende Boris Romantschenko, ein ehemaliger Buchenwald-Häftling, wurde bei einem russischen Bombenangriff auf Charkiw getötet. Das war der letzte Anstoß zu einem ungewöhnlichen Schritt der KZ-Gedenkstätten in Deutschland: Russische und belarussische Diplomaten und Konsuln wurden aus Protest gegen Putins Krieg ausgeladen. Konsularische Vertreter der Ukraine nehmen dagegen an der Gedenkfeier in Dachau am 1. Mai teil.
Das Gedenken an die NS-Opfer aus Belarus und Russland soll jedoch nicht leiden. Die KZ-Gedenkstätte stiftet Kränze und wird sie vor dem Internationalen Mahnmal niederlegen. Auf die sonst üblichen Kranzschleifen in den Nationalfarben der beiden Länder wird man verzichten. Die Schleifen tragen die Aufschrift: "In Gedenken an die russischen Opfer des KZ Dachau" und "In Gedenken an die belarussischen Opfer des KZ Dachau." Die Nationalfahnen von Belarus und Russland werden diesmal nicht gehisst. Die Dachauer Gedenkstättenleiterin Gabriele Hammermann sowie die Lagergemeinschaft Dachau und das Comité International de Dachau (CID) hatten vor drei Wochen schon den russischen Angriffskrieg öffentlich verurteilt.
Der Historiker Boris Zabarko kommt nach Dachau
Hammermann freut sich auf einen unter den aktuellen Umständen besonderen Gast: Dem 86-jährigen Holocaust-Überlebenden und Historiker Boris Zabarko gelang mit seiner Enkelin die Flucht aus Kiew. Der Präsident der Allukrainischen Assoziation der Jüdischen KZ- und Ghettoüberlebenden kommt nach Dachau. Bei der Gedenkfeier am ehemaligen "SS-Schießplatz Hebertshausen" spricht am Sonntag, 1. Mai, der Theresienstadt-Überlebende Ernst Grube, 89, Vorsitzender der Lagergemeinschaft Dachau. An diesem Ort wurden nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 mehr als 4000 kriegsgefangene Rotarmisten von der Lager-SS erschossen. CID-Vizepräsident Abba Naor, 94, hält wie der Dachauer Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) am Sonntag am ehemaligen Krematorium eine Rede; die Veranstaltung findet im geschlossenen Kreis statt. Am Tag zuvor spricht Naor am Todesmarsch-Mahnmal. Naor ist Überlebender des Todesmarsches, auf den Tausende Häftlinge noch in den letzten Tagen vor der Befreiung am 29. April 1945 durch Einheiten der US-Armee getrieben worden sind. Am 22. März 1933 eröffnete das NS-Regime in Dachau eines der ersten Konzentrationslager, das als Modell für alle KZ und Vernichtungslager diente. Mehr als 200 000 Menschen aus über 40 Nationen waren in Dachau und seinen Außenlagern gefangen, mindestens 41 500 Häftlinge wurden ermordet oder starben an Hunger, Krankheiten, Folter und den Folgen der KZ-Haft noch nach ihrer Befreiung.
Die Veranstaltungen zum 77. Jahrestag beginnen am Donnerstag, 28. April, mit einem Konzert mit Werken jüdischer und verfolgter Komponisten, unter anderem von Paul Ben-Haim, Emil František Burian und Ernest Bloch im Dachauer Schloss (Einlass um 18.30 Uhr). Die ausgewählten Stücke haben einen unmittelbaren Bezug zu München oder der Geschichte des KZ Dachau. Die Gedenkstätte und das Ben-Haim-Forschungszentrum der Hochschule für Musik und Theater München (HMTM) veranstalten das Gedenkkonzert. Am Freitag wird die Ausstellung "Dachauer Prozesse - Verbrechen, Verfahren und Verantwortung" eröffnet. Sie ist eng mit der Biografie von Alfred Edward Laurence verbunden, der zwischen Februar und Oktober 1937 Häftling im KZ Dachau war. Sieben Jahre später kam er als Soldat der US-Armee zurück und war im April 1945 an der Befreiung des Dachauer Lagers beteiligt. Er arbeitete im Anschluss als Ermittler des War Crime Investigation Teams 6826. Seine Tochter Virginia Laurence und seine Enkelin Annemarie Wadlow werden am 29. April im Besucherzentrum der KZ-Gedenkstätte Dachau mit Christoph Thonfeld, Leiter der wissenschaftlichen Abteilung, über das Leben und Wirken ihres Vaters und Großvaters sprechen. Es geht dabei besonders um den Umgang mit NS-Verfolgung, KZ-Haft und deren strafrechtlicher Aufarbeitung als familiäres Erbe aus der Sicht unterschiedlicher Generationen.
Geschichte Bayerns Der letzte Häftling
Dokumentation. Der letzte Häftling. Der Pole Mieczysław Charecki wurde als Letzter im KZ Dachau mit einer Nummer registriert, zwei Tage vor der Befreiung durch amerikanische Soldaten. Zwei Filmemacher sind nun seinen Spuren durch halb Europa gefolgt. >>>
Von Helmut Zeller
Am Jüdischen Mahnmal gibt es diesmal nur ein stilles Gedenken mit einer Kranzniederlegung. Auf der zentralen Gedenkfeier am ehemaligen Appellplatz spricht Gedenkstättenleiterin Hammermann ein Grußwort, gefolgt von einer Rede des Stiftungsdirektors und Landtagsvizepräsidenten Karl Freller (CSU). Danach sprechen Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) und CID-Präsident General Jean-Michel Thomas. Um 13 Uhr folgt eine Gedenkstunde am ehemaligen "SS-Schießplatz Hebertshausen". Im Anschluss an die Befreiungsfeier lädt der Förderverein für Internationale Jugendbegegnung um 12.45 Uhr zum Tag der Begegnung ins Max-Mannheimer-Haus, Roßwachtstraße 15, ein. Geschäftsführerin Andrea Heller wartet im Vorfeld mit einer erlösenden Nachricht auf: "Wir sind sehr froh - Vera, die Tochter des verstorbenen Dachau-Überlebenden Volodymyr Dshelali, und ihr Ehemann haben die Flucht aus Mariupol geschafft! Noch ist die Familie getrennt - der Enkel von Dshelali ist noch in einer anderen Stadt. Aber Vera und ihr Mann haben dank der Vermittlung meiner Kollegin nun eine Adresse, bei der sie Unterschlupf finden und erst einmal ein paar Tage Ruhe finden können."
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Vor 40 Jahren: Die "Hitler-Tagebücher" und der "Stern"-Skandal

Stand: 25.04.2023 11:50 Uhr
Am 25. April 1983 präsentiert das Magazin "Stern" in Hamburg der Weltöffentlichkeit Hitlers vermeintliche Tagebücher und will die private Seite des NS-Diktators zeigen. Doch das Blatt war einem Fälscher und einem allzu umtriebigen Reporter aufgesessen.
von Helene Heise
"F.H.! Was soll das denn heißen? Führer Hitler? Führers Hund? Führer Hauptquartier? Fritze Hitler hat er ja wohl nicht geheißen!" Für die Dialoge in seinem Film "Schtonk!" konnte Regisseur Helmut Dietl 1991 aus dem Vollen schöpfen: Kaum ein Medien-Skandal bot derart viel komödiantisches Potenzial wie die gefälschten Hitler-Tagebücher, die das Hamburger Nachrichtenmagazin "Stern" 1983 veröffentlicht hatte. Da waren nicht nur die falschen Initialen auf den vermeintlichen Tagebüchern, auch die übrigen Zutaten stimmten: Ein Redakteur mit "Spürnase" und fatalem Hang zum Nazi-Kult, ein schillernder Fälscher und eine Verlagsleitung, die so sehr an den ganz großen Coup glauben wollte, dass sie die wohl größte Lachnummer in der bundesdeutschen Mediengeschichte produzierte.
"Hitler-Tagebücher": Gier auf vielen Seiten
Dass auch ganz private Gier die Beteiligten antrieb, schildert Michael Seufert in seinem 2008 erschienenen Buch "Der Skandal um die Hitler-Tagebücher". Seufert, nach dem Skandal von "Stern"-Gründer Henri Nannen mit der Aufklärung betraut, hat die abenteuerliche Geschichte 25 Jahre danach rekonstruiert: "Beim Geheimprojekt Hitler-Tagebücher steht im Verlag Gruner + Jahr von Anfang an die Welt auf dem Kopf. Und bei den Beteiligten geht es um Karrieren, Macht und vor allem um viel Geld."
Gefälschte Hitlertagebücher liegen auf einem Stapel © picture-alliance/dpa Foto: Markus Scholz
Datenbank: Die gefälschten "Hitler-Tagebücher" zum Durchsuchen
Der NDR hat die Tagebücher in vollem Umfang digitalisiert und bietet eine Volltextsuche. Ein Politologe ordnet die Einträge ein.
Leugnung des Holocaust in den "Tagebüchern"
Doch nicht nur Macht- und Geltungsinteressen hatten Anfang der 1980er-Jahre eine Rolle gespielt, sondern auch historisch-politische. Einem Team des NDR ist es 40 Jahre nach dem "Stern"-Desaster gelungen, die "Tagebücher" zu digitalisieren und hat sie mithilfe von Historikern ausgewertet und kommentiert veröffentlicht. Die erschreckende Erkenntnis: Die Schriften leugnen an etlichen Stellen den Holocaust. Und der Fälscher Konrad Kujau pflegte damals enge Kontakte zur Neonazi-Szene und legte ein ideologisches Denken an den Tag, das bislang kaum bekannt war.
Den "Tagebüchern" auf der Spur
Doch wie kam es überhaupt dazu, dass ein renommiertes Blatt den Fake veröffentlichen wollte? Die Details sind ebenso unglaublich wie streckenweise unfreiwillig komisch: Der "Stern"-Reporter Gerd Heidemann beschäftigte sich seit Beginn der 70er-Jahre mit der NS-Zeit. Über befreundete Sammler kommt er 1980 in Kontakt mit dem Fälscher Konrad Kujau, der gegenüber Heidemann unter dem Pseudonym Konrad Fischer auftritt. Der berichtet Heidemann von den Hitler-Tagebüchern: In den letzten Kriegstagen seien persönliche Aufzeichnungen Adolf Hitlers bei einem Flugzeugabsturz verschollen. Doch die Fracht sei an der Absturzstelle auf dem Gebiet der DDR aufgetaucht, er könne den Schmuggel über die innerdeutsche Grenze mithilfe von Verwandten organisieren - immerhin sei sein Schwager Museumsdirektor, sein Bruder NVA-Offizier im Osten.
"Stern"-Reporter Gerd Heidemann (r) mit den vermeintlichen Dokumenten. Links Chefredakteur Peter Koch, in der Mitte Redakteur Thomas Walde. © Cornelia Gus, dpa 11 Bilder
Die Hitler-"Tagebücher" - Stationen eines Presse-Skandals
Verlagsleitung stimmt dem Geheimprojekt zu
Heidemann weiht den damaligen Leiter des Ressorts Zeitgeschichte beim "Stern", Dr. Thomas Walde, in die vermeintliche Sensations-Story ein. Gemeinsam umgehen beide die Chefredaktion des Magazins und wenden sich direkt an die Verlagsleitung, denn sie benötigen viel Geld, um die Tagebücher zu beschaffen. Die lässt sich von den beiden Journalisten überzeugen: Heidemann und Walde erhalten grünes Licht für ihr Geheimprojekt.
Glaube an die Sensation überdeckt Zweifel
Kinofilm "Schtonk!": Stolz präsentiert Willié (Götz George, m) seinem Ressortleiter Kummer (Harald Juhnke) die "heissen" Dokumente. © picture alliance/United Archives | United Archives / kpa
Mit "Schtonk!" bringt Helmut Dietl 1992 eine satirische Komödie über den Skandal in die Kinos: Stolz präsentiert Willié (Götz George) seinem Ressortleiter Kummer (Harald Juhnke, r.) die "heißen" Dokumente.
Fast drei Jahre lang fließen insgesamt 9,34 Millionen D-Mark an Heidemann und Kujau. Zahlreiche Hinweise auf eine Fälschung ignoriert nicht nur der angebliche Top-Rechercheur des "Stern", der inzwischen wohl schon lange eigene finanzielle Interessen verfolgt. Auch Ressortleiter Walde, Chefredaktion und Verlagsleitung verschließen Augen und Ohren, als immer neue Hinweise von Zeitzeugen und Experten auftauchen, dass sie einem Betrüger aufsitzen könnten.
Ein ehemaliger Angehöriger der "Leibstandarte Adolf Hitler" zum Beispiel erinnert sich an einige Fakten ganz anders. Aus einschlägigen Fachkreisen wird vor Fälschungen aus dubiosen Quellen gewarnt. Auch dass aus den ursprünglich angekündigten 27 Tagebüchern, die Hitler verfasst haben soll, inzwischen gut 60 geworden sind und ihr Preis kontinuierlich steigt, lässt beim "Stern" niemanden stutzen.
"Stern"-Reporter Gerd Heidemann präsentiert im April 1983 die vermientlichen "Hitler-Tagebücher", im Hintergrund das Titelblatt des "Stern" mit der Titelzeile "Hitlers Tagebücher entdeckt" (Montage) © NDR
Gefälschte "Hitler-Tagebücher" - So gefährlich war der Fake
Ging es bei den gefälschten "Tagebüchern" wirklich nur um einen Scoop für den "Stern"? Oder hatten die Täter noch ganz andere Motive? Ein Dossier.
Kontrollen werden vermieden
Fatal ist der Vertrag der beiden Journalisten mit der Verlagsleitung: Ihnen wird darin nicht nur eine Gewinnbeteiligung bei Veröffentlichung und Rechteverkauf ins Ausland garantiert. Zusätzlich sichert der Vertrag ihnen das exklusive Recht, die Dokumente auszuwerten, und befreit Reporter Heidemann darüber hinaus von der Pflicht, seine Quelle offenzulegen. Alle redaktionellen Kontrollmechanismen sind damit ausgeschaltet, denn Verlagsleitung und Reporter wollen fest an den ganz großen Sensationsfund - und mit ihm an das ganz große Geschäft - glauben.
BKA informiert schon im März 1983 über Fälschungen
So bleibt auch ein Untersuchungsergebnis des Bundeskriminalamts (BKA) auf halbem Weg stecken. 1982 hatten "Stern"-Redakteure dem Bundesarchiv in Koblenz einige angebliche Originalschriften von Führungspersonal des NS-Regimes zur eventuellen späteren Überlassung angeboten. Das Archiv wiederum bat das Landeskriminalamt von Rheinland-Pfalz und das Bundeskriminalamt in Wiesbaden um Amtshilfe, denn für die Übernahme der Unterlagen war eine Echtheitsprüfung geboten. Nach der Überprüfung einiger Beispiel-Dokumente steht für die Experten des BKA fest: Mindestens die Hälfte der handschriftlichen Notizen waren auf Nachkriegspapier geschrieben worden - und also Fälschungen. Bei den weiteren Unterlagen seien noch Untersuchungen von Materialproben notwendig. Heidemann wird vom BKA Ende März 1983 über dieses Ergebnis informiert - doch der "Stern" bleibt bei seinem Veröffentlichungsplan.
Von der "Stern"-Stunde zur Katastrophe
Die Pressekonferenz des Hamburger Magazins "Stern" am 25. April 1983 zur Veröffentlichung der angeblichen "Hitler-Tagebücher". © picture-alliance / dpa Foto: Chris Pohlert
Medienauftrieb im Hamburger Verlagshaus: Am 25. April 1983 präsentiert der "Stern" der Weltpresse die angeblichen "Hitler-Tagebücher" und kündigt eine entsperchende Serie im Blatt an.
Am 25. April 1983 ist es soweit: Auf einer internationalen Pressekonferenz im Verlagshaus kündigt der "Stern" mit großem Getöse die Veröffentlichung der vermeintlichen Hitler-Tagebücher an, die als Serie erscheinen soll. Auf der PK, zu der rund zwei Dutzend Fernsehteams und an die 200 Reporter erschienen sind, präsentiert sich Heidemann mit den schwarzen Kladden. Drei Tage später erscheint die erste Folge mit Auszügen aus Hitlers angeblichen Aufzeichnungen - und die Chefredaktion verkündet in dem Heft, nun müsse die Geschichte umgeschrieben werden. Doch schon an diesem Tag werden ernsthafte Bedenken laut. Namhafte Experten bezweifeln vom ersten Moment an die Echtheit der Quellen.
AUDIO: Der Stichtag: Der "Stern" präsentiert die "Hitler-Tagebücher" (3 Min)
Kujau schreibt aus Fachbüchern ab
Schaukasten "Hitler-Tagebücher" im Polizeimuseum Hamburg © NDR Foto: Nina Hansen
Die beiden "Stern"-Ausgaben zur "Entdeckung" der Tagebücher und zum Auffliegen des Schwindels liegen im Hamburger Polizeimuseum.
Nach nur zwölf Tagen ist der Spuk vorbei: Bundesarchiv und Bundeskriminalamt kommen mithilfe chemischer Analysen und historischer Recherche übereinstimmend zu dem Ergebnis: Die Tagebücher sind eine Fälschung - und zudem eine recht plumpe. Seitenweise hatte Fälscher Kujau aus veröffentlichten Hitler-Reden und Fachbüchern abgekupfert, das Ganze mit banalen Anmerkungen aus dem täglichen Leben angereichert - und wie heute bekannt ist, auch geschichtsrevisionistisches Gedankengut mit einfließen lassen. Verlagsleitung und Chefredaktion müssen zurückrudern, "Stern"-Gründer Henri Nannen entschuldigt sich bei den Lesern.
Der Skandal um Hitlers "Tagebücher" im Panorama-Archiv
Die Überschrift "Hitlers Tagebücher"  16 Min
Tagebuch-Fälschungen
Ein BKA-Mitarbeiter sitzt vor Dokumenten  4 Min
Bundeskriminalamt zu den Hitler-Tagebüchern
Der Amateur-Fälscher Hans-Günther Österreich am Schreibtisch  5 Min
Materialprüfung Hitler-Tagebücher
Gerd Heidemann bei einer Pressekonferenz  4 Min
Hitler-Tagebücher: Pressekonferenz Gerd Heidemann
Fritz Sänger im Porträt  5 Min
Hitler-Tagebücher: Interview mit Fritz Sänger
Konrad Kujau, Fälscher der Hitler-Tagebücher  12 Min
Interview Konrad Kujau - Hitler Tagebücher
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Die Verlagsleitung hatte es nicht sehen wollen: Einwände wurden abgetan, selbst die im Film "Schtonk" zum Witz verarbeiteten falschen Initialen auf den Tagebüchern ließen niemanden beim "Stern" am vermeintlichen Sensationsfund zweifeln. Über den Fehler habe Hitler selbst sich damals aufgeregt, soll Chefredakteur Felix Schmidt auf die berechtigte Nachfrage nach dem "F." bei der Pressekonferenz geantwortet haben.
Haftstrafen für Heidemann und Kujau
Die Angeklagten Konrad Kujau (r) und Gerd Heidemann (l) am 21. August 1984 vor dem Hamburger Landgericht. Sie wurden wegen schweren Betrugs verurteilt. © picture-alliance / dpa Foto: Schilling
1984 wegen schweren Betrugs vor Gericht: der "Tagebuch"-Fälscher Konrad Kujau (r) und "Stern"-Reporter Gerd Heidemann.
Der Imageschaden für das vormalige Renommier-Blatt ist enorm: Die Auflage bricht ein, die Glaubwürdigkeit ist dahin. In der Folge geben sich die Chefredakteure beim "Stern" die Klinke in die Hand. Kujau und Heidemann werden zu mehrjährigen Haftstrafen wegen Betrugs und Fälschung verurteilt. Fälscher Kujau nutzt seine Popularität nach dem Gefängnis, tingelt durch Talkshows und verkauft die "Tagebuch"-Aktion als "großen Spaß".
Bis heute gilt der Skandal um die "Hitler-Tagebücher" als Paradebeispiel für die möglichen Folgen, die eine zu enge Vermischung von wirtschaftlichen und redaktionellen Interessen haben kann. Und spätestens seit den neusten NDR Recherchen ist auch klar, welche Gefahr lauert, wenn aus eben diesen Interessen Kritiker und Skeptiker kein Gehör finden - und von "Spaß" keine Rede sein kann.
Der Fälscher der Hitler-Tagebücher, Konrad Kujau, zeigt am 29. August 1984 während des Prozesses in Hamburg eines der gefälschten Exemplare.  Im Hintergrund ist Kujaus Anwalt Kurt Groenewold. © picture alliance / ASSOCIATED PRESS Foto: Norbert Foersterling
Gefälschte "Hitler-Tagebücher" kommen ins Bundesarchiv
Vor 40 Jahren wurden sie vom "Stern" veröffentlicht. In diesem Jahr sollen sie an den Archiv-Standort Koblenz übergeben werden.
Die angeblichen "Hitler-Tagebücher" mit den Initialen "AH" auf dem Einband © Screenshot 4 Min
Hamburg damals: Die gefälschten "Hitler-Tagebücher"
Am 25. April 1983 präsentiert das Magazin "Stern" Hitlers vermeintliche Tagebücher - einer der größten Medienskandale.
Gerd Heidemann präsentiert auf der Pressekonferenz des Hamburger Magazins "Stern" am 25. April 1983 die vermeintlichen Hitler-Tagebücher. © picture-alliance / dpa Foto: Chris Pohlert
Holocaust-Leugnung: Die Wahrheit hinter den "Hitler-Tagebüchern"
40 Jahre nach dem Skandal um die Fake-Schriften hat der NDR sie für die Öffentlichkeit digitalisiert - und zeigt: Dort steht nicht weniger als die Leugnung des Holocaust.
Hajo Funke, emeritierter Professor für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin © NDR
Die gefälschten "Hitler-Tagebücher" und die reale Geschichte des NS
Wer die gefälschten Schriften von Konrad Kujau liest, sollte sie in Bezug zur Realität setzen können. Politologe Hajo Funke ordnet ein.
Historikerin und Autorin Dr. Heike B. Görtemaker © NDR
Konrad Kujau und seine Umdeutung Hitlers in den "Tagebüchern"
Die gefälschten "Hitler-Tagebücher" zeigen einen friedliebenden Herrscher - in Opposition zur NS-Elite. Historikerin Heike Görtemaker erläutert sie.
Das Cover der "Stern"-Ausgabe 18/1983 mit dem Foto der Tagebücher. Deutlich zu erkennen: die Initialen F.H. © dpa - Bildarchiv Foto: Ingo Röhrbein
Die Hitler-Tagebücher: Chronik eines absehbaren Skandals
Jahrelang glaubten Reporter, Verlag und Redaktion an einen Sensationsfund - und gaben dafür Millionen aus.
Der Publizist Henri Nannen sitzt an seinem Schreibtisch und hält eine Ausgabe des Magazins "Stern" in den Händen. © dpa-Bildfunk
Henri Nannen: Der Star des "Sterns"
Der Publizist gründete den "Stern", machte sich aber auch als Kunst-Mäzen einen Namen. Am 13. Oktober 1996 starb er in Hannover. 
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"Hitler-Tagebücher": Die Recherchen und Hintergründe

Stand: 23.02.2023 18:00 Uhr
Der NDR Journalist John Goetz beschreibt die Hintergründe des "Stern"-Skandals 1983 und berichtet über neue Recherche-Ergebnisse. Spannend: Zahlreiche Quellen sind bisher unbeachtet geblieben.
von John Goetz
Die "Hitler-Tagebücher" sind ein journalistischer Cold Case. Sie sind eine in den Archiven abgelegte und abgehakte Geschichte, ein gesellschaftlicher Kriminalfall, der auch nach 40 Jahren noch nicht vollständig aufgeklärt ist. Von den damaligen Beteiligten lebt nur noch Gerd Heidemann, der Reporter, der die Geschichte damals angeschleppt hat. Er ist im Frühjahr 2023 91 Jahre alt. Alle anderen Zeugen sind tot. Nur noch Papier erzählt. Nur noch Dokumente berichten.
Diese Recherche ist ein Wiederaufnahmeverfahren. Es ist der Versuch, "missing links" zu füllen und offene Fragen zu beantworten und vielleicht mehr noch: überhaupt neue Fragen zu finden. Alle Quellen sollten noch einmal geprüft werden, alle Dokumente noch einmal mit neuem Blick gewürdigt werden.
"Stern"-Reporter Gerd Heidemann präsentiert im April 1983 die vermientlichen "Hitler-Tagebücher", im Hintergrund das Titelblatt des "Stern" mit der Titelzeile "Hitlers Tagebücher entdeckt" (Montage) © NDR
Gefälschte "Hitler-Tagebücher" - So gefährlich war der Fake
Ging es bei den gefälschten "Tagebüchern" wirklich nur um einen Scoop für den "Stern"? Oder hatten die Täter noch ganz andere Motive? Ein Dossier.
Zahlreiche bisher unbeachtete Quellen gefunden
Schon bald stellte sich heraus, dass es zahlreiche Quellen gibt, die bisher unbeachtet blieben. Ein Beispiel unter vielen: Gerd Heidemann hat, während er die "Tagebücher" recherchiert und beschafft hat, viele seiner Telefongespräche aufgezeichnet. Von diesen Aufzeichnungen tauchen nur einige seiner Gespräche mit Kujau in den bisherigen Dokumentationen des Falls auf. Aber er hat sich auch mit anderen Beteiligten ausgetauscht und Gespräche mitgeschnitten. Sie sind erhellend.
Seltsamerweise sind die gefälschten "Tagebücher" selbst die am wenigsten genutzte Quelle. Kaum jemand hat sie vollständig gelesen, also alle 60 Bände und Sonderbände komplett durchgearbeitet. Dabei sind sie das Corpus Delicti, das etwas enthält, das jeden Kriminalisten aufhorchen ließe: eine Täterhandschrift. Und Täterhandschriften können etwas über Motive erzählen, und manchmal vielleicht mehr. Wahrscheinlich ist der Text der Tagebücher selbst das wichtigste Dokument des "Stern"-Skandals.
AUDIO: Gefälschte "Hitler-Tagebücher": Holocaust-Leugnung belegt (6 Min)
Was sollte damals die neue historische Wahrheit sein?
Dabei kann man eigentlich niemanden vorwerfen, sie nicht gelesen zu haben. Es schien wie Geschwafel eines mittelmäßigen schwäbischen Fälschers. Fast alle, die reingeschaut haben, fanden es langweilig und irrelevant. Und trotzdem bleibt eine zentrale Frage offen: Was steht in den gefälschten Tagebüchern, die dem "Stern" so viel Geld wert waren? Was sind die Details, was ist der Plot? Was genau sollte uns damals als neue historische Wahrheit vermittelt werden?
Verlag Gruner + Jahr erlaubt nur 60 Minuten Lesezeit
Es ist nicht so leicht, diese Fragen zu ergründen, denn die Originalbänder der "Tagebücher" liegen fest verschlossen im Safe von Gruner + Jahr. Der Verlag erlaubt auch vier Jahrzehnte nach dem Skandal nicht, dass Interessierte die fraglichen Dokumente gründlich einsehen. Das Team dieser Recherche hat von Gruner + Jahr auf Nachfrage 60 Minuten Lesezeit im Verlagsgebäude eingeräumt bekommen. Eine einzige Stunde also für insgesamt 60 Bände und rund 2.000 Seiten. Das alles in kaum lesbarer deutscher Handschrift. Mit Aufpasserin. Ohne Fotos. Aber es gibt andere Quellen, Kopien der Bände.
Dank der Bemühungen meines Kollegen Antonius Kempmann konnten wir uns Kopien des ersten Teils der gefälschten "Tagebücher" verschaffen, die Aufzeichnungen von Kujau-Hitler der Jahre 1932 bis 1939. Auf diese Kopien ist Kempmann im Nachlass der 2012 in Cambridge verstorbenen britischen Journalistin Gitta Sereny gestoßen. Kopien der Fake-"Tagebücher" aus den späteren Jahren, bis kurz vor Kriegsende und dem Tod des Diktators, konnten wir uns von einigen Anwälten beschaffen, die nach dem Auffliegen der Fälschungen und dem "Stern"-Skandal in die nachfolgenden Gerichtsverfahren involviert waren. Für diese Recherche wurde erstmals Hitlers gefälschte Handschrift mit der Hilfe einer lernenden KI-Software übersetzt und ein komplettes Transkript erstellt. Plötzlich war alles lesbar.
Gefälschte Hitlertagebücher liegen auf einem Stapel © picture-alliance/dpa Foto: Markus Scholz
Datenbank: Die gefälschten "Hitler-Tagebücher" zum Durchsuchen
Der NDR hat die Tagebücher in vollem Umfang digitalisiert und bietet eine Volltextsuche. Ein Politologe ordnet die Einträge ein.
Politischer Krimi mit offenbar ideologischen Motiven
Und so wurde bei Lektüre des Gesamtwerks ein Verdacht immer deutlicher: Die Geschichte hinter den Kujau- Hitler-"Tagebüchern" ist möglicherweise weit mehr als die lustige Hochstapler-Komödie eines kleinen, cleveren Gauners und eines großen, nicht sehr cleveren Verlags. Das Bild, das Helmut Dietls Film "Schtonk" gezeichnet hat und das das gesellschaftliche Bewusstsein über diesen Skandal geprägt hat, könnte überholt sein. Stattdessen ist es ein politischer Krimi mit offenbar ideologischen Motiven. Neue Recherchen ergänzen diesen Befund.
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Teil 1: Zahlreiche bisher unbeachtete Quellen gefunden
Teil 2: Lektüre ist eine Zumutung
Teil 3: "Stern"-Fälschung erzeugt geschöntes Hitler-Bild
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Teil 12: Männer der Fälscher-Werkstatt vom "Dritten Reich" fasziniert
Dieses Thema im Programm:
Das Erste | Reschke Fernsehen | 23.02.2023 | 23:35 Uhr
https://www.ndr.de/


KZ-Gedenkstätte Dachau
„Die Befreiung“ – Virtueller Rundgang und Podcast

Mit dem Digitalprojekt „Die Befreiung“ kann das Geschehen der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau mithilfe von Augmented Reality, also erweiterter Realität, nachvollzogen werden. In einem virtuellen Rundgang werden historische Fotos in die Gegenwart projeziert. Das Angebot „Die Befreiung“ hat der Bayerische Rundfunk in enger Zusammenarbeit mit der KZ-Gedenkstätte Dachau entwickelt. Die Arbeit der KZ-Gedenkstätte an dem Projekt wird durch die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ finanziell unterstützt.
Virtueller Rundgang
Im virtuellen Rundgang werden Ausschnitte historischer Bilder schrittweise über Fotos der gegenwärtigen Gedenkstätte gelegt. Die Kombination von aktuellen Bildern des Geländes mit Originalfotos der Befreiung wird wiederum durch Audioeinspielungen ergänzt. Hier kommen Häftlinge, Befreier sowie Journalistinnen und Journalisten zu Wort, woraus sich ein multiperspektivischer Blick auf den Ablauf der Befreiung eröffnet. Die Gedenkstätte fungiert somit als eine Art Leinwand, auf der durch multimediale Inhalte ein unmittelbares audiovisuelles Bild von der Befreiung des KZ Dachau entsteht.
Der virtuelle Rundgang stellt die Inhalte ortsunabhängig zur Verfügung und ist sowohl am PC als auch am Smartphone oder Tablet nutzbar. Er ist über die Webseite www.br.de/diebefreiung erreichbar.
Workshop-Angebot
„Die Befreiung“ wird seitens der Bildungsabteilung der KZ-Gedenkstätte Dachau von einem digitalen Workshop-Programm für interessierte Schulklassen, Studierenden- und Jugendgruppen begleitet. Das Mindestalter beträgt 13 Jahre, die Teilnehmendenzahl ist auf 30 beschränkt.
Formate und Ablauf der Workshops
Es gibt zwei verschiedene Workshop-Formate, die sich an unterschiedliche Zielgruppen richten. An eine eigenständige Erkundung des Webangebotes schließt sich jeweils eine Gruppenphase an, in der die Inhalte mithilfe weiterer Quellen vertieft werden. Das Format I ist für Gruppen geeignet, die die KZ-Gedenkstätte Dachau noch nicht kennen. Daher ist hier zusätzlich ein (digitaler) Rundgang über die Gedenkstätte enthalten, der einen Überblick über das Gelände und die Lagergeschichte gibt.
https://www.kz-gedenkstaette-dachau.de/


Extremismus
Kritik an "historisch belasteten" Hymnen von vier Bundesländern

24.04.2023 um 12:32
Die IG Autorinnen Autoren fordert die Landeshauptleute von Ober- und Niederösterreich, Kärnten und Salzburg auf, die Hymnen zu ändern - oder eine völlige Neufassung zu veranlassen.
Die IG Autorinnen Autoren fordert in einem offenen Brief an die Landeshauptleute von Ober- und Niederösterreich, Kärnten und Salzburg Änderungen der jeweiligen Landeshymnen, weil diese historisch belastet seien. Während in Salzburg eine komplette Neufassung von Text und Musik notwendig sei, brauche man in Oberösterreich und Niederösterreich lediglich einen anderen Text, in Kärnten würde die Streichung einer Strophe reichen, heißt es in dem Schreiben.
Am historisch ebenfalls belasteten 20. April hatte sich in Niederösterreich bereits ein Personenkomitee mit zahlreichen namhaften Autoren - darunter u.a. Robert Menasse, Doron Rabinovici, Thomas Sautner und Gerhard Ruiss - mit dem Wunsch nach einer Neuausschreibung der niederösterreichischen Landeshymne an Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) gewandt. Seitens des Landes wurde daraufhin eine wissenschaftliche Aufarbeitung angekündigt. Nun zieht die IG Autorinnen Autoren nach. Sie sieht auch die Landeshymnen von Oberösterreich, Kärnten und Salzburg belastet. Alle vier würden "einer gründlichen Neuüberlegung bzw. der Neuformulierung bedürfen", heißt es in einem Brief an die Landeshauptleute Mikl-Leitner, Thomas Stelzer, Wilfried Haslauer (alle ÖVP) und Peter Kaiser (SPÖ).
Besonders dringend in Salzburg
Am drängendsten sieht man das Problem mit der Hymne in Salzburg, hier gebe es "keine andere Lösung als ihre komplette Neufassung". Komponist Ernst Sompeks habe sich nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Österreich gebrüstet, illegales österreichisches NS-Parteimitglied gewesen zu sein. "Textautor Anton Pichler wiederum war ein kriegsverherrlichender Priester", sein Text teils grammatikalisch verunglückter "kitschig-pathetischer Schollenschwulst".
In Oberösterreich steht der Verfasser des Textes, Franz Stelzhamer, als "radikaler Antisemit", der sogar den Genozid an den Juden befürwortet habe, im Fokus. Zudem sei etwa die Zeile, dass man das "Hoamatland" liebe "wiar a Hünderl sein Herrn" von einer "Untertanen-Mentalität des Absolutismus geprägt". Die IG schlägt vor, auf Grundlage der bestehenden Musik des - historisch unbelasteten - Komponisten Hans Schnopfhagen einen neuen Text auszuschreiben. "Die von offizieller Seite zur Verteidigung des Hymnentextes eingenommene Haltung, die oö. Landeshymne sei durch die antisemitischen Ausfälle ihres Autors ein steter Anstoß, auch die Erinnerung an die Schatten unserer Geschichte lebendig zu halten, teilen wir keinesfalls", heißt es in dem Brief.
Test zur "untadeligen" Musik
Auch in Niederösterreich geht es um die Person des Verfassers, in diesem Fall Franz Karl Ginzkey: "Er war Befürworter der Bücherverbrennungen, einer der Autoren des Bekenntnisbuchs österreichischer Dichter für den Anschluss an Nazideutschland und trat mitten im Krieg der NSDAP bei", kritisiert die IG. Der Text an sich sei - wenn auch "historisch-schwülstig-pathetisch" - unproblematisch, "Ginzkey ist jedoch als Verfasser der Hymne eines Landes mit demokratischer Verfassung völlig ungeeignet". Man erachte daher einen neuen Test zur "untadeligen" Musik aus der Feder Ludwig van Beethovens für nötig.
In Kärnten könnte das Problem einfacher gelöst werden. Hier müsste nach Ansicht der IG nur die von Agnes Millonig, "einer frühen (seit 1933) illegalen Nationalsozialistin" nachträglich verfasste vierte Strophe gestrichen werden. Denn in der Schlusszeile ("das ist mein herrlich Heimatland") hatte es ursprünglich "das ist mein deutsch Heimatland" geheißen, was "slowenischen Kärntnerinnen und Kärntnern mittelbar abspricht, Kärnten als ihre Heimat betrachten zu dürfen", so die Kritik.
https://www.diepresse.com/


59. Grimme-Preis 2023
Die Wannseekonferenz

21.4.2023
(Constantin Television für ZDF)
Grimme-Preis an:
Matti Geschonneck (Regie)
Paul Mommertz (Buch)
Magnus Vattrodt (Buch)
Philipp Hochmair (Darstellung, stellv. für das Ensemble)
Produktion: Friederich Oetker, Reinhold Elschot
Erstveröffentlichung: ZDFmediathek, Donnerstag, 20. Januar 2022
Sendelänge: 105 Minuten
Inhalt:
Der Fernsehfilm basiert auf der einzig erhaltenen Abschrift des Besprechungsprotokolls, das während der historischen Wannseekonferenz von Adolf Eichmann verfasst wurde. Reinhard Heydrich übernahm in seiner Funktion als Chef der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes des Reichsführers SS den Vorsitz und lud am 20. Januar 1942 zu einer Besprechung über die so genannte „Endlösung der Judenfrage“ mit anschließendem Frühstück in eine Villa am Wannsee ein. Seiner Einladung folgten hochrangige Vertreter des NS-Regimes aus SS, Reichskanzlei, Ministerien, Polizei und Verwaltung, um den systematischen Massenmord an Millionen von europäischen Juden zu organisieren, über Zuständigkeiten zu streiten und im Anschluss gesellig miteinander zu frühstücken.
Den Konferenzteilnehmern – und Zuschauenden – werden nur kurze Verschnaufpausen von der Konferenz gewährt: eine kurze Absprache im kleinen Kreis, eine Tasse Kaffee, eine Zigarettenpause am See.
Begründung der Jury:
Der Film folgt sprachlich genau dem Protokoll und entfaltet so den ganzen Horror der „Endlösung der Judenfrage“. An langen Tischen, die im Hufeisen angeordnet sind, sitzen die Teilnehmer und besprechen den Massenmord. Die bürokratischen Begriffe – die Rede ist etwa von „Sonderbehandlung“, von „Endlösungsräumen“ oder von „Umvolkung“ – maskieren den geplanten Massenmord und zeigen gerade dadurch besonders die Unmenschlichkeit dieses Vorgangs. Auch die Zahlen demonstrieren die Ungeheuerlichkeit. So wird am Beispiel des Massakers von Babyn Jar ermittelt, wie viele Menschen pro Tag erschossen werden könnten. Die wenigen privaten Gespräche wirken dagegen fast wie eine Provokation, weil beispielsweise die Nachfrage zum Nachwuchs seltsam unangebracht erscheint. Der Film setzt auf die Einheit von Ort, Zeit und Handlung und bleibt während der Wannseekonferenz vornehmlich im Sitzungszimmer der Villa: Den Zuschauenden wird keine noch so kurze Fluchtmöglichkeit in „entspannende“ Bilder, Kostüm und Ausstattung ermöglicht, denn auch wenn sich die kurze Gelegenheit bietet, über die Schnittchen oder den Wannsee zu schauen, wird der Schauplatz in entsättigten Farben gezeigt. Der bewusste Verzicht auf Musik unterstützt auf auditiver Ebene die nüchterne Atmosphäre.
Durch die formale Strenge ist der Film ästhetisch so trocken wie das zugrundeliegende Protokoll. Dass dieses formale Experiment gelingt, ist eine große und großartige Leistung des gesamten Teams. Matti Geschonneck (Regie) inszeniert die Trockenheit und bürokratische Atmosphäre der Wannseekonferenz ohne Verstaubtheit und macht sie ästhetisch erfahrbar. Die klugen Dialoge von Paul Mommertz und Magnus Vattrodt (Buch) transformieren die historischen Figuren zu fein ausdifferenzierten Persönlichkeiten, die mit all ihren Hoffarten, Geltungsbedürfnissen, kleinlichen Verdruckstheiten und bürokratischen Kompetenzstreitigkeiten zu normalen Menschen werden – ganz im Sinne von Hannah Arendts Diktum der „Banalität des Bösen“. Damit schafft es der Film, die Monstrosität der Ereignisse ohne Monster zu zeigen. Verkörpert werden die Bürokraten der „Endlösung“ von einem herausragenden Schauspielerensemble, in dem jeder Einzelne die Ästhetik der Trockenheit nuancenreich umsetzt.
Verschiedene Figuren äußern Bedenken zur „Endlösung“, die moralischen Bedenken werden jedoch nur in Bezug auf die deutschen Soldaten geäußert. Hier spielt der Film mit der Erwartung der Zuschauenden, dass das gefühlte Unbehagen doch wenigstens von einer moralischen Figur geteilt werden müsste – wider des historischen Wissens. Mit dem Einsatz von Gas zur Ermordung jüdischer Menschen wird eine effektive Art des Massenmordes eingeführt, die als humane Lösung für deutsche Soldaten bei der schweren Aufgabe präsentiert wird.
Wie nebenbei werden die Strukturen des NS-Regimes und die Arbeitsweisen aller Beteiligten seziert: Akteure, die den Führerwillen interpretieren; Hitler, der keine definitiven Entscheidungen trifft und damit Kompetenzstreitigkeiten befördert, sodass sich alle Beteiligten in ständiger Konkurrenz und Überbietungslogik zueinander befinden.
https://www.grimme-preis.de/


Grimme-Preis für "Die Wannseekonferenz"

Der Fernsehfilm "Die Wannseekonferenz" basiert auf der einzig erhaltenen Abschrift des Besprechungsprotokolls, das während der historischen Wannseekonferenz 1942 verfasst wurde.
Videolänge:1 min Datum:21.04.2023
Verfügbarkeit:
Video verfügbar bis 21.04.2024, in Deutschland, Österreich, Schweiz
https://www.zdf.de/


NATIONALSOZIALISMUS
Steinmeier hält Rede zum Gedenken an Aufstand im Warschauer Ghetto

Vor 80 Jahren begann der Aufstand im Warschauer Ghetto. Erstmals hält ein deutsches Staatsoberhaupt eine Gedenkrede – keine leichte Aufgabe für Frank-Walter Steinmeier.
19.04.2023 - 08:36 Uhr 
Ghetto vor genau 80 Jahren. Jüdische Widerstandskämpfer setzten sich damals gegen die Deportation Zehntausender Bewohner in die Vernichtungslager der SS zur Wehr – obwohl der Kampf wegen der Übermacht der SS von Anfang an praktisch aussichtslos war.
Am Ghetto-Denkmal in der polnischen Hauptstadt werden am Mittag die Staatspräsidenten Polens, Israels und erstmals auch Deutschlands – Andrzej Duda, Izchak Herzog und Frank-Walter Steinmeier – Reden halten und Kränze niederlegen.
Für Bundespräsident Steinmeier wird dies eine ähnlich schwierige Rede werden wie Anfang 2020 in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Israel. Dort bekannte er sich vor der Weltgemeinschaft klar zur deutschen Schuld am Holocaust und sagte den Schutz jüdischen Lebens zu. „So etwas erwarte ich von ihm jetzt wieder und damit auch, dass aus einer solchen Rede auch ein Aufrütteln der Gesellschaft hervorgeht“, sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, der Deutschen Presse-Agentur.
„Wir sehen leider, dass Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Rassismus auch in Deutschland zunehmen. Dagegen ein klares Zeichen zu setzen, gerade auch an dieser Stelle, wäre wichtig“, betonte Schuster. „Ich erwarte mir von der Rede des Bundespräsidenten zudem, dass die Bedeutung des selbstbestimmt Jüdischen in der Geschichte und dadurch auch in der Gegenwart klarer wahrgenommen wird.“
Schuster begleitet Steinmeier in Warschau, den Duda zu einer Rede eingeladen hatte.
THEMEN DES ARTIKELS
Bundespräsident Polen Israel Extremismus Außenpolitik Frank-Walter Steinmeier
In einer schriftliche Erklärung vor seinem Abflug am Dienstag dankte der Bundespräsident Polen und Israel für das „Wunderwerk der Versöhnung“ und betonte: „Es ist bis heute ein Wunder, dass Jüdinnen und Juden, Polinnen und Polen uns Deutschen nach den Verbrechen unserer Vorfahren überhaupt die Hand gereicht haben.“
Steinmeier gedenkt Opfern der NS-Verbrechen in Polen
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Dieses Geschenk sei beinahe genauso unfassbar wie die Gräueltaten einst. Er sei dafür zutiefst dankbar. „Heute tragen wir alle die große Verantwortung für den Erhalt dieses Wunderwerks.“ Er bekenne sich zu dieser Verantwortung, so wie auch Duda und Herzog.
Steinmeier will Gespräche mit Duda und Herzog führen
Das Warschauer Ghetto war im Herbst 1940 von den deutschen Besatzern errichtet worden. Rund 450.000 Menschen wurden dort auf engstem Raum eingeschlossen. 1942 begannen die Nationalsozialisten mit der Deportation der Juden in Vernichtungs- und Arbeitslager. Zwischen Juli und September wurden 250.000 bis 280.000 Menschen verschleppt oder ermordet.
Als am 19. April 1943 SS-Einheiten in das Ghetto einmarschierten, begann der Aufstand des nur schwach bewaffneten jüdischen Widerstandes. Die Kämpfe dauerten bis Mitte Mai. Dabei wurden mehr als 56.000 Juden getötet oder in Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert.
Steinmeier will am Rande des Gedenkens auch bilaterale Gespräche mit Duda und Herzog führen. Sein Besuch in Polen fällt in eine schwierige Zeit. Im Herbst wird hier ein neues Parlament gewählt. Die nationalkonservative Regierungspartei PiS schürt auch anti-deutsche Ressentiments und geht damit auf Stimmenfang. Immer wieder beliebt ist dabei die von Deutschland strikt zurückgewiesene Forderung nach Reparationen für die im Zweiten Weltkrieg erlittenen Schäden.
Erst am Dienstag verabschiedete Polens Regierung eine Resolution, welche die Regelung der Reparationsfrage zu einer Notwendigkeit in den beiderseitigen Beziehungen erklärte. Sie sei die formale Antwort auf die diplomatische Note, mit der Berlin die Reparationsforderungen Polens abgelehnt habe, sagte der Vize-Außenminister und Reparationsbeauftragte Arkadiusz Mularczyk. Dass die Entschließung wenige Stunden vor Steinmeiers Ankunft in Warschau gefasst wurde, ließ sich aus deutscher Sicht allerdings auch als diplomatische Provokation werten.
dpa
https://www.handelsblatt.com/

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Der Kaiser muss weg: Umbenennung der Uni Münster

Aktuelle Stunde 05.04.2023 14:14 Min. Verfügbar bis 12.04.2023 WDRVon Thomas Kramer
Uni Münster streicht "Wilhelm" aus ihrem Namen >>>
Stand: 05.04.2023, 15:49 Uhr
Die Westfälische Wilhelms-Universität in Münster hat am Mittwoch eine jahrelange Debatte um ihren umstrittenen Namensgeber Wilhelm II. beendet. Ab Oktober heißt die Hochschule schlicht "Universität Münster".
Der Senat der Universität stimmte am Mittwochnachmittag mit 20 Ja- und nur einer Gegenstimme für die Umbenennung. Schon bei einer Probeabstimmung im Januar hatte der Senat sich eindeutig positioniert - von daher kam die jetzige Entscheidung wie erwartet.
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Wilhelm II. - ein problematischer Namensgeber
Grundlage der Entscheidung waren historische Untersuchungen. Eine Arbeitsgruppe um den Historiker Olaf Blaschke war bereits 2020 zu dem Fazit gekommen: Kaiser Wilhelm II. (1859-1941) sei "überaus militaristisch und nationalistisch, antislawisch und geradezu obsessiv antisemitisch" gewesen. Den Prozess zur jetzigen Umbenennung hatten Studierende im Jahr 2018 angestoßen.
Nazis, Antisemiten und Kolonialisten: Wann ist eine Umbenennung angebracht? - Nachrichten - WDR | mehr
Nie die Uni besucht >>>
Abgesehen von der historischen Bewertung hatte der letzte deutsche Kaiser auch keine besondere Beziehung zur Universität. Den Untersuchungen zufolge war er zwar einmal in Münster, die Universität habe er aber nicht besucht. "Die Beziehung zwischen Kaiser Wilhelm und der Universität war brüchiger als bisher angenommen", so das Fazit eines Historikers.
Die Stellungnahme der Universität zur Umbenennung | mehr >>>
Kaiser Wilhelm, Deutscher Kaiser und König von Preußen.Kaiser Wilhelm II.
Eine echte Verbindung bestand folglich nicht. Das gilt auch für die Namensgeschichte. Zum Beispiel trug die Universität zwischen 1929 und 1952 offiziell gar nicht Wilhelms Namen. Warum sich die Uni 1952 dann erneut umbenannte, ist bislang nicht eindeutig geklärt.
Aktuell fast 46.000 Studierende
Aktuell sind an der 1771 als Universität Münster gegründeten Hochschule knapp 46.000 Studierende eingeschrieben. Damit zählt sie zu den größten in Deutschland. Der deutsche Kaiser hatte die Uni 1902 nach einer zwischenzeitlichen Herabstufung zur Akademie wieder in den Stand einer Universität erhoben.
Ein neuer Name für die Uni Münster?! | audio
Über dieses Thema berichten wir in der Lokalzeit Münsterland auf WDR 2 und im WDR Fernsehen.
https://www1.wdr.de/
Ende der Uni-Namensdebatte in Münster in Sicht | mehr >>>
Forschungsbericht zum Namen der Uni Münster | audio >>>

Nazis, Antisemiten und Kolonialisten: Wann ist eine Umbenennung angebracht?

Stand: 05.04.2023, 15:31 Uhr
Die Westfälische Wilhelms-Universität in Münster soll in Zukunft nur noch "Universität Münster" heißen. Der Grund: Die koloniale und antisemitische Vergangenheit von Namensgeber Kaiser Wilhelm II. Ist eine solche Umbennenung sinnvoll?
Von Jann-Jakob Loos
Es war ein Abwägungsprozess nach langer wissenschaftlicher Aufarbeitung. Den etablierten Namen behalten oder sich einen neuen geben? Die ehemalige AStA-Vorsitzende der Uni Münster, Sara Movahedian, hatte schon früh einen neuen Namen für ihre Hochschule gefordert: "Ich finde das total traurig ist, dass unsere Uni immer noch nach Kaiser Wilhelm benannt ist, obwohl jetzt sehr gut geschichtlich aufgearbeitet wurde, was er eigentlich für eine schwierige Persönlichkeit war." Jetzt soll "Wilhelm" aus dem Namen verschwinden.
Uni Münster streicht "Wilhelm" aus ihrem Namen | mehr
Wann sollte sich eine Universität umbenennen?
Aus Sicht des Senats der Uni ist die Umbenennung der richtige Schritt. Eckhard Kluth, Leiter des Kulturbüros der Uni Münster, kam mit seinen Kolleginnen und Kollegen zu dem Ergebnis: "Die Beziehung der Uni zu ihrem Namensgeber ist viel brüchiger, als das bislang bekannt war. So hieß die Uni zum Beispiel nicht schon die ganze Zeit seit 1907 so wie jetzt, sondern hatte auch schon andere Namen".
"Namen sind Ehrungen und bedürfen der regelmäßigen Überprüfung und Aktualisierung."
Jürgen Zimmerer,
Professor für Globalgeschichte an der Universität Hamburg
Wenn man den Namensgeber aufgrund dessen, wofür er geehrt worden ist, nicht mehr als vorbildlich ansieht, sollte man den Namen ändern, meint auch Historiker Zimmerer. "Vorstellungen einer eingefrorenen Gedächtnislandschaft oder Argumente des Marketings, die das universitäre Branding in Gefahr sehen", sollten dabei keine Rolle spielen.
Universität Münster im fürstbischöflichen Schloss Münster.Studierende wollen NamensänderungWDR Studios NRW 05.04.2023 00:32 Min. Verfügbar bis 12.04.2023 WDR Online
Kaiser Wilhelm und der Genozid an den Herero und Nama
Schon vor Jahren stellte eine Arbeitsgruppe der Universität in Münster fest: Kaiser Wilhelm II. sei "überaus militaristisch und nationalistisch, antislawisch und geradezu obsessiv antisemitisch" gewesen. Geändert wurde der Name nicht, mit der Begründung man wolle nicht die Person Kaiser Wilhelm II., sondern den Stifter ehren, der der früheren königlich-preußischen "Akademie" den Rang einer Universität verliehen hatte.
Professor Zimmerer wendet dagegen ein, bei Kaiser Wilhelm II. handele es sich immerhin um einen der Ermöglicher des ersten Genozids des 20. Jahrhunderts, verübt an den Herero und Nama in Deutsch-Südwestafrika. Seiner Meinung nach sollte das Grund genug für eine Umbenennung sein.
Ein Antisemit in Berlin, ein SS-Mann in Erlangen
Die Berliner Beuth Hochschule für Technik ist ein weiteres Beispiel für eine Einrichtung, bei der die antisemitische Vergangenheit des Namensgebers heutzutage nicht mehr tragbar erscheint. Auch hier wurde vorher zwei Jahre lang recherchiert und über den preußischen Namenspatron Christian Peter Beuth debattiert. Die Hochschule beschloss 2020, den Namen zu ändern. Präsident Werner Ullmann erklärte: "Als wissenschaftliche Einrichtung steht unsere Hochschule in der Verantwortung, sich Antisemitismus- und Rassismustendenzen klar entgegenzustellen."
An einer Hochschule in Erlangen war ein Hörsaal nach Rudolf Wöhrl benannt, Gründer einer Modehauskette. Nachdem bekannt wurde, dass Wöhrl Mitglied von NSDAP und SS gewesen war, bekam der Hörsaal wieder seinen alten Namen "Östliche Stadtmauerstraße 11" zurück.
Die Ernst-Moritz-Arndt-Universität in Greifswald wurde 2018 umbenannt, die Umbenennung der Eberhard Karls Universität Tübingen wurde 2022 "leider abgelehnt", berichtet Professor Zimmerer von weiteren Fällen.
Wann darf eine Universität ihren Namen ändern?
Solange sie die Umbenennung gemäß ihren eigenen Statuten beschließt, darf eine Universität, wann immer sie will, ihren Namen ändern, betont Professor Zimmerer von der Universität Hamburg.
"Es gibt keine Ewigkeitsgarantie für Ehrungen, wie sie Namen nun einmal darstellen."
Jürgen Zimmerer,
Professor für Globalgeschichte an der Universität Hamburg
Über den Namen der Universität entscheidet der Senat, der die Grundordnung der Universität beschließt. Wie die Universität allerdings mit der Vergangenheit des Namensgebers umgeht, ist Sache des Rektorats. Das NRW-Wissenschaftsministerium muss nach einem entsprechenden Senatsbeschluss, auch im Fall der WWU, der Namensänderung noch zustimmen.
Vor einer Umbenennung untersucht in der Regel ein Arbeitskreis, dem vor allem Historiker angehören, die fragwürdige Personalie. Dabei werden natürlich auch ähnliche Namens- und Denkmaldebatten in die Diskussion einbezogen.
Kaiser Wilhelm, Deutscher Kaiser und König von Preußen.Münster: Abstimmung über neuen Uni-NamenWDR aktuell - Der Tag 05.04.2023 10:10 Min. Verfügbar bis 04.04.2024 WDR 3
Falsche Helden versus Erinnerungskultur
Bei fragwürdigen Namensgebern von Straßen haben sich nach Ansicht vieler Historiker Zusatzschilder bewährt, die eine geschichtliche Einordnung bieten. Oftmals wurden aber Straßen auch umbenannt. Dass die Diskussion in der Bevölkerung und Politik zugenommen habe, bestätigt auch der Deutsche Städtetag in einer Handreichung.
"Straßennamen stellen über Jahrhunderte hinweg ein "kollektives Gedächtnis" dar. Sie sind ein Teil der Erinnerungskultur."
Deutscher Städtetag
Die Straßenbenennung spiegele stets die aktuellen Verhältnisse, die Weltanschauung und Kultur bis hin zu den Herrschaftsverhältnissen der entsprechenden Zeit wider. Historische Personen, Orte und Ereignisse würden zu unterschiedlichen Zeiten verschieden bewertet.
Professor Zimmerer von der Uni Hamburg spricht von einer "Einzelabwägung". Er empfiehlt, sich die Frage zu stellen: "Wenn wir heute über eine neue Namensgebung entscheiden müssten, würden wir denselben Namensgeber befürworten?" Wenn nicht, sollte man einer Namensänderung zustimmen. Sonst zementiere man die "Gedächtnislandschaft der Vergangenheit".
Neue Namen für Straßen in NRW
Beispiele für Umbenennungen gibt es in NRW vor allem bei Straßen und Plätzen. In der Dortmunder Nordstadt wurde die "Speestraße" umbenannt. Hier sei "kein Platz für Kolonialisten und Nazi-Heldenfiguren", sagte die Bezirksbürgermeisterin Hannah Rosenbaum. Aus dem Grund hat die Bezirksvertretung Ende letzten Jahres beschlossen, die Straße solle nicht mehr den Namen von Maximilian von Spee tragen - ein Marineoffizier, der im Ersten Weltkrieg fiel und später von den Nationalsozialisten verehrt wurde.
Umbenennung von Straßennamen: "Nachdenken über Geschichte" | audio
Neue Namensgeberin ist die Ärztin Dr. Safiye Ali. Sie war die erste Frau, die in der Türkei als Ärztin praktizierte, hatte ihre letzte Praxis in Dortmund und gilt als Wegbereiterin für Frauen in der Medizin.
Umbenennungen als Trend?
Auch in Düsseldorf wurde 2021 beschlossen, elf Straßen mit historisch belasteten Namen umzubenennen. Die Straßen hatten alle einen direkten Bezug zu Kolonialismus, Militarismus, Nationalsozialismus und Antisemitismus.
Der Hamburger Historiker Jürgen Zimmerer wünscht sich eine bundesweite Überprüfung der Namen durch unabhängige Kommissionen - nicht nur für Straßen und Universitäten. Und er nennt zwei weitere Institutionen, deren Namen ihm nicht mehr zeitgemäß erscheinen: Das Robert Koch-Institut in Berlin und das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg - wegen der zweifelhaften Verstrickungen ihrer Namensgeber in den Kolonialismus.
Projekt zur Namens-Aufarbeitung der Westfälischen Wilhelms-Universität abgeschlossen | video
https://www1.wdr.de/
Screenshot aus dem Film "Heutiger Rassismus – im Kolonialismus verwurzelt?" Koloniale Straßennamen - Warum Umbenennungen wichtig sind COSMO 01.12.2022 02:57 Min. Verfügbar bis 03.12.2023 COSMO >>>

https://de.wikipedia.org/wiki/Landtag_von_Baden-W%C3%BCrttemberg#/media/Datei:LandtagBW_vm01.jpg

Landtag von Baden-Württemberg
Haus des Landtags
Konrad-Adenauer-Straße 3
70173 Stuttgart
Tel: +49 711 2063 0
Fax: +49 711 2063142402
E-Mail: post@landtag-bw.de

Aufarbeitung von Nationalsozialismus und Rechtsextremismus beim Landtag Baden-Württemberg:

... Drucksache 17 / 2961, 26.7.2022, Antwort des Ministeriums für Finanzen, Umbenennung des Rokokotheaters Schwetzingen >>>

... Online-Artikel >>>

... PETITION 17/01464 : LANDTAG Baden-Württemberg: Aufarbeitung nationalsozialistischen Unrechts am Beispiel des Amtsgerichts Mosbach >>>


Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus - mit Gebärdensprache

27.01.2023 ∙ SWR Aktuell ∙ SWR
SWR Aktuell, Logo
Der 27. Januar ist der internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust. Hier können Sie die Veranstaltung in Trier in Gebärdensprache sehen.
Video verfügbar:
bis 26.01.2025 ∙ 13:49
https://www.ardmediathek.de/


Jüdische NS-Opfer: An welchen Stellen in Rosenheim an sie erinnert wird

Stand:24.10.2023, 13:20 Uhr
Von: Johannes Thomae
Charlotte Knobloch, Präsidentin der israelitischen Kultusgemeinde in München und Oberbayern, und Oberbürgermeister Andreas März bei der Enthüllung der neuen Gedenkzeichen in der Rosenheimer Innenstadt. © Montage: Johannes Thomae
„Nie wieder ein tatenloses Zusehen gegenüber Aggression und Hass“: Damit die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus nicht in Vergessenheit geraten, sind in Rosenhein nun mehrere Gedenkzeichen enthüllt worden. An welche Familien erinnert wird und wo die Zeichen genau angebracht sind.
Rosenheim – Dieses Land ist in jeder Beziehung ein Gegenentwurf zu dem, was Nazideutschland einst war. Und zu verdanken ist unsere stabile Demokratie mit ihrem Primat der Toleranz auch der Erinnerungskultur. Das sagte Charlotte Knobloch, Präsidentin der israelitischen Kultusgemeinde in München und Oberbayern. Sie war Gast während einer Feierstunde in der Rosenheim Innenstadt, bei der drei Erinnungszeichen – am Bekleiduungsgeschäft Adlmaier und an zwei Ahornbäumen am Ludwigsplatz – für die jüdischen Familien Fichtmann, Kohn und Westheimer enthüllt wurden. Diese sind während der Nazizeit aus der Stadt vertrieben worden und kamen in der Folge zum Teil in Konzentrationslagern um.
MEHR >>>
https://www.ovb-online.de/rosenheim/rosenheim-stadt/rosenheim-neue-gedenkzeichen-fuer-juedische-ns-opfer-in-der-innenstadt-von-charlotte-knobloch-enthuellt-92597164.html


Im Westen nichts Neues (2022)

Im Westen nichts Neues (internationaler englischer Titel: All Quiet on the Western Front) ist ein Kriegsdrama von Edward Berger, das im September 2022 beim Toronto International Film Festival seine Premiere feierte, Ende September 2022 in die deutschen Kinos kam und Ende Oktober 2022 in das Programm von Netflix aufgenommen wurde. Es handelt sich um die insgesamt dritte und die erste deutsche Verfilmung von Erich Maria Remarques Roman Im Westen nichts Neues aus dem Jahr 1929. Die Rolle von Paul Bäumer wurde in dem Film mit dem österreichischen Schauspieler Felix Kammerer besetzt.
Der Film ist der bisher erfolgreichste deutsche Beitrag bei den Oscars. Für die Oscarverleihung 2023 wurde Im Westen nichts Neues in neun Kategorien nominiert, darunter auch als bester Film (zum ersten Mal überhaupt wurde ein deutscher Film für diese Kategorie nominiert). Ausgezeichnet wurde das Kriegsdrama schließlich mit vier Oscars in den Kategorien bester internationaler Film, beste Kamera (James Friend), beste Filmmusik (Volker Bertelmann alias Hauschka) und bestes Szenenbild (Christian M. Goldbeck und Ernestine Hipper).
Bei der deutschen NSDAP fand die Empathie des Romans für einen vermeintlichen Feind jedoch keinen Anklang,[6] während ihn Kritiker weltweit als „pazifistische Kriegsanklage“ feierten.[5]
Der Film, eine von Netflix in Auftrag gegebene Produktion beim Studio Amusement Park, basiert auf dem Roman Im Westen nichts Neues von Erich Maria Remarque aus dem Jahr 1929.[3][4] Dieser wurde 1933 von den Nazis verboten und wegen seiner „verräterischen“ und entschieden unheroischen Darstellung des Krieges verbrannt.[2] Zu diesem Zeitpunkt war der deutsche Schriftsteller bereits in die Schweiz ausgewandert.[5]
https://de.wikipedia.org/wiki/Im_Westen_nichts_Neues_(2022)


ROMANVERFILMUNG
"Im Westen nichts Neues": Umstrittene Filmpremiere vor 90 Jahren

Die Verfilmung des Literaturklassikers von Erich Maria Remarque wurde mehrfach zensiert. Am 21. November 1930 kam er zum ersten Mal in die deutschen Kinos.
Datum 21.11.2020
Autorin/Autor Antje Allroggen
Es war der bis dahin größte Erfolg in der deutschen Literaturgeschichte: Erich Maria Remarques Antikriegs-Roman "Im Westen nichts Neues" war am 29. Januar 1929 erschienen. Nur wenig später wurde er in 26 Sprachen übersetzt. Allein in Deutschland waren im darauffolgenden Sommer schon mehr als eine Million Exemplare verkauft.
Mitten in einer Zeit, in der die Nationalsozialisten ihre Machtübernahme mit nationalem Pathos vorbereiteten, feierte in Deutschland ein Roman über die Gräuel des Ersten Weltkrieges Erfolge. Das gefiel den Nationalsozialisten nicht. Sie ließen verbreiten, dass sich der Autor Remarque einen falschen Familiennamen gegeben habe und eigentlich Kramer heiße. Und sie behaupteten, er sei französischer Jude und als Soldat gar nicht an der Front im Ersten Weltkrieg gewesen.
Nazi-Proteste gegen "Im Westen nichts Neues"
Wenig später wurde der Roman von einer US-amerikanischen Produktionsfirma unter der Regie von Lewis Milestone bereits verfilmt. Die US-Produktion wurde am 21. November 1930 von der Obersten Filmprüfstelle in Berlin für das deutsche Publikum zugelassen.
Die Uraufführung des Films, der im englischen Original "All Quiet on the Western Front" heißt, fand im Berliner Mozartsaal in einem großen Gründerzeitgebäude statt. Die liberale Vossische Zeitung schrieb dazu, das Publikum sei über den Film tief erschüttert gewesen und habe nach Vorführungs-Ende den Saal "still und im Innersten aufgewühlt" verlassen. Noch nie habe ein Filmwerk "so unmittelbar auf die Zuschauer gewirkt".
Im Premierenpublikum saßen auch viele prominente Zuschauer. Der sozialdemokratische Minister Preußens für Inneres und Kultur war erschienen, ebenso der Botschafter der USA, und auch bekannte Intellektuelle wie Alfred Döblin, Carl Zuckmayer, George Grosz und Egon Erwin Kisch.
Es war der bis dahin größte Erfolg in der deutschen Literaturgeschichte: Erich Maria Remarques Antikriegs-Roman "Im Westen nichts Neues" war am 29. Januar 1929 erschienen. Nur wenig später wurde er in 26 Sprachen übersetzt. Allein in Deutschland waren im darauffolgenden Sommer schon mehr als eine Million Exemplare verkauft.
Mitten in einer Zeit, in der die Nationalsozialisten ihre Machtübernahme mit nationalem Pathos vorbereiteten, feierte in Deutschland ein Roman über die Gräuel des Ersten Weltkrieges Erfolge. Das gefiel den Nationalsozialisten nicht. Sie ließen verbreiten, dass sich der Autor Remarque einen falschen Familiennamen gegeben habe und eigentlich Kramer heiße. Und sie behaupteten, er sei französischer Jude und als Soldat gar nicht an der Front im Ersten Weltkrieg gewesen.
Nazi-Proteste gegen "Im Westen nichts Neues"
Wenig später wurde der Roman von einer US-amerikanischen Produktionsfirma unter der Regie von Lewis Milestone bereits verfilmt. Die US-Produktion wurde am 21. November 1930 von der Obersten Filmprüfstelle in Berlin für das deutsche Publikum zugelassen.
Die Uraufführung des Films, der im englischen Original "All Quiet on the Western Front" heißt, fand im Berliner Mozartsaal in einem großen Gründerzeitgebäude statt. Die liberale Vossische Zeitung schrieb dazu, das Publikum sei über den Film tief erschüttert gewesen und habe nach Vorführungs-Ende den Saal "still und im Innersten aufgewühlt" verlassen. Noch nie habe ein Filmwerk "so unmittelbar auf die Zuschauer gewirkt".
Im Premierenpublikum saßen auch viele prominente Zuschauer. Der sozialdemokratische Minister Preußens für Inneres und Kultur war erschienen, ebenso der Botschafter der USA, und auch bekannte Intellektuelle wie Alfred Döblin, Carl Zuckmayer, George Grosz und Egon Erwin Kisch.
Tatsächlich melden sich Paul und seine Mitschüler freiwillig für die Armee. Doch schon wenig später erfolgt an der Front die Ernüchterung: Paul verwundet bei einer Attacke einen französischen Soldaten. Daraufhin versucht er, dessen Leben zu retten und bittet ihn um Vergebung. Dann wird Paul selber verletzt und landet in einem katholischen Hospital.
Auf seinem Heimaturlaub besucht er noch einmal seine alte Schule und seinen Lehrer, der ihn für den "deutschen Heldenmut" lobt. Bäumer berichtet jedoch desillusioniert und nahezu drastisch von seinen Kriegserlebnissen. Er bezeichnet es als Fehler, in den Krieg gezogen zu sein. Daraufhin beschimpfen ihn Lehrer und Schüler als Angsthasen.
"Nichts am Sterben ist süß"
Von dieser Reaktion enttäuscht, kehrt Paul an die Front zurück. Dort sind viele seiner Kameraden gefallen. Die letzte Szene spielt im Herbst 1918, wenige Tage vor Kriegsende. Im Schützengraben greift Paul spontan nach einem Schmetterling. Dabei wird er von einem französischen Soldaten erschossen. "Nichts am Sterben ist süß", sind die letzten Worte Bäumers, mit denen der Film endet.
Der Filmkritiker Siegfried Kracauer attestierte dem Film seinerzeit, den Krieg wahrlich "nicht schmackhaft" zu machen. Diese Schonungslosigkeit hatte es bis zu diesem Zeitpunkt in der noch jungen Filmgeschichte nicht gegeben. Der Opfergang einer "verlorenen Generation" wird mit einer unerbittlichen Dramaturgie äußerst realistisch nachgezeichnet.
Mit zwei Oscars ausgezeichnet
Regisseur Lewis Milestone, der aus einer jüdischen Familie aus der russischen Ukraine stammte, die vor dem Ersten Weltkrieg in die USA übergesiedelt war, stand für die Realisierung des Kinofilms ein für damalige Verhältnisse üppiges Budget von 1,2 Millionen US-Dollar zur Verfügung.
Milestone arbeitete mit aufwendigen Kamerafahrten, Gegenschnitten und Bild-Perspektiven, die den Zuschauer unmittelbar in das Geschehen hineinziehen. Eine realistische Abrechnung mit dem Krieg und seiner als sinnlos empfundenen Tötungsmaschinerie, die es bis dato noch nicht gegeben hatte. 1930 wurde der Film mit zwei Oscars ausgezeichnet - als bester Film und für die beste Regie.
Diesem internationalen Erfolg hielt selbst die krude Kulturpolitik der Nationalsozialisten nicht stand: 1931 gelangte dann eine stark gekürzte und zensierte Fassung in die deutschen Kinos, die allerdings nur "für bestimmte Personenkreise und in geschlossenen Veranstaltungen" aufgeführt werden durfte. Nach der Machtergreifung Hitlers 1933 wurde der Film schließlich verboten.
Einer der 100 besten Filme der Filmgeschichte
Und selbst nach Kriegsende 1945 konnte man den Film nur in bearbeiteten und stark gekürzten Versionen sehen: Als "Im Westen nichts Neues" 1952 endlich wieder in die deutschen Kinos kam, war das immer noch um eine Fassung, in der die Schlüsselszenen bewusst fehlten.
Erst 1983/84 konnte sich das deutsche Publikum ein Bild vom amerikanischen Original machen, wenn auch nur im Deutschen Fernsehen. Dafür in einer neu synchronisierten Urfassung der US-amerikanischen Produktion..
Nicht nur in Deutschland war der Milestones Original-Film zeitweise verboten. Auch in Österreich und in Frankreich, selbst in den USA kursierten lange nur gekürzte Versionen. Aber all diese Versuche der Verunglimpfung und Zensur taten dem Welterfolg des Antikriegs-Films keinen Abbruch: Nach wie vor gilt "Im Westen nichts Neues" unter der Regie von Lewis Milestone als einer der besten 100 Filme in der amerikanischen Filmgeschichte.
https://www.dw.com/de/


„Im Westen nichts Neues“
Der Antikriegsroman schlechthin

Archiv
„Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque erschien erstmals 1928 und zählt zu den wichtigsten Antikriegsbüchern des 20. Jahrhunderts. Das passte den Nationalsozialisten gar nicht, sie verboten das Buch.
Von Otto Langels | 06.01.2014
„Seid ihr immer noch hier? Du Kropp, was hält dich zurück? Paul Bäumer, sage mir, was wirst du tun?“ – „Ich werde mich melden!“, „Ich auch“, „Ich bin dabei“, „Ich melde mich auch“, …
Ein Ausschnitt aus dem Film „Im Westen nichts Neues“ des amerikanischen Regisseurs Lewis Milestone aus dem Jahr 1930. Der Film basiert auf dem gleichnamigen Werk von Erich Maria Remarque. Der Roman beschreibt die Erlebnisse des jungen Paul Bäumer, eines Schülers, der sich, angesteckt von der Kriegsbegeisterung seines Lehrers, mit den Klassenkameraden zu Beginn des Ersten Weltkriegs freiwillig an die Front meldet. Was folgt, sind die Grauen der Schlachtfelder und Schützengräben, der mörderischen Kämpfe und des Stellungskriegs. Bäumers Freunde kommen durch Gas- und Granatenangriffe ums Leben, kurz vor Kriegsende wird er selber als letzter seiner Gruppe tödlich getroffen.
„Er fiel im Oktober 1918, an einem Tage, der so ruhig und still war an der ganzen Front, dass der Heeresbericht sich nur auf den Satz beschränkte, im Westen sei nichts Neues zu melden.“
Erich Maria Remarques Roman war zunächst im November 1928 als Vorabdruck in der „Vossischen Zeitung“ erschienen, fast auf den Tag genau zehn Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs. Im Januar 1929 kam dann das Buch heraus und wurde über Nacht zum bis dahin größten Erfolg der deutschen Literaturgeschichte. Nach einem halben Jahr war bereits eine halbe Million Exemplare verkauft, im Juni 1930 erreichte die Auflage die Millionengrenze. „Im Westen nichts Neues“ wurde zunächst positiv aufgenommen – Stefan Zweig nannte es ein vollkommenes Kunstwerk und unzweifelhafte Wahrheit –, der Massenerfolg provozierte aber auch Kritik. Rechte Kreise sahen das Andenken deutscher Frontsoldaten in den Dreck gezogen, die politische Linke bemängelte den pazifistischen Grundton und vermisste die Darstellung der Kriegsursachen. Remarque, der im Ersten Weltkrieg beim Einsatz an der Westfront verwundet worden war, hatte seit Mitte der 1920er Jahre als Redakteur für die Illustrierte „Sport im Bild“ gearbeitet. Wenige Tage, nachdem die „Vossische Zeitung“ erste Auszüge seines Romans abgedruckt hatte, erhielt er die fristlose Kündigung. Zu den Reaktionen bemerkte er später:
„Ich war außerordentlich überrascht über die politische Wirkung. Mein eigentliches Thema war ein rein menschliches, dass man junge Menschen von 18 Jahren, die eigentlich dem Leben gegenübergestellt werden sollten, plötzlich dem Tod gegenüberstellte. Und was würde mit ihnen geschehen? Aus dem Grunde habe ich auch ‚Im Westen nichts Neues‘ eher als ein Nachkriegsbuch angesehen als ein Kriegsbuch.“
Nazis verbrannten Bücher von Remarque
Ende 1930, als die Diskussion um Remarques Buch weitgehend abgeebbt war, kam die Verfilmung des amerikanischen Regisseurs Lewis Milestone in die deutschen Kinos. Der mit zwei Oscars ausgezeichnete, im Original 140 Minuten lange Film war ein großer internationaler Erfolg, wurde für Deutschland aber auf 84 Minuten gekürzt. Bereits die erste Vorführung sorgte in Berlin für einen Eklat. Joseph Goebbels, damals Gauleiter der NSDAP in der Hauptstadt, organisierte Störtrupps, die Stinkbomben warfen, weiße Mäuse im Saal aussetzten und Besucher anpöbelten. Die Vorstellung musste abgebrochen werden. Das schändliche Schauspiel wiederholte sich in den nächsten Tagen, bis die Oberprüfstelle den Film kurz darauf wegen „Schädigung des deutschen Ansehens im Ausland“ verbot. Goebbels konnte zufrieden in seinem Tagebuch notieren:
„Das ist ein Triumph. Es hagelt Glückwünsche von allen Seiten. Wir sind in den Augen der Öffentlichkeit die starken Männer.“

Erst in einer nochmals gekürzten Fassung wurde der Film im September 1931 wieder frei gegeben. Doch Erich Maria Remarque hatte die Zeichen der Zeit erkannt. 1932 wanderte er in die Schweiz aus, im darauf folgenden Jahr, am 10. Mai 1933, verbrannten die Nationalsozialisten mehrere Exemplare von „Im Westen nichts Neues“ auf dem Berliner Opernplatz.
„Gegen literarischen Verrat am Soldaten des Weltkriegs, für Erziehung des Volkes im Geiste der Wehrhaftigkeit – ich übergebe dem Feuer die Schriften des Erich Maria Remarque.“
Das Buch wurde vom NS-Regime verboten, sein Autor 1938 ausgebürgert.
Erich Maria Remarque emigrierte in die USA, lebte nach dem Zweiten Weltkrieg abwechselnd in New York und der Schweiz und nahm 1947 die amerikanische Staatsbürgerschaft an. 1970 starb der Schriftsteller in Locarno. „Im Westen nichts Neues“ wurde in 50 Sprachen übersetzt und bis heute weltweit rund 20 Millionen Mal verkauft. Das Werk zählt zu den Antikriegsbüchern des 20. Jahrhunderts.
Erich Maria Remarque: „Im Westen Nichts Neues.“ Verlag Kiepenheuer & Witsch, 368 Seiten, 15,00 Euro, ISBN: 978-3-462-04581-9.
https://www.deutschlandfunk.de/

Im Westen nichts Neues

Im Westen nichts Neues ist ein 1928 verfasster Roman von Erich Maria Remarque, der die Schrecken des Ersten Weltkriegs aus der Sicht eines jungen Soldaten schildert. Obwohl Remarque selbst das Buch als unpolitisch bezeichnete,[1] ist es als Antikriegsroman[2] zu einem Klassiker der Weltliteratur geworden.[1][3] Der Roman wird in der Literaturwissenschaft überwiegend der Neuen Sachlichkeit zugeordnet.[4]
Im Westen nichts Neues erschien als Vorabdruck ab dem 10. November 1928 in der Vossischen Zeitung, in Buchform beim Propyläen Verlag am 29. Januar 1929. Innerhalb von elf Wochen erreichte es nach Verlagsangaben eine Auflage von 450.000 Exemplaren.[5] Es wurde noch im selben Jahr in 26 Sprachen übersetzt. Bis heute gibt es Ausgaben in über 50 Sprachen, die geschätzten Verkaufszahlen weltweit (Stand: 2007) liegen bei über 20 Millionen.[6][7]
Bei den Nationalsozialisten hatte sich Remarque mit seinem Roman Feinde gemacht. Als Teil ihrer Rufmordkampagne gegen den missliebigen Autor bezweifelten sie dessen Authentizität und verbreiteten das Gerücht, er habe überhaupt nicht am Ersten Weltkrieg teilgenommen. Während der nationalsozialistischen Bücherverbrennungen 1933 wurden zahlreiche Exemplare von Im Westen nichts Neues vernichtet.
https://de.wikipedia.org/wiki/Im_Westen_nichts_Neues
Bei der deutschen Erstaufführung des Films im Metropol in Berlin kam es zu einem Skandal. Auf Anweisung des damaligen Berliner NSDAP-Gauleiters Joseph Goebbels besetzten nationalsozialistische Schlägertrupps den Saal und hinderten andere Kinogäste am Besuch; die Vorführung musste abgebrochen werden. Nach mehrfacher Wiederholung der Störaktionen im gesamten Deutschen Reich (z. B. durch Legen von Stinkbomben, Aussetzen großer Mengen weißer Mäuse und immer wieder durch Besetzen der Kinos) wurde der Film vorerst abgesetzt. ... Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde Im Westen nichts Neues endgültig verboten.
https://de.wikipedia.org/wiki/Im_Westen_nichts_Neues


HASSLOCH
Gedenken an Opfer der NS-Diktatur

Am Naturfreundehaus ist eine Gedenktafel angebracht worden.
Foto: Manuela Müller
15.05.2023 - 15:47 Uhr
Am Haßlocher Naturfreundehaus ist eine Gedenktafel enthüllt worden, mit der an Opfer der NS-Diktatur aus Haßloch erinnert wird.
Auf der Tafel sind 13 Namen von Männern aus Haßloch zu lesen, die sich bereits 1933 öffentlich gegen die NS-Diktatur engagiert haben. Unter ihnen ist auch der jüdische Kaufmann Leo Loeb zu finden, der 1930 zum Dritten Bürgermeister von Haßloch gewählt, 1933 von den Nazis seines Amtes enthoben und 1943 in Auschwitz ermordet wurde. Die auf der Gedenktafel genannten Männer wurden schon im März und April 1933 wegen ihres politischen Engagements vom Naziregime in „Schutzhaft“ genommen und gefoltert.
Die Enthüllung der Tafel war nach den Worten von Karlheinz Neufeld, Vorsitzender der Ortsgruppe Haßloch, Teil der Aktion „Frieden in Bewegung 2023“. Die Aktion, die Mitglieder der Naturfreunde am 26. April vor dem Europaparlament in Straßburg gestartet haben, soll nach 68 Tagen und über fast 1000 Kilometern am 2. Juli am ehemaligen KZ Theresienstadt im heutigen Tschechien enden. Die Enthüllung der Tafel nahm Eberhard Dittus vor, der ehemalige Vorsitzende der Gedenkstätte für NS-Opfer in Neustadt.
https://www.rheinpfalz.de/lokal/neustadt_artikel,-gedenken-an-opfer-der-ns-diktatur-_arid,5506111.html


Jährlich über 50.000 Rechercheanfragen zur NS-Zeit

PRESSEMITTEILUNG
Bundesarchiv zeigt online Originaldokumente zum Jahrestag des Sophie-Scholl-Todesurteils am 22. Februar 1943 / Hollmann: "Gegen jede Form der Geschichtsverfälschung"
16.02.2023 Öffentlichkeitsarbeit
Außenansicht des Bundesarchivs Koblenz aus der Luft von Westen
Bundesarchiv Koblenz, Ansicht von Westen, 2016
Quelle: BArch, B 198 Bild-2016-0922-001 / Weber, Günter
Im Bundesarchiv bleibt die Nachfrage nach Unterlagen zur NS-Zeit auf hohem Niveau. Nach der aktuellen Statistik gingen im Jahr 2021 insgesamt etwa 56.000 Anfragen zu diesem Thema ein. Davon waren rund 42.000 Anfragen personenbezogen, dienten also zum Beispiel zur Aufklärung der Familiengeschichte. Diese Zahlen bewegen sich seit einigen Jahren auf ähnlich hohem Level.
Bundesarchiv-Präsident Michael Hollmann sagte: "Mit den zahlreichen Anfragen werden immer wieder neue und wichtige Aspekte zu diesen finstersten Jahren der deutschen Geschichte in den Blick genommen. Zugleich tragen unsere Unterlagen entscheidend zur Aufklärung von Familiengeschichten und Einzelschicksalen bei. Der offene Zugang hilft dabei, dass unsere Gesellschaft wachsam bleibt. Das Bundesarchiv versteht sich als Bollwerk gegen jede Form von Geschichtsverfälschung und Legendenbildung, gerade auch in Bezug auf die NS-Zeit."
Aus Anlass des Tages des Todesurteils und der Ermordung der NS-Widerstandskämpfer Sophie und Hans Scholl und Christoph Probst, der sich am 22. Februar zum 80. Mal jährt, zeigt das Bundesarchiv online Originaldokumente. Zu sehen sind unter anderem Briefe Sophie Scholls an ihren Freund, Vernehmungsprotokolle und das Flugblatt der Widerstandsgruppe der "Weißen Rose", die 1943 in München gegen das Nazi-Regime kämpfte.
Der online nachlesbare Themenschwerpunkt zeigt Beispieldokumente aus 23 Akten mit privater Korrespondenz von Sophie Scholl mit ihrem damaligen Freund Fritz Hartnagel. Die Briefe spiegeln die innersten Gedanken und Gefühle der heranwachsenden Sophie in der Beziehung zu ihrem langjährigen Freund Fritz und auch ihre politische Entwicklung und den Widerstand gegen den Nationalsozialismus wider. Diesen Nachlass N 2370 hatte die Schwester von Sophie und Hans Scholl, Elisabeth Hartnagel (1920-2020), im Jahr 2012 dem Bundesarchiv übergeben. Eine Auswahl der Briefe hatte Thomas Hartnagel, Sohn von Fritz Hartnagel, in seiner Publikation "Sophie Scholl, Fritz Hartnagel, Damit wir uns nicht verlieren", editiert.
Zum Auszug aus den Dokumenten >>>
Hintergrund:
Das Bundesarchiv verwahrt neben Privatnachlässen das staatliche Archivgut der zentralen zivilen und militärischen Stellen des Dritten Reichs, Unterlagen der NSDAP, ihrer Gliederungen und angeschlossenen Verbände. Dazu zählen vor allem die Zentrale Mitgliederkartei der NSDAP mit rund 12,7 Mio. Karteikarten, die Parteikorrespondenz (ca. 1,3 Mio. Akten), Personalunterlagen von Angehörigen der Sturmabteilung (SA) und Schutzstaffel (SS), Personenakten des Rasse- und Siedlungshauptamtes-SS sowie Personenakten der Reichskulturkammer. Darüber hinaus finden sich im Bundesarchiv zum Beispiel personenbezogene Informationen zu Angehörigen von Wehrmacht und Waffen-SS, in der Abteilung Militärachiv Personalunterlagen zu Offizieren von Heer und Luftwaffe bzw. Admiralen der Marine sowie in der Außenstelle Ludwigsburg Unterlagen aus Ermittlungsverfahren wegen NS-Verbrechen.
Weitere Informationen zu personenbezogenen Recherchen >>>
ListModul
Pressemitteilung: "Jährlich über 50.000 Rechercheanfragen zur NS-Zeit" (PDF, 475KB) >>>
Zentrale Pressestelle
Elmar Kramer, Pressesprecher
+49 (0)30 2324-7171
https://www.bundesarchiv.de/


Nachfrage nach Dokumenten zur NS-Vergangenheit weiterhin hoch

dts Nachrichtenagentur
16.02.2023 | 01:06
Koblenz - Das Bundesarchiv verzeichnet weiterhin eine hohe Zahl an Rechercheanfragen aus der Bevölkerung zur NS-Vergangenheit. Im Jahr 2021 sind insgesamt 56.000 Anfragen eingegangen, von denen 42.000 personenbezogen waren, um etwa die Geschichte der eigenen Familie aufzuklären, teilte das Bundesarchiv den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Donnerstagausgaben) mit.
Die Zahlen sind demnach über die vergangenen Jahre konstant geblieben. "Mit den zahlreichen Anfragen werden immer wieder neue und wichtige Aspekte zu diesen finsteren Jahren der deutschen Geschichte in den Blick genommen", sagte Bundesarchiv-Präsident Michael Hollmann. "Zugleich tragen unsere Unterlagen entscheidend zur Aufklärung von Familiengeschichten und Einzelschicksalen bei." Der offene Zugang helfe dabei, dass die deutsche Gesellschaft wachsam bleibe.
"Das Bundesarchiv versteht sich als Bollwerk gegen jede Form von Geschichtsverfälschung und Legendenbildung, gerade auch in Bezug auf die NS-Zeit", fügte Hollmann hinzu.
https://www.finanznachrichten.de


Bundesarchiv erhält Tausende Anfragen zur NS-Vergangenheit

16.02.2023epd Unheil und Bewältigung
Essen, Berlin (epd). Das Bundesarchiv verzeichnet eine nach wie vor hohe Zahl an Rechercheanfragen zur NS-Vergangenheit. Von insgesamt 56.000 Anfragen im Jahr 2021 waren 42.000 personenbezogene Anfragen, um etwa die Geschichte der eigenen Familie aufzuklären, wie das Bundesarchiv den Zeitungen Funke Mediengruppe (Donnerstag) mitteilte. Mit den zahlreichen Anfragen würden immer wieder neue und wichtige Aspekte zu diesen finsteren Jahren der deutschen Geschichte in den Blick genommen, sagte Bundesarchiv-Präsident Michael Hollmann den Funke-Zeitungen. Die Zahlen seien in den vergangenen Jahre konstant geblieben.
Mit den Unterlagen könne "entscheidend zur Aufklärung von Familiengeschichten und Einzelschicksalen" beigetragen werden, sagte Hollmann weiter. Der offene Zugang helfe dabei, dass die deutsche Gesellschaft wachsam bleibe. "Das Bundesarchiv versteht sich als Bollwerk gegen jede Form von Geschichtsverfälschung und Legendenbildung, gerade auch in Bezug auf die NS-Zeit", unterstrich Hollmann.
Aufgabe des 1952 gegründeten Bundesarchivs ist es, das Archivgut des Bundes und seiner Vorgängerinstitutionen auf Dauer zu sichern, nutzbar zu machen und wissenschaftlich zu verwerten. Es ist an mehr als 20 Standorten vertreten, die Hauptdienststelle ist in Koblenz. Seit Juni 2021 gehört auch das Stasi-Unterlagenarchiv zum Bundesarchiv.
https://www.evangelisch.de/


Alltag von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern im Nationalsozialismus

Termin-Details
Termin Sonntag, 12. Februar 2023, 11:00 Uhr bis 13:00 Uhr (44 weitere Termine)
Ort Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit Berlin-Schöneweide
Adresse Britzer Straße 5, 12439 Berlin-Köpenick
https://www.berlin.de/tickets/bildung-vortraege/



Preis des NS-Dokumentationszentrums geht in die Ukraine Archiv

Rathaus Umschau 215 / 2022, veröffentlicht am 10.11.2022
Seit 2018 zeichnet die Landeshauptstadt München mit dem Preis des NS-Dokumentationszentrums München alle zwei Jahre herausragende Publikationen, Aktivitäten und Projekte aus, die maßgeblich zur Aufklärung über den Nationalsozialismus, die vom NS-Regime begangenen Verbrechen sowie über Folgen und Weiterwirken der NS-Zeit beitragen.
In diesem Jahr wird die mit 8.000 Euro dotierte Auszeichnung an das ukrainische Center for Studies of Memory Policy and Public History „Mnemonics” in Rivne verliehen. Damit wird die besondere Erinnerungsarbeit einer zivilgesellschaftlichen Initiative gewürdigt, die sich seit 2016 für die Aufarbeitung des Holocaust in der Ukraine und für eine plurale, demokratische Erinnerungslandschaft einsetzt.
Das Center for Studies of Memory Policy and Public History „Mnemonics“ ist eine finanziell und politisch unabhängige NGO, die von den Historiker*innen Maksym Gon, Petro Dolhanov und Nataliia Ivchyk aus Rivne gegründet wurde. Die Initiative setzt sich dafür ein, Wissenschaft und Öffentlichkeit mit Blick auf Fragen der Erinnerung an die Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts zu informieren und zu sensibilisieren. „Mnemonics“ hat unter schwierigen Bedingungen wichtige Impulse für die Aufarbeitung nationalsozialistischer Verbrechen in der Ukraine gesetzt und sich in vielen Veranstaltungen für einen reflektierten Umgang mit dem Thema Erinnerung eingesetzt. Zu den verschiedenen Projekten gehören künstlerische Installationen, Bildungsangebote für Schüler *innen zum Thema Holocaust oder auch die Verlegung von Stolpersteinen. Der Preis stärkt eine Initiative, deren wichtige Arbeit unter den gegenwärtigen Bedingungen des Krieges massiv leidet.
Der Preis wird am Dienstag, 15. November, vor geladenen Gästen mit einem Grußwort von Stadtrat Michael Dzeba (Stadtraktsfraktion der CSU mit FREIE WÄHLER) in Vertretung des Oberbürgermeisters und Kulturreferent Anton Biebl überreicht.
Weitere Infos unter www.nsdoku.de/preis.
(Siehe auch unter Terminweise)
https://ru.muenchen.de/


Preis des NS-Dokumentationszentrums geht an „Mnemonics“ Archiv

Rathaus Umschau 183 / 2022, veröffentlicht am 23.09.2022
Seit 2018 vergibt die Landeshauptstadt München den Preis des NS-Dokumentationszentrums München. Der Preis wird alle zwei Jahre an herausragende Publikationen, Aktivitäten und Projekte vergeben, die maßgeblich zur Aufklärung über den Nationalsozialismus, die vom NS-Regime begangenen Verbrechen sowie über Folgen und Weiterwirken der NS-Zeit beitragen.
In diesem Jahr wird der mit 8.000 Euro dotierte Preis an das ukrainische Center for Studies of Memory Policy and Public History „Mnemonics” in Rivne verliehen. Damit wird die besondere Erinnerungsarbeit einer zivilgesellschaftlichen Initiative gewürdigt, die sich seit 2016 für die Aufarbeitung des Holocaust in der Ukraine und für eine plurale, demokratische Erinnerungslandschaft einsetzt. Über die Vergabe hat der Kulturausschuss des Stadtrats gestern in seiner Sitzung auf Empfehlung einer Jury entschieden.
Das Center for Studies of Memory Policy and Public History „Mnemonics“ ist eine finanziell und politisch unabhängige NGO, die von den Historiker*innen Maksym Gon, Petro Dolhanov und Nataliia Ivchyk aus Rivne gegründet wurde. Die Initiative setzt sich dafür ein, Wissenschaft und Öffentlichkeit mit Blick auf Fragen der Erinnerung an die Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts zu informieren und zu sensibilisieren.
„Mnemonics“ hat unter schwierigen Bedingungen wichtige Impulse für die Aufarbeitung nationalsozialistischer Verbrechen in der Ukraine gesetzt und sich in vielen Veranstaltungen für einen reflektierten Umgang mit dem Thema „Erinnerung“ eingesetzt, der sich politisch-propagandistischer Inszenierungen entzieht. Zu den verschiedenen Projekten gehören künstlerische Installationen, Bildungsangebote für Schüler*innen zum Thema Holocaust oder auch die Verlegung von Stolpersteinen. Der Preis stärkt eine Initiative, deren wichtige Arbeit unter den gegenwärtigen Bedingungen des Krieges massiv leidet.
Im Rahmen einer Preisverleihung mit geladenen Gästen am 15. November soll der Preis an Tetiana Vodotyka und Nataliia Ivchyk, stellvertretend für das Center for Studies of Memory Policy and Public History „Mnemonics” überreicht werden. Informationen zum NS-Dokumentationszentrum unter www.nsdoku.de.
https://ru.muenchen.de/


Zukunft des Erinnerns

Die Deutschen überprüfen ihren Umgang mit der historischen Schuld: Ist das Gedenken an den Holocaust zu starr, zu eurozentrisch? Und welche neuen Formen der Erinnerungskultur erprobt man anderswo?
Datum 04.11.2022
Kultur.21 zeigt Beispiele aus Israel und Südafrika.
Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus
Holocaust-Gedenken auf dem Prüfstand
Deutschland und die Nazi-Zeit: Es wird wieder debattiert über Schuld, Gedenken und Verantwortung. Ist die Erinnerung an den Holocaust erstarrt? Verstellt sie den Blick auf andere historische Verbrechen? Wie sieht die Zukunft des Erinnerns aus?
Initiative „Zikaron BaSalon – Erinnern im Wohnzimmer“ l Sharon Vuenos und Hannah Malka
Wie sich in Israel das Gedenken an die Shoah verändert
Auch in Israel verändert sich das Gedenken an die Shoah. Besonders die Vierte Generation – die Enkel und Urenkel der Holocaust-Überlebenden - sucht nach neuen Formen eines Erinnerns ohne Zeugen.
Südafrika l Holocaust and Genocide Center in Johannesburg
Holocaust & Genocide Center in Südafrika
Ein Museum in Johannesburg geht neue Wege: Ausgerechnet die Begegnung mit dem europäischen Holocaust soll jungen Südafrikanern helfen, ihre eigene Gewaltgeschichte zu verstehen.
Sendezeiten:
DW Deutsch
SA 05.11.2022 – 08:00 UTC
SA 05.11.2022 – 13:03 UTC
SO 06.11.2022 – 05:00 UTC
SO 06.11.2022 – 17:03 UTC
Neu-Delhi UTC +5,5 | Bangkok UTC +7 | Hongkong UTC +8
DW Deutsch+
SA 05.11.2022 – 13:03 UTC
Vancouver UTC -7 | New York UTC -4 | Sao Paulo UTC -3
SO 06.11.2022 – 05:00 UTC
SO 06.11.2022 – 17:03 UTC
Vancouver UTC -8 | New York UTC -5 | Sao Paulo UTC -3
Datum 04.11.2022
https://www.dw.com/


Gedenken an NS-Opfer
Steine der Erinnerung am Liesinger Platz

18.08.2022, 14:34 Uhr
Steine der Erinnerung gibt es bereits in ganz Wien.Foto: Michael Glanzhochgeladen von Michael Glanz
Eine Gedenktafel für NS-Opfer wird am Liesinger Platz am 25. August enthüllt. Gewidmet ist sie allen Menschen aus Liesing, die wegen ihrer Religion, Herkunft, sexuellen Orientierung, Behinderung oder politischen Haltung verfolgt, deportiert und ermordet wurden.
WIEN/LIESING. Eine Gedenktafel am Liesinger Platz erinnert nun an NS-Opfer aus dem 23. Bezirk. Unter dem Titel „Niemals vergessen“ ist die Tafel allen Menschen aus Liesing gewidmet, die auf Grund ihrer Religion, Herkunft, sexuellen Orientierung, Behinderung oder politischen Haltung verfolgt, deportiert und ermordet wurden. Darüber hinaus wird auch acht NS-Opfern gedacht, deren exakte Adresse nicht mehr ermittelt werden kann.
Der zentrale Platz direkt vor der öffentlichen Bücherei der Stadt Wien am Liesinger Platz gibt der Gedenktafel eine besondere Sichtbarkeit. Sie wird am 25. August um 17.30 Uhr unter der Anwesenheit von Bezirksvorsteher Gerald Bischof (SPÖ) enthüllt.
Die Steine der Erinnerung erinnern an von den Nationalsozialisten ermordete Menschen. | Foto: Ulrike Kozeschnik-Schlick
Die Steine der Erinnerung erinnern an von den Nationalsozialisten ermordete Menschen.Foto: Ulrike Kozeschnik-Schlickhochgeladen von Salme Taha Ali Mohamed
Gedenken an Mitmenschen
Der Verein Steine der Erinnerung in Liesing widmet sich seit mehreren Jahren dem Gedenken an Menschen, die während der NS-Zeit ermordet wurden. An den ehemaligen Wohnorten in Liesing werden Gedenksteine in den Boden eingelassen. Die exakte Adresszuordnung ist in Liesing besonders schwierig, da sich der heutige 23. Bezirk aus mehreren früher selbständigen Orten zusammensetzt.
Zusätzlich sind Adressenangaben in Dokumenten oft ungenau - dies war auch bei den acht Ermordeten der Fall, denen nun mit einer gemeinsamen Tafel am Liesinger Platz gedacht wird. Neben ihren Namen und Geburtsdaten sind Informationen zu ihrer Deportation und Ermordung angeführt.
Im Herbst 2022 gibt es noch weitere Termine des Vereins Steine der Erinnerung in Liesing:
Gedenkbegehung im Raum Autofabrikstraße am 22. Oktober, 15 Uhr: im Zuge eines Rundgangs werden vier neue Steine der Erinnerung vorgestellt.
Stilles Gedenken zur Zerstörung der Synagoge Liesing in der Dirmhirngasse 112 am 9. November um 18 Uhr. Die Lichtinstallation 2018 war Startschuss der alljährlichen Veranstaltung anlässlich der Pogromnacht 1938.
Der Verein Steine der Erinnerung in Liesing entstand auf Initiative der Lokalen Agenda 21 Liesing und wird von der Bezirksvertretung Liesing und vom Zukunftsfonds der Republik Österreich unterstützt.
https://www.meinbezirk.at/liesing/


Münsing erinnert an 28 Opfer des Todesmarschs - Sie lagen in einem ehemaligen Massengrab

Stand: 01.05.2022, 17:00 Uhr
Von: Volker Ufertinger
Einweihung Gedenkstein Degerndorfer Friedhof
Bürgermeister Michael Grasl (li.) erinnerte daran, wie aktuell die Mahnung zum Frieden ist. Die Segnung nahmen der evangelischen Pfarrer Christian Moosauer und der katholische Pfarrer Martin Kirchbichler vor. © Lippert
15 Jahre lang lagen unbekannte Opfer des Todesmarsch auf dem Degerndofer Friedhof. Daran erinnert seit vergangenen Freitag ein Gedenkstein und eine Infotafel.
Münsing – 22 Mahnmale zeichnen die Route nach, auf der Tausende evakuierte KZ-Häftlinge in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs in den Süden getrieben wurden. Die Gemeinde Münsing hat sich am Freitag in das Gedenken des so genannten Todesmarschs eingereiht, der auch am Ostufer des Starnberger Sees vorbeiführte. Auf dem Degerndorfer Friedhof wurde ein Gedenkstein sowie eine Infotafel eingeweiht, die an die 28 unbekannten Opfer erinnern, die hier viele Jahre in einem Massengrab lagen. „In dieser Stunde wollen wir ein Zeichen setzen“, begann Bürgermeister Michael Grasl seine Rede. Ein Zeichen für Frieden und Versöhnung.
Im Massengrab lagen viele Männer aus der Ukraine
Die aktuelle Weltlage dürfte auch dem Letzten klargemacht haben, dass Gewalt zwischen Menschen und Krieg zwischen Völkern mitnichten der Vergangenheit angehören. „Als wir zu planen angefangen haben, ahnten wir nicht, welche bedrückende Aktualität das Thema bekommen würde“, sagte der Rathauschef in seiner Ansprache. Im Degerndorfer Massengrab lagen junge Männer aus dem Osten, aus der Ukraine, aus Litauen, Opfer eines mörderischen Regimes. Weil unklar ist, welchen Religionen sie angehörten, entschieden sich die Verantwortlichen als Symbol für einen Baum, der in vielen Kulturen verbreitet ist. Ein Musiker spielte auf einem Akkordeon östliche Weisen, zur Erinnerung daran, dass ein Häftling ein Akkordeon bis nach Reichersbeuern mitschleppte.
Max Kronawitter bei der Einweihung des Gedenksteins am Degerndorfer Friedhof
Der Eurasburger Regisseur Max Kronawitter hat die Vorgänge um die Bestattung am Degerndorfer Friedhof gründlich erforscht. © Lippert
Der Eurasburger Regisseur Max Kronawitter, dessen Todesmarsch-Dokumentation derzeit in den Kinos läuft und der die Vorgänge in Degerndorf für die Gemeinde gründlich erforscht hat, erinnerte an die Ungeheuerlichkeiten, die damals passierten. Ab dem 28. April 1945 lagerte ein Marschblock im Waldstück zwischen Achmühle und Bolzwang. Das Wetter war schlecht, die Nervosität unter den äußerst brutalen Bewachern war groß: Gerüchte besagten, dass die Regierung kapituliert hätte. Die KZ-Häftlinge kauerten auf dem schneebedeckten Boden. Viele starben in dem zweieinhalbtägigen Lager schlicht an Entkräftung, andere wurden wohl bei einem Ausbruchsversuch erschossen. Fest steht: Als sich die Überlebenden in Bewegung setzten, fehlten 69 Menschen. Sie waren tot.
Die Toten sollten laut Befehl lediglich verscharrt werden
28 der Leichen kamen nach Degerndorf. Die Nazis befahlen, dass sie lediglich verscharrt werden, ohne die Spur eines Grabhügels. Der Seelsorger, Expositus Ludwig Betzinger, widersetzte sich dem Befehl und bestatte die Toten in geweihter Erde. Ja, er begleitete die Beisetzung mit Weihwasser und Gebet, schließlich hätte auch ein Katholik unter den Toten sein können. „Es war der erste Versuch, diesen Menschen ihre Würde wieder zu geben“, so Kronawitter. Die Häftlingsnummer notierte niemand, eine Identifikation war folglich ausgeschlossen. Nach dem Krieg, im Jahr 1960, wurden die Leichen exhumiert und auf den KZ-Ehrenfriedhof Dachau-Leitenberg eingebettet.
Ludwig Betzinger
Der Geistliche Ludwig Betzinger bestattete die 28 Opfer des Todesmarschs, obwohl er ganz andere Anweisungen hatte. Das erforderte Mut und Menschlichkeit. © Diözese München
Die Pfarrer Martin Kirchbichler und Christian Moosauer segneten in einem ökumenischen Akt den Gedenkstein. Kirchbichler betonte die die Würde jedes Menschen. Moosauer brachte die Sorge zum Ausdruck, dass die Menschheit die Fehler der Vergangenheit wiederholt. „Der Weg war damals der falsche“, sagte er. „Beten wir, dass jetzt der richtige gegangen wird.“ Expositus Betzinger sei ein gutes Vorbild, das dazu ermutigen kann, barmherzig zu sein. Bevor im Degerndorfer Schulhaus der Kronawitter-Film „Als das Grauen vor die Haustür kam“ ausgestrahlt wurde, ergriff der Gautinger Ex-Bürgermeister Ekkehard Knobloch das Wort. In seiner Gemeinde war vor 33 Jahren das erste Mahnmal aufgestellt worden, gegen so manchen Widerstand.
https://www.merkur.de/


HOLOCAUST
Rolle der Reichsbahn ist Thema des Holocaust-Gedenkens

In Güterwagen waren Millionen KZ-Insassen in die Lager gebracht worden. Die "Sonderzüge in den Tod" sind daher eine schwere historische Last auch noch für heutige Verantwortliche der Bahn.
Datum 28.04.2022
Auch der Chef der Deutschen Bahn, Richard Lutz (r.), nahm an der Feier in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem teil
Israel hat der sechs Millionen im Holocaust ermordeten Juden gedacht. Am Donnerstag-Vormittag (28.04.2022) heulten für zwei Minuten landesweit die Sirenen. Autos hielten auf den Straßen an, Menschen standen still und gedachten der Toten. An einer Gedenkveranstaltung in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem nahmen Bundestagspräsidentin Bärbel Bas und der Chef der Deutschen Bahn, Richard Lutz, teil.
"Vieh- oder Eisenbahnwaggon das wichtigste Deportationsmittel"
Der Gedenktag stand in diesem Jahr unter dem Motto "Zugfahrten in den Untergang: Die Deportation der Juden während des Holocaust". Die Deutsche Reichsbahn spielte bei der Vernichtung der europäischen Juden eine entscheidende Rolle. Rund drei Millionen Menschen in Europa wurden von 1941 an mit Zügen zu den NS-Vernichtungsstätten gebracht - die meisten davon Juden, aber auch Sinti und Roma.
Ankunft von ungarischen Juden in Auschwitz-Birkenau im Juni 1944
"Der Vieh- oder Eisenbahnwaggon, das wichtigste Deportationsmittel, wurde damit eines der bekanntesten Symbole des Holocaust", heißt es in einer Erklärung von Yad Vashem. Es gilt als gesichert, dass die systematische Ermordung von Millionen von Menschen ohne die Reichsbahn nicht möglich gewesen wäre. Die "Sonderzüge in den Tod" waren für sie ein gewinnbringendes Geschäft. Oft mussten die Fahrtkosten von den Juden selbst bezahlt werden.
"Kritische Auseinandersetzung mit Rolle der Reichsbahn"
Im Januar 2021 hatten sich die Fraktionen von Linken, Grünen und FDP im Bundestag hinter Forderungen zu Entschädigungszahlungen für die Bahn-Transporte von Holocaust-Opfern gestellt. Die heutige Deutsche Bahn ist allerdings nicht Rechtsnachfolgerin der Reichsbahn. Die Bahn habe jedoch eine besondere Verantwortung, sagte Lutz. Sie setze sich daher "für eine kritische Auseinandersetzung mit der Rolle der Reichsbahn in der Nazi-Zeit ein".
Israel Holocaust Gedenktag
Vertreter der israelischen Staatsspitze und Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (3. von rechts) in Yad Vashem
Nach der Feier in Yad Vashem wohnte Bundestagspräsidentin Bas einer Zeremonie im israelischen Parlament bei, bei der die Namen von Opfern des Holocaust verlesen wurden. Bas entzündete in der Knesset eine Kerze im Gedenken auch an die vor 80 Jahren aus ihrer Heimatstadt Duisburg deportierte Jüdin Irma Nathan. Diese wurde 1942 von den Nazis ermordet. Auch ihr Mann und die beiden Kinder wurden von den Nazis getötet.
Noch 161.400 Holocaust-Überlebende in Israel
Die deutschen Nationalsozialisten und ihre Helfershelfer ermordeten während des Zweiten Weltkrieges insgesamt sechs Millionen Juden. In Israel leben nach Behördenangaben noch 161.400 Holocaust-Überlebende. Das Durchschnittsalter betrage 85,5 Jahre, hieß es. Mehr als 1000 Betroffene seien sogar älter als 100 Jahre. Den Angaben zufolge lebten Ende 2020 weltweit 15,2 Millionen Juden, die meisten davon - 6,9 Millionen - in Israel.
Wie die Jewish Claims Conference mitteilte, sind rund 100 Holocaust-Überlebende seit Kriegsbeginn aus der Ukraine nach Israel eingewandert. Zudem seien mithilfe der Organisation rund 70 Betroffene aus der Ukraine nach Deutschland gebracht worden. Die Claims Conference mit ihrer Zentrale in New York setzt sich für die materielle Entschädigung von Betroffenen ein.
sti/jj (afp, ap, dpa)
https://www.dw.com/


Internationaler Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust

70. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz
Der Chor Gegenstimmen beim Singen des Dachaulieds
Der Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust (International Holocaust Remembrance Day) am 27. Januar wurde im Jahr 2005 von den Vereinten Nationen zum Gedenken an den Holocaust und den 60. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau eingeführt.
https://de.wikipedia.org/


NS-VERBRECHEN IN BABYN JAR
Steinmeier gedenkt NS-Opfern in der Ukraine

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erinnerte bei einem Besuch in der Ukraine an die Massenhinrichtung von mehr als 33.000 Juden im ukrainischen Babyn Jar. Zuvor traf er den israelischen Präsidenten Isaac Herzog.
06.10.2021
Bei einer Gedenkveranstaltung 80 Jahre nach der Massenhinrichtung von mehr als 33.000 Juden im ukrainischen Babyn Jar durch deutsche Soldaten kritisierte Steinmeier den wachsenden Antisemitismus in Deutschland: "Es schmerzt mich und es macht mich zornig, dass - gerade in der Notlage einer Pandemie - alter Hass in neue Verschwörungsmythen gegossen wird."
"Nie wieder!"
"Wie sehr wünschte ich mir, sagen zu können: Wir Deutsche haben ein für alle Mal aus der Geschichte gelernt", sagte Steinmeier. "Aber das kann ich nicht. Die bösen Geister der Vergangenheit zeigen sich heute im neuem Gewand", sagte Steinmeier. "Für uns Deutsche kann es darauf nur eine Antwort geben: Nie wieder!"
Bundespräsident Steinmeier in der Ukraine
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Isaac Herzog, Präsident von Israel
Steinmeier und sein israelischer Kollege Isaac Herzog sowie der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj haben in Babyn Jar nahe Kiew gemeinsam der Opfer der NS-Gräueltaten gedacht. Dort waren am 29. und 30. September 1941 mehr als 33.000 ukrainische Juden von SS-Kommandos erschossen worden. Bis 1943 wurden in dem Tal bis zu 100.000 Menschen getötet - Juden, Roma und sowjetische Kriegsgefangene.
"Schwerer Weg" nach Babyn Jar
"Das Menschheitsverbrechen des Holocaust begann nicht erst in den deutschen Todesfabriken: in Auschwitz, Treblinka, Sobibor, Majdanek, Belzec", sagte der Bundespräsident. Es habe bereits "auf dem Eroberungsfeldzug Richtung Osten, in Wäldern, am Rande von Ortschaften" begonnen, erklärte Steinmeier und erinnerte an "weit mehr als eine Million Juden", die dem "Holocaust durch Kugeln in der Ukraine" zum Opfer fiel.
Es sei ein "schwerer Weg" für einen deutschen Bundespräsidenten nach Babyn Jar, betonte Steinmeier. Zugleich sei er aber "dankbar, heute hier zu sein". Die Ukraine sei "auf unserer Landkarte der Erinnerung nur viel zu blass" verzeichnet. Viele der Orte hätten "keinen angemessenen Ort in unserer Erinnerung".
Bundespräsident Steinmeier verneigt sich vor einem Kreuz
Bundespräsident Steinmeier am Denkmal für zivile Opfer der deutschen Massaker in Korjukiwka
Am Morgen hatte Steinmeier daher die Stadt Korjukiwka im Norden des Landes besucht, wo im März 1943 während einer der größten SS-Strafaktionen gegen Zivilisten im Zweiten Weltkrieg binnen zwei Tagen mehr als 6700 Männer, Frauen und Kinder ermordet wurden. Dieses Verbrechen sei bisher kaum bekannt.
"Ohne Erinnerung gibt es keine gute Zukunft"
Der Bundespräsident mahnte, das gemeinsame Erinnern sei wichtig, "um zu erkennen, wohin entfesselter Hass und Nationalismus, Antisemitismus und Rassenwahn führen können". Auch heute noch würden die NS-Verbrechen nachwirken. "Das Leid, das dieser Krieg brachte, wirkt bis heute fort, in so vielen Familien, in so vielen Dörfern und Städten Ihres Landes, der Ukraine", sagte Steinmeier. Ohne ehrliche Erinnerung könne es aber keine gute Zukunft geben.
nob/fab (afp, kna)
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80. Jahresgedenken an Massaker in Babyn Jar
DIE REDAKTION EMPFIEHLT
Massaker von Babyn Jar: Gedenkkonzert in Kiew
Ein Gedenkkonzert erinnert an an die Ermordung der jüdischen Bevölkerung von Kiew. Mit seiner 13. Sinfonie hat Schostakowitsch ein klingendes Mahnmal erschaffen.
AUDIO UND VIDEO ZUM THEMA
Steinmeier: "Es waren Deutsche, die diese Gräuel begangen haben" >>>
Datum 06.10.2021
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Stolperschwelle erinnert an Opfer der Zwangsarbeit
Stolperschwelle in Gedenken an NS-Zwangsarbeiter verlegt.  BASF stellt neue Initiative „Gedenken. Nachdenken. Umdenken.“ vor

Heute, 25. Mai 2021, wurde eine Stolperschwelle in Gedenken an über 30.000 Zwangsarbeiter verlegt, die von 1940 bis 1945 auf dem heutigen Werksgelände der BASF in Ludwigshafen ausgebeutet wurden. Michael Heinz, Standortleiter und Mitglied des Vorstands der BASF SE, und Monika Kleinschnitger, Sprecherin des Vereins Ludwigshafen setzt Stolpersteine e.V., verlegten die Schwelle, die von Künstler Gunter Demnig gefertigt wurde, gemeinsam vor dem Besucherzentrum an Tor 2.
„Die Schwelle steht stellvertretend für mehr als 30.000 Menschen, ihre Geschichten und ihre Schicksale. Wir laden dazu ein, an diesem Ort – heute und zukünftig – ihrer zu gedenken“, sagt Heinz. „Ich freue mich heute gemeinsam mit Michael Heinz den Boden zu bereiten – im wörtlichen und übertragenen Sinne“, so Kleinschnitger. „Stolpersteine sind Orte der Erinnerung, an denen wir den Blick nach unten richten, um uns vor den Opfern zu verneigen und uns an sie zu erinnern. Es ist gut, dass mit der Schwelle nun an das Schicksal so vieler Zwangsarbeiter unter ihnen gedacht wird.“
Seit Beginn des Zweiten Weltkriegs ersetzten in der deutschen Wirtschaft zunehmend ausländische Zivilarbeiter und Kriegsgefangene deutsche Arbeitskräfte, die zum Militär eingezogen wurden. In den damaligen I.G. Farben-Werken Ludwigshafen und Oppau stellten neben Franzosen vor allem sogenannte Ostarbeiter den Großteil der ausländischen Arbeitskräfte. Erhebungen gehen davon aus, dass hier während des Krieges insgesamt über 30.000 ausländische Arbeitskräfte beschäftigt waren, darunter rund 7.000 Kriegsgefangene. Die Fürsorge des Arbeitgebers gegenüber den Zwangsarbeitern beschränkte sich grundsätzlich auf jene Investitionen und Ausgaben, die zur Erhaltung der Arbeitskraft unbedingt nötig war. Die Zwangsarbeiter waren in sieben Lagern in unmittelbarer Nähe des Werksgeländes untergebracht, die schlecht gegen Luftangriffe geschützt waren. Auch die Bezahlung, Arbeitsbedingungen, Verpflegungsrationen und medizinische Versorgung der Zwangsarbeiter unterschieden sich deutlich von denjenigen der deutschen Arbeiter. Viele Zwangsarbeiter verloren dadurch ihr Leben.
BASF stellt neue Initiative „Gedenken. Nachdenken. Umdenken.“ vor
Am heutigen Tag ruft BASF zudem ihre neue Initiative „Gedenken. Nachdenken. Umdenken.“ ins Leben. Sie steht unter der Schirmherrschaft von Michael Heinz und Sinischa Horvat, Betriebsratsvorsitzender der BASF SE, und soll eine zukunftsgerichtete Erinnerungskultur fest im Unternehmen verankern.
„Es geht uns dabei nicht nur um die Beschäftigung mit der Unternehmensgeschichte. Es geht darum, sich auseinanderzusetzen – zum Beispiel ganz konkret mit Parallelen zu heutigen demokratiefeindlichen, rassistischen und antisemitischen Strömungen“, so Heinz. „Wir wollen Mitarbeitende wie Führungskräfte dazu anzuregen, im Alltag klar Position zu beziehen.“ „Ohne Geschichte gibt es keine Zukunft. Daher setzen wir uns auch als Betriebsrat dafür ein, in unserem Unternehmen aktiv für gemeinschaftliches Miteinander und eine Welt ohne Ausgrenzung einzustehen“, so Horvat.
Kernelement ist die Zusammenarbeit mit der Gedenkstätte KZ Osthofen bei Worms, mit der BASF ein Seminarprogramm für ihre Mitarbeitenden am Standort Ludwigshafen aufsetzt. Die Initiative soll stetig wachsen und um weitere Maßnahmen ergänzt werden. Ab 1. Juni 2021 übernimmt die neue Standortleiterin Melanie Maas-Brunner gemeinsam mit Horvat die Schirmherrschaft als Nachfolgerin von Heinz.
Über Stolpersteine
Der Künstler Gunter Demnig erinnert an die Opfer der NS-Zeit, indem er vor ihrem letzten selbstgewählten Wohnort aus Messing gegossene Gedenktafeln – so genannte Stolpersteine – in den Gehweg einlässt. Seit 1996 hat er mehr als 75.000 Stolpersteine in über 1.200 deutschen Kommunen sowie weiteren europäischen Ländern verlegt.
Weitere Informationen unter: www.stolpersteine.eu
Über Ludwigshafen setzt Stolpersteine e.V.
Im Jahr 2007 gründete sich der Verein „Ludwigshafen setzt Stolpersteine“. Im Stadtgebiet wurden bisher 295 Stolpersteine verlegt. Von Beginn an erinnern die Stolpersteine in Ludwigshafen an Angehörige unterschiedlichster Opfergruppen – wie Juden, Homosexuelle, politische Gegner des NS-Regimes oder auch von Nationalsozialisten als sogenannte „Asoziale“ gebrandmarkte Personen – und zeigen damit die Breite der Verfolgung.
Weitere Informationen unter: www.ludwigshafen-setzt-stolpersteine.de
Über die Gedenkstätte KZ Osthofen
Das NS-Dokumentationszentrum Rheinland-Pfalz in der Gedenkstätte KZ Osthofen ist zugleich ein Ort des Gedenkens, der Dokumentation und Erforschung sowie der pädagogischen Vermittlung der NS-Zeit für das Land Rheinland-Pfalz.
Weitere Informationen unter: www.gedenkstaette-osthofen-rlp.de
Der auf der Stolperschwelle geschriebene Text lautet:
1940 BIS 1945
ZWANGSARBEIT IN DEN I.G. FARBEN-WERKEN LUDWIGSHAFEN UND OPPAU
ÜBER 30.000 KRIEGSGEFANGENE UND ZIVILARBEITER AUS GANZ EUROPA
WERDEN ZUR ARBEIT GEZWUNGEN, DISKRIMINIERT, ENTRECHTET, UNTERERNÄHRT, MISSHANDELT
VIELE VERLIEREN IHR LEBEN
https://www.basf.com/


Nazi-Verbrechen: Die Mordnacht von Penzberg

Bundespräsident Steinmeier spricht mit Schülern über eine Racheaktion wenige Tage vor Kriegsende. Den Opfern wurde jetzt ein literarisches Denkmal gesetzt.

26.04.2021

Kein weiteres Blutvergießen – Hans Rummer hatte dieses Ziel schon vor Augen. Der 1933 von den Nationalsozialisten abgesetzte Bürgermeister der Kleinstadt Penzberg südlich von München wusste, dass US-Soldaten nur noch wenige Kilometer entfernt waren. Also setzte er den seit 1944 im Rathaus amtierenden Nazi kurzerhand ab. Außerdem verhinderte Rummer die Sprengung des Bergwerks und ließ Zwangsarbeiter befreien. Doch sein Mut kostete den Sozialdemokraten das Leben. Er wurde in der Nacht vom 28. auf den 29. April 1945 von Adolf Hitler treu ergebenen Soldaten ermordet.
Außer Rummer wurden 15 weitere Männer und Frauen erschossen oder gehängt, darunter eine Schwangere. Über dieses Verbrechen zehn Tage vor der bedingungslosen Kapitulation Nazi-Deutschlands nach sechs Jahren Weltkrieg unterhielt sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Montag mit Schülerinnen und Schülern aus Penzberg. Wegen der Corona-Pandemie fand das Treffen digital statt: Steinmeier, seine Frau Elke Büdenbender und die Schriftstellerin Kirsten Boie im Berliner Schloss Bellevue, die jungen Leute live zugeschaltet aus Penzberg, an ihrer Seite der Erste Bürgermeister Stefan Korpan.
Der Bundespräsident hat erst 2019 bei einem Besuch der Stadt von der Mordnacht erfahren. Penzberg, sagt er zu Beginn des Gesprächs, stehe für Verbrechen, die Deutsche in den letzten Tagen des Krieges noch begangen hätten. "Gemordet wurde bis zur letzten Minute mitten in Deutschland, überall in Deutschland." 1948 wurde in Penzberg ein Mahnmal errichtet und im Stadtmuseum gibt es eine Dauerausstellung zu der Tragödie so kurz vor dem Ende der Nazi-Herrschaft.
"Dunkelnacht" – die Penzberger Mordnacht als Jugendbuch
Tabea hat sich im Geschichtsunterricht erstmals intensiv mit diesem dunklen Kapitel ihres Heimatortes beschäftigt. Dafür sei sie ins Archiv gegangen und habe die Mordnacht "von vorne bis hinten aufgearbeitet". Emelie, die ursprünglich nicht aus Penzberg stammt, hatte schon vorher von ihrer Mitschülerin Emma etwas darüber erfahren. Aber erst durch das Projekt im Geschichtsunterricht sei das Thema für sie "präsent" geworden. Vorher habe sie sich nicht vorstellen können, "dass so etwas hier passiert ist". Bei Emma war das ganz anders – wegen ihres Opas. "Der war da ungefähr so alt wie ich und musste im Krieg kämpfen – und ich darf hier im Frieden aufwachsen."
Immer wieder betonen die Mädchen und Jungen, wie wichtig ein persönlicher oder emotionaler Zugang zur Nazi-Zeit sein kann. Iris erzählt von ihren Empfindungen, als sie Steven Spielbergs Film "Schindlers Liste" anschaute: "Ich fand es sehr krass, sowas so zu sehen." Ähnlich erging es ihr mit Büchern wie Judith Kerrs "Als Hitler das rosa Kaninchen stahl". Und nun gibt es auch ein Buch über die grausamen Geschehnisse in Penzberg: "Dunkelnacht", geschrieben von der Kinder- und Jugendbuchautorin Kirsten Boie. Sie liest während der Videoschalte daraus vor.
Kirsten Boies Frage als Jugendliche: "Was haben die getan?"
Die Penzberger Mordnacht wird entlang der historischen Fakten aus der Perspektive von Jugendlichen erzählt. Ein Mix aus Dokumentation und Fiktion. Veronika findet das gut: So könne man sich besser damit identifizieren und die Geschichte habe sie "emotional mehr mitgenommen". Auch den Besuch der KZ-Gedenkstätte Dachau nordwestlich von München fand sie eindrucksvoll, "weil man live an dem Ort war, wo so viel Unrecht passiert ist". Das Ganze mache Geschichte spannender, sagt Veronika.
Autorin Kirsten Boie ist glücklich, dass den jungen Leuten ihr Buch "Dunkelnacht" so gut gefällt. In ihrer Generation sei es noch schwierig gewesen, mit Eltern und Lehrern über die Nazi-Zeit zu sprechen. Aber es sei ganz konkret erlebbar gewesen. "Das waren nämlich die Menschen, die zu der Zeit gelebt haben und bei denen wir uns immer gefragt haben: Was haben die getan?" Das habe sie die ganze Jugendzeit begleitet, der Nationalsozialismus habe mit ihrem eigenen Leben zu tun gehabt.
Am 76. Jahrestag wird in Penzberg eine Gedenkplatte enthüllt
Für Jugendliche heute liege das so lange zurück, "wie die napoleonischen Kriege und sie haben wenige Berührungspunkte", sagt die Schriftstellerin. Wenn aber Zeitzeugen zu ihnen sprächen, "dann bewirkt das ganz, ganz viel". Oder wenn sie an Orte kämen, wo etwas geschehen sei, "dann wird das plötzlich wieder real". In Penzberg wurde bereits 1948 ein Mahnmal errichtet – dort, wo Bürgermeister Rummer und sieben weitere Männer erschossen wurden. Und am 76. Jahrestag der Mordnacht wird mitten im Stadtzentrum eine Bronzeplatte eingeweiht, die an das Schicksal der insgesamt 16 Ermordeten erinnert.
Ebenfalls schon 1948, noch unter alliiertem Besatzungsrecht, standen die Täter vor Gericht. Zwei wurden zum Tode verurteilt, vier weitere erhielten zum Teil lebenslange Zuchthausstrafen. Letztlich kamen aber alle Angeklagten mit dem Leben davon, weil die Urteile nach Gründung der Bundesrepublik in mehreren Folgeprozessen stark abgemildert wurden.
Elke Büdenbender: "Was könnten wir heute alle tun?"
Am Ende des Gesprächs mit dem Bundespräsidenten über die Penzberger Mordnacht stellt dessen Frau Elke Büdenbender den jungen Leuten eine Frage: "Was könnten wir heute alle tun, damit sich so etwas nicht wiederholt?" Die Antwort gibt Valentin – in Form eines längeren Zitats aus dem Buch "Dunkelnacht" von Kirsten Boie:
"So lange uns diese Taten im Gedächtnis bleiben, so lange wir nicht vergessen, was alles an Unvorstellbarem möglich ist, sehen wir mit einem anderen Blick auch auf das, was heute geschieht. Und treffen Entscheidungen vor diesem Hintergrund anders, vorsichtiger, vielleicht sogar menschlicher."
Valentin adelt das neue Buch als "eine Art ewiger Zeitzeuge"
Der Penzberger Schüler Valentin ergänzt das Zitat mit seinen eigenen Gedanken: Dieses Buch sei eine Art "ewiger Zeitzeuge". Er glaube, damit für alle zu sprechen. Was die Nationalsozialisten und die deutsche Bevölkerung vor bald 80 Jahren verbrochen hätten, "das darf sich nie wieder wiederholen".
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27. Januar: Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus

26.01.2017 / 3 Minuten zu lesen
Vor 72 Jahren befreiten sowjetische Soldaten das Vernichtungslager Auschwitz. Hier ermordeten die Nationalsozialisten zwischen 1940 und 1945 mehr als eine Million Menschen. Seit 1996 gedenkt Deutschland am 27. Januar offiziell der Opfer des Nationalsozialismus.

Am 27. Januar 1945 befreiten sowjetische Soldaten das Vernichtungslager Auschwitz im besetzten Polen. Im Hauptlager in Auschwitz (Oświęcim), das auf einem ehemaligen Barackengelände der polnischen Armee errichtet wurde, belief sich die Zahl der Insassen zeitweise auf mehr als 20.000. Dazu kamen mehr als 90.000 Häftlinge, die in dem noch größeren Lager im drei Kilometer entfernten Birkenau (Brzezinka) untergebracht waren. Auf dem später auch Auschwitz II genannten Gelände ließ Hitlers Schutzstaffel (SS) Anfang 1942 die ersten Gaskammern errichten. In den Lagern von Auschwitz wurden insgesamt schätzungsweise mehr als eine Million Menschen umgebracht.
Erinnerung und Wachsamkeit
Im Januar 1996 richtete sich der damalige Bundespräsident Roman Herzog, der am 10. Januar dieses Jahres verstarb, mit einem klaren Appell an die Deutschen: "Die Erinnerung darf nicht enden; sie muss auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen." Mit diesen Worten erklärte Herzog den 27. Januar zum zentralen Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus. 2005 beschloss die Interner Link:Generalversammlung der Vereinten Nationen, den Tag auch international zum Holocaust-Gedenktag zu machen.
Interner Link:Die Generation der Opfer – wie auch der Täter – stirbt aus und mit ihr die persönlichen Bezüge zu diesem Abschnitt der deutschen Geschichte. An jedem Jahrestag der Auschwitz-Befreiung gibt es weniger Überlebende, die ihre Erfahrungen weitergeben können. Daher fordert die UN-Resolution zum Holocaust-Gedenktag Staaten weltweit auch dazu auf, Erziehungsprogramme zu entwickeln, damit die Erinnerung lebendig gehalten wird und sich Auschwitz nicht wiederholt.

In zahlreichen Städten wird mit Gedenkveranstaltungen an die Millionen Menschen erinnert, die unter der entrechtet, verfolgt und ermordet wurden. Wie jedes Jahr wehen die Flaggen öffentlicher Gebäude in Deutschland an diesem Tag auf Halbmast.
Gedenken im Bundestag
Auch der Bundestag gedenkt jährlich am 27. Januar den Opfern des Holocaust. Dieses Jahr ist die Gedenkveranstaltung insbesondere den Opfern der Euthanasie gewidmet. "Euthanasie" heißt übersetzt "guter" oder "schöner Tod". Mit diesem Euphemismus bezeichneten die Nationalsozialisten die Massenmorde an behinderten, unheilbar kranken und psychisch kranken Menschen.
Adolf Hitler hatte im Oktober 1939 mit einem Schreiben, das auf den Kriegsbeginn zurückdatiert war, die Ermächtigung zu ihrer Ermordung gegeben: Unter dem Codenamen "Aktion T4" (nach dem Sitz der Organisationszentrale in der Berliner Tiergartenstraße 4) begannen die Nationalsozialisten zusammen mit Ärzten und Pflegekräften den systematischen Massenmord an Menschen, deren Leben sie als "nicht lebenswert" betrachteten.
Bis 1941 wurden 70.000 Menschen in Anstalten vergast oder durch Medikamente und Giftspritzen getötet. 1941 stellte Hitler das offizielle Euthanasieprogramm ein. Grund dafür war auch eine Protestrede von Bischof Clemens August Graf von Galen gegen die Euthanasie, die Unruhe in der Bevölkerung hervorgerufen hatte. Die Morde wurden jedoch in öffentlichen Pflegeanstalten fortgeführt. Insgesamt sollen bis Kriegsende 300.000 Menschen in Europa der "Euthanasie" zum Opfer gefallen sein.
Bei einer Gedenkstunde im Bundestag wird es eine Lesung sowie eine musikalische Begleitung mit Stücken des Komponisten und Euthanasie-Opfers Norbert von Hannenheim geben. Unter den Anwesenden werden auch 80 Jugendliche aus Deutschland, Polen, Frankreich und weiteren Nachbarländern sein. Sie nehmen an einer mehrtägigen Jugendbegegnung teil, zu der der Bundestag seit 1997 jedes Jahr einlädt und die auf eine Initiative der damaligen Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth zurückgeht. Orte des Gedenkens
Im Jahr 2011 beschloss die Bundesregierung die Einrichtung eines öffentlichen Denkmals für die Opfer der Euthanasie und Zwangssterilisationen. Der Gedenk- und Informationsort wurde 2014 auf dem Grundstück der ehemaligen Organisationszentrale der "Aktion T4" in der Tiergartenstraße 4 in Berlin eröffnet.
Auch in den sozialen Netzwerken wird dieser Tage der Opfer des Holocaust gedacht: Unter dem Hashtag #WeRemember posten Menschen weltweit Fotos von sich, auf denen sie ein Schild mit den Worten "I remember" bzw. "We remember" hochhalten. Zu dieser Aktion hatte der Jüdische Weltkongress (WJC), der internationale Dachverband von jüdischen Gemeinden, Organisationen und Verbänden, Anfang des Jahres aufgerufen.
https://www.bpb.de/


Marcel Odenbach in der Kunsthalle Wien
„Eine unglaubliche Aktualität“

Der Videokünstler Marcel Odenbach vor einer seiner Arbeiten, die sich mit Erinnerungskultur beschäftigen © picture alliance / dpa / XAMAX
Marcel Odenbach im Gespräch mit Dieter Kassel · 06.02.2017
Der Videokünstler Marcel Odenbach beschäftigt sich in seinem neuesten Werk mit einem Mahnmal im KZ Buchenwald. Sein Film „Beweis zu nichts“ passt in die derzeitige politische Landschaft. „Leider“, sagt Odenbach.
Nach seiner Dresdner Rede ist dem AfD-Politiker Björn Höcke der Zugang zur KZ-Gedenkstätte Buchenwald verweigert worden. Ausgerechnet mit dieser Gedenkstätte beschäftigt sich nun der Videokünstler Marcel Odenbach. Sein Film „Beweis zu nichts“ ist seit diesem Wochenende in Wien zum ersten Mal öffentlich zu sehen.
Odenbach hat sich auch schon mit der Gedenkstätte Majdanek beschäftigt und mit dem Völkermord in Ruanda. Seine entsprechenden Arbeiten drehen sich um die Erinnerung an Massenmorde, beleuchten die Aufarbeitung von Geschichte.
Die Ausstellung in der Kunsthalle Wien habe er anderthalb Jahre geplant, sagte der Künstler im Deutschlandradio Kultur. Dass die Eröffnung nun mit dem Fall Höcke zusammenfalle, bestätige ihn, dass seine Themen – „leider“ – wieder eine „eine unglaubliche Aktualität“ erhalten hätten, so Odenbach.
Mit Blick in die Türkei und die USA sprach der Künstler von „autoritäten Strukturen“. Sicher sei diese Entwicklung „total frustrierend“. Aber Frustration sei auch ein Motor für ihn, weiterzumachen, betonte Odenbach: „Ich will natürlich schon auch daran glauben, dass meine Arbeiten (...) vielleicht doch ein bisschen zum Nachdenken anregen.“ (ahe)
Das Interview im Wortlaut:
Dieter Kassel: Unter den Werken des 1953 in Köln geborenen Video- und Installationskünstlers Marcel Odenbach, die jetzt in Wien zu sehen sind, unter diesen Werken ist auch „Beweis zu nichts“, ein Film, der im wahrsten Sinne des Wortes um das Mahnmal in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald kreist. Odenbach hat sich aber zuvor auch schon mit der Gedenkstätte Majdanek beschäftigt künstlerisch und mit dem Völkermord in Ruanda unter anderem. Seine Arbeit dazu ist auch in Wien zu sehen. Ich habe mich gestern mit ihm unterhalten und ihn deshalb gefragt, warum ihn die Erinnerung an besonders grauenvolle Momente der Geschichte so sehr interessiert.
Nicht in der Familie thematisiert
Marcel Odenbach: Ich glaube, das hat ganz viele Gründe. Also einmal hat das natürlich was mit mir, mit meiner Generation zu tun. Ich bin ja mit einer Geschichte, mit einer speziell deutschen Geschichte konfrontiert worden. Ich stamme noch aus der Generation, die da drüber im Schulunterricht sehr wenig erfahren hat, und parallel habe ich eigentlich im Nachhinein dann auch feststellen müssen, dass bei mir in der Familie das auch eigentlich nicht wirklich ausgiebig thematisiert wurde. Das ist der eine Grund.
Der andere Grund ist, dass bei diesen drei Arbeiten, die Sie gerade erwähnt haben, es eigentlich nicht nur um den grauenhaften Völkermord geht, sondern da geht es mir da drüber hinaus (darum), inwieweit gewisse Systeme, gewisse politische Ereignisse ihre eigene Ideologie nutzen und aufgearbeitet haben, und da kommen wir jetzt natürlich ganz im Speziellen auf die Arbeit „Im Kreise drehen“ und auch „Buchenwald“ zurück, weil die natürlich in Stein, also das heißt wirklich sehr monumental und architektonisch, dieses Gedenken versucht haben zu manifestieren. Ich habe Architektur studiert, also liegt das ein bisschen nah, dass mich natürlich das Bauen oder das Gebaute und die Symbolik des Bauwerks in dem Zusammenhang des Gedenkens interessiert.
Kassel: Da sind wir ja bei dieser neuen Arbeit zu Buchenwald, dieses Mahnmal, das da im Mittelpunkt steht im wahrsten Sinne des Worte, das ist das Mahnmal, das von Bert Brecht und Fritz Cremer entworfen wurde und ein Symbol sein sollte für die Überwindung des Nationalsozialismus durch den Sozialismus. Welche Rolle spielt das denn für Sie, dieser Gedanke, dass da – wenn ich das so sagen darf – die eine Ideologie gegen die anderen ausgetauscht wurde?
Nahtloser Übergang in die Formsprache der DDR
Odenbach: Ich bin natürlich aufgewachsen in einem gewissen Bewusstsein, dass die damalige DDR sozusagen der antifaschistische Staat war und die DDR quasi den Faschismus sehr viel besser aufgearbeitet hat wie Westdeutschland, und als dann die Mauer aufging, war ich doch überrascht, und das hat mich dann doch wirklich quasi – um das blöde Wort umgehauen zu erwähnen – dass die Formsprache der Architektur und der Landschaftsgestaltung eigentlich fast nahtlos übergegangen ist vom Faschismus in die soziologische und soziale Formsprache der DDR. Das fand ich dann doch sehr erschreckend. Also ich fand erschreckend, wie sozusagen eine Diktatur überwunden wird und eine neue quasi sozusagen nahtlos das Selbe macht.
Kassel: Herr Odenbach, gerade über die Gedenkstätte Buchenwald ist ja in den letzten Tagen und Wochen viel geredet worden wegen der Dresdner Rede des AfD-Politikers Björn Höcke, der da das Mahnmal in Berlin als ein Denkmal der Schande bezeichnet hat und sich noch in anderer Weise über das Gedenken an die NS-Zeit geäußert hat. Ihm wurde deshalb der Zutritt zur Gedenkstätte Buchenwald verweigert. Das konnten Sie alles nicht absehen, als Sie sich künstlerisch mit dem Mahnmal beschäftigt haben, aber hat dadurch diese neueste Arbeit von Ihnen auch noch mehr Relevanz bekommen? Haben Sie dieses Gefühl?
Odenbach: Na ja, das ist interessant, dass Sie das erwähnen. Das ist natürlich klar, dass ich das hier sehr oft gefragt wurde, dass die Ausstellung mit den ganzen Thematiken, die ich dort anspreche, natürlich eine unglaubliche Präsenz und Aktualität bekommen hat.
Das konnten wir natürlich nicht absehen, weil die Ausstellung vor anderthalb Jahren geplant ist. Es bestätigt mich natürlich ein wenig in dem, dass diese Themen eigentlich immer noch nicht wirklich aufgearbeitet sind und immer wieder leider an Aktualität gewinnen, wenn man in die Türkei blickt, wenn man jetzt nach Amerika blickt, dass diese ganze Thematik von Unterdrückung, von Minderheiten, von Nichtpressefreiheit, von diktatorischen Systemen, also diese autoritären Strukturen wieder hochaktuell sind im Moment.
Kassel: Aber ist nicht gerade das für alle Menschen, aber auch gerade für einen Künstler, der sich so in seiner Kunst mit Themen wie Aufarbeitung der Geschichte, aber eben auch Flucht, Vertreibung, Gewalt, Krieg in anderen Zusammenhängen so beschäftigt und das schon so lange tut, ist das nicht unglaublich frustrierend, dann den Zustand dieser Welt zu sehen. Sie haben ein paar kleine Beispiele gerade erwähnt. Wir könnten eine ganz lange Liste hier aufzählen, müssen wir, glaube ich, nicht. Ist das nicht frustrierend, zu sehen, ich beobachte das, ich versuche, es anderen zu zeigen mit meinen Mitteln, aber die Welt wird ja nicht friedlicher, sie wird ja nicht gerechter, sie wird ja nicht besser?
Stolz ist das falsche Wort
Odenbach: Natürlich ist das total frustrierend, und ich muss jetzt so ein bisschen lachen, weil ich oft gefragt worden bin, ob ich stolz bin, dass ich das alles schon vorweggenommen hätte und so. Nein, sage ich, das ist wirklich absolut das falsche Wort. Da kann man gar nicht stolz drauf sein.
Es ist natürlich total frustrierend, aber ich glaube, dass eine gewisse Frustration auch natürlich ein Motor ist dafür weiterzumachen, und dass es natürlich auch dann immer wieder gewisse Erfolgserlebnisse gibt. Ich glaube nicht … Also wenn ich wirklich daran glauben müsste, dass gar nichts bewegt wird, dann müsste ich ja verzweifeln, da würde ja quasi sozusagen der Selbstmord oder der Tod die einzige Erlösung sein.
Nein, ich glaube schon auch daran, ohne dass ich glaube, dass meine Arbeiten belehrend sein sollten im Brechtschen Sinne oder didaktisch sind, ich will natürlich schon auch da dran glauben, dass meine Arbeiten, auch wenn es nur im Kleinen ist, vielleicht doch ein bisschen zum Nachdenken anregen.
Kassel: Glauben Sie, dass Sie zumindest ein bisschen was dazu – bisschen haben Sie selber jetzt gesagt – ein bisschen was dazu beitragen können, dass diejenigen – und manchmal habe ich das Gefühl, es werden immer mehr – diejenigen, die einen Schlussstrich möchten unter die Geschichte, gerade in Deutschland, dass die keine Chance haben?
Odenbach: Ja, das glaube ich schon, und das, glaube ich, ist auch eine gewisse Qualität in Deutschland, und ich meine, ich sage das jetzt ganz so bewusst, weil das natürlich auch sehr stark thematisiert wird. In Österreich, wo die Ausstellung ist, und wir wissen ja, dass die Österreicher, wenn man das mal so lapidar sagen darf, gerade noch die Kurve gekratzt haben mit der letzten Wahl, und ich glaube schon, dass Deutschland und Österreich auch natürlich durch die Geschichte und durch die Erfahrung natürlich in gewissem Sinne, auch wenn es sehr starke Antitendenzen gibt, doch sehr viel sensibler mit gewissen Themen umgeht.
Kassel: Dieses Gespräch mit Marcel Odenbach habe ich gestern Nachmittag aufgezeichnet. Da war er wegen der Ausstellungseröffnung noch in Wien, und dort in der Kunsthalle Wien ist seine Ausstellung „Beweis zu nichts“ noch bis zum 30. April dieses Jahres zu sehen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
https://www.deutschlandfunkkultur.de/


Die Gastredner der Holocaust-Gedenktage seit 1996

1996: Bundespräsident Prof. Dr. Roman Herzog (1934-2017)
1997: Dr. Klaus von Dohnanyi (Jahrgang 1928), ehemaliger Hamburger Bürgermeister
1998: Prof. Dr. Yehuda Bauer (Jahrgang 1926), Leiter des Instituts für Zeitgenössisches Judentum an der Hebräischen Universität Jerusalem und Direktor des International Center for Holocaust Studies der Gedenkstätte Yad Vashem
1999: Bundespräsident Prof. Dr. Roman Herzog (1934-2017)
2000: Dr. h. c. Elie Wiesel (1928-2016), US-amerikanischer Schriftsteller, Holocaust-Überlebender
2001: Bundespräsident Dr. h. c. Johannes Rau (1931-2006)
2002: Prof. Dr. Bronisław Geremek (1932-2008), ehemaliger polnischer Außenminister, Holocaust-Überlebender
2003: Dr. h. c. Jorge Semprún (1923-2011), spanischer Schriftsteller, Häftling im KZ Buchenwald
2004: Simone Veil (1927-2017), französische Politikerin, ehemalige Präsidentin des Europäischen Parlaments, Holocaust-Überlebende
2005: Prof. Dr. Arno Lustiger (1924-2012), Historiker, Holocaust-Überlebender
2006: Ernst Cramer (1913-2010), Publizist, Häftling im KZ Buchenwald
2007: Dr. h. c. Imre Kertész (1929-2016), ungarischer Schriftsteller, Holocaust-Überlebender
2008: Lenka Reinerová (1916-2008), tschechische Schriftstellerin (Text vorgetragen von Angela Winkler),
2009: Bundespräsident Prof. Dr. Horst Köhler (Jahrgang 1943)
2010: Dr. h. c. Shimon Peres (1923-2016), israelischer Staatspräsident, und Prof. Dr. Feliks Tych (1929-2016), polnischer Historiker, Holocaust-Überlebender
2011: Zoni Weisz (Jahrgang 1937), Florist, niederländischer Holocaust-Überlebender und Vertreter der Sinti und Roma
2012: Dr. h. c. Marcel Reich-Ranicki (1920-2013), Literaturkritiker, Holocaust-Überlebender
2013: Inge Deutschkron (1922-2022), Journalistin und Autorin, Holocaust-Überlebende
2014: Daniil Granin (1919-2016), russischer Schriftsteller
2015: Bundespräsident Dr. h. c. Joachim Gauck (Jahrgang 1940)
2016: Prof. Dr. Ruth Klüger (1931-2020), US-amerikanische Literaturwissenschaftlerin und Schriftstellerin, Holocaust-Überlebende
2017: Sigrid Falkenstein (Jahrgang 1946), Publizistin, Nichte eines Opfers der NS-„Euthanasie“-Morde, und Prof. Dr. Hartmut Traub (Jahrgang 1952), Philosoph, Neffe eines Opfers der NS-„Euthanasie“-Morde
2018: Dr. h. c. Anita Lasker-Wallfisch MBE (Jahrgang 1925), deutsch-britische Cellistin, Überlebende des Mädchenorchesters von Auschwitz
2019: Prof. Dr. Dres. h. c. mult. Saul Friedländer (Jahrgang 1932), israelischer Historiker und Holocaust-Überlebender
2020: Reuven Rivlin (Jahrgang 1939), israelischer Staatspräsident
2021: Dr. h. c. Charlotte Knobloch (Jahrgang 1932), Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, und Marina Weisband (Jahrgang 1987), Publizistin
2022: Dr. h. c. Inge Auerbacher (Jahrgang 1934), Chemikerin und Holocaust-Überlebende, und Mickey Levy (Jahrgang 1951), Präsident der Knesset
https://www.bundestag.de/gedenkstunden


NIE WIEDER!
Gedenk- und Erinnerungsstätten

Der braune Terror der Nazizeit wütete auch im Südwesten. Auch hier gibt es Orte voller Schuld und Schande. Es gab aber auch Widerstand gegen die menschenverachtende Ideologie Adolf Hitlers und der Nationalsozialisten. Die Gedenkstätten im Land halten die Erinnerung an diese Zeit am Leben.
Auch auf dem Gebiet des heutigen Baden-Württemberg wurden während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft Menschen aus politischen, rassischen, religiösen und anderen Gründen, wegen Widerstand und Verweigerung, verfolgt, gequält, gefoltert, durch Zwangsarbeit vernichtet und ermordet.
Grafeneck auf der Schwäbischen Alb war einer dieser weithin berüchtigten Orte, an dem im Jahr 1940 im Rahmen der sogenannten „Euthanasie“ über zehntausend Menschen umgebracht wurden. Auf dem Heuberg bei Stetten am Kalten Markt richteten die Nationalsozialisten schon im März 1933 das erste Konzentrationslager (KZ) ein, später verlegten sie es in das KZ „Württembergisches Schutzhaftlager Oberer Kuhberg, Ulm/Donau“. Weitere dieser „frühen Lager“ gab es in Kislau, Ankenbuck, Welzheim und im Frauengefängnis Gotteszell in Schwäbisch Gmünd. Ab Sommer 1944 bauten die Nazis die „späten Lager“ für die Rüstungsindustrie auf. Als Arbeitssklaven setzten sie Zwangsarbeiter und arbeitsfähige Häftlinge aus den Vernichtungslagern an den hastig eingerichteten Baustellen ein. Die KZ-Friedhöfe im Land erinnern an ihr schreckliches Schicksal.
Vom Schrecken dieser Jahre zeugen auch die am 9. November 1938 geschändeten Synagogen. Einstmals gab es 151 Synagogen, 144 jüdische Friedhöfe und viele andere jüdische Einrichtungen in Baden, Württemberg und Hohenzollern. An einigen von ihnen wurden nach dem Krieg Gedenk- und Erinnerungsstätten eingerichtet. Heute dienen sie als Orte der Mahnung, der christlich-jüdischen Begegnung, der Bildung und Kultur. In Einzelfällen auch wieder als Treffpunkt neu entstehender jüdischer Gemeinden.
Aus Baden und Württemberg stammen namhafte Personen des Widerstands. Dazu gehören der Hitler-Attentäter Johann Georg Elser aus Königsbronn, die Brüder Stauffenberg aus Stuttgart, die Geschwister Sophie und Hans Scholl aus Ulm und auch das erste Opfer des rechten Terrors in der Weimarer Republik, Reichsfinanzminister Matthias Erzberger, in dessen Geburtshaus in Münsingen-Buttenhausen es seit September 2004 eine Erinnerungsstätte gibt.
Die Gedenkstätten arbeiten in der Überzeugung, dass man aus der Geschichte lernen kann, wenn man sich mit ihr auseinandersetzt. Dazu haben sie sich in der Landesarbeitsgemeinschaft der Gedenkstätten und Gedenkstätteninitiativen Baden-Württemberg zusammengeschlossen. Deren Arbeit wird durch die Landeszentrale für politische Bildung maßgeblich unterstützt.
Austellungsraum im Bundesarchiv in Ludwigsburg (Bild: Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg)
Austellungsraum im Bundesarchiv in Ludwigsburg
Gedenkstein für von der SS 1944 inhaftierte und ermordete Kämpfer des französischen Widerstands „Reseau Alliance“ in Bühl. Landeszentrale für politische Bildung BW
Gedenkstein für von der SS 1944 inhaftierte und ermordete Kämpfer des französischen Widerstands „Reseau Alliance“ in Bühl.
Jüdisches Museum Creglingen - Ausstellung „Wurzel und Wege“. Landeszentrale für politische Bildung BW
Jüdisches Museum Creglingen - Ausstellung „Wurzel und Wege“.
Gedenkstätte für den Hitlerattentäter Georg Elser - Erinnerungs- und Forschungsstätte in Königsbronn Landeszentrale für politische Bildung BW
Gedenkstätte für den Hitlerattentäter Georg Elser - Erinnerungs- und Forschungsstätte in Königsbronn
KZ-Gedenkstätte Echterdingen-Bernhausen. Landeszentrale für politische Bildung BW
KZ-Gedenkstätte Echterdingen-Bernhausen.
KZ-Gedenkstätte Hessental in Schwäbisch-Hall. Landeszentrale für politische Bildung BW
KZ-Gedenkstätte Hessental in Schwäbisch-Hall.
Mahnmal für die deportierten Jüdinnen und Juden Badens in Neckarzimmern. Landeszentrale für politische Bildung BW
Mahnmal für die deportierten Jüdinnen und Juden Badens in Neckarzimmern.
Denkmal Synagogenplatz in Tübingen. Landeszentrale für politische Bildung BW
Denkmal Synagogenplatz in Tübingen.
Theodor Heuss Museum der Stadt Brackenheim. Landeszentrale für politische Bildung BW
Theodor Heuss Museum der Stadt Brackenheim.
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https://www.baden-wuerttemberg.de/


Berliner Ausstellungstipp „Starke Wände“: Mit Kunst gegen Bücher-Zerstörung

Immer wieder werden Bücher in Bibliotheken mutwillig beschädigt. Deren Auswahl deutet auf rechte Täter hin. Jetzt arbeitet eine Ausstellung das Thema auf.
Von Bao-My Nguyen
16.11.2022, 13:53 Uhr
Wie kann man einer Verletzung des gemeinnützigen Raums, wie es zum Beispiel mit der mutwilligen Zerstörung von Büchern in der Bezirkszentralbibliothek Tempelhof-Schöneberg geschehen ist, entgegenwirken?
Vier in Berlin lebende Künstler*innen haben sich dieser Frage mit ihrem Projekt „Starke Wände“ angenommen. Die Ausstellung mit Arbeiten von Matthias Beckmann, Claudia Hauptmann, Gesche Heumann und Stefan Schwarzmüller wird nun in Anwesenheit der Künstler*innen mit einer Einführung der Kunsthistorikerin Diana Thun eröffnet.
Wann und wo wird die Schau „Starke Wände“ eröffnet?
Freitag, 18. November, Ausstellungseröffnung ab 18 Uhr, Lesung und Gespräch um 19:30 Uhr; Bezirkszentralbibliothek „Eva-Maria-Buch-Haus“, Götzstraße 8/10/12; Eintritt frei; um Anmeldung per E-Mail wird gebeten: stabi-anmeldung@ba-ts.berlin.de
Im zweiten Teil des Abends lesen Patrick Stegemann und Sören Musyal aus ihrem Buch „Die rechte Mobilmachung - Wie radikale Netzwerkaktivisten die Demokratie angreifen“ und diskutieren im Anschluss mit den Künstler*innen und Publikum. Die Moderation für das Gespräch übernimmt Stefan Bruns, Leiter des Amtes für Weiterbildung und Kultur.
Die Veranstaltungsreihe „Starke Seiten“, zu der die Ausstellung „Starke Wände“ gehört, wurde anlässlich der Bücherzerstörungen ins Leben gerufen. Unbekannte hatten Bücher, die sich mit linken Theorien, der Geschichte des Sozialismus oder auf kritische Weise mit rechten Tendenzen befassen, mutwillig zerstört oder verschwinden lassen.
https://www.tagesspiegel.de/


Veranstaltungsreihe rückt zerstörte Bücher und ihre Autoren in den Mittelpunkt

Susanne Schilp
aus Neukölln
21. Oktober 2021, 19:00 Uhr 
STARKE SEITEN GEGEN RECHTS
Heike Kleffner ist Journalistin und Geschäftsführerin des Verbands der Betroffenen rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt. 
„Starke Seiten“ heißt es am Donnerstag, 28. Oktober, in der Bezirkszentralbibliothek in der Götzstraße 8. Damit beginnt eine Lese- und Diskussionsreihe, die ein Signal gegen Rechtsextremismus setzen will.
Auslöser der Veranstaltungen: Anfang August und Mitte September wurden 19 Bücher der Bibliothek zerschnitten beziehungsweise gestohlen. Ihnen gemeinsam ist, dass sie sich mit rechtsradikalen Tendenzen beschäftigen oder mit linken Theorien auseinandersetzen. Der oder die Täter werden in der rechten Szene vermutet.
Die empörten Bibliotheksmitarbeiter beschlossen, die Öffentlichkeit über die Vorkommnisse zu informieren. Mehr noch. „Uns war klar, dass wir diesem Angriff entschlossen entgegentreten müssen. Die Veranstaltungsreihe wird die zerstörten Bücher und ihre Inhalte in den Mittelpunkt stellen“, sagt Kulturstadtrat Matthias Steuckardt (CDU).
Den Auftakt machen am 28. Oktober um 19 Uhr das Autoren-Duo Patrick Stegemann und Sören Musyal. Sie lesen aus ihrem Werk „Die rechte Mobilmachung – Wie radikale Netzwerkaktivisten die Demokratie angreifen“. Im Anschluss diskutieren sie mit Matthias Steuckardt, Stefan Bruns, dem Leiter des Amts für Weiterbildung und Kultur, und der Journalistin Christina Schmidt. Schmidt hat in der Vergangenheit besonders mit ihren in der taz veröffentlichten Recherchen Aufmerksamkeit erregt. Sie beschäftigte sie sich mit rechtsextremen Netzwerken und ihren Verbindungen zu Verfassungsschutzämtern, Bundeswehr und Polizei. Die Moderation der Veranstaltung übernimmt Heike Kleffner. Sie ist Journalistin und Geschäftsführerin des Verbands der Betroffenen rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt.
Zwei weitere Lesungen mit Diskussion sind bereits fest geplant. Am Donnerstag, 11. November 19 Uhr ist Michael Kraske mit seinem Buch „Tatworte: Denn AfD & Co. meinen, was sie sagen“ zu Gast. Die Moderation übernimmt Daniel Schulz von der taz.
Am 9. Dezember 19. Uhr steht Andreas Speit im Mittelpunkt des Interesses. Der Titel seines Buchs: „Verqueres Denken. Gefährliche Weltbilder in alternativen Milieus“. Im kommenden Jahr soll die Reihe fortgesetzt werden.
Der Eintritt zu den Veranstaltungen ist frei. Es gelten die 3G-Regeln. Bitte unbedingt anmelden unter stabi-anmeldung@ba-ts.berlin.de.
https://www.berliner-woche.de/


BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
Kranzniederlegung am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus

Pressemitteilung Nr. 5/2022 vom 28. Januar 2022
In Berlin wurde am 27. Januar 2022 der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Stephan Harbarth, LL.M. (Yale), hat an einer Kranzniederlegung im Stelenfeld des Denkmals für die ermordeten Juden Europas und der sich anschließenden alljährlichen Gedenkstunde im Plenarsaal des Deutschen Bundestages teilgenommen.
https://www.bundesverfassungsgericht.de/

„NSU 2.0“ :
Der Terror und die Kunst

EIN KOMMENTAR VON EVA-MARIA MAGEL-AKTUALISIERT AM 18.11.2022-08:25
Wenn Urteile gesprochen sind, bleiben Fragen. Immer öfter stellt die Kunst welche. Damit erreicht sie Aufmerksamkeit wie sonst selten.
Die Urteile sind gesprochen. Der Rechtsstaat hat gearbeitet. Dennoch bleiben sehr viele Fragen. Was tun mit dem vor Gericht Unklärbaren, wo kann es geborgen werden? Immer häufiger ist es die Kunst, die ihre Aufgabe darin sieht, diese Fragen zu stellen. NSU, „NSU 2.0“ , Franco A., der Mord an Walter Lübcke, die Attentate von Hanau: Die erschütternd dichte Abfolge rechtsextremer Terrortaten der vergangenen Jahre hat sich in Theaterstücken, Filmen, bildender Kunst niedergeschlagen.
Das Interesse der Kunst an den Mechanismen und Schwachstellen des Rechtsstaates und an Versuchen über den Schmerz und die Leerstellen ist allgegenwärtig, und viele empfinden mit, wollen wissen: In welchem Raum agieren die Täter? Wer teilt ihre Stimme, wer steht hinter ihnen?
https://www.faz.net/




Musikveranstaltungen der extremen Rechten im ersten Quartal 2022

Deutscher Bundestag Drucksache 20/1924
20. Wahlperiode 17.05.2022
Antwort
der Bundesregierung
auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Petra Pau, Nicole Gohlke, Clara Bünger,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 20/1642 –
V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r
Die Bedeutung von Musik für die Szene der extremen Rechten ist in zahlreichen Studien nachdrücklich belegt worden. Als vermeintlich unpolitische „Einstiegsdroge“ bieten Rechtsrock und die verschiedenen, innerhalb der extremen Rechten verbreiteten Musikstile die Möglichkeit, vor allem Jugendliche anzusprechen und mit der extrem rechten Szene in Berührung zu bringen. Nicht erst seit dem Versuch von Kameradschaftsspektrum und NPD, mittels der sogenannten Schulhof-CD gezielt Jugendliche über das Medium Musik für ihre politischen Ziele zu interessieren, ist dieser Zusammenhang
evident.
Konzerte, der Austausch von CDs, das Eintauchen in ein von der extremen Rechten dominiertes Umfeld sind die ersten Berührungspunkte vieler Jugendlicher mit dieser Szene. Über die nationalistischen, rassistischen und antisemitischen Texte werden wichtige Botschaften der extremen Rechten verbreitet. Die Durchführung von Musikveranstaltungen der extremen Rechten stellt somit eine aktive Werbung für die Ziele der Szene dar und lässt die extreme Rechte als attraktive Gestalterin jugendkultureller Freizeitangebote erscheinen. In zahlreichen Regionen der Bundesrepublik Deutschland stellen solche
Veranstaltungen die herausragenden und deshalb besonders beliebten Möglichkeiten der Freizeitgestaltung dar.
1. Wie viele Musikveranstaltungen der extremen Rechten fanden im ersten Quartal 2022 im Bundesgebiet insgesamt statt?
a) Wie viele dieser Konzerte wurden offen angekündigt, und wie stellt sich die Verteilung nach Bundesländern dar (bitte nach Bundesländern, Orten und Datum, Musikgruppen, Liedermachern aufschlüsseln)?
b)  Wie viele dieser Konzerte wurden konspirativ angekündigt, und wie stellt sich die Verteilung nach Bundesländern dar?

...
https://dserver.bundestag.de/


FILM
„Der Passfälscher“ – mitreißender Film nach einer wahren Geschichte

12.10.2022, 11:54 UHR
ANDREAS LANGEN
Cioma Schönhaus war ein junger jüdischer Grafiker, der die NS-Zeit mitten in Berlin überlebte. Er fälschte Pässe für sich und andere Verfolgte. Nun hat die preisgekrönte Regisseurin Maggie Peren das abenteuerliche Schicksal von Schönhaus verfilmt. In „Der Passfälscher“ spielt Ciomas Enkel Joscha Schönhaus einen Kollegen seines Großvaters.
Wenn Louis Hofmann den eigenen Großvater spielt
Der Stuttgarter Schauspieler Joscha Schönhaus ist es von Berufs wegen eigentlich gewohnt, mit Dramen umzugehen. Doch neulich bekam seine professionelle Distanz deutliche Risse, als er in einer Filmproduktion eine scheinbar belanglose Nebenrolle zu spielen hatte: Als einer von zwei jungen Arbeitern steht Schönhaus an einer Werkbank. Gerade einmal drei Sätze spricht er im Film.
Und doch hatte Joscha Schönhaus bei diesem Dreh nicht die Ruhe weg. Denn sein Gegenüber Louis Hofmann spielt in dem Film „Der Passfälscher“ den Großvater von Joscha, Cioma Schönhaus – während der NS-Zeit ein junger Bursche aus gutem jüdischen Hause, der illegal mitten in Berlin lebte.
„Dann stehe ich plötzlich in diesem Set, und Louis spielt meinen Großvater. Und ich steh da drin und es ist einen kurzen Moment total absurd, weil da plötzlich mein Beruf mit was ganz Privatem verschmilzt.“
Joscha Schönhaus
Tödliche Gefahr durch das Fälschen von Ausweisdokumenten
Die reale Geschichte von Cioma Schönhaus ist unvorstellbar dramatisch. Zwar hat er überlebt, dank geschickt gefälschter Pässe, sehr viel Mumm, und noch viel mehr Glück – was der Film auch gebührend feiert. Doch hinter all der kessen Gewandtheit lauerte tödliche Gefahr.
Auch im wirklichen Leben ließ sich Cioma Schönhaus das Überleben nicht verdrießen . Er war jung, clever und schneidig. Einmal verkaufte er den Hausrat seiner ausgebombten Quartiergeber und strich den Gewinn ein. Ein anderes Male besuchte er in der Uniform eines Marine-Offiziers das Grand Hotel Esplanade, eine der nobelsten Adressen von Berlin – Ausweiskontrollen, so hoffte er, waren dort unwahrscheinlich. Ciomas Enkel Joscha kann diese tolldreisten Streiche bis heute kaum fassen:
„Egal, wie nah du dran bist: Das ist immer bis zu einem gewissen Punkt abstrakt, weil es so unglaublich ist.“
Joscha Schönhaus über die Erlebnisse seines Großvaters
Berlin 1942. Der junge Jude Cioma Schönhaus (Louis Hofmann) lässt sich weder seine Lebensfreude nehmen noch von irgendjemanden einschüchtern – schon gar nicht von den Nazis.
Mit Einfallsreichtum, Charme und einer gehörigen Portion Chuzpe schlägt sich Cioma durchs Leben, beflügelt durch Gerda (Luna Wedler), in der er nicht nur seine große Liebe, sondern auch seine Meisterin der Mimikry findet.
Für die Passfälschungen arbeitet Cioma mit dem Juristen und Widerstandskämpfer Franz Kaufmann (Marc Limpach, rechts) zusammen.
Zusammen mit seinem guten Freund Det (Jonathan Berlin, links) begibt sich Cioma mitten ins Leben und unter Menschen – denn seiner Ansicht nach sind die besten Verstecke dort, wo alle hinsehen.
Mi., 12.10.2022 12:33 Uhr, SWR2 Journal am Mittag, SWR2
https://www.swr.de/


AUSZEICHNUNG
Bundesverdienstkreuz für Katrin Brüggemann

13.05.2022
Katrin Brüggemann hat für ihre Arbeit, das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus wachzuhalten, das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland erhalten.
Die Ministerin für Kultus, Jugend und Sport, Theresa Schopper, hat am 13. Mai 2022 Katrin Brüggemann in Konstanz für ihren langjährigen Einsatz, die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus wach zu halten, und ihren Beitrag dazu, dass die Opfer nicht in Vergessenheit geraten, das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland überreicht. „Seit dem ersten Tag war Katrin Brüggemann die Seele der Initiative ‚Stolpersteine‘ in Konstanz, die sie bis heute mit einer großen Energie und einem bewundernswerten und nicht selbstverständlichen Engagement vorantreibt“, sagt Ministerin Theresa Schopper. In den vergangenen 30 Jahren wurden mehr als 75.000 Stolpersteine in 26 europäischen Ländern verlegt. Mehr als 230 davon gehen auf die Initiative „Stolpersteine für Konstanz – Gegen Vergessen und Intoleranz“ zurück, die Katrin Brüggemann vor etwa 17 Jahren mit ins Leben gerufen hat.
Gemeinsam mit den Menschen, die sich auch in der Initiative engagieren, hat sie erreicht, dass die Erinnerung an die Gräuel und den Terror während der Nazizeit in Konstanz fest im öffentlichen Bewusstsein verankert ist. Durch Bezüge zu aktuellen Themen wie Rassismus oder Ausländerfeindlichkeit schafft die Initiative auch eine Verbindung zum (gegenwärtigen) Alltag der Menschen. Katrin Brüggemann hat für die Initiative zahlreiche Opferbiografien recherchiert und dafür gesorgt, dass sie nicht in Vergessenheit geraten, sondern sichtbar als Stolpersteine auf den Straßen und Gehwegen der Stadt Konstanz präsent bleiben. „Heute, etwa 80 Jahre nach der Herrschaft der Nationalsozialisten haben wir wieder Krieg in Europa. Angesichts dessen, was in der Ukraine passiert, ist es umso wichtiger, die Erinnerung an Verbrechen und Krieg wachzuhalten. Die Arbeit von Katrin Brüggemann ist deshalb von unschätzbarem Wert, und wir sind ihr zu Dank und Respekt verpflichtet“, sagt die Ministerin.
Durch die Recherche zu den Opferbiografien konnten neue Kontakte geknüpft werden, aus denen auch eine Ausstellung in Buenos Aires entstanden ist, die von der Deutschen Botschaft unterstützt wird und auch vom ehemaligen Bundesaußenminister Heiko Maas besucht wurde. Darüber hinaus ist Katrin Brüggemann Mitbegründerin der Konstanzer Gruppe der Initiative „Seebrücke – schafft sichere Häfen“, die sich für die Rettung von in Seenot geratenen Flüchtlingen einsetzt. Auch dank ihres beharrlichen Einsatzes ist Konstanz seit Oktober 2018 ein „Sicherer Hafen“, der die zivile Seenotrettung unterstützt.
https://www.baden-wuerttemberg.de/


Flaggenverbot in 15 Zonen
Polizei rollt Ukraine-Flaggen vor Sowjet-Denkmal ein

Ausgebreitete Flagge vor Sowjetischem Ehrenmal im Berliner Tiergarten
Bei den Veranstaltungen zum Jahrestag der Kapitulation von Nazi-Deutschland sind in Berlin sowohl russische als auch ukrainische Symbole verboten. Nicht alle halten sich daran.
08.05.2022, 15:13 Uhr
Am Sowjetischen Ehrenmal im Berliner Tiergarten musste die Polizei bei Gedenkveranstaltungen zum Sieg über Nazi-Deutschland mehrmals Nationalsymbole der Ukraine entfernen. Diese sind, ebenso wie russische Zeichen, an diesem Tag in 15 ausgewählten Zonen in der Hauptstadt verboten. Einige Personen hielten sich allerdings nicht an diese Regel und rollten meterlange ukrainische Flaggen aus. Die Polizei hat das unterbunden.
Eine andere Person verteilte ukrainische Papierflaggen, die die Polizei aber rasch wieder einsammelte. Der Mann wurde demnach von den Beamten von der Veranstaltung weggeführt. Ein Polizeisprecher äußerte sich auf Anfrage zunächst nicht.
Botschafter legt unter Rufen Kranz nieder
Auch der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk war vor Ort und legte einen Kranz nieder. Mehrere Hundert Menschen waren zum Mahnmal gekommen. Einige von ihnen skandierten bei der Kranzniederlegung des Botschafters „Melnyk raus“. Andere Teilnehmende begannen daraufhin mit ukrainischen Sprechchören. Viele trugen blaue und gelbe Kleidungsstücke – die Nationalfarben der Ukraine.
8. Mai 2022, Berlin: Andrij Melnyk (M.), Botschafter der Ukraine in Deutschland, und seine Frau Svitlana Melnyk stehen bei einer Gedenkveranstaltung vor dem Sowjetischen Ehrenmal im Tiergarten.
© Quelle: Christophe Gateau/dpa
Die Polizei hatte anlässlich des Gedenkens an das Weltkriegsende in Europa vor 77 Jahren am Sonntag und am Montag in Berlin für 15 Gedenkorte Auflagen erlassen, unter anderem ein Verbot von russischen und ukrainischen Fahnen. Ausgenommen von dem Verbot waren unter anderem Diplomatinnen und Diplomaten sowie Veteranen des Weltkriegs.
Melnyk reagierte gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) empört auf dieses Verbot. „Wir sind geschockt, dass die Berliner Polizei das Tragen von Fahnen mit ukrainischem Bezug am 8. und 9. Mai verboten hat“, sagte er am Freitag. „Das ist eine Ohrfeige an die Ukraine und ein Schlag ins Gesicht des ukrainischen Volkes.“ Mit seiner Kritik habe Melnyk sich erhofft, das Verbot möglicherweise noch kippen zu können, doch der Berliner Senat blieb bei seiner Entscheidung.
Mehr zum Thema
Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, in einer Videoansprache (Archivbild)
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Videobotschaft zum Weltkriegsende: Selenskyj vergleicht russischen Angriff mit Nazi-Invasion >>>
Ein Mädchen steht auf dem Turm eines zerstörten russischen Panzers in der Nähe des Dorfes Makariw, Region Kiew. Russland war am 24. Februar 2022 in die Ukraine einmarschiert und hatte damit den größten Militärangriff in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg begonnen.
77. Jahrestag des Kriegsendes
Was bedeutet „Nie wieder!“ heute?
Generalprobe für die Militärparade in Moskau am 9. Mai.
Jahrestag des Sieges über Hilter-Deutschland
Luftangriff, Generalmobilmachung, Kriegserklärung: Was macht Putin am 9. Mai?
Faeser: Polizei geht gegen Kriegsverherrlichungen vor
Generell wurden die Polizei und die Sicherheit anlässlich der Gedenkveranstaltungen und Demonstrationen verstärkt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) legte der Polizei zusätzlich scharfe Auflagen auf, um Kriegspropaganda und Kriegsverherrlichungen zu unterbinden. „Ich bin der Polizei sehr dankbar, dass sie am 8. und 9. Mai mit sehr starken Kräften im Einsatz ist, um Aktionen zu verhindern, die den russischen Angriffskrieg und die russischen Kriegsverbrechen verherrlichen“, sagte Faeser dem RND.
RND/dpa/sf
https://www.rnd.de/


Das Gedächtnis der Jüdischen Gemeinde ist zurückgekehrt

29.11.2021, 18:15 Uhr
Als erste Stadt Bayerns hat Regensburg das Archiv der Jüdischen Gemeinde, das in Israel liegt, digitalisiert und online gestellt. Das Archiv mit seinen über 40.000 Blatt ist jetzt weltweit einsehbar. Für Forscher ist das "ein Quantensprung".
Von
Thomas Muggenthaler
BR24 Redaktion
Die Stadt Regensburg hat am Montag offiziell das Archiv der Jüdischen Gemeinde online gestellt. Die originalen Dokumente lagern in mehreren Kartons in Jerusalem. Dort wurden sie eineinhalb Jahre digitalisiert und jetzt zugänglich gemacht.
Nazis hatten Archiv zu eigenen Forschungszwecken beschlagnahmt
Die Geheime Staatspolizei und der Sicherheitsdienst (SD) der Nazis hatten das Archiv der Jüdischen Gemeinde Regensburg zu eigenen Forschungszwecken beschlagnahmt und im Staatsarchiv Amberg gelagert. Nach 1945 erhielt die Jüdische Gemeinde das Archiv zurück. Zeitweise wurde es in Regensburger notdürftig in einer Likörfabrik gelagert. In den 1950er-Jahren wurde es mit den Archiven jüdischer Gemeinden aus Bayern nach Israel gebracht. "Die Jüdische Gemeinde hat heute ihr Gedächtnis zurückbekommen", sagte Ilse Danziger, die Vorsitzende der Jüdische Gemeinde zufrieden. Wenn Forschende nachgefragt haben, musste sie immer die Auskunft geben: "Wir haben nichts." Das ist jetzt anders, freut sich Ilse Danziger.
Viele Akten bislang unbekannt
Das Archiv der Jüdischen Gemeinde umfasst 43.000 Blatt und reicht bis etwa ins das Jahr 1940. Viele Akten waren bislang nicht bekannt. Für die Forschung ist die Digitalisierung des Archivs ein Quantensprung, sagt Bildungsreferent Hermann Hage. Einzelne Akten waren bekannt, etwa wenn Forschende nach Israel geflogen sind um zu einzelnen Aspekten wie dem Bau der 1912 eingeweihten Synagoge zu forschen, die 1938 von den Nazis in Brand gesteckt und wenig später abgebrochen worden ist. Sie stand ebenfalls am Brixener Hof, unweit des neuen Gemeindezentrums das 2019 eingeweiht worden ist.
Liste mit Juden die 1937 ausgewandert sind
Bildrechte: Lorenz
Liste mit Juden die 1937 ausgewandert sind
Listen mit emigrierten Juden
Dokumente wie eine handschriftliche Liste der bisher ausgewanderten Jüdinnen und Juden aus dem Jahre 1937 und 1938 war bislang überhaupt nicht bekannt. Darauf findet sich auch Gerda Farntrog, die mit ihren Geschwistern nach Palästina ausgewandert war. Die Eltern von Gerda, Jakob und Rosa Thekla Farntrog haben es nicht mehr geschafft das Land zu verlassen. Sie wurden deportiert und Opfer der Shoah. An Jakob und Rosa Thekla Farntrog erinnern heute Stolpersteine vor dem Haus Rote Hahnengasse 7 in Regensburg.
Geschichte der jüdischen Gemeinde ist Stadtgeschichte
Bezahlt hat die Digitalisierung, die rund 40.000 Euro gekostet hat, die Stadt Regensburg. "Die jüdische Gemeinde ist die älteste in Bayern und die Geschichte der jüdischen Gemeinde ist Stadtgeschichte", betonte Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer (SPD), deshalb war es für die Stadt selbstverständlich, die Kosten zu übernehmen. Auch die israelische Generalkonsulin Carmela Shamir zeigte sich glücklich, dass das Archiv digitalisiert worden ist. Auch sie erinnerte an die lange Geschichte der Juden in Deutschland, schließlich wurde in diesem Jahr an "1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" erinnert.
Archivbestände aus dem 19. Jahrhundert bis 1940
Die Archivbestände, die vom 19. Jahrhundert bis ins Jahr 1940 reichen, sind relativ unbekannt und völlig unerforscht, betont Lorenz Baibl, der Leiter des Stadtarchivs. Eine ganze Palette von historischen Themen stehen jetzt für Forscher bereit. Von der Geschichte der jüdischen Schule über den Synagogenbau bis zum Friedhof an der Schillerstraße, der im nächsten Jahr 200 Jahre alt wird. In den Dokumenten sind auch Pläne des Taharahauses auf dem Friedhof, das derzeit saniert wird und museal genutzt werden soll.
https://www.br.de/


junge Welt: Menschenrechtspreis für Auschwitzüberlebende Esther Bejarano

15.06.2016 – 12:47
junge Welt
Berlin (ots)
Das Bündnis für Soziale Gerechtigkeit und Menschenwürde e.V. (BüSGM) ehrt die deutsch-jüdische Überlebende des Vernichtungslagers Auschwitz Esther Bejarano mit dem »Preis für Solidarität und Menschenwürde 2016«.
Geehrt wird die heute 91jährige für ihr mutiges Engagement gegen Rechtsextremismus und Rassismus. Die Laudatio wird der Schauspieler Rolf Becker halten, die musikalische Begleitung liegt in den Händen und Stimmen von Roger Stein (Piano, Gesang) und Frank Viehweg (Gitarre und Gesang).
Die Preisverleihung findet am Sonntag, den 19. Juni 2016, um 15 Uhr im Münzenbergsaal, Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin statt.
Wenn Sie die Veranstaltung journalistisch begleiten möchten, ist eine Akkreditierung über das BüSGM möglich. Für Interview- und Presseanfragen steht der Vorsitzende des BüSGM, Gert Julius, zur Verfügung (Tel: 030-7565 2209, Mobil: 01525-3881411).
Die Veranstaltung wird gefördert und unterstützt von der Tageszeitung junge Welt, der Rosa-Luxemburg-Stiftung sowie Peter Bär und Freunden. Weitere Informationen: www.jungewelt.de/preisverleihung
Kurzvita Esther Bejarano
- Am 15. Dezember 1924 in Saarlouis als Esther Loewy geboren
- November 1941: Ermordung der Eltern durch die Nazis
- Verschleppung ins Zwangsarbeitslager Neundorf bei
Fürstenwalde/Spree
- 20. April 1943: Deportation nach Auschwitz, dort Mitgliedschaft
im "Mädchenorchester" als Akkordeonspielerin
- Verschleppung ins KZ Ravensbrück, Flucht von einem der
Todesmärsche zwischen Karow und Plau am See
- Auswanderung nach Israel, dort Heirat und Geburt der Kinder
- 1960 Rückkehr nach Deutschland
- Ab 1979 engagierte Arbeit als Zeitzeugin der NS-Verbrechen
- Anfang 1980er: Gründung der Musikgruppe Coincidence mit ihrer
Tochter Edna und ihrem Sohn Joram, die Gruppe spielte jüdische
und antifaschistische Musikstücke
- 1986 gründete sie mit anderen das Auschwitz-Komitee in der BRD
e.V. und ist seitdem dessen Vorsitzende
- Seit 2009 treten die Bejaranos mit der Kölner Hip-Hop-Gruppe
Microphone Mafia auf, mit der sie die Alben »Per la Vita« und
»La Vita continua« veröffentlichten
- Esther wurde von zahlreichen Organisationen geehrt, ist Trägerin
des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse und Ehrenbürgerin der Stadt
Saarlouis
- Sie ist Ehrenvorsitzende der Vereinigung der Verfolgten des
Naziregimes - Bund der Antifaschisten
Kurzinfo BüSGM e.V.
- gegründet 2005, Anschrift: Domnauer Str. 14, 12105 Berlin,
Vorsitz: Gert Julius, Peter Dietrich, Lothar Nätebusch
Vereinszwecke:
- Förderung des demokratischen Staatswesens durch Bewahrung und
Förderung von Demokratie in der BRD
- Ehrung und Anerkennung von Personen, die sich aktiv für die
Förderung des demokratischen Staatswesens, Solidarität und
Menschenwürde einsetzen
- Angebote zu politischer und historischer Bildung
- Seit 2006 jährliche Verleihung des »Preises für Solidarität und
Menschenwürde«
Pressekontakt:
junge Welt
Redaktion
Telefon: 030 / 53 63 55-0
redaktion@jungewelt.de
https://www.presseportal.de/pm/82938/3353731


NIE WIEDER!
Gedenk- und Erinnerungsstätten

Der braune Terror der Nazizeit wütete auch im Südwesten. Auch hier gibt es Orte voller Schuld und Schande. Es gab aber auch Widerstand gegen die menschenverachtende Ideologie Adolf Hitlers und der Nationalsozialisten. Die Gedenkstätten im Land halten die Erinnerung an diese Zeit am Leben.
Auch auf dem Gebiet des heutigen Baden-Württemberg wurden während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft Menschen aus politischen, rassischen, religiösen und anderen Gründen, wegen Widerstand und Verweigerung, verfolgt, gequält, gefoltert, durch Zwangsarbeit vernichtet und ermordet.
Grafeneck auf der Schwäbischen Alb war einer dieser weithin berüchtigten Orte, an dem im Jahr 1940 im Rahmen der sogenannten „Euthanasie“ über zehntausend Menschen umgebracht wurden. Auf dem Heuberg bei Stetten am Kalten Markt richteten die Nationalsozialisten schon im März 1933 das erste Konzentrationslager (KZ) ein, später verlegten sie es in das KZ „Württembergisches Schutzhaftlager Oberer Kuhberg, Ulm/Donau“. Weitere dieser „frühen Lager“ gab es in Kislau, Ankenbuck, Welzheim und im Frauengefängnis Gotteszell in Schwäbisch Gmünd. Ab Sommer 1944 bauten die Nazis die „späten Lager“ für die Rüstungsindustrie auf. Als Arbeitssklaven setzten sie Zwangsarbeiter und arbeitsfähige Häftlinge aus den Vernichtungslagern an den hastig eingerichteten Baustellen ein. Die KZ-Friedhöfe im Land erinnern an ihr schreckliches Schicksal.
Vom Schrecken dieser Jahre zeugen auch die am 9. November 1938 geschändeten Synagogen. Einstmals gab es 151 Synagogen, 144 jüdische Friedhöfe und viele andere jüdische Einrichtungen in Baden, Württemberg und Hohenzollern. An einigen von ihnen wurden nach dem Krieg Gedenk- und Erinnerungsstätten eingerichtet. Heute dienen sie als Orte der Mahnung, der christlich-jüdischen Begegnung, der Bildung und Kultur. In Einzelfällen auch wieder als Treffpunkt neu entstehender jüdischer Gemeinden.
Aus Baden und Württemberg stammen namhafte Personen des Widerstands. Dazu gehören der Hitler-Attentäter Johann Georg Elser aus Königsbronn, die Brüder Stauffenberg aus Stuttgart, die Geschwister Sophie und Hans Scholl aus Ulm und auch das erste Opfer des rechten Terrors in der Weimarer Republik, Reichsfinanzminister Matthias Erzberger, in dessen Geburtshaus in Münsingen-Buttenhausen es seit September 2004 eine Erinnerungsstätte gibt.
Die Gedenkstätten arbeiten in der Überzeugung, dass man aus der Geschichte lernen kann, wenn man sich mit ihr auseinandersetzt. Dazu haben sie sich in der Landesarbeitsgemeinschaft der Gedenkstätten und Gedenkstätteninitiativen Baden-Württemberg zusammengeschlossen. Deren Arbeit wird durch die Landeszentrale für politische Bildung maßgeblich unterstützt.
https://www.baden-wuerttemberg.de/


"UNRECHT UND WIDERSTAND" - FILM ÜBER DIE FAMILIE ROSE
AM 19. JULI 20222 WAR DER FILM IN EINER EXKLUSIVEN PREVIEW IM NECKARELZER KINO ZU SEHEN -
VON JULI BIS NOVEMBER 2022 IST ER IN DER 3SAT-MEDIATHEK ABRUFBAR

Im Jahr 1970 dreht der deutsche Dokumentarfilmer Peter Nestler (geb. 1937) unter dem Titel „Zigeuner sein“ einen der ersten Filme  über die Situation der Sinti und Roma in Deutschland. 50 Jahre später begibt sich der inzwischen nach Schweden Ausgewanderte nochmals auf Spurensuche bei der Minderheit. Entwicklungen sollen aufgezeigt, der Kampf um Bürgerrechte dokumentiert werden. Herausgekommen sind zwei Filme, beide 115 Minuten lang.

Der erste Teil ist am 19. Juli 2022 als Preview im Neckarelzer Programmkino gezeigt worden. Denn eine Sequenz des Films ist in der KZ-Gedenkstätte Neckarelz entstanden, ein Interview mit Romani Rose zur Flucht seines Onkels Vinzenz, KZ-Häflting in Neckarelz, in der Gipsgrube Obrigheim gedreht worden.
Für vier Monate sind nun beide Filme in der 3sat-Mediathek jederzeit abrufbar.
Quelle:
http://www.kz-denk-neckarelz.de/

FILM : NS-Verfolgung der Sinti und Roma in Baden und im KZ Neckarelz
https://www.3sat.de/film/dokumentarfilmzeit/

Gerichtliche NS- und Rechtsextremismus-Verfahren in Mosbach unter Aktuelles >>>


Das Gedenkbuch

Stadtmuseum Baden-Baden
Dieses „Gedenkbuch“ ist den über 800 Männern, Frauen und Kindern gewidmet, die in Baden-Baden geboren wurden oder gewohnt haben und während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft aufgrund ihres Glaubens, ihrer Überzeugungen, ihrer Herkunft oder einer Erkrankung ausgegrenzt, gedemütigt, verfolgt und in vielen Fällen ermordet wurden. Diese ehemaligen Mitbürger und Mitbürgerinnen aus Baden-Baden dem Vergessen zu entreißen, ist Sinn und Zweck des virtuellen Opferbuchs.
Baden-Baden, im April 2021
Dr. Kurt Hochstuhl, Baden-Baden
Heike Kronenwett M.A., Leiterin Stadtmuseum/Stadtarchiv, Baden-Baden
Dagmar Rumpf, Stadtarchivarin Baden-Baden
Quelle:
https://gedenkbuch.baden-baden.de/

Verfolgungskontext / Gruppe
Bislang konnten für dieses Gedenkbuch der Opfer des Nationalsozialismus in Baden-Baden zahlreiche Schicksale von jüdischen Familien und Einzelpersonen, von politisch Andersdenkenden und Opfern der Krankenmorde zusammengetragen werden. Über weitere Opfer aus Baden-Baden, seien es Homosexuelle, Sinti und Roma oder Zwangsarbeiter, ist bislang wenig bekannt oder die vorhandenen Informationen konnten noch nicht eingearbeitet werden, weshalb diese Verfolgungskontexte nicht als eigene Gruppe erscheinen.
A
Aktion T4/Krankenmorde
G
Gurs: 1940 deportierte Jüdinnen und Juden
J
Jüdinnen und Juden
P
Politisch Verfolgte
V
Verheiratet mit einer jüdischen Ehepartnerin/einem jüdischen Ehepartner
Z
Zeugen Jehovas
Quelle:
https://gedenkbuch.baden-baden.de/

Stumme Zeugen

Ausstellung von Renato Oggie
Museum der Gedenkstätte KZ-Kochendorf im
Salzbergwerk Bad Friedrichshall-Kochendorf

Quelle:
http://x-desk.suedsalz.de/ximages/4327_kzausstell.pdf


EXTREMISMUS – SICH ZUM AUSSTIEG BERATEN LASSEN

Radikalisierung ist schwer erkennbar, da sich zunächst nur die Einstellung des Betroffenen ändert.
Erste äußere Anzeichen einer Radikalisierung können unter anderem sein:
Rückzug und Abgrenzung zu Andersdenkenden
der Aufbau eines neuen extremistischen sozialen Umfelds
Gewaltverherrlichung
fremdenfeindliche oder antisemitische Äußerungen
die plötzliche Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes
Je früher in den Radikalisierungsprozess eingegriffen wird, umso höher sind die Erfolgsaussichten einer Deradikalisierung.
Sie können Unterstützung beim Ausstieg und Begleitung in ein Leben ohne Extremismus erhalten.
Das gleiche gilt für Hilfestellungen im Umgang mit radikalisierten Personen.
ZUSTÄNDIGE STELLE
das Kompetenzzentrum gegen Extremismus in Baden-Württemberg (konex)
Kompetenzzentrum gegen Extremismus in Baden-Württemberg (konex) [Ministerium des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen Baden-Württemberg]
LEISTUNGSDETAILS
VORAUSSETZUNGEN
Sie möchten sich aus der extremistischen Szene und deren Ideologie lösen.
Sie kennen eine radikalisierte Person oder jemanden, der sich auf dem Weg zur Radikalisierung befindet, und suchen Unterstützung im Umgang mit dieser Person.
VERFAHRENSABLAUF
Unsere kompetenten Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner sind erreichbar
über E-Mail unter ausstiegsberatung@konex.bwl.de oder
telefonisch an Werktagen von Montag bis Freitag von 09:00 – 20:00 Uhr:
07 11-279 45 44 (Rechtsextremismus),
07 11-279 45 55 (islamistischer Extremismus),
07 11-279 45 66 (Linksextremismus) oder
07 11-279 45 77 (Ausländerextremismus).
Beraterinnen und Berater hören zu, beantworten Ihre Fragen und geben einen ersten Überblick über die Problematik,
entscheiden mit Ihnen gemeinsam über die nächsten Schritte, informieren Sie über weitere Hilfsangebote in Ihrer Nähe,
vermitteln auf Wunsch einen Ansprechpartner vor Ort, der Sie individuell berät und mit praktischen Tipps begleitet,
stellen den direkten Kontakt zu Spezialisten in allen Bereichen her, vermitteln den Kontakt zu anderen Betroffenen in ähnlicher Situation und zu Selbsthilfe-Initiativen.
Die Beratung kann an individuellen Bedürfnissen orientiert erfolgen, die für Ihren Ausstieg aus der Szene oder im Umgang mit radikalisierten oder sich radikalisierenden Personen erforderlich ist.
Sie werden zunächst eine Einschätzung der Situation zusammen mit der Beraterin oder dem Berater erarbeiten, bevor weitere konkrete Schritte folgen.
Wenn die Beraterin oder der Berater zusammen mit Ihnen zum Schluss kommen, dass eine Gefahr für Sie oder jemand anderes besteht, werden Sie schnell und unkompliziert an die zuständigen Behörden vermittelt und natürlich weiterhin von den Beraterinnen oder Beratern des konex begleitet.
Befinden Sie oder eine andere Person sich in einer akuten Gefährdungssituation, wenden Sie sich an die Polizei, Notruf: 110.
ERFORDERLICHE UNTERLAGEN
keine
KOSTEN
keine
VERTIEFENDE INFORMATIONEN
Kompetenzzentrum gegen Extremismus in Baden-Württemberg
FREIGABEVERMERK
Stand: 21.07.2021
Verantwortlich: Innenministerium Baden-Württemberg
https://www.mosbach.de/


Würdigung des Widerstands gegen den Nationalsozialismus

FESTAKT
19.07.2019
Bei einem Festakt zum 75. Jahrestag in Erinnerung an den 20. Juli 1944 nannte Ministerpräsident Winfried Kretschmann den Widerstand gegen den Nationalsozialismus eine Verpflichtung, die richtigen Schlüsse aus der Vergangenheit für unsere eigene Zukunft zu ziehen.
„Wenn wir den 20. Juli 1944 nur an seinem missglückten Ausgang messen würden, dann müssten wir sagen: Ja, es war umsonst. Der Krieg ging weiter und forderte Opfer über Opfer. Doch dann hätten wir nicht begriffen, worum es Stauffenberg und seinen Vertrauten ging. Der 20. Juli 1944 war nicht nur eine politische Tat. Es war vor allem auch eine moralische Tat“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann anlässlich des Festaktes zum 75. Jahrestag in Erinnerung an den 20. Juli 1944 im Neuen Schloss in Stuttgart.
In seiner Rede nannte der Ministerpräsident den Widerstand gegen den Nationalsozialismus eine Verpflichtung, die richtigen Schlüsse aus der Vergangenheit für unsere eigene Zukunft zu ziehen. „Hitler und der Nationalsozialismus haben uns zwölf Jahre der Unterdrückung und Willkür gebracht. Die Frauen und Männer um Claus von Stauffenberg haben dagegen aufbegehrt und mit ihrem Leben bezahlt. Mit unseren demokratischen Prinzipien und ihren obersten Grundwerten, die uns seit 70 Jahren Frieden, Freiheit und Recht geschenkt haben, stehen wir heute auch auf den Schultern derjenigen Menschen, die damals den Mut hatten, Widerstand zu leisten.“ Diese Demokratie sei es wert, gegen jede Form des politischen Extremismus beschützt und verteidigt zu werden.
Präsentation eines deutsch-polnisches Filmprojekts
Ministerpräsident Winfried Kretschmann bedankte sich auch bei den Schülerinnen und Schülern des Stuttgarter Ferdinand-Porsche-Porsche-Gymnasiums für die Präsentation eines deutsch-polnisches Filmprojekts im Rahmen des Festaktes. „Gemeinsam mit polnischen Schülerinnen und Schülern habt Ihr Euch am Ort des Geschehens dem Attentat, der Person Stauffenberg und dem deutschen Widerstand genähert. Und Euch intensiv damit auseinandergesetzt. Aus einer europäischen Perspektive. Ich bin begeistert von Eurem Engagement!“, betonte der Ministerpräsident.
Prof. Dr. Paula Lutum-Lenger, Direktorin des Hauses der Geschichte Baden-Württemberg, hob bei der Veranstaltung ebenfalls die Bedeutung des Attentats für unsere heutige Zeit hervor. „Dem Haus der Geschichte Baden-Württemberg ist es ein Anliegen, dass der Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 dauerhaft im Gedächtnis bleibt. Die Ausstellung ,Attentat. Stauffenberg‘ erinnert nicht nur an die Tat, sondern sie fragt auch, was sie heute bedeutet. Der Film über das heute präsentierte deutsch-polnisches Schülerprojekt am historischen Ort des Anschlags, der ,Wolfsschanze‘, wird ab jetzt auch in der Ausstellung zu sehen sein: eine eindrucksvolle Dokumentation über unterschiedliche Perspektiven und die Verantwortung, sich mit der Geschichte zu beschäftigen, um eine gemeinsame Zukunft zu haben.“
General a.D. Wolfgang Schneiderhan unterstrich als Vorsitzender der Stauffenberg Gesellschaft Baden-Württemberg e.V. und Initiator des Festaktes in seiner Rede den Mut und die bis zum heutigen Tag wirksame Aktualität des Widerstandaktes. „Claus Graf von Stauffenberg hatte den Mut aufgebracht, der Naziherrschaft ein Ende  setzen zu wollen. Er wollte das Steuer herumreißen, den Krieg beenden und mit ihm auch die ungeheuren Grausamkeiten gegen die Zivilbevölkerung und in den Konzentrationslagern. Millionen von Menschen wären Tod und Leid erspart geblieben, wenn der 20. Juli erfolgreich gewesen wäre. Und auch nach 75 Jahren ist der Widerstandsakt noch aktuell. Er ist Teil des demokratischen Fundaments, auf dem unsere Gesellschaft steht, er ist Mahnung, den Anfängen von Extremismus und Diktatur zu wehren, und er ist eine Aufforderung zum Mut.“
https://www.baden-wuerttemberg.de/

Wanderausstellung „Mannheim-Izieu-Auschwitz“ eröffnet

Die Ausstellung „Mannheim-Izieu-Auschwitz“ zeichnet die Leidenswege von vier jüdischen Kindern im nach, die 1940 von den Nationalsozialisten deportiert und AUSSTELLUNG
13.10.2020
Die zweisprachige Ausstellung „Mannheim-Izieu-Auschwitz“ stellt den Weg von vier jüdischen Kindern aus Mannheim dar, die im Herbst 1940 deportiert und im April 1944 in Auschwitz ermordet wurden. Aktuell ist die Wanderausstellung im Amtsgericht Esslingen zu sehen.
Justizminister Guido Wolf hat am Montag, 12. Oktober 2020, am Amtsgericht Esslingen die Ausstellung „Mannheim-Izieu-Auschwitz“ eröffnet. Anders als ursprünglich geplant, konnte die Veranstaltung aufgrund aktueller coronabedingter Vorsichtsmaßnahmen nicht im ursprünglich geplanten Rahmen stattfinden. In nur kleiner Runde wurde daher der Auftakt für die Wanderausstellung gegeben, die bis April 2021 in verschiedenen Gerichten und der Vertretung des Landes Baden-Württemberg bei der Europäischen Union in Brüssel zu sehen sein wird. Die Ausstellung zeichnet den Weg von vier jüdischen Kindern aus Mannheim nach, die im Herbst 1940 deportiert und im April 1944 in Auschwitz ermordet wurden.
Ängste, Nöte, Lebenslust und Hoffnungen
Justizminister Guido Wolf sagte: „Das Beispiel dieser vier Kinder zeigt uns die Menschen mit all ih­ren Ängsten und Nöten, mit all ihrer Lebenslust und ihren Hoffnungen. Dieser schmerzhafteste Teil unserer Geschichte ist nur schwer zu ertragen. Trotzdem wenden wir mit der heute eröffneten Ausstellung den Blick eben dorthin – auch wenn es Kraft kostet. Dafür bin ich sehr dankbar.“
Die Ausstellung portraitiert die Kinder und ihre Familien zunächst in ihrem alltäglichen Leben in Mannheim vor 1933 und während des Nationalsozialismus. Anschließend stellt sie die darauffolgenden Jahre dar, beginnend mit der Ausweisung und Deportation in das französische In­ternierungslager Gurs im Oktober 1940. Von dort werden die Kinder in das Internierungslager nach Rivesaltes umgesiedelt, aus dem sie im März 1942 gerettet werden und dann in ein Kinderheim bei Izieu gelangen. Die unbeschwerte Zeit dort ist nicht von langer Dauer. Am 6. Ap­ril 1944 werden alle Kinder des Heims festgenommen und über das Durchgangslager Drancy in der Nähe von Paris schließlich nach Auschwitz deportiert, wo sie noch am Tag der Ankunft vergast werden.
An Opfer von Krieg und Verfolgung erinnern
Wolf zeigte sich beeindruckt von den wirkungsstarken Bildern und Darstellungen. Er sagte: „Mit der Wanderausstellung wollen wir uns an alle Opfer von Krieg und Verfolgung erinnern. 75 Jahre nach Ende des Krieges können wir mit Freude und Stolz auf ein fried­liches und freiheitliches Europa blicken. Aus einem zerstör­ten Kontinent haben wir einen Platz für Demokratie und Menschenrechte geschaffen, den wir weiter stärken und bewahren wollen.“
Die zweisprachige Ausstellung ist in einer Zusammenarbeit zwischen der Integrierten Gesamtschule Mannheim-Herzogenried, des Elisabeth-Gymnasiums Mannheim und des Ludwig-Frank-Gymnasiums in Mannheim auf deutscher Seite – sowie des Lycée Saint Marc in Lyon auf französischer Seite entstanden. In Projektgruppen wurde die Ausstellung beginnend im Herbst 2001 gemeinsam entwickelt und 2003 eröffnet. Das Projekt wurde damals von der französischen nationalen Gedenkstätte Maison d‘Izieu angeregt und vom Mannheimer Stadtarchiv unterstützt. Das Ministerium der Justiz und für Europa hat 2020 die Ausstellung neu aufbe­reiten lassen.
https://www.baden-wuerttemberg.de/
Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg: Wanderausstellung „Mannheim-Izieu-Auschwitz“
https://www.gedenkstaetten-bw.de/izieu-ausstellung

DER MÖSSINGER STREIK GEGEN HITLER

Nur ein kleiner Ort leistete Widerstand. Eigentlich wollte die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) die Machtübergabe an Adolf Hitler mit einem nationalen "Massenstreik" beantworten. Aber die "Massen" wollten nicht so recht mitmachen. Allein im 4.000 Einwohner großen Mössingen folgten fast 1.000 Arbeiterinnen und Arbeiter tatsächlich dem Aufruf zur Arbeitsniederlegung. Ausgerechnet hier, weit weg vom roten Berlin, am Rand der Schwäbischen Alb.
Am 31. Januar 1933 versammelten sich 100 Menschen um 12 Uhr vor der Langgas Turnhalle. Mössingen war ein regionales Zentrum der Textilindustrie. Also zogen die Demonstrierenden von einer Textilfabrik zur nächsten. Bei der Rückkehr zur Turnhalle warteten 40 Reutlinger Schutzpolizisten mit Gummiknüppeln auf die Streikenden. Über 70 Teilnehmende wurden verurteilt.
Zum 80. Jahrestag brachte das Theater Lindenhof im Jahr 2013 die Geschichte des Streiks in einer alten Werkshalle der Textilfirma Pausa auf die Bühne. Rund 100 Laiendarsteller und 50 Musiker aus Mössingen und Umgebung erarbeiteten sich dafür das Stück von Franz Xaver Ott "Ein Dorf im Widerstand".
Quelle:
https://www.hdgbw.de/inge/der-nationalsozialismus-1933-1945/

Antisemitismus-Eklat
"Die documenta hängt am seidenen Faden"
Stand: 22.06.2022 19:04 Uhr

Nach dem Antisemitismus-Eklat auf der documenta fifteen werden Forderungen nach personellen Konsequenzen immer lauter - auch von Seiten des Zentralrats der Juden. Kanzler Scholz will der Ausstellung fernbleiben.Die Kritik an der "documenta fifteen" reißt auch nach der Entfernung eines Kunstwerks mit antisemitischen Darstellungen nicht ab. Es müsse jetzt über personelle Konsequenzen nachgedacht werden, sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster.Es sei richtig, dass das Gemälde des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi abgehängt worden sei. Damit sei jedoch das Thema Antisemitismus und die Nähe der diesjährigen documenta zur Israel-Boykott- Bewegung BDS (Boycott, Divestment and Sanctions) nicht abgehakt. Der BDS wird unter anderem vom Bundestag als antisemitisch eingestuft."Es muss jetzt über personelle Konsequenzen nachgedacht werden", sagte Schuster. Nähere Angaben machte er dazu nicht. Deutschlands Ansehen in der Welt habe durch diesen Vorfall bereits Schaden genommen.Umstrittenes Bild inzwischen entferntBei der am Samstag eröffneten "documenta fifteen" war auf einem riesigen Wimmelbild der indonesischen Künstlergruppe "Taring Padi" auf dem zentralen Friedrichsplatz in Kassel ein Mann in Anzug und Krawatte mit haifischartigen Reißzähnen zu sehen, die Augen rot unterlaufen. An den Seiten hängen Schläfenlocken, das Jackenrevers ist gelb, die Signalfarbe der Juden im Mittelalter. Am Hut prangen die SS-Runen.
Auf einem anderen Detail wird unter einem Kanonenrohr eine Person in Uniform mit einer Schweinsnase gezeigt. Auf dem roten Halstuch ist der Davidstern zu sehen, auf dem Helm der Name des israelischen Geheimdienstes Mossad. Nach öffentlichen Protesten wurde das Bild "People's Justice" am Montagabend zunächst mit schwarzen Tüchern verhängt, am Dienstagabend dann auf Beschluss des documenta-Aufsichtsrates entfernt.Der Kasseler Soziologie Heinz Bude bezeichnete die Vorgänge bei einer Veranstaltung der Universität Kassel als "die größte Beschädigung der Marke documenta seit ihrem Bestehen". Das sei ein Fazit, das man schon jetzt ziehen könne, sagte der Gründungsdirektor des documenta-Institutes.Zeitung: Scholz bleibt Documenta fernDie Antisemitismus-Vorwürfe haben Scholz nach einem Bericht der "Jüdischen Allgemeinen" veranlasst, auf einen Besuch der Kunstausstellung zu verzichten. Eine Regierungssprecherin sagte der Wochenzeitung, der SPD-Politiker habe "in den vergangenen 30 Jahren wohl keine Documenta versäumt", werde dieses Mal aber nicht nach Kassel reisen. Grund seien die judenfeindlichen Abbildungen auf dem mittlerweile abgehängten Wandgemälde von Taring Padi.Bundesweit wurden am Mittwoch Rufe nach weiteren Konsequenzen lauter. Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, bezeichnete die antisemitischen Vorfälle als so eklatant, dass jetzt nur eine breite öffentlich geführte Debatte unter Einbeziehung des Zentralrats der Juden in Deutschland und der Kunst- und Kulturverbände die Ausstellung retten könne. "Die documenta fifteen hängt nur noch am seidenen Faden. Es ist jetzt die Aufgabe der Verantwortlichen für die Ausstellung, das Ruder herumzureißen", sagte Zimmermann.
Der Vorsitzende des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen, Michael Fürst, sagte dem Evangelischen Pressedienst, die Generaldirektorin der documenta, Schormann, müsse sich fragen lassen, ob sie an richtiger Stelle sei und womöglich über einen Rücktritt nachdenken. Die Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Beate Hofmann, forderte eine Aufarbeitung. "Antisemitische Äußerungen dürfen nicht geduldet werden. Es ist wichtig, sie zu identifizieren und zu bekämpfen, weltweit", sagte sie.Generaldirektorin entschuldigt sichHessens Kunstministerin Angela Dorn (Grüne) sieht das Problem zum Teil in einem fehlenden verantwortlichen Kurator begründet. "Die Verantwortung für die gezeigte Kunst liegt in erster Linie bei der künstlerischen Leitung. Dass diese von der Findungskommission diesmal einem Kollektiv übertragen wurde, nicht einem einzelnen Kurator oder einer einzelnen Kuratorin, hat offenbar dazu geführt, dass die Sorgfalt und die Verantwortung des Kuratierens gelitten haben", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Dorn betonte, ihr sei auf mehrfache Nachfragen immer wieder versichert worden, es gebe keine Hinweise auf antisemitische Bildsprache auf der Ausstellung.
Generaldirektorin Schorman hatte sich zuvor entschuldigt. Auch ihr sei versichert worden, dass auf der documenta fifteen keine antisemitischen Inhalte zu sehen sein würden. "Dieses Versprechen haben wir leider nicht gehalten. Und das hätte nicht passieren dürfen", sagte sie dem ZDF und dem Hessischen Rundfunk. "Antisemitische Darstellungen dürfen in Deutschland, auch in einer weltweit ausgerichteten Kunstschau keinen Platz haben. Dies gilt ausdrücklich auch bei allem Verständnis für die Belange des Globalen Südens und die dort verwendete Bildsprache."Kritik an pro-palästinensischen PropagandafilmenFür weitere Kritik sorgten derweil pro-palästinensische Propagandafilme im Programm der Kasseler Kunstschau. Der Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland, Johann Hinrich Claussen, kritisierte, dass die documenta im Programm unkommentiert pro-palästinensische Propagandafilme aufführe. Diese Filme stünden in Verbindung mit der linksterroristischen und antisemitischen Gruppe Japanische Rote Armee, die Anfang der 70er-Jahre Anschläge in Israel mit vielen Toten verübt hatte.
Die documenta fifteen ist eröffnet worden. In seiner Rede übte Bundespräsident Steinmeier deutliche Kritik.
"Wir haben es hier nicht nur mit der Verbreitung antisemitischer Klischees zu tun, sondern mit der Präsentation von Propagandafilmen aus einem anti-israelisch-terroristischen Kontext", sagte Claussen dem epd. Zuvor hatte die "Süddeutsche Zeitung" über die Filmvorführungen berichtet.Die seit 1955 alle fünf Jahre in Kassel zu sehende documenta gilt als eine der weltweit bedeutendsten Ausstellungen zeitgenössischer Kunst. Die "documenta fifteen" dauert bis zum 25. September.
documenta fifteen - Wie antisemitisch ist die Documenta?
Tanja Küchle, HR, 22.6.2022 · 17:50 Uhr
https://www.tagesschau.de/


Kunstfreiheit und Antisemitismus :
Das war die problematische documenta 2022

Datum:
25.09.2022 10:25 Uhr
Die documenta fifteen ist vorbei - im Mittelpunkt stand nicht die Kunst, sondern Antisemitismus-Skandale um mehrere Werke. Ein Historiker spricht von "Entkunstung". Ein Rückblick.
Immer neue Antisemitismus-Vorwürfe, Forderungen nach einem Abbruch, Debatten über Zensur und Kunstfreiheit: Das waren die dominierenden Themen der documenta fifteen in Kassel, die am Sonntag nach 100 Tagen Spielzeit endet. Die Kunst blieb weitestgehend Nebenschauplatz.
Diese documenta hatte es angesichts der sie begleitenden Antisemitismusdebatte nicht leicht, ihre eigentlichen künstlerischen Anliegen zu platzieren.
Alexander Farenholtz, Documenta-Interims-Geschäftsführer
Farenholtz weiter: "Ich wünschte mir, dass die Ausstellung in der Retrospektive auch als das wahrgenommen werden kann, was sie in der Wahrnehmung vieler Besucherinnen und Besucher auch war: nämlich ein künstlerisches Unterfangen, das drängendste Fragen unserer Zeit adressiert", betonte der Kulturmanager.
Kollektiv Ruangrupa: globaler Süden und Kunst als Prozess
Mit der indonesischen Künstlergruppe Ruangrupa kuratierte erstmals ein Kollektiv die Weltkunstausstellung. Die Schau mit über 1.500 beteiligten Künstlerinnen und Künstlern sollte Ruangrupa zufolge den "globalen Süden" präsentieren. Im Mittelpunkt stand dabei nicht das Werk, sondern Kunst als kollektiver Prozess.
Die ästhetische Seite der documenta sei von der Antisemitismus-Debatte vollkommen überdeckt worden und zu kurz gekommen, sagte auch der Kasseler Kunstwissenschaftler und documenta-Kenner Harald Kimpel. Sein Urteil über den ästhetischen Wert der diesjährigen Ausstellung fällt allerdings verheerend aus.
Mein Hauptproblem ist die Entkunstung der documenta.
Harald Kimpel, Kunsthistoriker
Kunsthistoriker: Anders mit Antisemitismus-Eklat umgehen
In Hinblick auf den Antisemitismus-Eklat sieht Kimpel große Versäumnisse bei den documenta-Verantwortlichen. "Sie hätten mit dem Kind, das nun mal in den Brunnen gefallen ist, anders umgehen müssen." Statt konstruktiv auf die Vorwürfe zu reagieren, sei man in Panik verfallen.
Der Schaden für die documenta, die Stadt Kassel und für das internationale Ausstellungsmachen ist noch gar nicht abzusehen.
Harald Kimpel, Kunsthistoriker
Skandal um das abgehängte judenfeindliche Banner
Vorausgegangen war eine bereits seit Monaten währende Antisemitismus-Debatte um die Schau. Zum Jahresbeginn waren erste Stimmen laut geworden, die Ruangrupa und einigen eingeladenen Künstlern eine Nähe zur anti-israelischen Boykottbewegung BDS vorwarfen.
Kurz nach der Eröffnung der documenta fifteen, an der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier angesichts der Vorwürfe nur nach einigem Zögern teilgenommen hatte, wurde ein Banner des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi mit judenfeindlichen Motiven entdeckt und abgebaut.
Kritik auch an Kulturstaatsministerin Roth
In den folgenden Wochen tauchten weitere Werke auf, die scharfe Kritik und Forderungen nach Überprüfung der Werke sowie nach einem Abbruch der Schau auslösten. Die documenta fifteen wurde zum Politikum, war Gegenstand einer Sitzung im Kulturausschuss des Bundestages sowie einer Bundestagsdebatte.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) geriet wegen ihres Krisenmanagements in die Kritik. Sie forderte in der Folge künftig mehr Einfluss des Bundes auf die Schau. Der hatte sich 2018 aus dem Aufsichtsrat zurückgezogen, die Ausstellung aber weiterhin mit 3,5 Millionen Euro gefördert.
Der neue Beirat und was er empfiehlt
Die Gesellschafter der documenta, die Stadt Kassel und das Land Hessen, beriefen ein Expertengremium zur Aufarbeitung des Eklats. Dieser Beirat sowie die Gesellschafter hatten sich zuletzt dafür ausgesprochen, eine Reihe umstrittener propalästinensischer Propagandafilme nicht mehr zu zeigen, zumindest bis eine angemessene Kontextualisierung vorgenommen werde.
Ruangrupa sowie die Geschäftsführung der documenta hatten diese Forderungen zurückgewiesen. Ruangrupa warf dem Expertengremium zudem Rassismus und Zensur vor. Hatte sich die Gruppe für das Banner von Taring Padi noch entschuldigt, fühlt sie sich inzwischen missverstanden. Das Kollektiv erklärte kürzlich:
Wir sind verärgert, müde, traurig, aber vereint.
Ruangrupa-Kollektiv
Sie selbst seien seit Monaten Opfer von Rufmord und Drohungen.
Die Künstler fühlten sich unfair behandelt und abgestempelt
Auch die Künstler fühlten sich unfair behandelt, sagte kürzlich die kubanische Künstlerin Tania Bruguera, die mit dem Kollektiv Instar auf der documenta vertreten ist. Die Entfernung des Banners von Taring Padi sei richtig gewesen, erläuterte sie dem Berliner Kunstmagazin "Monopol". Es habe sich aber so angefühlt, als ob alle Teilnehmer in eine Diskussion hineingezogen worden seien, die nicht ihre gewesen sei.
"Plötzlich mussten wir alle befürchten, als antisemitisch abgestempelt zu werden, weil wir in dieser Ausstellung waren", sagte Bruguera. Man müsse berücksichtigen, dass andere Länder in der Welt eine andere Geschichte mit Israel hätten als Deutschland. Als Staat habe Israel Dinge getan, die man auch kritisieren könne.
Blick nach vorn: Wie kann die nächste documenta besser gelingen?
Wie kann nach diesem Skandal ein Neustart der documenta gelingen? "Die Parole müsste sein: 'Zurück in die Zukunft'", sagte Kimpel.
Die documenta muss sich wieder auf ihren künstlerischen Gehalt und ihre Tugenden rückbesinnen.
Harald Kimpel, Kunsthistoriker
Quelle: Nicole Schippers, dpa
https://www.zdf.de/


KUNST-SKANDAL
Die documenta 15 endet, die Antisemitismus-Vorwürfe bleiben

Sie sollte ein Symbol für kreative Vielfalt werden - die alle fünf Jahre stattfindende Kasseler Kunstschau documenta. Doch die Diskussion über Antisemitismus überschattete die Ausstellung.
Documenta 15: Return to Sender - eine begehbare Installation aus Stoffballen in der Karlsaue vor der Orangerie von Nest Collective.
Was wird im Gedächtnis bleiben von der documenta 15?
"Für mich ist Antisemitismus Menschenfeindlichkeit, egal wo", so Josef Schuster im Interview mit der Deutschen Welle. "Es gibt natürlich Länder, in denen antijüdische, antiisraelische Stereotype leider gang und gäbe sind. In einem Land wie Deutschland, mit seiner Geschichte und seiner Verantwortung, darf das überhaupt nicht sein."
Mit diesen Worten bringt der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland die Debatte rund um Antisemitismus auf der diesjährigen documenta mit wenigen Worten auf den Punkt: Offenen Antisemitismus nicht zu erkennen und als Kunstfreiheit zu definieren, das ist auf der documenta passiert und hat nicht nur der Kunstschau geschadet.
Wie kam es zu dem Skandal?
Aber erst einmal langsam: Blicken wir zurück in das Jahr 2019, als die documenta-Leitung das indonesische Künstlerkollektiv Ruangrupaals kuratorisches Team für 2022 ernannte. Ruangrupa selbst verstehen und verstanden sich jedoch nicht als klassische Kuratoren, was sich in der Folge auch als problematisch erweisen sollte.
Video abspielen26:06 min
Antisemitismus - Wie es zum größten Skandal der Documenta kam
Die seit 1955 bestehende Kunstschau sollte also zum ersten Mal von Künstlern aus dem sogenannten Globalen Süden geleitet werden: Wenige bekannte Namen, viele Kollektive aus Ländern, die - wenn überhaupt - keinen finanzstarken Kunstmarkt haben. Die Künstler wollten neue Perspektiven aufzeigen, die die Welt positiv verändern sollten.
Das Künstlerkollektiv Ruangrupa hatte sich vor über 20 Jahren in Indonesiens Hauptstadt Jakarta gegründet. Das Ende der Suharto-Diktatur war da noch nicht lange beendet, das Land befand sich im Umbruch. Ruangrupas Kunst verstand und versteht sich als politisch und aktivistisch. Sie will Künstlerinnen und Künstler zusammenbringen, die sich gegenseitig unterstützen. So auch bei der documenta 15: Rund 1500 Künstler, Künstlerinnen und Künstlerkollektive - wie viele es genau sind, ist nicht klar, denn die eingeladenen Künstler und Kollektive haben ihrerseits weitere Künstler eingeladen - sind während der Ausstellung nach Kassel gekommen, um in einen interkulturellen Dialog zu treten.
Im Vordergrund Menschen mit Waffen, in der Mitte eine Freiheitskämpferin mit einem Palästinensertuch, im Hintergrund brennende Hochhäuser.
Mohammed Al Hawajris, eingeladen von "The Question Of Funding", setzt im Titel der Bilderreihe "Guernica Gaza" Israelis mit Nazis gleich: ein Fall von Täter-Opfer-Umkehr
Doch schon vor Ausstellungbeginn gab es die ersten Antisemitismus-Vorwürfe gegen Ruangrupa und das teilnehmende palästinensische Künstlerkollektiv "The Question Of Funding", veröffentlicht unter anderem auf dem Blog des "Kasseler Bündnisses gegen Antisemitismus".
Mitglieder von Ruangrupa stünden der antiisraelischen Boykottkampagne "BDS" ("Boycott, Divestment and Sanctions") nahe, hieß es da. Ein hochsensibles Thema in Deutschland, denn 2019 hatte der deutsche Bundestag die BDS-Kampagne in einer Resolution als antisemitisch eingestuft.
Reza Afisina, Indra Ameng, Farid Rakun, Daniella Fitria Praptono, Iswanto Hartono, Ajeng Nurul Aini, Ade Darmawan, Julia Sarisetiati, Mirwan Andan auf einem Foto.
Das Künstlerkollektiv Ruangrupa
In Kassel zerstreute man die Bedenken: "Wir nehmen die deutsche Verantwortung sehr ernst, beschäftigen uns auch damit, auch die Künstlerinnen und Künstler haben sich hier sehr eng damit auseinandergesetzt", erklärte die damalige Direktorin der Kunstschau, Sabine Schormann. Auch die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien, Claudia Roth, stellte sich damals noch hinter Ruangrupa.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier aber fand in seiner Eröffnungsrede zur documenta am 18. Juni 2022 kritische Worte und mahnte an, dass die documenta "mehr tun" müsse, um das Thema Antisemitismus anzusprechen und aufzuarbeiten.
Warum ist das Wandbild "People's Justice" in Deutschland so problematisch?
Kurz nach der Eröffnung kam es dann zum Eklat: Mitten in der Kasseler Innenstadt hing das neun mal zwölf Meter große Wandbild "People's Justice" des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi auf einem Gerüst. Das Banner zeigte eine Art Weltgericht als Wimmelbild - und antisemitische Stereotype: Unter anderem einen Soldaten mit Schweinsgesicht und Davidstern sowie eine Figur mit Schläfenlocken, Raffzähnen und SS-Runen auf dem Hut. Darstellungen, die in Deutschland nicht nur inakzeptabel sind, sondern sogar strafbar sein können: SS-Runen sowie alle Zeichen, die einen direkten Bezug zur Nazi-Herrschaft herstellen, können mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe geahndet werden.
Ein Gerüst vor abendlichem Himmel.
Hier hing zuvor das umstrittene Bild "People's Justice" von Taring Padi. Nach öffentlicher Kritik wurde es entfernt
Taring Padi startete Erklärungsversuche: Das 2002 in Indonesien entstandene Werk solle an die brutale Militärdiktatur von Präsident Suharto erinnern, erklärten die Künstler, sowie an diejenigen, die den Diktator unterstützt haben sollen, wie etwa der israelische Geheimdienst.
Die Gegenreaktionen folgten auf dem Fuße: "Wir sind empört über die antisemitischen Elemente, die auf der derzeit in Kassel stattfindenden documenta 15 öffentlich gezeigt werden", hieß es seitens der israelischen Botschaft in Berlin. Und weiter: Teile davon "erinnern an die Propaganda von Goebbels und seinen Handlangern in dunklen Zeiten der deutschen Geschichte. Alle roten Linien wurden nicht nur überschritten, sie sind zertrümmert worden".
Trotz der heftigen Reaktionen ließ die damalige documenta-Generaldirektorin Sabine Schormann das Bild nicht entfernen, sondern lediglich verhüllen. Ihre Begründung: Eine Demontage wäre "ein erheblicher Eingriff in die Kunstfreiheit" gewesen. "Die künstlerische Freiheit hat ihre Grenzen", sagte daraufhin Kulturstaatsministerin Claudia Roth und forderte, dass Ruangrupa "die notwendigen Konsequenzen" ziehe.
Wieso wurde das Werk dann doch abgehängt?
Zwei Tage später wurde das Werk dann doch abgehängt. Ruangrupa räumte ein, man habe gemeinsam versagt, jene Teile in dem Kunstwerk zu erkennen, die klassische Stereotype von Antisemitismus bedienten. "Wir sehen ein, dass das unser Fehler war."
Sabine Schormann schaut nachdenklich.
Sabine Schormann trat am 16. Juli 2022 als Generaldirektorin der documenta zurück
Man erkenne an, dass die Abbildungen an die "schrecklichste Episode der deutschen Geschichte erinnern, in der jüdische Menschen in beispiellosem Ausmaß angegriffen und ermordet wurden". Die verantwortlichen Künstler von Taring Padi pflichteten bei, man habe den besonderen historischen Kontext in Deutschland nicht gekannt. Auch Sabine Schormann zeigte sich schließlich entsetzt: Man entschuldige sich, dass man die antisemitischen Darstellungen nicht vor dem Anbringen des Banners erkannt habe. "Allen Beteiligten, das möchte ich nochmal ausdrücklich betonen, tat und tut es außerordentlich leid, Grenzen überschritten und Gefühle verletzt zu haben", ließ Schormann in einer Pressemitteilung mitteilen.
Warum musste die documenta-Chefin dann doch gehen?
Nach diesem ersten Vorfall sollte Meron Mendel, Leiter der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt, als Berater helfen, mögliche weitere antisemitische Werke auf der documenta zu identifizieren. Doch daran habe wochenlang niemand von der documenta-Geschäftsleitung ehrliches Interesse gezeigt, so Mendel im Interview mit der DW. Mendel trat schließlich von dieser Funktion zurück, ebenso ließ die deutsche Künstlerin Hito Steyerl ihre Videoinstallation aus der Ausstellung zurückziehen.
Die Rufe aus Politik und Gesellschaft nach einem Rücktritt von Sabine Schormann wurden immer lauter. Er erfolgte schlussendlich am 16. Juli. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, bezeichnete den Rücktritt Schormanns als "überfällig".
Zwei Tage später wurde der deutsche Kulturmanager Alexander Farenholtz - vor über 30 Jahren schon einmal Geschäftsführer in Kassel - als Interimsleiter der documenta 15 bis zu ihrer Schließung am 25. September ernannt.
Welche weiteren antisemitische Motive wurden entdeckt?
Hände, die in einer Broschüre blättern, auf den Zeichnungen werden Zivilisten von Soldaten, die Helme mit Davidsternen tragen, bedroht.
Antisemitische Zeichnungen in einer Broschüre aus Algerien von 1988
Doch auch unter der Leitung von Farenholtz rissen die schlechten Nachrichten nicht ab: Am 28. Juli wurde in der Ausstellung des algerischen Frauenarchivs "Archives des luttes des femmes en Algérie" eine Broschüre mit weiteren problematischen Motiven entdeckt. Zu sehen sind Zeichnungen, auf denen Roboterfiguren mit gebleckten Zähnen und Armeehelmen mit Davidstern abgebildet sind, die ein Kind bedrohen. Einige der Soldaten ähneln antisemitischen, klischeehaften Darstellungen von Juden - etwa durch ihre übergroß dargestellten Nasen.
Die documenta-Organisatoren ließen die Werke entfernen, nahmen sie aber später wieder in die Ausstellung auf - versehen mit einordnenden Kommentaren. Ruangrupa argumentierte, die Bilder repräsentierten die Propagandakunst der damaligen Zeit und den Standpunkt der Palästinenserinnen und Palästinenser gegenüber der militärischen Besatzung. "Auf keinem der Bilder werden Menschen jüdischen Glaubens abstrakt dargestellt."
Menschen halten vor dem Eingang des Museums Fridericianum ein Plakat mit der Aufschrift Gegen jeden Antisemitismus!.
Demonstration vor dem Museum Fridericianum in Kassel
Aber auch damit kehrte keine Ruhe ein, im Gegenteil: "Man muss sich fragen, wie weit wir in Deutschland eigentlich gekommen sind, wenn solche Bilder einfach als Israelkritik angesehen werden können", sagte etwa Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. "Die documenta 15 wird als die antisemitischste Kunstausstellung der Welt in die Geschichte eingehen."
Kurz darauf kam es erneut zur Kritik: An einem anderen Ausstellungsort zeigte das Künstlerkollektiv "Subversive Film" Ausschnitte pro-palästinensischer Propagandafilme aus den 1960er bis 1980er Jahren, in denen Israel und seine Streitkräfte ausschließlich als Täter gezeigt werden. Diese waren ohne einordnende Kommentare während der gesamten Ausstellungsdauer zu sehen.
Das Anfang August einberufene siebenköpfige Expertengremium,welches der israelfeindlichen Bildsprache auf der documenta nachgehen sollte, empfahl die Einstellung der kommenden Vorführungen, doch der documenta-Beirat beschloss, die Videos nicht aus dem Programm zu nehmen. In einer Erklärung hieß es, Ruangrupa habe die Einschätzung des Expertengremiums zur Kenntnis genommen, wolle aber der Empfehlung, das Werk zu entfernen, nicht folgen.
Und was nun?
Der documenta-Beirat, zu dem auch Frances Morris, die Direktorin der Tate Modern, und die südafrikanische Kuratorin Gabi Ngcobo gehören, stand bis zuletzt hinter Ruangrupa. Die Veranstalter zeigten sich mit der diesjährigen Kasseler Kunstschau zufrieden. Weder die Antisemitismusdebatte noch die Auswirkungen der Coronapandemie hätten sich negativ ausgewirkt. Interims-Generaldirektor Farenholtz sprach sogar von einem "Meilenstein".
Dennoch bleiben für viele Menschen in diesem Jahr nicht vornehmlich die Künstlerinnen und Künstler und ihre Werke in Erinnerung, sondern die Antisemitismus-Vorwürfe, die die 100-tägige Kunstschau überschatteten. Manche Kritiker stellen sogar infrage, ob es überhaupt weitergehen sollte mit Deutschlands renommiertester Kunstschau. Oder ob es nicht zumindest mehr staatlicher Kontrolle bedürfe, wenn die Welt in fünf Jahren erneut nach Kassel blickt.
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NS-GEDENKEN
Merkel in Auschwitz: "Ich empfinde tiefe Scham"

Nach gut 14 Jahren im Amt besucht die Bundeskanzlerin erstmals das schlimmste deutsche KZ. Den Ort des Menschheitsverbrechens. Und betont die bleibende Verantwortung. Aus Auschwitz berichtet Christoph Strack.
Datum 06.12.2019
Autorin/Autor Christoph Strack (Auschwitz)
Und dann steht Angela Merkel, gemeinsam mit dem polnischen Premier Mateus Morawiecki, vor der "Todeswand" des KZ Auschwitz. Tausende Polen wurden in diesem kleinen Hof zwischen zwei Gebäuden von Deutschen hingerichtet. Für viele Polen ist gerade dieser Ort bis heute extrem schmerzhaft.
Der Himmel ist blau, die Dezember-Luft klar. Und bitterkalt. Merkel, in schwarzem, langen Blazer, trägt keine Handschuh, keinen Schal, keine Kopfbedeckung. Mit Morawiecki hält sie inne, 30, 40 Sekunden. Im Weggehen scheint ihr Blick weit weg. Und als sich beide, Premier und Kanzler, noch einmal rumdrehen, innehalten und die Köpfe senken, da bleiben ihre Augen lange geschlossen.
Bundeskanzlerin Merkel besucht KZ Auschwitz
Kanzlerin Merkel und Polens Premier Morawiecki (r) verneigen sich nach einer Kranzniederlegung vor der Todesmauer
Berge von Brillen
Minuten vorher sah die Kanzlerin die wohl eindrücklichsten, erschütterndsten Zeugnisse des industriellen Tötens, das die Deutschen in Auschwitz-Birkenau betrieben. Da besichtigte sie jene Gebäude, die voll sind mit Lebens-Zeugnissen von Menschen, die in den Tod geschickt wurden. Schiere Berge voller Menschenhaar, viele tausend Brillen, eine Landschaft sich türmender Koffer. Journalisten dürfen Merkel auf dieser Etappe nicht begleiten. Eine sehr kurze Videosequenz der Gedenkstätte zeigt, wie die 65-Jährige an die Scheibe tritt und die Koffer betrachtet. Koffer, auf denen noch heute Aufkleber die Namen der Besitzer verraten.
Gut eine Stunde später sitzt Merkel mit ihrer deutschen Delegation und den polnischen Gastgebern in der sogenannten "Sauna" des Vernichtungslagers Birkenau. Die vor einigen Jahren restaurierte "Sauna" war jener Raum, in dem sich neue Häftlinge entkleiden mussten und reinigen sollten. Nun spricht hier Bogdan Stanislaw Bartnikowski.
Der 87-Jährige teilt mit den Zuhörern seine Erinnerungen an den 13. August 1944. An diesem Tag kam er als zwölfjähriger Junge mit seiner Mutter erstmals in dieses Gebäude. Er berichtet, wie er sich, zwischen vielen Frauen, ausziehen musste. Von seiner Scham, dem Gestank der Angst. "Wir waren Häftlinge, wir waren Untermenschen", sagt er. "Für uns war es der Vorraum zur Hölle."
Bogdan Bartnikowski spricht im ehemaligen KZ Auschwitz Birkenau
KZ-Überlebender Bogdan Bartnikowski: "Wir waren Häftlinge, wir waren Untermenschen"
Die Zeitzeugen
Bartnikowskis Worte gehören zum eindringlichsten an diesem Tag. Und sie erinnern alle im Saal daran, wie wichtig die Zeitzeugen waren und sind. Jene, die Zeugnis ablegen können, und deren Zahl immer kleiner wird. Merkel betont kurz nach Bartnikowski ihren Dank an alle Zeitzeugen, "Dank für den Mut und die Kraft zur Versöhnung".
"Heute hier zu stehen und als Bundeskanzlerin zu Ihnen zu sprechen, fällt mir alles andere als leicht. Ich empfinde tiefe Scham", sagt sie zu Beginn ihrer Rede. Vor den "barbarischen Verbrechen" müsse man "eigentlich verstummen. Und dennoch: Schweigen darf nicht unsere einzige Antwort sein. Wir müssen uns an die Verbrechen erinnern."
Das ist das Anliegen dieses Besuchs. Diesen Ort der Erinnerung an das Grauen zu verstetigen. Sie sagt, Deutschland, der Bund und die Länder, würden der Stiftung Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau weitere 60 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Damit soll das, was an Ruinen und Zeugnissen blieb, durch die Arbeit von Konservatoren der Nachwelt erhalten bleiben.
Bundeskanzlerin Merkel besucht KZ Auschwitz
Merkel und Premier Morawiecki passieren das Auschwitz-KZ-Eingangstor mit der Aufschrift "Arbeit macht frei"
"Es kann wieder geschehen"
Die Vertreter der polnischen Führung betonen an diesem Tag ihre Verantwortung. "Wir, die Polen und die Republik, erfüllen die Verpflichtung, die Erinnerung wachzuhalten", heißt es in einem verlesenen Grußwort von Präsident Andrzej Duda. "Und wir rufen: Nie wieder, nie wieder darf etwas ähnliches passieren!" Und auch Premier Morawiecki, der vor Merkel spricht, nennt die Verpflichtung seines Staates, "die Erinnerung wachzuhalten, die Erinnerung zu bewahren".
Merkel nennt in ihrer Rede den vollständigen deutschen Titel der Gedenkstätte. "Der Ort Oswieczim liegt in Polen - Auschwitz war ein deutsches, von Deutschen betriebenes Vernichtungslager", sagt Merkel. Aber dann sagt sie auch: "Es ist geschehen, folglich kann es wieder geschehen."
Merkel zitiert ein so bedrängendes Wort des Holocaust-Überlebenden Primo Levi  (1919-1987). "Wir alle tragen Verantwortung. Wir dürfen niemals vergessen", sagt die Kanzlerin und wendet sich gegen Schlussstrichdebatten und jede Art von Relativierung der NS-Verbrechen. Sie spricht von besorgniserregendem Rassismus, Zunahme von Hassdelikten, Intoleranz, Menschenfeindlichkeit. Antisemitismus. "Wir dulden keinen Antisemitismus. Gerade Auschwitz mahnt und verpflichtet jeden einzelnen von uns", betont die Kanzlerin.
Bundeskanzlerin Merkel besucht KZ Auschwitz
Endstation: Kanzlerin Merkel an der Todesrampe vor dem Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau
Mag sein, dass es diese Sorge war, die sie nun, nach 14 Jahren im Amt, nach Auschwitz reisen ließ. Dass die Vergangenheit nicht vergangen ist. Nach Helmut Schmidt (1977) und Helmut Kohl (1989 und 1995) ist sie erst die dritte deutsche Kanzlerin, die Auschwitz besucht. Sie ist die erste, die die Visite nicht mit einem Warschau-Besuch verbindet, sondern nur Auschwitz auf dem Programm hat.
Als die Sonne schon früh am Nachmittag tief im Westen steht, endet Merkels Gang durch die dunkelste deutsche Geschichte. Sie sieht die Ruinen von Gaskammern und Reste eines der großen Krematorien von Birkenau, wandert zu einer restaurierten Baracke. Schließlich steht sie vor einem Eisenbahnwaggon an der Rampe, an der über eine Million Menschen aus dem Zug stiegen und dem Tod ausgeliefert wurden.
Und dann wartet der Konvoi schon wieder auf die Kanzlerin. Merkels Delegation eilt entlang der Gleise. Hinter ihr, auf dem internationalen Mahnmal für alle Opfer von Auschwitz-Birkenau, bleiben einige brennende Kerzen in Schutzgläsern zurück.
https://www.dw.com/de/


Filmstart: „Der Staat gegen Fritz Bauer“
„Bauer war einer der großen Mahner und Fragensteller“

Fritz Bauer ist als hartnäckiger Verfolger von NS-Tätern in die deutsche Geschichte eingegangen: Ohne den Generalstaatsanwalt hätte es die Auschwitz-Prozesse nicht gegeben. Und Bauer lieferte den Hinweis zur Festnahme des SS-Sturmbandführers Adolf Eichmanns. Regisseur Lars Kraume hat nun das Wirken Bauers auf die Leinwand gebracht. Im Corsogespräch redet er über die die deutsche Geschichte, die „wahnsinnig verworren“ sei und voller Fehltritte.
Regisseur Lars Kraume im Gespräch mit Marietta Schwarz | 30.09.2015
Filmregisseur Lars Kraume und sein Film "Der Staat gegen Fritz Bauer" whärend des 68. Locarno International Film Festival in Locarno, Schweiz.
Filmregisseur Lars Kraume (dpa/picture alliance/epa/Urs Flueeler)
Fritz Bauer war eine Art Lichtgestalt der neu gegründeten Bundesrepublik und erbitterlich in der Verfolgung von NS-Kriegsverbrechen. Dass Bauer diesen Kampf trotz enormer Widerstände in den eigenen Reihen nicht aufgab, zeigt, dass die Aufarbeitung ein dunkles Kapitel der damaligen Nachkriegszeit in der Bundesrepublik war. „Der Staat gegen Fritz Bauer“ mit Burghart Klaußner und Ronald Zehrfeld in den Hauptrollen zeigt das Wirken des couragierten und engagierten Juristen.
„Die deutsche Geschichte ist so wahnsinnig verworren, voller Fehltritte und düster, dass sie für politische Dramen viel Stoff hergibt,“ sagt Regisseur Lars Kraume auch über den Film.
Das gesamte Gespräch mit Lars Kraume können Sie sechs Monate in unserer Mediathek nachhören.
https://www.deutschlandfunk.de/


Digitalisierung der Vergangenheit
Bundesministerium für Bildung und Forschung

26.03.2015 AKTUELLES
Das EU-Forschungsprojekt „European Holocaust Research Infrastructure“ hat ein Online-Portal vorgestellt, das Originaldokumente aus der NS-Zeit digital zugänglich macht. "Wir müssen die Erinnerung wach halten", sagte Cornelia Quennet-Thielen.
Digitalisierung kann helfen, unsere Vergangenheit aufzuarbeiten. Das zeigt das Forschungsprogramm „European Holocaust Research Infrastructure“ (EHRI), das es sich zur Aufgabe gemacht hat, den Holocaust wissenschaftlich zu erforschen. Dazu gehört ein Online-Portal, das in ganz Europa verteilte Archivmaterialien aus der NS-Zeit digital zugänglich macht. Das Portal wurde jetzt in Berlin vorgestellt.
Erinnerung wach halten
„Die Holocaustforschung hilft dabei, die Erinnerungen an die Gräueltaten des Nationalsozialismus und an die Opfer wach zu halten. 70 Jahre nach dem Ende von Krieg und Gewalt leisten wir dazu mit dem Start des Online-Portals EHRI einen weiteren wichtigen Beitrag“, sagte Bildungsstaatssekretärin Cornelia Quennet-Thielen bei der Vorstellung des Portals in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.
Das Online-Portal macht Recherchen deutlich leichter: Wer das Schicksal der eigenen Familie aufarbeiten will, musste bisher unzählige Dokumente, Fotos und Briefe in Archiven Papier für Papier durchgehen und dabei durch ganz Deutschland und Europa reisen. Jetzt kann man sich weltweit in das Online-Portal einloggen, die digitalisierten Ressourcen am Computer genau anschauen und gezielt nach Stichworten suchen.
Holocaustforschung vernetzen
Das Online-Portal ist das Ergebnis eines EU-geförderten Projekts, an dem Wissenschaftler von Forschungseinrichtungen, Gedenkstätten und Archiven aus 13 europäischen Staaten und aus Israel seit 2010 gearbeitet haben. Neben der Arbeit am Online-Portal haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch dazu beigetragen, die Forschung zur Geschichte des Holocaust zu bündeln und besser zu vernetzen. In den letzten Jahren trafen sich Experten zu zahlreichen Gesprächen und Konferenzen, in Sommer- und Onlinekursen beschäftigte sich vor allem auch der wissenschaftliche Nachwuchs mit dem Thema.
https://www.bmbf.de/


Das Ende der Zeitschrift "Landser"

Bauer Media stellt den "Landser" ein - allerdings nicht aus rechtlichen Gründen, wie der Verlag betont. Das jüdische Simon-Wiesenthal-Zentrum hatte sich über die Hefte mit Geschichten aus dem Zweiten Weltkrieg beschwert.
Datum 16.09.2013
Autorin/Autor Carla Bleiker
Das Neueste über Teenie-Popstars, einfache Rezepte zum Nachkochen - und Kriegsgeschichten aus Sicht von deutschen Wehrmachtssoldaten. Für all diese Themen hatte die Bauer Media Group bislang verschiedene Zeitschriften im Angebot. Denn: Die internationale Verlagsgruppe vertrieb neben Deutschlands bekanntester Jugendzeitschrift "Bravo" und Illustrierten wie "Cosmopolitan" oder "Freizeitwoche" auch die Zeitschrift "Der Landser". Mit letzterem ist nun Schluss. Am Freitag (13.09.2013) gab die Verlagsgruppe bekannt, dass die umstrittene Heftchenreihe nicht mehr publiziert wird. Wann genau die letzte Ausgabe erscheinen soll, konnte eine Verlagssprecherin nicht sagen.
Das Magazin war seit 1957 auf dem Markt und hat seinen Namen vom umgangssprachlichen Begriff für deutsche Soldaten der Landstreitkräfte im Zweiten Weltkrieg. Woche für Woche wurde "aus der Sicht der kämpfenden Truppe und durch die Erinnerung einzelner Personen die größte kriegerische Auseinandersetzung der Weltgeschichte in ihrer ganzen Dramatik" präsentiert, so kann man es noch immer auf der "Landser"-Website lesen.
Forderung nach Einstellung
Efraim Zuroff, Direktor des Simon Wiesenthal Zentrums. Foto: (DW/Rosalia Romaniec, 23.07.2013, Berlin)
Zuroff: Bauer Verlag hat richtige Entscheidung getroffen
Im Juli ging das Simon-Wiesenthal-Zentrum mit mehreren Beschwerden an die Öffentlichkeit und verlangte die Einstellung des "Landsers". Das jüdische Zentrum mit Hauptsitz in den USA wurde 1977 gegründet und ist eine internationale Nicht-Regierungsorganisation. Unter anderem beschäftigt es sich mit der Jagd auf noch lebende NS-Kriegsverbrecher. Beim "Landser" berief sie sich auf deutsche Gesetze gegen die Verwendung von Nazisymbolen, Volksverhetzung und die Holocaustleugnung. "Der Landser" propagiere rechtes Gedankengut und dürfe deswegen nicht weiter erscheinen, hieß es aus Los Angeles.
Die Bauer Media Group gab das Ende des "Landsers" an Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag, bekannt. Beim Simon-Wiesenthal-Zentrum war die Freude über die Nachricht groß: "Wir sind sehr zufrieden, dass die Bauer Media Group die richtige Entscheidung getroffen hat", sagt Efraim Zuroff, der Leiter des Israel-Büros des Simon-Wiesenthal-Zentrums und Chef-Nazijäger der Organisation, der DW. "Wir haben ernsthaft recherchiert und ganz klar gezeigt, dass ein Problem vorlag. Menschen, die in Kompanien gedient haben, die Kriegsverbrechen begangen haben, wurden ganz neutral dargestellt und ihre Verbrechen unter den Teppich gekehrt. Sie wurden der Öffentlichkeit nicht als Kriegsverbrecher präsentiert, sondern als Leute, die einfach nur ihre Pflicht getan haben."
Eine Image-Frage für Bauer
Pause einer Wehrmachtseinheit bei einer Kfz-Marschübung an den Externsteinen, 1939; Foto: cc-by/Josef Gierse
Wehrmachtssoldaten bei einer Übung, 1939
Die Bauer Media Group wehrte sich gegen die Darstellung, die Hefte würden Nazi-Verbrechen glorifizieren. Im Juli wies der Verlag gegenüber der DW darauf hin, dass alle seine Publikationen im Einklang mit geltenden Gesetzen stünden. Nach den Beschwerden ließ die Bauer Media Group das Magazin von neutraler Seite prüfen: Der Strafrechtler Otmar Kury, der eine Kanzlei für Wirtschaftsstrafrecht in Hamburg führt und Präsident der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer ist, erklärte den "Landser" für rechtlich unbedenklich. Auch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien hatte die Heftchenreihe immer wieder überprüft und nur in den 1960er Jahren einige Exemplare auf den Index gesetzt. Diese Ausgaben durften nur an Erwachsene verkauft werden.
Der Hintergrund: Die Landserhefte stellten zwar Wehrmachtssoldaten als "gute Jungs" dar, sagen Medien-Experten wie der deutsche Akademiker Peter Conrady. Aber Antisemitismus oder Hitler-Verehrung käme in den Heften nicht vor.
Bauer Media stellt das Heft jetzt auch nicht aus rechtlichen Gründen ein, sondern weil es nicht zur "Portfoliostrategie" passt. Im Klartext: Die Wehrmachtsheftchen waren schlecht fürs Image. Und all zu viel Geld brachten sie wohl auch nicht mehr ein: Die "goldenen Jahre" in der Anfangszeit des "Landsers", in denen das Magazin eine Auflage von 500.000 Heften hatte, sind lange vorbei.
Propaganda stärker bekämpfen
Peter Conrady, der sich vor zehn Jahren intensiv mit dem "Landser" beschäftigte, ist überrascht vom Ende der Heftreihe: "Das hätte ich dem Bauer Verlag nicht zugetraut, eine solche Entscheidung zu treffen", sagte der emeritierte Professor für deutsche Sprache und Literatur der DW. Er begrüßt die Einstellung, warnt aber auch: "Die Konsequenz ist keineswegs, jetzt still zu sein und nur zu frohlocken - eher im Gegenteil", betont Conrady. "Man müsste die Diskussion, die in den letzten zwei Monaten in der Presse aufgekommen ist, wirklich nutzen." Er wünscht sich eine Aufbrauchstimmung in der Politik, gegen rechte Propaganda vorzugehen.
Auch für Efraim Zuroff vom Simon-Wiesenthal-Zentrum kann die "Landser"-Angelegenheit nicht einfach zu den Akten gelegt werden: "Es stimmt, das Problem wurde gelöst, aber die Tatsache, dass es so lange gedauert hat, und dass so viele Ausgaben dieser Zeitschrift so viele Leute erreichen konnten, ist wirklich traurig."
https://www.dw.com/de/das-ende-der-zeitschrift-landser/a-17092018


"Der Landser" - harmlos oder kriegsverherrlichend?

Die Zeitschrift "Der Landser" erzählt Kriegsgeschichten aus der Sicht von Wehrmachtssoldaten. Das Simon-Wiesenthal-Zentrum fordert jetzt, dass die Hefte wegen rechten Gedankenguts verboten werden.
Datum 30.07.2013
Autorin/Autor Carla Bleiker
Die Heftchenreihe "Der Landser" könnte auf den ersten Blick als Abenteuerroman-Serie durchgehen. Woche für Woche wird "aus der Sicht der kämpfenden Truppe und durch die Erinnerung einzelner Personen die größte kriegerische Auseinandersetzung der Weltgeschichte in ihrer ganzen Dramatik" präsentiert, so heißt es auf der "Landser"-Website. Damit soll bald Schluss sein, wenn es nach dem Simon-Wiesenthal-Zentrum geht. Die amerikanisch-jüdische Organisation verlangt, dass "Der Landser" eingestellt wird, weil er rechtes Gedankengut propagiere.
Das Magazin, das seit 1954 erscheint, hat seinen Namen vom umgangssprachlichen Begriff für deutsche Soldaten der Landstreitkräfte. "Der Landser" verkauft seine Geschichten als Erlebnisberichte von heldenhaften Wehrmachtssoldaten - ohne Kriegsverbrechen zu erwähnen oder das Ganze in einen politischen Zusammenhang mit den Nationalsozialisten und Adolf Hitler zu setzen.
Kriegsgeschichten ohne politischen Hintergrund
BERLIN - APRIL 30: Männer mit Glatzen stehen rufend und gestikulierend in einer Gruppe zusammen. (Foto: Sean Gallup/Getty Images)
Leser des "Landser" könnten durch die abenteuerlichen Kriegsgeschichten Gefallen an der rechten Szene finden
Genau das ist eines der Hauptprobleme, sagt Klaus Geiger von der Universität Kassel. Der emeritierte Professor der politischen Soziologie schrieb in seiner Dissertation 1974 über den "Landser". "Beim Inhalt handelt es sich um eine spannende Darstellung von Einzelereignissen, die alle aus dem Zusammenhang gerissen sind", sagt Geiger der DW über die Hefte. Die Leser seien hauptsächlich Männer, die an der rechten Szene interessiert oder schon ein Teil von ihr sind. Ihnen werde ein verharmlostes Bild der Wehrmachtssoldaten geboten.
Peter Conrady, emeritierter Professor für deutsche Sprache und Literatur der Technischen Universität Dortmund, beschäftigte sich vor zehn Jahren eingehend mit den "Landser"-Heften. Er sagt, dass die Hefte "das Getriebe des Krieges mit Granaten werfen, im Dreck wühlen und Bohneneintopf essen" aus Sicht des kleinen Soldaten zeigen - "und das ist emotional ungeheuer fesselnd" für die Leser, sagt Conrady zur DW.
Im Vorwort der Hefte heißt es zwar, dass mit den Geschichten den Soldaten und nicht dem Krieg selbst ein Denkmal gesetzt werden soll. Das ist für Conrady aber nur ein Versuch, die Hefte oberflächlich als Anti-Kriegsliteratur darzustellen. Die Auflage für den "Landser" und drei ähnliche Zeitschriften aus der gleichen Reihe, beispielsweise das "SOS"-Heft über Marinesoldaten, lag laut Conrady vor zehn Jahren bei rund 300.000 Exemplaren pro Monat. Er betont aber, dass ein Heft schätzungsweise sechs bis sieben Leser habe. Dementsprechend sei die Anzahl der Leser weitaus höher als die Printauflage. Der Verlag selbst veröffentlicht die Verkaufszahlen nicht.
Gefährliche Faszination für Jugendliche
Joachim Wolf, Mitarbeiter der "Amadeu Antonio Stiftung" gegen Rechtsextremismus, findet es bedenklich, dass die "Landser"-Hefte wie Abenteuerromane aus dem Krieg daherkommen. "'Der Landser' bastelt dadurch, dass diese Kriegsverbrechen ausgeblendet werden, am Mythos der sauberen Wehrmacht mit", sagt Wolf der DW. Solche Erzählungen, ob vom eigenen Großvater oder aus Groschenromanen, seien für Jugendliche häufig der Einstieg in die rechte Szene, erzählt Wolf.
Um zu verhindern, dass junge Menschen durch die Kriegsgeschichten beeinflusst werden, setzte sich Geiger schon in den 70er Jahren dafür ein, dass das Magazin auf die Liste der jugendgefährdenden Medien kommt. Das würde bedeuten, dass die Hefte nur noch unter dem Ladentisch und nicht an Menschen unter 18 Jahren verkauft werden dürfen. Ein Grund für eine solche "Indizierung" ist Kriegsverherrlichung. Und das ist beim "Landser" aus Geigers Sicht gegeben. Bisher wurden aber nur in den 1960ern einzelne Ausgaben der Reihe auf den Index gesetzt.
Wie viel Sinn macht ein Verbot?
Dem Simon-Wiesenthal-Zentrum, einer Organisation, die weltweit gegen Antisemitismus kämpft, ist das nicht genug: Laut des "International Herald Tribunes" fordert das Zentrum die Einstellung des Magazins. Es habe mehrere Beschwerden über den "Landser" erhalten und berufe sich auf Gesetze gegen die Verwendung von Nazisymbolen und rechtem Gedankengut, sowie gegen die Holocaustleugnung, heißt es in der internationalen Tageszeitung.
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) spricht am 09.10.2012 auf dem Flughafen Hannover vor Medienvertretern. (Foto: Holger Hollemann/dpa)
Das Innenministerium unter Minister Friedrich will die Beschwerden gegen den "Landser" ernst nehmen
Das Bundesinnenministerium teilte der Deutschen Welle auf Anfrage mit, es nehme das Anliegen ernst und werde sich mit dem Justizministerium und der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien über die nächsten Schritte absprechen. Die Bundesrepublik habe in solchen Fällen eine historische Verantwortung, heißt es aus Berlin.
"Eine konsequente strafrechtliche Verfolgung von neonazistischer und rassistischer Propaganda nimmt daher in Deutschland einen besonderen Stellenwert ein", teilte ein Ministeriumssprecher mit. Konkrete Erwähnungen von Nazi-Politik oder Judenverfolgung finden sich in den Heften jedoch nicht, wahrscheinlich gerade, um einem Verbot zu entgehen. Experten wie Joachim Wolf und Peter Conrady halten ein Verbot des Magazins sowieso für keinen guten Weg. Beide plädieren dafür, sich mit den Inhalten der "Landser"-Hefte öffentlich auseinanderzusetzen und gerade junge Menschen über die wahren Umstände des Krieges aufzuklären. Sonst würden zwar die Magazine aus den Regalen verschwinden, aber nicht die verherrlichten Bilder aus den Köpfen.
Im Einklang mit dem Gesetz
"Der Landser" erscheint im Pabel Moewig Verlag, der zu 100 Prozent der Bauer Media Group gehört. Die große Verlagsgruppe vertreibt zum Beispiel die in Deutschland und den USA erscheinende Illustrierte "InTouch" und die "Bravo", Deutschlands bekanntestes Jugendmagazin. Unternehmenssprecherin Claudia Bachhausen betont, dass alle deutschen Publikationen der Gruppe im Einklang mit den geltenden Gesetzen stünden. Auf eine Nachfrage der Deutschen Welle zu den "Landser"-Heften teilte Bachhausen mit: "Der Verlag legt größten Wert darauf, dass darin weder der Nationalsozialismus verherrlicht wird, noch Naziverbrechen verharmlost werden."
Eine Suche auf der Website der Bauer Media Group zeigt, dass "Der Landser" keine Erwähnung im Produkt-Portfolio findet. Das sei aber nicht außergewöhnlich, sagt Bachhausen: "Wir verzichten generell darauf, Produkte von nachrangiger Bedeutung dort zu präsentieren." Dazu gehöre neben einigen Boulevardmedien eben auch "Der Landser."
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CDU/CSU - Bundestagsfraktion
Börnsen: Aufklärung über die Verbrechen des NS-Regimes stärkt die Demokratie

19.01.2012 – 17:25
Berlin (ots)
Morgen vor 70 Jahren fand die Wannsee-Konferenz statt. Dazu erklärt der kultur- und medienpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Wolfgang Börnsen (Bönstrup):
"Am 20. Januar 1942 trafen sich in der Villa Marlier am Großen Wannsee unter anderem Staatssekretäre verschiedener Ministerien sowie Vertreter der NSDAP und des Sicherheitsdienstes, um die von der nationalsozialistischen Führung beabsichtigte Deportation und Ermordung der Juden Europas zu planen. Es folgte die systematische Ermordung von Juden in den vom Deutschen Reich besetzten Gebieten in Europa in dafür eingerichteten Konzentrationslagern.
Das Gedenken an die Opfer der NS-Diktatur sowie die Aufklärung besonders der jungen Generation über die nationalsozialistischen Verbrechen gehören zu den wichtigsten Aufgaben der Erinnerungspolitik des Bundes. Indem wir an das Schreckensregime der Nationalsozialisten erinnern, kommen wir nicht nur einer moralischen Verpflichtung nach. Wir tragen damit auch dazu bei, dass das Vertrauen in die Demokratie gestärkt wird und Diktaturen weltweit in Verruf geraten.
Der Bund fördert deshalb zahlreiche Einrichtungen zum Gedenken an die Opfer des NS-Regimes in ganz Deutschland. Dazu gehören u.a. die Stiftung Gedenkstätte Buchenwald und Mittelbau-Dora, die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, die Gedenkstätte Bergen-Belsen, die Gedenkstätte Neuengamme, die Gedenkstätte Dachau und Flossenbürg, die Stiftung Topographie des Terrors, die Gedenkstätte Deutscher Widerstand, die Gedenkstätte Plötzensee und nicht zuletzt das Haus der Wannsee-Konferenz, das über die während des Zweiten Weltkrieges von den Nationalsozialisten durchgeführte Deportation und Ermordung der europäischen Juden informiert.
Die anhaltend hohen Besucherzahlen machen deutlich, wie groß das Interesse an der Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus und wie erfolgreich die Aufklärungsarbeit der Gedenkstätten ist. Allein das Haus der Wannsee-Konferenz erreicht jährlich über 100.000 Besucher - mit steigender Tendenz. Das gilt auch für das Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Seit der Eröffnung 2005 haben bis 2010 über acht Millionen Menschen das Holocaust-Mahnmal besucht. Für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen wurde inzwischen ebenfalls ein Denkmal gebaut. Ein Denkmal für die vom NS-Regime ermordeten Sinti und Roma ist im Aufbau und sollte baldmöglichst abgeschlossen werden. Schließlich hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion gemeinsam mit unserem Koalitionspartner sowie der SPD und den Grünen im vergangenen Jahr einen Antrag verabschiedet, der die Bundesregierung auffordert, auch einen Gedenkort für die bis zu 300.000 Opfer der NS-"Euthanasie"-Morde zu schaffen. Bei den Ausgaben für die Aufarbeitung der NS-Diktatur wird nicht gekürzt.
Die erfolgreiche Arbeit der Gedenkstätten in Deutschland ist nicht zuletzt das Verdienst der engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der von ihnen angebotenen pädagogischen Programme. Die Union dankt ihnen für ihren großen persönlichen Einsatz."
Pressekontakt:
CDU/CSU - Bundestagsfraktion
Pressestelle
Telefon: (030) 227-52360
Fax: (030) 227-56660
Internet: http://www.cducsu.de
Email: pressestelle@cducsu.de
https://www.presseportal.de/pm/7846/2184237


CDU/CSU - Bundestagsfraktion
Börnsen: Erinnerungskultur in Deutschland hält Kurs auch bei der Topographie des Terrors

01.11.2007 – 09:54
Berlin (ots)
Zum Beginn des Neubaus des Dokumentationszentrums
Topographie des Terrors am 2. November 2007 erklärt der kultur- und
medienpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Wolfgang
Börnsen (Bönstrup) MdB:
Endlich wird  nach jahrelangen Verzögerungen das
Dokumentationszentrum Topographie des Terrors neu gebaut. Eine
unendliche und unerfreuliche Geschichte findet endlich ein Ende. In
der DDR-Zeit lange im Schatten der Mauer und sogar ein Platz für
Führerscheinanwärter wird nun die provisorische Unterbringung der
Gedenkstätte durch ein angemessenes Dokumentationszentrum ersetzt.
Diese Bundesregierung stellt sich ihrer Verantwortung.
Der Skandal um ausufernde Kosten, der 2004 zum Stopp und Abriss
des 1993 zum ersten Mal begonnenen Neubaus war mehr als eine
Peinlichkeit - geht es doch bei der Topographie des Terrors um nicht
weniger als das Gelände der wichtigsten Zentralen
nationalsozialistischer Unterdrückungs- und Verbrechenspolitik. Das
Geheime Staatspolizeiamt, die SS-Führung und das
Reichssicherheitshauptamt hatten dort ihren Platz. Von dort wurde der
Schrecken der NS-Terrorregimes verbreitet, wurde der Völkermord an
den Juden vorbereitet. Hier lag die Konzentration von Verfolgung und
Gewaltherrschaft.
Damit kommt diesem Ort eine zentrale Bedeutung in der Erinnerungs-
und Gedenkkultur zu und zwar national wie international. Ein ehemals
temporäres Ausstellungsprojekt mit einer langen wechselvollen
Vorgeschichte wird nun zu einem würdigen Gedenkort. Das sind wir den
Opfern des Terrorregimes der Nationalsozialisten, über deren
Schicksal hier entschieden wurde, mehr als schuldig.
Der nun zu realisierende Entwurf des Dokumentationszentrums zeigt
keine Aufgeregtheit in seiner Konzeption, keine Überformung. In
seiner sachlichen Gestaltung mit einem pavillonartigen Baukörper und
einer vorgehängten Glasfassade lässt er den Ort für sich sprechen.
Die Neutralität der Gestaltung  gibt der Erfassung des
geschichtlichen Geschehens dieses Geländes genug Raum. Die
Topographie des Terrors versteht sich selbst als Lernort. Dieser
Funktion gibt der Bau Würde und Nachdenklichkeit.
Der Bund beteiligt sich an den Baukosten in Höhe von 23 Millionen
Euro zur Hälfte. Darüber hinaus sieht die Bundesregierung in ihrem
Gedenkstättenkonzept vor, dass die Topographie des Terrors gemeinsam
mit den anderen Berliner NS-Gedenkorten über eine "Ständige
Konferenz" eng vernetzt wird. Damit erhält die gesamtstaatliche
Repräsentation des Gedenkens an die NS-Verbrechen eine neue Qualität.
Am 8. Mai 2010, dem 65. Jahrestag des Kriegsendes, soll das
Dokumentationszentrum eingeweiht werden. Unser Dank und unsere
Anerkennung gilt aber insbesondere den Verantwortlichen der
Topographie des Terrors, die über eine lange, schwierige Zeit mit oft
unberechenbaren Perspektiven hinweg mit großem Engagement dazu
beigetragen haben, dass es kein Verdrängen und Vergessen mehr geben
konnte.
Pressekontakt:
CDU/CSU - Bundestagsfraktion
Pressestelle
Telefon: (030) 227-52360
Fax: (030) 227-56660
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Vom Vergessen und Verdrängen

Die Freiburger Historikerin Svenja Goltermann hat viele Jahre lang über deutsche Soldaten und ihre im Zweiten Weltkrieg erfahrenen seelischen Schäden geforscht. Ihr Buch „Die Gesellschaft der Überlebenden“ wurde mit dem Historikerpreis prämiert.
Von Godehard Weyerer | 12.11.2009
1946 drehte Wolfgang Staudte den Film „Die Mörder sind unter uns“; der Kriegsheimkehrer Mertens war an der Ostfront Augenzeuge eines Massakers an Frauen und Kindern.
Im selben Jahr kam der Film „Irgendwo in Berlin“ ins Kino. Auch er handelt von Männern, die Krieg und Gefangenschaft überlebten, aber unfähig waren, den Krieg hinter sich zu lassen.
Wiederaufbau, Wirtschaftswunder und die damals herrschende psychiatrische Lehrmeinung, wonach der Mensch schwerstes Leid ertragen könne, ohne seelischen Schaden davon zu tragen, brachten nicht alle Kriegsheimkehrer zum Schweigen. Der Männer, die sich in ihrer Not an Psychiater wandten, nimmt sich die Freiburger Historikerin Svenja Goltermann an.
„Das sind ganz unterschiedliche Krankheitsverläufe, die ich in den Akten gefunden habe. Es gibt schwere Psychose, Halluzinationen, Vorstellungen, von den Russen verfolgt zu werden und so weiter.“
Svenja Goltermanns Buch ist eine geringfügig überarbeitete Habilitationsschrift, die die Wissenschaftlerin 2007 einreichte und für die sie im Jahr darauf den Historikerpreis erhielt. Das Thema Kriegsheimkehrer und ihre Gewalterfahrungen war Mitte der 50er-Jahre aus dem Fokus des öffentlichen Interesses geraten. Der Grund liegt für die Bremer Historikerin Doris Kaufmann auf der Hand.
„Sicherlich auch, weil im Gegensatz zur Beschäftigung mit NS-Opfern die Kriegsheimkehrer implizit und manchmal auch explizit mit der deutschen Schuld in Verbindung gebracht werden und damit Opfer sind, die es – ich sage es mal umgangssprachlich – verdient hatten.“
Svenja Goltermann war sieben Jahre Assistentin am Bremer Institut für Geschichtswissenschaft; Doris Kaufmann hat ihre Habilitationsschrift begutachtet.
„Und das Zweite ist sicherlich ein generationsbedingtes Phänomen – der größere Abstand und größere Freiheit, das hat die Svenja Goltermann sehr gut gemacht, auch dieser Nicht-Verarbeitung von Gewalt, Gewalterinnerung und Nachleben von Gewalterfahrung mit einer gewissen Distanz genähert hat, ohne damit gleichzeitig einen Entschuldungskurs weiterzutreiben, den es natürlich gibt, wenn man die vielen Veröffentlichungen über Flucht und Vertreibung denkt. Es ist in gewisser Weise eine Provokation, und ich vermute, es werden viele doch trotzdem in diesen Entschuldungsdiskurs bringen, aber das geht an dieser Arbeit vorbei. Das ist nicht der Punkt.“
Svenja Goltermann zitiert aus psychiatrischen Krankenakten, einem Quellenmaterial, das bislang ungenutzt blieb und sie erstmals einsah und auswertete. Hierin sind Selbstzeugnisse der Kriegsheimkehrer zu finden wie auch schriftlich niedergelegte Einschätzungen der Angehörigen, vor allem aber Gesprächsprotokolle der Psychiater. Kritik kam aus dem historischen Seminar der Universität Freiburg, in das Svenja Goltermann 2007 wechselte. Ist es wissenschaftlich-methodisch vertretbar, die Quellenbasis auf einige Hundert Krankenakten aus drei psychiatrischen Anstalten zu beschränken und daraus Schlüsse und Thesen zu einem derart komplexen und sozial tiefgehenden Problemfeld zu ziehen? Die Bremer Historikerin Doris Kaufmann verteidigt ihre frühere Assistentin.
„Angesichts der geschichtswissenschaftlichen Hinwendung erneut zur Politikwissenschaft finde ich gerade dieses erste Kapitel eine Krönung eines kulturgeschichtlichen Ansatzes, der versucht, Mentalitäten zu erschließen. Das ist keine Fragen von Massenakten, sondern eine Frage, inwieweit man einzelne Fallbeispiele dicht beschreiben und eine Nähe herstellen kann, die sich nicht an quantitativer Quellenzahl misst, sondern an der Kunst der Kontextualisierung und Interpretation.“
Was für Kriegsheimkehr galt, galt natürlich auch für Überlebende des NS-Terrors. Die damalige psychiatrische Lehrmeinung entsprach in jenen Jahren internationalem Stand. Wenngleich auch in Deutschland vereinzelt Stimmen laut wurden, sich zu einer „größeren Aufgeschlossenheit gegenüber früheren KZ-Insassen“ durchzuringen, kam der Anstoß, die strengen, ja menschenverachtenden Maßstäbe zu lockern, aus dem Ausland, vorneweg aus den USA und Israel.
Im zweiten Teil ihres Buches erzählt Svenja Goltermann, wie sich „die Grenzen der psychiatrischen Definitionsmacht“ verschoben. Im Vorgriff auf den Historikerstreit der 80er-Jahre und der sich anschließenden Totalitarismusdebatte bezieht die Autorin klar Stellung und weist einen Vergleich von NS-Opfern und Kriegsheimkehrern zurück. Anders als den Frontkämpfern, mit ihren zeitlich begrenzten Erlebnissen von körperlichen Verletzungen und Entbehrungen, seien „die KZ-Insassen niemals wieder in ein bergendes Gehäuse entlassen“ worden, das erfüllt war von „Wohlwollen einer sie akzeptierenden Gesellschaft, von Sicherheit und Fürsorge in Lazaretten und Krankenhäusern“.
„Gleiches Recht für alle, sagen damals auch viele Kriegsopferverbände. Man muss dabei sehen, die Wiedergutmachung ist dem Zivilrecht zugeordnet, die Kriegsopferversorgung dem Sozialrecht. Der Zwang, kausale Ursache nachzuweisen, ist im Zivilrecht nicht ganz so groß wie im Sozialrecht. Trotzdem hat es politisch-moralisch Überlegungen, warum man diesen Schritt im Blick auf die Überlebenden der NS-Verfolgung nicht übertragen hat auf die Kriegsheimkehrer.“
In einem dritten und abschließenden Teil beleuchtet Svenja Goltermann die Kriegsheimkehrer in der „öffentlichen Aufmerksamkeit“. Selbst in Filmen wie „Die Mörder sind unter uns“ oder „Irgendwo in Berlin“, in denen das Schicksal der Soldaten entgegen der herrschenden psychiatrischen Lehrmeinung erzählt wird, kehren die meisten unversehrt von der Front und aus den Lagern zurück und packen trotz all Widrigkeiten an – hartnäckig und mit Willenskraft, so wie es nicht nur die Psychiater von ihnen erwarteten.
Weitere Informationen:
Svenja Goltermann: Die Gesellschaft der Überlebenden.
Deutsche Kriegsheimkehrer und ihre Gewalterfahrungen
im Zweiten Weltkrieg
DVA, November 2009, 592 Seiten, 29,95 Euro
https://www.deutschlandfunk.de

Siehe auch:

 




3. Rechtsprechung zur Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Nationalsozialismus, NS-Vergangenheitsbewältigung und Auswirkungen bis heute


BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
Verurteilung wegen Verunglimpfung des Staates aufgehoben

Pressemitteilung Nr. 150/2000 vom 23. November 2000
Beschluss vom 03. November 2000
1 BvR 581/00
Die 2. Kammer des Ersten Senats des BVerfG hat der Verfassungsbeschwerde (Vb) gegen eine strafgerichtliche Verurteilung wegen Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole stattgegeben und die Sache nach Aufhebung der strafgerichtlichen Entscheidungen an das Amtsgericht (AG) Tiergarten in Berlin zurückverwiesen.
1. Im September 1997 fand in Berlin eine angemeldete Versammlung unter dem Motto "Freiheit für U" statt, an welcher der Beschwerdeführer (Bf) als Versammlungsleiter teilnahm. Thema der Veranstaltung war die vorangegangene Inhaftierung des U, der später wegen Abspielens des Liedes "Deutschland muss sterben" der Hamburger Punkrock-Gruppe "Slime" verurteilt wurde. Gegen Ende der Kundgebung ließ der Bf eben jenes Lied über den Lautsprecherwagen in großer Lautstärke abspielen, obwohl er zuvor mehrfach von Polizeibeamten darauf hingewiesen worden war, dass das genannte Lied nicht abgespielt werden dürfe. Die ca. 50 Versammlungsteilnehmer sangen das Lied teilweise mit.
In diesem Lied werden die Verhältnisse im Lande scharf angegriffen; der wiederkehrende und den größten Teil des Textes ausmachende Refrain lautet: "Deutschland muss sterben, damit wir leben können".

Nach den Feststellungen des AG ist das Lied nicht als jugendgefährdend indiziert; Tonaufzeichnungen davon sind im Handel frei erhältlich. Das AG verurteilte den Bf wegen einer Straftat nach § 90 a StGB zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen. Er habe durch Abspielen des Liedes bei einer Versammlung die Bundesrepublik Deutschland beschimpft und böswillig verächtlich gemacht. Dies ergebe sich aus dem eindeutigen Wortlaut des Liedtextes und den konkreten Umständen des Abspielens. Die Kunstfreiheit schütze den Bf nicht. Als rechtsstaatlich verfasste Demokratie sei die Bundesrepublik Deutschland in ihrem von der inneren Zustimmung ihrer Bürger abhängigen Bestand auf ein Mindestmaß an Achtung angewiesen, auch um die Grundrechtsausübung selbst wirksam gewährleisten zu können. Darin liege ein verfassungsrechtlich und strafrechtlich geschütztes Rechtsgut, das im vorliegenden Fall die Berufung auf die Kunstfreiheit versage.
Das Landgericht (LG) verwarf die Berufung des Bf. Dieser könne sich nicht auf die "Kunst- und Meinungsfreiheit" berufen, da der Schutzbereich dieser Grundrechte durch § 90 a Abs. 1 StGB eingeschränkt sei. Die Revision des Bf zum Kammergericht (KG) blieb ohne Erfolg.
2. Die Kammer hat die angegriffenen Entscheidungen aufgehoben und zur Begründung sinngemäß ausgeführt:
Das LG und ihm folgend das KG haben bereits Bedeutung und Tragweite des vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechts der Kunstfreiheit verkannt, für welches weder die Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG noch die des Art. 2 Abs. 1 Halbsatz 2 GG gelten. Das AG hat zwar zutreffend erkannt, dass es sich bei dem Lied um ein Kunstwerk im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG handelt, und ist der Frage der verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Einschränkung der Kunstfreiheit nachgegangen. Bei der Würdigung des Liedtextes hat es jedoch die der Kunst eigentümlichen Strukturmerkmale nicht hinreichend berücksichtigt und eine werkgerechte Interpretation verfehlt. Dadurch kommt es zu einer Grenzziehung zwischen Kunstfreiheit und widerstreitenden Verfassungswerten, die den Anforderungen des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG nicht gerecht wird:
Das AG hebt in seinem Urteil undifferenziert auf den "Wortlaut des inkriminierten Liedes" ab, "welcher unmissverständlich zum Ausdruck" bringe, "dass sich eine Besserung der Lage für die Staatsbürger nur durch eine Vernichtung des Staatssystems der Bundesrepublik Deutschland erreichen lassen soll". Diese Interpretation wird dem satirischen, verfremdenden und metaphorischen Gehalt des Werks jedoch nicht gerecht. Bei dem Lied handelt es sich erkennbar um eine plakative, drastische Kritik mit satirischem Einschlag an gesellschaftlichen und politischen Zuständen in Deutschland. Charakteristisches Merkmal dieser Kunstform ist, dass der Aussagekern mit symbolhaft überfrachteten Bildern verbrämt und in karikaturhaft überzeichneten Ausdrücken umschrieben wird; typisch sind auch Anspielungen auf zeitgeschichtliche Vorgänge und literarische Reminiszenzen.
Die Kammer stellt die kritische Absicht des Liedes dar und führt zu seinem künstlerischen Anspruch als literarisches Vorbild das Gedicht "Die schlesischen Weber" von Heinrich Heine an. Zum zeitgeschichtlichen Zusammenhang weist die Kammer ferner auf das in Hamburg stehende Denkmal für das Hanseatische Infanterieregiment Nr. 76 von 1936 hin, welches die Inschrift trägt "Deutschland muß leben, und wenn wir sterben müssen". Anfang der 80-er Jahre gab es in Hamburg eine breite öffentliche, zum Teil emotionale Auseinandersetzung um dieses Denkmal und ein in seiner unmittelbaren Nähe aufgestelltes "Gegendenkmal" von Alfred Hrdlicka. Die Hamburger Punkrock-Gruppe "Slime" hatte damals diese Thematik in ihrem Lied aufgegriffen. All diese Gesichtspunkte sind vom AG in seiner Würdigung des Aussagekerns des Liedes nicht berücksichtigt worden.
Karlsruhe, den 23. November 2000
https://www.bundesverfassungsgericht.de/


BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 987/20 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde

des Herrn Prof. Dr. L…,
- Bevollmächtigte:
… -
gegen
a)
das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs
vom 29. Januar 2020 - 4 B 19.1354 -,
b)
das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München
vom 26. April 2018 - M 10 K 17.238 -
hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richter Paulus,
Christ
und die Richterin Härtel
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der
Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 8. September 2020 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
G r ü n d e :
I.
1
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die verwaltungsgerichtliche Zurückweisung eines Widerrufsbegehrens wegen einer amtlichen Äußerung eines Oberbürgermeisters.
2
1. Der Beschwerdeführer ist emeritierter Professor für Politikwissenschaft. Die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Landeshauptstadt München, betreibt ein Dokumentationszentrum über die Geschichte und Rolle Münchens und seiner Bevölkerung zur Zeit des Nationalsozialismus (im Weiteren: Dokumentationszentrum). Im Jahr 2016 veröffentlichte der Beschwerdeführer gemeinsam mit einem weiteren Autor ein Buch, das die Darstellung der Haltung der Münchner Bevölkerung durch das Dokumentationszentrum als einseitig und zu pauschal verurteilend kritisierte. In dem Buch werden diverse Zeitzeugenaussagen aufgeführt, aus denen sich aus Sicht der Autoren ergibt, dass die Münchner Bevölkerung mit den Verfolgten sympathisiert und den Nationalsozialismus nur als „unabänderliche Schickung“ ertragen habe.
3
Nach der Veröffentlichung des Buches wandte sich ein Bürger schriftlich an den Oberbürgermeister als den für das Dokumentationszentrum verantwortlichen Vertreter der Stadt und kritisierte die Konzeption des Zentrums unter Hinweis auf die Veröffentlichung des Beschwerdeführers als wissenschaftlich unausgewogen. Dieser antwortete wie folgt:
„[Anrede],
vielen Dank für Ihr Schreiben […].
Der Inhalt der Dauerausstellung des NS-Dokumentationszentrums wurde von mehreren international renommierten Zeithistorikern erarbeitet und von einem großen wissenschaftlichen Beirat begleitet. Die von Herrn […] vorgetragenen Thesen werden von allen am Projekt beteiligten Fachleuten als falsch abgelehnt. Der beste Kenner der Materie, Prof. Dr. […], ehemaliger Direktor des Zentrums für Antisemitismusforschung in Berlin, schreibt zur Arbeit von Herrn […], dessen Zitate seien ‚willkürlich zusammengeklaubt‘… ‚Hier werden Zitatsplitter missbraucht, um Vorurteile zu generieren.‘ Nach Prof. […] betreibt Herr […] die Geschäfte jener, ‚die das deutsche Volk von jedem Wissen und jeder Verantwortung für den Holocaust reinwaschen wollen‘… ‚Anteilnahme und Unterstützung für die verfolgten Menschen ist die absolute Ausnahme.‘
Diskussion findet am NS-Dokumentationszentrum sehr wohl statt, jedoch auf wissenschaftlich fundiertem Niveau.
Mit freundlichen Grüßen
Dieter Reiter“
4
Nachdem er von dem Inhalt des Schreibens erfahren hatte, begehrte der Beschwerdeführer vom Oberbürgermeister eine Entschuldigung und verfolgte gerichtlich einen Widerrufsanspruch gegen die Landeshauptstadt München.
5
2. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Zwar beeinträchtige das Schreiben das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers, da es ihn in seiner beruflichen und sozialen Rolle als Wissenschaftler angreife. Diese Beeinträchtigung sei jedoch durch die amtliche Aufgabenwahrnehmung und Öffentlichkeitsarbeit im Rahmen des Dokumentationszentrums gerechtfertigt. Hier handele es sich um eine Reaktion auf ein konkretes Schreiben einer einzelnen Person, die das Ausstellungskonzept kritisiert habe, welches man daher ihr gegenüber auch habe rechtfertigen dürfen.
6
3. Die Berufung wies der Verwaltungsgerichthof zurück. Die Äußerung wahre die Anforderungen an staatliches, insbesondere kommunales, Informationshandeln. Zur im Rahmen der Selbstverwaltung zulässigen Einrichtung eines Dokumentationszentrums gehöre auch die Erstellung eines Ausstellungskonzepts und seine Kommunikation und Verteidigung im Wege der Öffentlichkeitsarbeit. Dies schließe auch wertende Stellungnahmen zu konkurrierenden wissenschaftlichen Auffassungen ein. Das Schreiben wahre die dabei zu stellenden Anforderungen der Ausgewogenheit, Distanz und Sachlichkeit. Angesichts des auf eine einzelne Privatperson begrenzten Adressatenkreises ziele es nicht darauf, den Beschwerdeführer öffentlich bloßzustellen oder zu disqualifizieren. Sein letzter Satz lasse sich nur im Kontext des an den Oberbürgermeister gerichteten Schreibens und der dortigen Forderung nach einer Einbeziehung der Publikation des Beschwerdeführers in das Ausstellungskonzept verstehen. Er bringe zum Ausdruck, dass hier eine politische Intervention in die Konzeption durch den wissenschaftlichen Beirat seitens des Oberbürgermeisters nicht stattfinden werde, sondern die Auseinandersetzung den wissenschaftlich arbeitenden Gremien überlassen bleiben solle.
7
4. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts, seiner Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit und des rechtlichen Gehörs.
II.
8
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG), weil sie unzulässig und jedenfalls unbegründet ist.
9
1. Der Beschwerdeführer legt nicht dar, dass er dem Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (§ 90 Abs. 2 BVerfGG) gerecht geworden ist, indem er den statthaften Rechtsbehelf der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 133 VwGO ergriffen hat. Er trägt auch nicht konkret und nachvollziehbar vor, dass dieser Rechtsbehelf von vornherein offensichtlich aussichtslos gewesen wäre. Vielmehr beruft er sich an anderer Stelle der Verfassungsbeschwerde gerade darauf, dass die Verwaltungsgerichte von einer Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts abgewichen seien und dass sein Fall auch über den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung habe. Ein Ausschöpfen des fachgerichtlichen Rechtswegs wäre daher sogar nach dem eigenen Vortrag erfolgsversprechend und daher keineswegs unzumutbar gewesen. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Unzumutbarkeit eines weiteren fachgerichtlichen Vorgehens, die er mit seinem hohen Alter begründet, ist nicht dazu geeignet, ein Abgehen vom Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde zu rechtfertigen.
10
2. Die Verfassungsbeschwerde genügt zudem offensichtlich nicht den Anforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG.
11
Ihre Begründung lässt eine Verletzung von Rechten im Sinne des § 90 Abs. 1 BVerfGG inhaltlich nachvollziehbar nicht erkennen. Der Großteil der anwaltlich verfassten Verfassungsbeschwerde erschöpft sich in einer kaum strukturierten kritischen Würdigung des erstinstanzlichen verwaltungsgerichtlichen Urteils. Hierbei gehen Ausführungen zu den wissenschaftlichen Arbeiten des Beschwerdeführers und anderer Wissenschaftler, Rechtsausführungen und Schilderungen des erstinstanzlichen Urteils ineinander. Auf lediglich eineinhalb Seiten geht der Beschwerdeführer auf das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs ein. Die eigentlichen Rechtsausführungen zur Begründetheit der Verfassungsbeschwerde erschöpfen sich im Wesentlichen in einer Charakterisierung des Schreibens als „Schmähung“ und Herabwürdigung des Beschwerdeführers und seiner wissenschaftlichen Arbeit. Zwar rekurrieren diese Ausführungen beiläufig auf die ebenfalls den Beschwerdeführer betreffende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Verfahren 1 BvR 2585/06, in dem er sich erfolgreich gegen einen ihn unnötig und unverhältnismäßig herabsetzenden Rundbrief der Bundeszentrale für politische Bildung gewandt hatte. Anforderungen und Maßstäbe dieser Entscheidung (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 17. August 2010 - 1 BvR 2585/06 -, Rn. 23 f.) und der dort in Bezug genommenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts werden jedoch weder herausgearbeitet, noch wird der vorliegende Fall darunter in fassbarer Weise subsumiert.
12
Insbesondere ist aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen nicht erkennbar, wie scharf und detailliert die in dem anlassgebenden Schreiben geäußerte Kritik am Ausstellungskonzept der Landeshauptstadt München ausfiel und welche Anregungen zu Änderungen dort gemacht wurden. Damit fehlt ein wesentlicher Bezugspunkt der hier verfahrensgegenständlichen Äußerung, deren Verhältnismäßigkeit und Sachlichkeit nur im Zusammenhang mit dem dazu Anlass bietenden Schreiben beurteilt werden kann. Auch sonst spielt es für die Verhältnismäßigkeit staatlicher Äußerungen eine erhebliche Rolle, in welchen Kontext die Äußerungen fallen und auf genau welche Infragestellungen sie reagieren. So wäre beispielsweise bei einer Äußerung in einem sozialen Medium, das auf starke Vereinfachung und Verkürzung zielt, eine pointiertere und gröbere Zuspitzung zulässig als in einem die Ausstellung begleitenden wissenschaftlich kuratierten Katalog. All dies sind Fragen, die ohne Kenntnis des konkreten Inhalts des anlassgebenden Schreibens nicht beurteilt werden können.
13
3. Die Verfassungsbeschwerde lässt auch jenseits dieser Zulässigkeitsmängel keine grundrechtlichen Fehler der Fachgerichte erkennen. Insbesondere liegt der Sachverhalt ganz erheblich anders als im Verfahren 1 BvR 2585/06. Vorliegend geht es nicht – wie damals – um einen öffentlichen Rundbrief an alle Abonnentinnen und Abonnenten der Bundeszentrale für politische Bildung, in dem der Beschwerdeführer öffentlich herabgesetzt wurde. Auch ist hier nicht von einer „Makulierung“ eines seiner Werke und einer damit verbundenen Tilgung aus dem öffentlichen Gedächtnis die Rede. Stattdessen wird lediglich in klarer und entschiedener Form gegenüber einem einzelnen Bürger begründet, warum man den wissenschaftlichen Beiträgen des Beschwerdeführers im Rahmen des Dokumentationszentrums kein Forum zur Verfügung stellen wollte und weshalb man seine Thesen und Arbeiten für fragwürdig hält. Dies muss – wie insbesondere der Verwaltungsgerichtshof eingehend und nachvollziehbar begründet – einer Kommune im Rahmen ihrer Selbstverwaltung, die auch eine zeitgeschichtliche Aufarbeitung und öffentliches Erinnern einschließt, möglich sein. Eine Kommune ist als Keimzelle der Demokratie (vgl. BVerfGE 11, 266 <275 f.>; 79, 127 <149>) ein politischer Verband, der sich durch seine gewählten Vertreter zu seiner Geschichte und den daraus folgenden Lehren und Verantwortlichkeiten verhalten können muss. Erst recht gilt dies, wenn das anlassgebende Schreiben die wissenschaftliche Qualität und Ausgewogenheit des städtischen Ausstellungskonzepts infrage stellt und angreift (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 17. August 2010 - 1 BvR 2585/06 -, Rn. 24).
14
Zu berücksichtigen ist auch, dass anders als in den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu Äußerungsbefugnissen von Regierungsmitgliedern (vgl. BVerfGE 148, 11; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 9. Juni 2020 - 2 BvE 1/19 -) vorliegend eine Beeinträchtigung der Chancengleichheit der Parteien nicht in Rede steht. Die Problemlage, inwieweit in Regierung und Ämtern befindliche Parteipolitikerinnen und -politiker in amtlicher Funktion mit staatlichen Mitteln zulasten bestimmter politischer Parteien Stellung beziehen dürfen, wirft wesentlich andere Fragen auf als der vorliegende Fall. Die insoweit zu stellenden besonderen Neutralitätsanforderungen sind ausweislich ihrer Herleitung (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 9. Juni 2020 - 2 BvE 1/19 -, Rn. 43-65) zunächst auf den Wettbewerb der Parteien beschränkt (vgl. auch BVerfGE 136, 323 <334 f. Rn. 30>). Der das Ausstellungskonzept der Landeshauptstadt nach außen vertretende Oberbürgermeister hat hier nicht im Kontext des politischen Wettbewerbs gehandelt, sondern im Rahmen seiner Informations- und Öffentlichkeitsarbeit als oberster Repräsentant der kommunalen Selbstverwaltung der Landeshauptstadt (vgl. auch BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 9. Juni 2020 - 2 BvE 1/19 -, Rn. 51 f. m.w.N.).
15
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
16
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Paulus Christ Härtel
https://www.bundesverfassungsgericht.de/

BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
Beschluss vom 15. Januar 1958 - 1 BvR 400/51
BVerfGE 7,198 ff.

Die Grundrechte sind in erster Linie Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat; in den Grundrechtsbestimmungen des Grundgesetzes verkörpert sich aber auch eine objektive Wertordnung, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts gilt.
Im bürgerlichen Recht entfaltet sich der Rechtsgehalt der Grundrechte mittelbar durch die privatrechtlichen Vorschriften. Er ergreift vor allem Bestimmungen zwingenden Charakters und ist für den Richter besonders realisierbar durch die Generalklauseln.
Der Zivilrichter kann durch sein Urteil Grundrechte verletzen (§ 90 BVerfGG), wenn er die Einwirkung der Grundrechte auf das bürgerliche Recht verkennt. Das Bundesverfassungsgericht prüft zivilgerichtliche Urteile nur auf solche Verletzungen von Grundrechten, nicht allgemein auf Rechtsfehler nach.
Auch zivilrechtliche Vorschriften können "allgemeine Gesetze" im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG sein und so das Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung beschränken.
Die "allgemeinen Gesetze" müssen im Lichte der besonderen Bedeutung des Grundrechts der freien Meinungsäußerung für den freiheitlichen demokratischen Staat ausgelegt werden.
Das Grundrecht des Art. 5 GG schützt nicht nur das Äußern einer Meinung als solches, sondern auch das geistige Wirken durch die Meinungsäußerung.
Eine Meinungsäußerung, die eine Aufforderung zum Boykott enthält, verstößt nicht notwendig gegen die guten Sitten im Sinne des § 826 BGB; sie kann bei Abwägung aller Umstände des Falles durch die Freiheit der Meinungsäußerung verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein.
Urteil des Ersten Senats vom 15. Januar 1958
- 1 BvR 400/51 -
in dem Verfahren über
die Verfassungsbeschwerde
des Senatsdirektors Erich L. in Hamburg
gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 22. November 1951 - Az. 15. O. 87/51 -.
Entscheidungsformel
Das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 22. November 1951 - Az. 15. O. 87/51 - verletzt das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes und wird deshalb aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Hamburg zurückverwiesen.
Gründe:
A.
1
Der Beschwerdeführer - damals Senatsdirektor undLeiter der Staatlichen Pressestelle der Freien und Hansestadt Hamburg - hat am 20. September 1950 anläßlich der Eröffnung der "Woche des deutschen Films" als Vorsitzender des Hamburger Presseklubs in einer Ansprache vor Filmverleihern und Filmproduzenten u. a. folgendes erklärt:
2
"Nachdem der deutsche Film im Dritten Reich seinen moralischen Ruf verwirkt hatte, ist allerdings ein Mann am wenigsten von allen geeignet, diesen Ruf wiederherzustellen: das ist der Drehbuchverfasser und Regisseur des Films 'Jud Süß'! Möge uns weiterer unabsehbarer Schaden vor der ganzen Welt erspart bleiben, der eintreten würde, indem man ausgerechnet ihn als Repräsentanten des deutschen Films herauszustellen sucht. Sein Freispruch in Hamburg war nur ein formeller. Die Urteilsbegründung war eine moralische Verdammung. Hier fordern wir von den Verleihern und Theaterbesitzern eine Haltung, die nicht ganz billig ist, die man sich aber etwas kosten lassen sollte: Charakter. Und diesen Charakter wünsche ich dem deutschen Film. Beweist er ihn und führt er den Nachweis durch Phantasie, optische Kühnheit und durch Sicherheit im Handwerk, dann verdient er jede Hilfe und dann wird er eines erreichen, was er zum Leben braucht: Erfolg beim deutschen wie beim internationalen Publikum."
3
Die Firma Domnick-Film-Produktion GmbH, die zu dieser Zeit den Film "Unsterbliche Geliebte" nach dem Drehbuch und unter der Regie des Filmregisseurs Veit Harlan herstellte, forderte daraufhin den Beschwerdeführer zu einer Äußerung darüber auf, mit welcher Berechtigung er die vorerwähnten Erklärungen gegen Harlan abgegeben habe. Der Beschwerdeführer erwiderte mit Schreiben vom 27. Oktober 1950, das er als "Offenen Brief" der Presse übergab, u. a. folgendes:
4
Das Schwurgericht hat ebensowenig widerlegt, daß Veit Harlan für einen großen Zeitabschnitt des Hitler-Reiches der 'Nazifilm-Regisseur Nr. 1' und durch seinen 'Jud Süß'-Film einer der wichtigsten Exponenten der mörderischen Judenhetze der Nazis war ... Es mag im In- und Ausland Geschäftsleute geben, die sich an einer Wiederkehr Harlans nicht stoßen. Das moralische Ansehen Deutschlands in der Welt darf aber nicht von robusten Geldverdienern erneut ruiniert werden. Denn Harlans Wiederauftreten muß kaum vernarbte Wunden wiederaufreißen und abklingendes Mißtrauen zum Schaden des deutschen Wiederaufbaus furchtbar erneuern. Es ist aus allen diesen Gründen nicht nur das Recht anständiger Deutscher, sondern sogar ihre Pflicht, sich im Kampf gegen diesen unwürdigen Repräsentanten des deutschen Films über den Protest hinaus auch zum Boykott bereitzuhalten."
5
Die Domnick-Film-Produktion GmbH und die Herzog-Film GmbH (diese als Verleiherin des Films "Unsterbliche Geliebte" für das Bundesgebiet) erwirkten nun beim Landgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung gegen den Beschwerdeführer, durch die ihm verboten wurde,
6
1. die deutschen Theaterbesitzer und Filmverleiher aufzufordern, den Film "Unsterbliche Geliebte" nicht in ihr Programm aufzunehmen,
7
2. das deutsche Publikum aufzufordern, diesen Film nicht zu besuchen.
8
Das Oberlandesgericht Hamburg wies die Berufung des Beschwerdeführers gegen das landgerichtliche Urteil zurück.
9
Auf Antrag des Beschwerdeführers wurde den beiden Filmgesellschaften eine Frist zur Klageerhebung gesetzt. Auf ihre Klage erließ das Landgericht Hamburg am 22. November 1951 folgendes Urteil:
10
"Der Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung einer gerichtsseitig festzusetzenden Geld- oder Haftstrafe zu unterlassen,
11
1. die deutschen Theaterbesitzer und Filmverleiher aufzufordern, den bei der Klägerin zu 1) produzierten und von der Klägerin zu 2) zum Verleih im Bundesgebiet übernommenen Film 'Unsterbliche Geliebte' nicht in ihr Programm aufzunehmen,
12
2. das deutsche Publikum aufzufordern, diesen Film nicht zu besuchen.
13
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 110 000 DM vorläufig vollstreckbar."
14
Das Landgericht erblickt in den Äußerungen des Beschwerdeführers eine sittenwidrige Aufforderung zum Boykott. Ihr Ziel sei, ein Wiederauftreten Harlans "als Schöpfer repräsentativer Filme" zu verhindern. Die Aufforderung des Beschwerdeführers laufe sogar "praktisch darauf hinaus, Harlan von der Herstellung normaler Spielfilme überhaupt auszuschalten, denn jeder derartige Film könnte durch die Regieleistung zu einem repräsentativen Film werden". Da Harlan aber in dem wegen seiner Beteiligung an dem Film "Jud Süß" gegen ihn eingeleiteten Strafverfahren rechtskräftig freigesprochen worden sei und auf Grund der Entscheidung im Entnazifizierungsverfahren in der Ausübung seines Berufes keinen Beschränkungen mehr unterliege, verstoße dieses Vorgehen des Beschwerdeführers gegen "die demokratische Rechts- und Sittenauffassung des deutschen Volkes". Dem Beschwerdeführer werde nicht zum Vorwurf gemacht, daß er über das Wiederauftreten Harlans eine ablehnende Meinung geäußert habe, sondern daß er die Öffentlichkeit aufgefordert habe, durch ein bestimmtes Verhalten die Aufführung von Harlan-Filmen und damit das Wiederauftreten Harlans als Filmregisseur unmöglich zu machen. Diese Boykottaufforderung richte sich auch gegen die klagenden Filmgesellschaften; denn wenn der in der Herstellung befindliche Film keinen Absatz finden könne, drohe ihnen ein empfindlicher Vermögensschaden. Der objektive Tatbestand einer unerlaubten Handlung nach § 826 BGB sei damit erfüllt, ein Unterlassungsanspruch also gegeben.
15
Der Beschwerdeführer legte gegen dieses Urteil Berufung zum Oberlandesgericht Hamburg ein. Gleichzeitig hat er Verfassungsbeschwerde erhoben, in der er die Verletzung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) rügt. Er habe am Verhalten Harlans und der Filmgesellschaften politische und moralische Kritik geübt. Dazu sei er berechtigt, denn Art. 5 GG verbürge nicht nur die Freiheit der Rede ohne Wirkungsabsicht, sondern gerade auch die Freiheit des Wirkens durch das Wort. Seine Äußerungen stellten Werturteile dar. Das Gericht habe irrigerweise geprüft, ob sie inhaltlich richtig seien und gebilligt werden könnten, während es nur darauf ankomme, ob sie rechtlich zulässig seien. Das aber seien sie, denn das Grundrecht der Meinungsfreiheit habe sozialen Charakter und gewähre ein subjektives öffentliches Recht darauf, durch geistiges Handeln die öffentliche Meinung mitzubestimmen und an der "Gestaltung des Volkes zum Staat" mitzuwirken. Dieses Recht finde seine Grenze ausschließlich in den "allgemeinen Gesetzen" (Art. 5 Abs. 2 GG). Soweit durch die Meinungsäußerung in das öffentliche, politische Leben hineingewirkt werden solle, könnten als "allgemeine Gesetze" nur solche angesehen werden, die öffentliches Recht enthielten, nicht aber die Normen des Bürgerlichen Gesetzbuchs über unerlaubte Handlungen. Was dagegen in der Sphäre des bürgerlichen Rechts sonst unerlaubt sei, könne durch Verfassungsrecht in der Sphäre des öffentlichen Rechts gerechtfertigt sein; die Grundrechte als subjektive Rechte mit Verfassungsrang seien für das bürgerliche Recht "Rechtfertigungsgründe mit Vorrang".
16
Dem Bundesminister der Justiz, dem Senat der Freien und Hansestadt Hamburg und den beiden Filmgesellschaften wurde Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Der Senat hat mitgeteilt, daß er sich den Ausführungen der Verfassungsbeschwerde anschließe. Die Filmgesellschaften halten das Urteil des Landgerichts für zutreffend.
17
In der mündlichen Verhandlung waren der Beschwerdeführer und die beiden Filmgesellschaften vertreten.
18
Die Akten des Landgerichts Hamburg 15 Q 35/50 und 15 O 87/51 sowie das Urteil des Schwurgerichts I in Hamburg vom 29. April 1950  - (50) 16/50  /  14 Ks 8/49 waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
B. -I.
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Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig; die Voraussetzungen für die Anwendung des § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG (Entscheidung vor Erschöpfung des Rechtsweges) liegen vor.
II.
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Der Beschwerdeführer behauptet, das Landgericht habe durch das Urteil sein Grundrecht auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes verletzt.
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1. Das Urteil des Landgerichts, ein Akt der öffentlichen Gewalt in der besonderen Erscheinungsform der rechtsprechenden Gewalt, kann durch seinen Inhalt ein Grundrecht des Beschwerdeführers nur verletzen, wenn dieses Grundrecht bei der Urteilsfindung zu beachten war.
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Das Urteil untersagt dem Beschwerdeführer Äußerungen, durch die er andere dahin beeinflussen könnte, sich seiner Auffassung über das Wiederauftreten Harlans anzuschließen und ihr Verhalten gegenüber den von ihm gestalteten Filmen entsprechend einzurichten. Das bedeutet objektiv eine Beschränkung des Beschwerdeführers in der freien Äußerung seiner Meinung. Das Landgericht begründet seinen Ausspruch damit, daß es die Äußerungen des Beschwerdeführers als eine unerlaubte Handlung nach § 826 BGB gegenüber den Klägerinnen betrachtet und diesen daher auf Grund der Vorschriften des bürgerlichen Rechts einen Anspruch auf Unterlassung der Äußerungen zuerkennt. So führt der vom Landgericht angenommene bürgerlich-rechtliche Anspruch der Klägerinnen durch das Urteil des Gerichts zu einem die Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers beschränkenden Ausspruch der öffentlichen Gewalt. Dieser kann das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nur verletzen, wenn die angewendeten Vorschriften des bürgerlichen Rechts durch die Grundrechtsnorm inhaltlich so beeinflußt werden, daß sie das Urteil nicht mehr tragen.
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Die grundsätzliche Frage, ob Grundrechtsnormen auf das bürgerliche Recht einwirken und wie diese Wirkung im einzelnen gedacht werden müsse, ist umstritten (über den Stand der Meinungen siehe neuestens Laufke in der Festschrift für Heinrich Lehmann, 1956, Band I S. 145 ff., und Dürig in der Festschrift für Nawiasky, 1956, S. 157 ff.). Die äußersten Positionen in diesem Streit liegen einerseits in der These, daß die Grundrechte ausschließlich gegen den Staat gerichtet seien, andererseits in der Auffassung, daß die Grundrechte oder doch einige und jedenfalls die wichtigsten von ihnen auch im Privatrechtsverkehr gegen jedermann gälten. Die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann weder für die eine noch für die andere dieser extremen Auffassungen in Anspruch genommen werden; die Folgerungen, die das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 10. Mai 1957 - NJW 1957, S. 1688 - aus den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 17. und 23. Januar 1957 (BVerfGE 6, 55 und 6, 84) in dieser Hinsicht zieht, gehen zu weit. Auch jetzt besteht kein Anlaß, die Streitfrage der sogenannten "Drittwirkung" der Grundrechte in vollem Umfang zu erörtern. Zur Gewinnung eines sachgerechten Ergebnisses genügt folgendes:
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Ohne Zweifel sind die Grundrechte in erster Linie dazu bestimmt, die Freiheitssphäre des einzelnen vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt zu sichern; sie sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat. Das ergibt sich aus der geistesgeschichtlichen Entwicklung der Grundrechtsidee wie aus den geschichtlichen Vorgängen, die zur Aufnahme von Grundrechten in die Verfassungen der einzelnen Staaten geführt haben. Diesen Sinn haben auch die Grundrechte des Grundgesetzes, das mit der Voranstellung des Grundrechtsabschnitts den Vorrang des Menschen und seiner Würde gegenüber der Macht des Staates betonen wollte. Dem entspricht es, daß der Gesetzgeber den besonderen Rechtsbehelf zur Wahrung dieser Rechte, die Verfassungsbeschwerde, nur gegen Akte der öffentlichen Gewalt gewährt hat.
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Ebenso richtig ist aber, daß das Grundgesetz, das keine wertneutrale Ordnung sein will (BVerfGE 2, 1 [12] ; 5, 85 [ 134 ff., 197 ff. ] ; 6, 32 [40 f.]), in seinem Grundrechtsabschnitt auch eine objektive Wertordnung aufgerichtet hat und daß gerade hierin eine prinzipielle Verstärkung der Geltungskraft der Grundrechte zum Ausdruck kommt (Klein-v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, Vorbem. B III 4 vor Art. 1 S. 93). Dieses Wertsystem, das seinen Mittelpunkt in der innerhalb der sozialen Gemeinschaft sich frei entfaltenden menschlichen Persönlichkeit und ihrer Würde findet, muß als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts gelten; Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung empfangen von ihm Richtlinien und Impulse. So beeinflußt es selbstverständlich auch das bürgerliche Recht; keine bürgerlich-rechtliche Vorschrift darf in Widerspruch zu ihm stehen, jede muß in seinem Geiste ausgelegt werden.
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Der Rechtsgehalt der Grundrechte als objektiver Normen entfaltet sich im Privatrecht durch das Medium der dieses Rechtsgebiet unmittelbar beherrschenden Vorschriften. Wie neues Recht im Einklang mit dem grundrechtlichen Wertsystem stehen muß, so wird bestehendes älteres Recht inhaltlich auf dieses Wertsystem ausgerichtet; von ihm her fließt ihm ein spezifisch verfassungsrechtlicher Gehalt zu, der fortan seine Auslegung bestimmt. Ein Streit zwischen Privaten über Rechte und Pflichten aus solchen grundrechtlich beeinflußten Verhaltensnormen des bürgerlichen Rechts bleibt materiell und prozessual ein bürgerlicher Rechtsstreit. Ausgelegt und angewendet wird bürgerliches Recht, wenn auch seine Auslegung dem öffentlichen Recht, der Verfassung, zu folgen hat.
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Der Einfluß grundrechtlicher Wertmaßstäbe wird sich vor allem bei denjenigen Vorschriften des Privatrechts geltend machen, die zwingendes Recht enthalten und so einen Teil des ordre public - im weiten Sinne - bilden, d. h. der Prinzipien, die aus Gründen des gemeinen Wohls auch für die Gestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen den einzelnen verbindlich sein sollen und deshalb der Herrschaft des Privatwillens entzogen sind. Diese Bestimmungen haben nach ihrem Zweck eine nahe Verwandtschaft mit dem öffentlichen Recht, dem sie sich ergänzend anfügen. Das muß sie in besonderem Maße dem Einfluß des Verfassungsrechts aussetzen. Der Rechtsprechung bieten sich zur Realisierung dieses Einflusses vor allem die "Generalklauseln", die, wie § 826 BGB, zur Beurteilung menschlichen Verhaltens auf außer-zivilrechtliche, ja zunächst überhaupt außerrechtliche Maßstäbe, wie die "guten Sitten", verweisen. Denn bei der Entscheidung darüber, was diese sozialen Gebote jeweils im Einzelfall fordern, muß in erster Linie von der Gesamtheit der Wertvorstellungen ausgegangen werden, die das Volk in einem bestimmten Zeitpunkt seiner geistig-kulturellen Entwicklung erreicht und in seiner Verfassung fixiert hat. Deshalb sind mit Recht die Generalklauseln als die "Einbruchstellen" der Grundrechte in das bürgerliche Recht bezeichnet worden (Dürig in Neumann-Nipperdey-Scheuner, Die Grundrechte, Band II S. 525).
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Der Richter hat kraft Verfassungsgebots zu prüfen, ob die von ihm anzuwendenden materiellen zivilrechtlichen Vorschriften in der beschriebenen Weise grundrechtlich beeinflußt sind; trifft das zu, dann hat er bei Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften die sich hieraus ergebende Modifikation des Privatrechts zu beachten. Dies ist der Sinn der Bindung auch des Zivilrichters an die Grundrechte (Art. 1 Abs. 3 GG). Verfehlt er diese Maßstäbe und beruht sein Urteil auf der Außerachtlassung dieses verfassungsrechtlichen Einflusses auf die zivilrechtlichen Normen, so verstößt er nicht nur gegen objektives Verfassungsrecht, indem er den Gehalt der Grundrechtsnorm (als objektiver Norm) verkennt, er verletzt vielmehr als Träger öffentlicher Gewalt durch sein Urteil das Grundrecht, auf dessen Beachtung auch durch die rechtsprechende Gewalt der Bürger einen verfassungsrechtlichen Anspruch hat. Gegen ein solches Urteil kann - unbeschadet der Bekämpfung des Rechtsfehlers im bürgerlich-rechtlichen Instanzenzug - das Bundesverfassungsgericht im Wege der Verfassungsbeschwerde angerufen werden.
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Das Verfassungsgericht hat zu prüfen, ob das ordentliche Gericht die Reichweite und Wirkkraft der Grundrechte im Gebiet des bürgerlichen Rechts zutreffend beurteilt hat. Daraus ergibt sich aber zugleich die Begrenzung der Nachprüfung: es ist nicht Sache des Verfassungsgerichts, Urteile des Zivilrichters in vollem Umfange auf Rechtsfehler zu prüfen; das Verfassungsgericht hat lediglich die bezeichnete "Ausstrahlungswirkung" der Grundrechte auf das bürgerliche Recht zu beurteilen und den Wertgehalt des Verfassungsrechtssatzes auch hier zur Geltung zu bringen. Sinn des Instituts der Verfassungsbeschwerde ist es, daß alle Akte der gesetzgebenden, vollziehenden und richterlichen Gewalt auf ihre "Grundrechtsmäßigkeit" nachprüfbar sein sollen (§ 90 BVerfGG). Sowenig das Bundesverfassungsgericht berufen ist, als Revisions- oder gar "Superrevisions"-Instanz gegenüber den Zivilgerichten tätig zu werden, sowenig darf es von der Nachprüfung solcher Urteile allgemein absehen und an einer in ihnen etwa zutage tretenden Verkennung grundrechtlicher Normen und Maßstäbe vorübergehen.
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2. Die Problematik des Verhältnisses der Grundrechte zum Privatrecht scheint im Falle des Grundrechts der freien Meinungsäußerung (Art. 5 GG) anders gelagert zu sein. Dieses Grundrecht ist - wie schon in der Weimarer Verfassung (Art. 118) - vom Grundgesetz nur in den Schranken der "allgemeinen Gesetze" gewährleistet (Art. 5 Abs. 2). Ohne daß zunächst untersucht wird, welche Gesetze "allgemeine" Gesetze in diesem Sinne sind, ließe sich die Auffassung vertreten, hier habe die Verfassung selbst durch die Verweisung auf die Schranke der allgemeinen Gesetze den Geltungsanspruch des Grundrechts von vornherein auf den Bereich beschränkt, den ihm die Gerichte durch ihre Auslegung dieser Gesetze noch belassen. Das Ergebnis dieser Auslegung müsse, soweit es eine Beschränkung des Grundrechts darstelle, hingenommen werden und könne deshalb niemals als eine "Verletzung" des Grundrechts angesehen werden.
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Dies ist indessen nicht der Sinn der Verweisung auf die "allgemeinen Gesetze". Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ist als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt (un des droits les plus précieux de l"homme nach Artikel 11 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789). Für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung ist es schlechthin konstituierend, denn es ermöglicht erst die ständige geistige Auseinandersetzung, den Kampf der Meinungen, der ihr Lebenselement ist (BVerfGE 5, 85 [205]). Es ist in gewissem Sinn die Grundlage jeder Freiheit überhaupt, "the matrix, the indispensable condition of nearly every other form of freedom" (Cardozo).
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Aus dieser grundlegenden Bedeutung der Meinungsäußerungsfreiheit für den freiheitlich-demokratischen Staat ergibt sich, daß es vom Standpunkt dieses Verfassungssystems aus nicht folgerichtig wäre, die sachliche Reichweite gerade dieses Grundrechts jeder Relativierung durch einfaches Gesetz (und damit zwangsläufig durch die Rechtsprechung der die Gesetze auslegenden Gerichte) zu überlassen. Es gilt vielmehr im Prinzip auch hier, was oben allgemein über das Verhältnis der Grundrechte zur Privatrechtsordnung ausgeführt wurde: die allgemeinen Gesetze müssen in ihrer das Grundrecht beschränkenden Wirkung ihrerseits im Lichte der Bedeutung dieses Grundrechts gesehen und so interpretiert werden, daß der besondere Wertgehalt dieses Rechts, der in der freiheitlichen Demokratie zu einer grundsätzlichen Vermutung für die Freiheit der Rede in allen Bereichen, namentlich aber im öffentlichen Leben, führen muß, auf jeden Fall gewahrt bleibt. Die gegenseitige Beziehung zwischen Grundrecht und "allgemeinem Gesetz" ist also nicht als einseitige Beschränkung der Geltungskraft des Grundrechts durch die "allgemeinen Gesetze" aufzufassen; es findet vielmehr eine Wechselwirkung in dem Sinne statt, daß die "allgemeinen Gesetze" zwar dem Wortlaut nach dem Grundrecht Schranken setzen, ihrerseits aber aus der Erkenntnis der wertsetzenden Bedeutung dieses Grundrechts im freiheitlichen demokratischen Staat ausgelegt und so in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden müssen.
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Das Bundesverfassungsgericht, das durch das Rechtsinstitut der Verfassungsbeschwerde zur Wahrung der Grundrechte letztlich berufen ist, muß demgemäß auch hier die rechtliche Möglichkeit besitzen, die Rechtsprechung der Gerichte dort zu kontrollieren, wo sie in Anwendung eines allgemeinen Gesetzes den grundrechtlich bestimmten Raum betreten und damit möglicherweise den Geltungsanspruch des Grundrechts im Einzelfall unzulässig beschränken. Es muß zu seiner Kompetenz gehören, den spezifischen Wert, der sich in diesem Grundrecht für die freiheitliche Demokratie verkörpert, allen Organen der öffentlichen Gewalt, also auch den Zivilgerichten, gegenüber zur Geltung zu bringen und den verfassungsrechtlich gewollten Ausgleich zwischen den sich gegenseitig widerstreitenden, hemmenden und beschränkenden Tendenzen des Grundrechts und der "allgemeinen Gesetze" herzustellen.
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3. Der Begriff des "allgemeinen" Gesetzes war von Anfang an umstritten. Es mag dahinstehen, ob der Begriff nur infolge eines Redaktionsversehens in den Artikel 118 der Reichsverfassung von 1919 gelangt ist (siehe dazu Häntzschel im Handbuch des deutschen Staatsrechts, 1932, Band II S. 658). Jedenfalls ist er bereits während der Geltungsdauer dieser Verfassung dahin ausgelegt worden, daß darunter alle Gesetze zu verstehen sind, die "nicht eine Meinung als solche verbieten, die sich nicht gegen die Äußerung der Meinung als solche richten", die vielmehr "dem Schutze eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsguts dienen", dem Schutze eines Gemeinschaftswerts, der gegenüber der Betätigung der Meinungsfreiheit den Vorrang hat (vgl. die Zusammenstellung der inhaltlich ü ereinstimmenden Formulierungen bei Klein-v. Mangoldt, aaO, S. 250 f., sowie Veröffentl. der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, Heft 4, 1928, S. 6 ff., bes. S. 18 ff., 51 ff.). Dem stimmen auch die Ausleger des Grundgesetzes zu (vgl. etwa Ridder in Neumann-Nipperdey-Scheuner, Die Grundrechte, Band II S. 282: "Gesetze, die nicht die rein geistige Wirkung der reinen Meinungsäußerung inhibieren").
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Wird der Begriff "allgemeine Gesetze" so verstanden, dann ergibt sich zusammenfassend als Sinn des Grundrechtsschutzes:
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Die Auffassung, daß nur das Äußern einer Meinung grundrechtlich geschützt sei, nicht die darin liegende oder damit bezweckte Wirkung auf andere, ist abzulehnen. Der Sinn einer Meinungs äußerung ist es gerade, "geistige Wirkung auf die Umwelt" ausgehen zu lassen, "meinungsbildend und überzeugend auf die Gesamtheit zu wirken" (Häntzschel, HdbDStR II, S. 655). Deshalb sind Werturteile, die immer eine geistige Wirkung erzielen, nämlich andere überzeugen wollen, vom Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt; ja der Schutz des Grundrechts bezieht sich in erster Linie auf die im Werturteil zum Ausdruck kommende eigene Stellungnahme des Redenden, durch die er auf andere wirken will. Eine Trennung zwischen (geschützter) Äußerung und (nicht geschützter) Wirkung der Äußerung wäre sinnwidrig.
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Die - so verstandene - Meinungsäußerung ist als solche, d.h. in ihrer rein geistigen Wirkung, frei; wenn aber durch sie ein gesetzlich geschütztes Rechtsgut eines anderen beeinträchtigt wird, dessen Schutz gegenüber der Meinungsfreiheit den Vorrang verdient, so wird dieser Eingriff nicht dadurch erlaubt, daß er mittels einer Meinungsäußerung begangen wird. Es wird deshalb eine "Güterabwägung" erforderlich: Das Recht zur Meinungsäußerung muß zurücktreten, wenn schutzwürdige Interessen eines anderen von höherem Rang durch die Betätigung der Meinungsfreiheit verletzt würden. Ob solche überwiegenden Interessen anderer vorliegen, ist auf Grund aller Umstände des Falles zu ermitteln.
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4. Von dieser Auffassung aus bestehen keine Bedenken dagegen, auch Normen des bürgerlichen Rechts als "allgemeine Gesetze" im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG anzuerkennen. Wenn das bisher in der Literatur im allgemeinen nicht geschehen ist (worauf auch Klein-v. Mangoldt, aaO, S. 251, hinweist), so kommt darin nur zum Ausdruck, daß man die Grundrechte lediglich in ihrer Wirkung zwischen Bürger und Staat gesehen hat, so daß folgerichtig als einschränkende allgemeine Gesetze nur solche in Betracht kamen, die staatliches Handeln gegenüber dem einzelnen regeln, also Gesetze öffentlich-rechtlichen Charakters. Wenn aber das Grundrecht der freien Meinungsäußerung auch in den Privatrechtsverkehr hineinwirkt und sein Gewicht sich hier zugunsten der Zulässigkeit einer Meinungsäußerung auch dem einzelnen Mitbürger gegenüber geltend macht, so muß auf der andern Seite auch die das Grundrecht unter Umständen beschränkende Gegenwirkung einer privatrechtlichen Norm, soweit sie höhere Rechtsgüter zu schützen bestimmt ist, beachtet werden. Es wäre nicht einzusehen, warum zivilrechtliche Vorschriften, die die Ehre oder andere wesentliche Güter der menschlichen Persönlichkeit schützen, nicht ausreichen sollten, um der Ausübung des Grundrechts der freien Meinungsäußerung Schranken zu setzen, auch ohne daß zu dem gleichen Zweck Strafvorschriften erlassen werden.
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Der Beschwerdeführer befürchtet, daß durch Beschränkung der Redefreiheit einem einzelnen gegenüber die Gefahr heraufgeführt werden könnte, der Bürger werde in der Möglichkeit, durch seine Meinung in der Öffentlichkeit zu wirken, allzusehr beengt und die unerläßliche Freiheit der öffentlichen Erörterung gemeinschaftswichtiger Fragen sei nicht mehr gewährleistet. Diese Gefahr besteht in der Tat (vgl. dazu Ernst Helle, Der Schutz der persönlichen Ehre und des wirtschaftlichen Rufes im Privatrecht, 1957, S. 65, 83-85, 153). Um ihr zu begegnen, ist es aber nicht erforderlich, das bürgerliche Recht aus der Reihe der allgemeinen Gesetze schlechthin auszuscheiden. Es muß nur auch hier der freiheitliche Gehalt des Grundrechts entschieden festgehalten werden. Es wird vor allem dort in die Waagschale fallen müssen, wo von dem Grundrecht nicht zum Zwecke privater Auseinandersetzungen Gebrauch gemacht wird, der Redende vielmehr in erster Linie zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen will, so daß die etwaige Wirkung seiner Äußerung auf den privaten Rechtskreis eines anderen zwar eine unvermeidliche Folge, aber nicht das eigentliche Ziel der Äußerung darstellt. Gerade hier wird das Verhältnis von Zweck und Mittel bedeutsam. Der Schutz des privaten Rechtsguts kann und muß um so mehr zurücktreten, je mehr es sich nicht um eine unmittelbar gegen dieses Rechtsgut gerichtete Äußerung im privaten, namentlich im wirtschaftlichen Verkehr und in Verfolgung eigennütziger Ziele, sondern um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage durch einen dazu Legitimierten handelt; hier spricht die Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede.
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Es ergibt sich also: Auch Urteile des Zivilrichters, die auf Grund "allgemeiner Gesetze" bürgerlich-rechtlicher Art im Ergebnis zu einer Beschränkung der Meinungsfreiheit gelangen, können das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG verletzen. Auch der Zivilrichter hat jeweils die Bedeutung des Grundrechts gegenüber dem Wert des im "allgemeinen Gesetz" geschützten Rechtsguts für den durch die Äußerung angeblich Verletzten abzuwägen. Die Entscheidung kann nur aus einer Gesamtanschauung des Einzelfalles unter Beachtung aller wesentlichen Umstände getroffen werden. Eine unrichtige Abwägung kann das Grundrecht verletzen und so die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht begründen.
III.
41
Die Beurteilung des Falles auf Grund der vorstehenden allgemeinen Darlegungen ergibt, daß die Rüge des Beschwerdeführers berechtigt ist. Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Prüfung ist dabei der Inhalt des landgerichtlichen Urteils, wie er sich aus Tenor und Entscheidungsgründen ergibt. Ob die Entscheidung des Gerichts auch dann verfassungsrechtlichen Bedenken unterläge, wenn sie - im Anschluß an die Ausführungen im Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg im Verfahren der einstweiligen Verfügung - auf die Bestimmung des § 823 Abs. 1 BGB gestützt worden wäre, kann das Bundesverfassungsgericht nicht abschließend entscheiden, weil nicht ohne weiteres unterstellt werden darf, daß das Landgericht sich die Begründung des Oberlandesgerichts in allen Einzelheiten zu eigen gemacht haben würde. Wegen der sich hier ergebenden Probleme mag auf die Ausführungen von Helle, aaO, S. 75 ff. (bes. S. 83-85) verwiesen werden.
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1. In der mündlichen Verhandlung ist erörtert worden, ob das Bundesverfassungsgericht an die tatsächlichen Feststellungen, die das Landgericht seinem Urteil zugrunde gelegt hat, gebunden ist. Das ist nicht lediglich mit dem Hinweis zu beantworten, daß nach § 26 BVerfGG im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht der Grundsatz der materiellen Wahrheitsfindung gilt; denn der hier angegriffene Akt der öffentlichen Gewalt ist in einem Verfahren zustande gekommen, das seinerseits von der "Dispositionsmaxime" beherrscht wird. Die Frage braucht jedoch hier nicht grundsätzlich entschieden zu werden. Die äußeren Tatsachen, namentlich der Wortlaut der Äußerungen des Beschwerdeführers, sind unbestritten; unbestritten ist auch, daß der Beschwerdeführer als Privatmann, nicht als Vertreter des hamburgischen Staates, gesprochen hat. In der Deutung der Äußerungen kann dem Landgericht jedenfalls soweit gefolgt werden, als es darin eine "Aufforderung zum Boykott", auch in Richtung gegen die Filmgesellschaften, sieht. Der Beschwerdeführer selbst hat insoweit keine Bedenken erhoben. Was das Ziel der Äußerungen anlangt, so ist es unbedenklich, wenn das Landgericht feststellt, daß der Beschwerdeführer "ein Wiederauftreten Harlans als Schöpfer repräsentativer Filme" habe verhindern wollen; ob die daran geknüpfte Folgerung, daß dies "praktisch darauf hinauslaufe", Harlan von der Herstellung normaler Spielfilme überhaupt auszuschalten, angesichts des Wortlauts der Äußerungen nicht doch zu weit geht, muß freilich zweifelhaft erscheinen, kann aber dahingestellt bleiben, da es für die Entscheidung ohne Bedeutung ist.
43
Für die rechtliche Beurteilung ist davon auszugehen, daß "Boykott" kein eindeutiger Rechtsbegriff ist, der als solcher schon eine unerlaubte (sittenwidrige) Handlung bezeichnet. In der Rechtsprechung ist mit Recht darauf hingewiesen worden (so besonders RGZ 155, 257 [276 f.]), daß es keinen fest umgrenzten Tatbestand des sittenwidrigen Boykotts gibt, daß es vielmehr immer darauf ankommt, ob ein Verhalten in seinem konkreten Zusammenhang als "sittenwidrig" anzusehen ist. Auch aus diesem Grunde ist es unbedenklich, die Deutung des Landgerichts zu übernehmen; denn sie sagt über die rechtlichen Folgen dieser Beurteilung noch nichts Entscheidendes aus. Man muß sich von der Suggestivkraft des Begriffs "Boykott" freihalten und das Verhalten des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit allen seinen Begleitumständen sehen.
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2. Das Landgericht hat die Verurteilung des Beschwerdeführers auf § 826 BGB gestützt. Es nimmt an, daß das Verhalten des Beschwerdeführers im Sinne dieser Bestimmung gegen die guten Sitten, gegen die "demokratische Rechts- und Sittenauffassung des deutschen Volkes", verstoßen habe und deshalb eine unerlaubte Handlung darstelle, da ein Rechtfertigungsgrund nicht erkennbar sei. Dabei brauche derjenige, dessen Recht sittenwidrig beeinträchtigt werde, nicht mit dem Geschädigten identisch zu sein.
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Nach dem oben zu II 4 Ausgeführten muß § 826 BGB, der grundsätzlich alle Rechte und Güter gegen sittenwidrige Angriffe schützt, als ein "allgemeines Gesetz" im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG angesehen werden. Die Prüfung des Bundesverfassungsgerichts beschränkt sich danach auf die Frage, ob das Landgericht bei der Anwendung dieser Generalklausel Bedeutung und Reichweite des Grundrechts der freien Meinungsäußerung richtig erkannt und gegen die Interessen Harlans und der Filmgesellschaften abgewogen hat.
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§ 826 BGB verweist auf den Maßstab der "guten Sitten". Es handelt sich hier nicht um irgendwie vorgegebene und daher (grundsätzlich) unveränderliche Prinzipien reiner Sittlichkeit, sondern um die Anschauungen der "anständigen Leute" davon, was im sozialen Verkehr zwischen den Rechtsgenossen "sich gehört". Diese Anschauungen sind geschichtlich wandelbar, können daher - in gewissen Grenzen - auch durch rechtliche Gebote und Verbote beeinflußt werden. Der Richter, der das hiernach sozial Geforderte oder Untersagte im Einzelfall ermitteln muß, hat sich, wie aus der Natur der Sache folgt, ihm aber auch in Art. 1 Abs. 3 GG ausdrücklich vorgeschrieben ist, dabei an jene grundsätzlichen Wertentscheidungen und sozialen Ordnungsprinzipien zu halten, die er im Grundrechtsabschnitt der Verfassung findet. Innerhalb dieser Wertordnung, die zugleich eine Wertrang ordnung ist, muß auch die hier erforderliche Abwägung zwischen dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und den seine Ausübung beschränkenden Rechten und Rechtsgütern vorgenommen werden.
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Für die Entscheidung der Frage, ob eine Aufforderung zum Boykott nach diesen Maßstäben sittenwidrig ist, sind zunächst Motive, Ziel und Zweck der Äußerungen zu prüfen; ferner kommt es darauf an, ob der Beschwerdeführer bei der Verfolgung seiner Ziele das Maß der nach den Umständen notwendigen und angemessenen Beeinträchtigung der Interessen Harlans und der Filmgesellschaften nicht überschritten hat.
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a) Sicherlich haftet den Motiven, die den Beschwerdeführer zu seinen Äußerungen veranlaßt haben, nichts Sittenwidriges an. Der Beschwerdeführer hat keine eigenen Interessen wirtschaftlicher Art verfolgt; er stand namentlich weder mit den klagenden Filmgesellschaften noch mit Harlan in Konkurrenzbeziehungen. Das Landgericht hat selbst bereits in seinem Urteil im Verfahren der einstweiligen Verfügung festgestellt, die mündliche Verhandlung habe nicht die geringsten Anhaltspunkte dafür ergeben, daß der Beschwerdeführer etwa "aus eigennützigen bzw. nicht achtenswerten Motiven" gehandelt habe. Dem ist von keiner Seite widersprochen worden.
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b) Das Ziel der Äußerungen des Beschwerdeführers war, wie er selbst angibt, Harlan als repräsentativen Vertreter des deutschen Films auszuschalten; er wollte verhindern, daß Harlan wieder als Schöpfer repräsentativer deutscher Filme herausgestellt werde und damit der Anschein entstehe, als sei ein neuer Aufstieg des deutschen Films notwendig mit der Person Harlans verbunden. Die Gerichte haben nicht zu beurteilen, ob diese Zielsetzung sachlich zu billigen ist, sondern nur, ob ihre Bekundung in der vom Beschwerdeführer gewählten Form rechtlich zulässig war.
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Die Äußerungen des Beschwerdeführers müssen im Rahmen seiner allgemeinen politischen und kulturpolitischen Bestrebungen gesehen werden. Er war von der Sorge bewegt, das Wiederauftreten Harlans könne - vor allem im Ausland - so gedeutet werden, als habe sich im deutschen Kulturleben gegenüber der nationalsozialistischen Zeit nichts geändert; wie damals, so sei Harlan auch jetzt wieder der repräsentative deutsche Filmregisseur. Diese Befürchtungen betrafen eine für das deutsche Volk sehr wesentliche Frage, im Grunde die seiner sittlichen Haltung und seiner darauf beruhenden Geltung in der Welt. Dem deutschen Ansehen hat nichts so geschadet wie die grausame Verfolgung der Juden durch den Nationalsozialismus. Es besteht also ein entscheidendes Interesse daran, daß die Welt gewiß sein kann, das deutsche Volk habe sich von dieser Geisteshaltung abgewandt und verurteile sie nicht aus politischen Opportunitätsgründen, sondern aus der durch eigene innere Umkehr gewonnenen Einsicht in ihre Verwerflichkeit.
51
Die Befürchtungen des Beschwerdeführers sind von ihm nicht nachträglich konstruiert, sie entsprechen der Sachlage, wie sie sich damals für ihn darstellte. Das ist später unter anderem dadurch bestätigt worden, daß z.B. in der Schweiz der Versuch, den Film "Unsterbliche Geliebte" zu zeigen, zu lebhaften Protesten, ja sogar zu einer Interpellation im Nationalrat und zu einer amtlichen Stellungnahme des Bundesrats geführt hat (vgl. Neue Zeitung Nr. 70 vom 22./23. März 1952 und Neue Zürcher Zeitung, Fernausgabe Nr. 327 vom 28. November 1951); der Film wurde einhellig nicht wegen seines Inhalts, sondern wegen der Mitwirkung Harlans abgelehnt und infolge dieser zahlreichen nachdrücklichen Interventionen auch nicht aufgeführt. Auch in mehreren deutschen Städten wurde aus den gleichen Gründen gegen die Aufführung des Films demonstriert. Der Beschwerdeführer konnte also in dem Wiederauftreten Harlans einen im Interesse der deutschen Entwicklung und des deutschen Ansehens in der Welt zu beklagenden Vorgang sehen. Die sich hiermit - nach seiner Auffassung - anbahnende Entwicklung wollte er verhindern.
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Das Landgericht hält es für zulässig, daß der Beschwerdeführer über das Wiederauftreten Harlans eine Meinung geäußert hat, macht ihm aber zum Vorwurf, daß er die Öffentlichkeit aufgefordert habe, durch ein bestimmtes Verhalten das Wiederauftreten Harlans unmöglich zu machen. Bei dieser Unterscheidung wird übersehen, daß der Beschwerdeführer, wenn man ihm schon gestatten will, über das Wiederauftreten Harlans eine (ablehnende) Meinung zu äußern, kaum über das hinausging, was in diesem Werturteil bereits enthalten war. Denn die Aufforderung, Harlan-Filme nicht abzunehmen und nicht zu besuchen, ergab sich als Wirkung des negativen Werturteils über das Wiederauftreten Harlans geradezu von selbst. Das sachliche Anliegen des Beschwerdeführers war es, die Gefahr nationalsozialistischer Einflüsse auf das deutsche Filmwesen von vornherein abzuwehren; von da her hat er folgerichtig das Wiederauftreten Harlans bekämpft. Harlan erscheint hier als persönlicher Exponent einer bestimmten, vom Beschwerdeführer abgelehnten kulturpolitischen Entwicklung. Der zulässige Angriff gegen diese führte mit einer gewissen Notwendigkeit zu einem Eingriff in die persönliche Rechtssphäre Harlans.
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Der Beschwerdeführer war durch seine besonders nahe persönliche Beziehung zu allem, was das deutsch-jüdische Verhältnis betraf, legitimiert, seine Auffassung in der Öffentlichkeit darzulegen. Er war damals bereits durch seine Bestrebungen um Wiederherstellung eines wahren inneren Friedens mit dem jüdischen Volke bekannt geworden. Er war führend in der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit tätig; er hatte kurz vorher in Rundfunk und Presse die Aktion "Friede mit Israel" eingeleitet, die in Deutschland und im Ausland lebhaft diskutiert worden war und ihm zahlreiche Zustimmungserklärungen eingebracht hatte. Es ist begreiflich, daß er befürchtete, alle diese Bestrebungen könnten durch das Wiederauftreten Harlans gestört und durchkreuzt werden. Er durfte aber auch davon ausgehen, daß man in der Öffentlichkeit gerade von ihm eine Äußerung dazu erwarte, zumal er aus Anlaß einer "Woche des deutschen Films" ohnedies zu aktuellen Filmfragen zu sprechen hatte und die unmittelbar bevorstehende Aufführung des ersten neuen Harlan-Films in Fachkreisen sicherlich als ein wichtiges Ereignis gewertet wurde. Der Beschwerdeführer konnte die Empfindung haben, daß er hier einer Stellungnahme nicht ausweichen dürfe. Daraus ergab sich für ihn eine defensive Situation, die seine Äußerungen nicht als einen unmotivierten und jedenfalls unprovozierten Angriff, sondern als eine verständliche Reaktion der Abwehr erscheinen läßt.
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Das Verlangen, der Beschwerdeführer hätte bei dieser Sachlage von der Kundgabe seiner Auffassung, daß Harlan von der Mitwirkung an repräsentativen Filmen ausgeschaltet werden solle, mit Rücksicht auf die beruflichen Interessen Harlans und die wirtschaftlichen Interessen der ihn beschäftigenden Filmgesellschaften trotzdem absehen müssen, ist unberechtigt. Die Filmgesellschaften mögen bei ihrem Entschluß, Harlan wieder zu beschäftigen, formal korrekt verfahren sein. Wenn sie dabei aber die darüber hinaus verbleibende moralische Problematik des Falles nicht berücksichtigt haben, dann kann das nicht dazu führen, das Vorgehen des Beschwerdeführers, der gerade diese Problematik aufgriff, als "unsittlich" zu bezeichnen und ihm so die Freiheit der Meinungsäußerung zu beschneiden. Damit würde der Wert, den das Grundrecht der freien Meinungsäußerung für die freiheitliche Demokratie gerade dadurch besitzt, daß es die öffentliche Diskussion über Gegenstände von allgemeiner Bedeutung und ernstem Gehalt gewährleistet, empfindlich geschmälert. Wenn es darum geht, daß sich in einer für das Gemeinwohl wichtigen Frage eine öffentliche Meinung bildet, müssen private und namentlich wirtschaftliche Interessen einzelner grundsätzlich zurücktreten. Diese Interessen sind darum nicht schutzlos; denn der Wert des Grundrechts zeigt sich gerade auch darin, daß jeder von ihm Gebrauch machen kann. Wer sich durch die öffentliche Äußerung eines andern verletzt fühlt, kann ebenfalls vor der Öffentlichkeit erwidern. Erst im Widerstreit der in gleicher Freiheit vorgetragenen Auffassungen kommt die öffentliche Meinung zustande, bilden sich die einzelnen angesprochenen Mitglieder der Gesellschaft ihre persönliche Ansicht. Der Beschwerdeführer hat zu Recht darauf hingewiesen, daß es z.B. grundsätzlich zulässig ist, aus ernsthaften Motiven in der Öffentlichkeit den Absatz bestimmter Waren oder bestimmte Organisationsformen des Verkaufs zu bekämpfen, auch wenn bei Erfolg solcher Meinungsäußerungen wirtschaftliche Unternehmen zum Erliegen kämen, Arbeitsplätze verlorengingen u. dgl. Solche Äußerungen können nicht schon wegen dieser möglichen Folgen gerichtlich untersagt werden - den Angegriffenen steht es aber frei, sich durch Darlegung ihrer Auffassung zur Wehr zu setzen.
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In diesem Zusammenhang hat das Landgericht auf Art. 2 GG hingewiesen. Es geht davon aus, Harlan dürfe seinen Beruf als Filmregisseur wieder aufnehmen und ausüben, da er vom Schwurgericht, vor dem er wegen eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit nach dem Kontrollratsgesetz Nr. 10 angeklagt war, freigesprochen, im Entnazifizierungsverfahren als "Entlasteter" eingestuft worden sei und die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (Spio) alle Tätigkeitsbeschränkungen gegen ihn aufgehoben habe. Artikel 2 wirke allerdings nur gegen die öffentliche Gewalt; zugleich komme aber in der Bestimmung die sittliche Auffassung des deutschen Volkes zum Ausdruck, mit der Folge, daß die eigenmächtige Beschränkung dieses Grundrechts, "von wem sie auch kommen mag", gegen die guten Sitten verstoße. Daran ist richtig, daß auch Art. 2 GG zu dem grundrechtlichen Wertsystem gehört und die Vorstellungen davon, was wider die "guten Sitten" verstößt, maßgeblich beeinflussen kann. Trotzdem wird hier die Bedeutung des Artikels 2 nicht richtig gesehen. Daß der Staat, die öffentliche Gewalt, nur in den Schranken der Gesetze gegen Harlan vorgehen durfte und darf, ist selbstverständlich. Daraus folgt aber nichts dafür, was der einzelne Bürger gegenüber Harlan unternehmen und äußern darf. Denn hier ist entscheidend, daß jeder einzelne Träger derselben Grundrechte ist. Da im Zusammenleben in einer großen Gemeinschaft sich notwendig ständig Interessen- und Rechtskollisionen zwischen den einzelnen ergeben, hat im sozialen Bereich ständig ein Ausgleich und eine Abwägung der einander entgegenstehenden Rechte nach dem Grade ihrer Schutzwürdigkeit stattzufinden. Was als Ergebnis einer solchen Abwägung an Beschränkung der freien Entfaltungsmöglichkeit für den einzelnen verbleibt, muß hingenommen werden. Niemand kann sich hier auf die angeblich absolut geschützte Position des Art. 2 GG zurückziehen und jeden Angriff auf sie, "von wem er auch kommen mag", als Unrecht oder Verstoß gegen die guten Sitten ansehen (vgl. auch H. Lehmann, MDR 1952, S. 298). Die Argumentation des Oberlandesgerichts Hamburg im Verfahren der einstweiligen Verfügung: "weil der Staat das Recht (zu gewissen Maßnahmen) nicht hat, so kann dieses Recht erst recht nicht der einzelne Bürger haben", ist irrig, weil sie Nicht-Zusammengehöriges in ein einfaches Verhältnis von mehr und weniger bringen will.
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Die Ausführungen des Landgerichts könnten auch so gedeutet werden, daß es in den Äußerungen des Beschwerdeführers einen Eingriff in den Kern der künstlerischen Persönlichkeit Harlans erblickt, den "letzten unantastbaren Bereich menschlicher Freiheit" (BVerfGE 6, 32 [41]), einen Eingriff also, der durch keine noch so gewichtigen Interessen des Beschwerdeführers gerechtfertigt werden könne und deshalb, weil er die Menschenwürde Harlans verletze, unter allen Umständen sittenwidrig sei. Eine so weitreichende Folgerung läßt aber der festgestellte Sachverhalt nicht zu. Selbst wenn man - über den Wortlaut der Äußerungen hinaus - mit dem Landgericht annimmt, bei Erfolg der Aufforderung werde Harlan als Regisseur von Spielfilmen völlig ausgeschaltet, würden diesem doch noch andere künstlerische Betätigungsmöglichkeiten - auch im Filmwesen - verbleiben, so daß von einer gänzlichen Vernichtung seiner künstlerischen und menschlichen Existenz nicht gesprochen werden könnte. Eine solche Annahme würde aber überhaupt die Intensität des in den Äußerungen liegenden Eingriffs erheblich überschätzen. Die Äußerungen konnten als solche die künstlerische und menschliche Entfaltungsfreiheit Harlans unmittelbar und wirksam überhaupt nicht beschränken. Dem Beschwerdeführer standen keinerlei Zwangsmittel zu Gebote, um seiner Aufforderung Nachdruck zu verleihen; er konnte nur an das Verantwortungsbewußtsein und die sittliche Haltung der von ihm Angesprochenen appellieren und mußte es ihrer freien Willensentschließung überlassen, ob sie ihm folgen wollten. Daß er auf die Subventionierung von Filmen durch den hamburgischen Staat Einfluß gehabt hätte, also durch die Drohung mit dem Entzug oder der Versagung von Subventionen einen gewissen Druck wenigstens auf die Filmproduzenten hätte ausüben können, ist nicht dargetan.
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c) Die Gegner des Beschwerdeführers haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht besonderes Gewicht darauf gelegt, daß die vom Beschwerdeführer bei der Boykottaufforderung angewandten Mittel jedenfalls in einer Hinsicht in sich schon sittenwidrig gewesen seien. Der Beschwerdeführer habe nämlich die objektiv unwahre Behauptung aufgestellt, Harlan sei vom Schwurgericht nur formell freigesprochen worden, die Urteilsgründe seien eine moralische Verdammung gewesen.
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Es mag dahinstehen, ob dieser Vorwurf, wenn er gerechtfertigt wäre, ein so umfassendes Verbot begründen könnte, wie es im Urteil des Landgerichts ausgesprochen ist. Das Landgericht selbst ist der Auffassung, "daß die Verwendung sittenwidriger Mittel wohl ein Verbot der Boykottaufforderung mit diesen Mitteln, nicht aber ein Verbot der Boykottaufforderung schlechthin rechtfertigen würde". Indessen kann nicht anerkannt werden, daß der Beschwerdeführer sich mit dieser Kennzeichnung des Schwurgerichtsurteils eines Sittenverstoßes schuldig gemacht habe.
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Aus dem Inhalt des Schwurgerichtsurteils ist festzustellen: Das Urteil schildert den Lebensgang Harlans, insbesondere seine Laufbahn als Filmregisseur, die nach 1933 begann und ihn alsbald zum "Prestigeregisseur" (so kennzeichnet Harlan selbst seine Stellung in der Schrift "Meine Beziehung zum Nationalsozialismus", S. 21) aufsteigen ließ. Das Urteil stellt dann die Entstehungsgeschichte des Films "Jud Süß" und die Beteiligung Harlans an diesem Film als Regisseur und Drehbuchmitautor im einzelnen dar. Es schreibt dem Film "klare antisemitische Tendenz" zu, würdigt ihn im Zusammenhang mit den allgemeinen Umständen zur Zeit seiner Entstehung und ersten Aufführung (1940) dahin, daß er durch die tendenziöse Beeinflussung der öffentlichen Meinung im judenfeindlichen Sinn mitursächlich für die Judenverfolgung gewesen sei, und kennzeichnet ihn deshalb in objektiver Hinsicht als ein "Angriffsverhalten"" wie es nach der Rechtsprechung für den Begriff des Verbrechens gegen die Menschlichkeit im Sinne des Kontrollratsgesetzes Nr. 10 erfordert werde. Da Harlan als Mitgestalter des Drehbuchs und Regisseur objektiv zum Kreis der Angriffstäter gehöre und da er auch die mit dem Film verfolgten Absichten erkannt sowie mit den voraussichtlichen Wirkungen des Films gerechnet habe, kommt das Urteil zur Feststellung, daß er durch seine maßgebende Mitwirkung bei der Schaffung dieses Films "in objektiver und subjektiver Hinsicht den Tatbestand des Verbrechens gegen die Menschlichkeit erfüllt" habe. Es spricht ihn trotzdem frei, weil es ihm den Schuldausschließungsgrund des sogenannten Nötigungsnotstands (§ 52 StGB) zubilligt. Dazu wird im einzelnen ausgeführt:
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"Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, daß Harlan sich nicht um die Mitwirkung an der Herstellung des Films 'Jud Süß' bemüht hat, sondern im Gegenteil erst auf Grund des ihm vom Propagandaminister Goebbels erteilten Befehls tätig geworden ist. Zur Beurteilung der Frage, wie Goebbels sich im Fall der offenen oder versteckten Ablehnung Harlans verhalten haben würde, war zunächst auf Grund allgemeiner gerichtsnotorischer Tatsachen festzustellen, daß im November 1939 bereits der Kriegszustand zwischen Deutschland und Polen und die Möglichkeit der weiteren Ausdehnung des Krieges auf andere Staaten bestand. Goebbels vertrat die These, daß im Kriege jeder Deutsche seine Aufgabe an dem Platz zu erfüllen habe, an den er gestellt sei, und daß jeder Deutsche 'Soldat des Führers' sei. Goebbels selbst betrachtete sich in seiner Eigenschaft als Propagandaminister als General des Führers und die unter ihm arbeitenden Beamten des Propagandaministeriums und alle seinem Ministerium unterstellten Personen, auch Filmproduzenten, Regisseure, Schauspieler usw. als unter seinem Befehl stehende Soldaten. Die Nichtausführung eines von Goebbels gegebenen Befehles wurde seit Beginn des Krieges von ihm als Verweigerung eines kriegsdienstlichen Befehles angesehen und es bedarf keiner Erörterung darüber, daß eine solche von den damaligen Machthabern mit den schärfsten Strafen, auch mit der Todesstrafe, belegt worden wäre. In derartigen Fällen bewies Goebbels eine unmenschliche Härte und Skrupellosigkeit zur Durchführung seiner Absichten, so daß die Möglichkeit einer offenen Ablehnung von vornherein ausgeschlossen war. Darüber hinaus bewiesen die angeführten Einzelbeispiele, wie unberechenbar und gefährlich Goebbels in seinen Handlungen sein konnte. Weiter zeigt die Tatsache, daß Goebbels als Propagandaminister jahrelang zugesehen hat, wie deutsche Menschen, deutsche Städte durch einen sinnlosen Krieg zugrundegerichtet wurden und wie Millionen unschuldiger Menschen durch die Willkürmaßnahmen des nationalsozialistischen Regimes in einer jeder Menschlichkeit Hohn sprechenden Art und Weise gequält, gedemütigt, ja sogar gemordet wurden, und daß Goebbels alle diese Taten durch seine Propaganda zu rechtfertigen suchte, wie skrupellos und ohne moralische Hemmungen dieser Propagandadiktator war. Unter dem nationalsozialistischen Gewaltsystem sind ferner eine große Anzahl bedeutender und im Volke außerordentlich angesehener Männer aus den einflußreichsten Stellungen entfernt worden, in Konzentrationslager verbracht, zum Selbstmord getrieben oder hingerichtet worden, und zwar in vielen Fällen ohne daß auch nur der Schein des Rechtes gewahrt worden wäre. Alle diese Tatsachen erhellen, das Goebbels zur Durchsetzung seiner Absichten ebenso wie die andern nationalsozialistischen Machthaber vor keiner Gewalttat zurückschreckte.
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Als Goebbels im Jahre 1938 die Auflage an die Filmgesellschaften erteilte, je einen antisemitischen Filmstoff herauszubringen, verfolgte er planmäßig die im nationalsozialistischen Programm festgelegten antisemitischen Thesen. Im Jahre 1939 mußte die antisemitische Propaganda nach der Auffassung der damaligen Machthaber eine noch weit größere Bedeutung erlangen, da sie das Weltjudentum als den Feind Europas und als ihren stärksten Gegner betrachteten, wie das auch in den Reden Adolf Hitlers ständig zum Ausdruck gekommen ist. Die Durchführung der von Goebbels erteilten Auflage gewann daher zunehmend größere Bedeutung. Sie mußte sogar von seinem Standpunkt aus von größtem staatspolitischen Wert sein. Goebbels war daher schon aus den hier aufgezeigten Gründen an der Durchführung seiner Befehle auf das heftigste interessiert. Bei dem Film 'Jud Süß' kam jedoch hinzu, daß Goebbels auch persönlich durch den von den Schauspielern geleisteten Widerstand gegen das Filmprojekt äußerst gereizt war. Es galt für ihn, seinen Willen in diktatorischer Weise gegenüber jedem Widerstand durchzusetzen. Unter Berücksichtigung aller dieser Umstände konnte zumindest die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden, daß für Harlan im Falle einer offenen oder versteckten Ablehnung, falls diese von Goebbels erkannt wurde, Gefahr für Leib und Leben bestand. Das Schwurgericht ist darüber hinaus sogar der Auffassung, daß diese Lebensbedrohung bei der 'Persönlichkeit Goebbels' durchaus ernsthaft gegeben war und zwar um so mehr, als das Verhältnis zwischen Goebbels und Harlan besonders im Jahre 1939/40 außerordentlich gespannt war. Von der großen Zahl der zu diesem Punkt vernommenen Zeugen hat nicht ein einziger mit Sicherheit sagen können, welche Folgewirkungen für Harlan hätten entstehen können. Sie stimmten jedoch weitgehend darin überein, daß Goebbels in irgendeiner Weise seine furchtbare Macht Harlan hätte spüren lassen. Für die rechtliche Entscheidung kann es jedoch nicht von Bedeutung sein, ob Goebbels gegen Harlan als Verweigerer eines kriegsdienstlichen Befehls etwa ein Verfahren vor dem Sondergericht in die Wege geleitet oder ihn der Willkürbehandlung im Konzentrationslager überantwortet hätte, oder ob er schließlich irgendeinen anderen, nicht im Zusammenhang mit dem Filmprojekt stehenden Vorwand gesucht und gefunden hätte, Harlan als politischen Gegner, Saboteur  oder wegen irgendeines anderen Deliktes den gleichen Maßnahmen auszusetzen. Daß die Harlan drohende Gefahr eine gegenwärtige war, bedarf keiner weiteren Ausführungen, da die Folgen der Nichtausführung des Goebbelsbefehles in jedem Augenblick eintreten konnten, in dem Goebbels Harlans wahre Absichten erkannte."
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Es wird dann geprüft, ob Harlan zu seiner Mitarbeit an dem Film etwa durch andere Beweggründe bestimmt worden sei. Solche Motive lassen sich nach Auffassung des Schwurgerichts nicht feststellen. Es heißt dann weiter:
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"Es ist bereits ausgeführt worden, daß die offene Ablehnung der Mitarbeit an dem Filmprojekt 'Jud Süß' für Harlan eine schwere Bedrohung und Lebensgefahr bedeutet hätte. Es war aber weiter zu prüfen, welche Möglichkeiten für ihn bestanden haben, durch verstecktes Ausweichen dieser Gefahr zu entgehen und sich dennoch der Beteiligung an der Filmarbeit zu entziehen. Der Angeklagte hat nun behauptet, er habe alle Möglichkeiten, um den Goebbels"schen Befehl herumzukommen, voll ausgeschöpft, andere Möglichkeiten als die von ihm versuchten hätten ihm nicht zur Verfügung gestanden.
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Dem Angeklagten konnte nicht widerlegt werden, daß er verschiedene Ausweichmanöver versucht hat und zwar, daß er das Drehbuch bei Goebbels gründlich verrissen, sich zur Darstellung rein negativer Personen unfähig erklärt, auf seine dringenden Arbeiten an seinem Film 'Pedro soll hängen' und an dem neuen Projekt 'Agnes Bernauer' verwiesen hat und daß er sich schließlich freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet hat. Soweit es sich bei den von dem Angeklagten behaupteten Ausweichmanövern um Einwendungen künstlerischer Art handelte, konnte seine Haltung ihre Erklärung auch in der Besorgnis eines Regisseurs finden, der auf Grund eines schlechten Drehbuchs einen schlechten Film zu drehen fürchtete. Trotzdem konnte das Gericht nicht mit Sicherheit ausschließen, daß alle diese Maßnahmen Harlans aus einer inneren Ablehnung gegen das Filmprojekt als solche ergriffen wurden. Es war daher die weitere Frage zu prüfen, ob sich Harlan über die von ihm behaupteten Ausweichversuche hinaus weitere Möglichkeiten zum Ausweichen geboten haben könnten. Das Gericht hat solche Möglichkeiten nicht feststellen können."
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Das Urteil legt dann im einzelnen dar, daß zu der Zeit, als Harlan mit der Gestaltung des Films beauftragt wurde, für ihn kaum noch Möglichkeiten bestanden hätten, sich der Mitarbeit zu entziehen, den Film zu sabotieren oder seinen antisemitischen Inhalt wesentlich zu mildern; daß er das letztere wenigstens versucht habe, wird ihm ausdrücklich bescheinigt. In diesem Zusammenhang wird gesagt:
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"Dem Angeklagten konnte auch nicht zum strafrechtlichen Vorwurf gemacht werden, daß er den Film in einer seinen künstlerischen Fähigkeiten entsprechenden Form gestaltet hat. Es wird wohl zutreffen, daß der Film unter Zugrundelegung des Metzger-Möller"-schen Drehbuches oder unter der Regie Dr. Brauers einen weit geringeren Zulauf bei dem Filmpublikum erreicht hätte. Es ist logisch und zwingend, daß in diesem Falle die antisemitische Tendenz des Films keine so weite Verbreitung hätte finden können, wie dies bei dem von Harlan hergestellten Film der Fall war. Es war hierbei zu berücksichtigen, daß Harlan durch eine künstlerisch nicht so hoch zu wertende Gestaltung seinen Ruf als großer Regisseur auf das schwerste hätte gefährden können. Das Schwurgericht ist jedoch der Ansicht, daß ein Künstler - ob er nun freiwillig oder gezwungen an die Erfüllung eines Auftrages geht - gar nicht imstande ist, zu bestimmen, ob er einen guten, zugkräftigen oder einen schlechten Film herstellt. In jedem Falle wird der Film so ausfallen, wie es seiner künstlerischen Begabung entspricht."
67
So gelangt das Urteil schließlich zu dem Ergebnis:
67
"Zusammenfassend ist zu sagen, daß die Tätigkeit Harlans in objektiver und subjektiver Hinsicht zwar den Tatbestand des Verbrechens gegen die Menschlichkeit erfüllt hat, ihm jedoch der Entschuldigungsgrund des § 52 StGB zuzubilligen war."
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Das Schwurgericht hat sonach nicht konkrete Tatsachen festgestellt, die für Harlan einen Notstand begründet hätten; es hat die von Harlan in dieser Richtung vorgetragenen Verteidigungsbehauptungen gewürdigt und ist zu dem Schluß gekommen, man müsse annehmen, daß bei Ablehnung einer Mitwirkung an dem Film für Harlan Gefahr für Leib und Leben bestanden habe; die aus allgemeinem geschichtlichen Wissen bekannten Charakterzüge von Goebbels machten eine solche Gefährdung sogar wahrscheinlich.
69
Diese Gedankenführung des schwurgerichtlichen Urteils hat der Beschwerdeführer zusammenfassend dahin gewertet, es handle sich hier um einen "formellen Freispruch" und eine "moralische Verdammung". Was der Beschwerdeführer zum Ausdruck bringen wollte, war offenbar dies: Es liege hier nicht ein Freispruch wegen erwiesener Unschuld vor; Harlan sei durch die Urteilsgründe in Wahrheit schwer belastet, da er als maßgebender Mitgestalter eines Werkes erscheine, das als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" zu charakterisieren sei und dessen mutmaßliche Wirkung auf die Behandlung der Juden er gekannt habe; das Gericht habe ihn nur freigesprochen, weil es ihm nicht habe widerlegen können, daß er unter Zwang an dem Film mitgewirkt habe.
70
Wenn der Beschwerdeführer seinen Eindruck vom Inhalt des schwurgerichtlichen Urteils in die Worte "formeller Freispruch" und "moralische Verdammung" zusammengefaßt hat, so geht das nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht über die Grenze des in der öffentlichen Diskussion eines Themas von ernstem Gehalt Zulässigen hinaus. Es bedeutet eine unannehmbare Einengung der Redefreiheit in einer freiheitlichen Demokratie, wenn das Landgericht hier von dem Beschwerdeführer, der nicht Jurist ist, die Sorgfalt sogar eines "strafrechtlich geschulten Lesers" fordert, die ihn hätte veranlassen müssen, die Kennzeichnung "formeller Freispruch" zu unterlassen, weil sie nur beim Fehlen objektiver Voraussetzungen der Strafbarkeit angängig sei. Die vom Beschwerdeführer gewählten Bezeichnungen sind keine Tatsachenbehauptungen, deren Wahrheit oder Unwahrheit bewiesen werden könnte; namentlich wird mit der Bezeichnung "formeller Freispruch" kein eindeutiger rechtlicher Tatbestand bezeichnet. Es handelt sich um eine zusammenfassende, wertende Charakterisierung des gesamten Urteilsinhalts, die für zulässig gehalten werden muß, weil sie weder in der Form verletzend ist noch inhaltlich so sehr den gemeinten Sachverhalt verfehlt, daß sie bei Hörern und Lesern ganz irrige Vorstellungen über den Urteilsinhalt erwecken müßte, wie es etwa der Fall wäre, wenn von einem Freigesprochenen ohne nähere Erläuterung behauptet würde, er sei "verurteilt" worden. Es ist hier auch von Bedeutung, daß der Freispruch Harlans in der breiteren Öffentlichkeit und erst recht in den Kreisen der Filmwirtschaft bereits bekannt war. Ebenso war bekannt, daß Harlan der Regisseur des Films "Jud Süß" gewesen war. Damit stand fest, daß das Urteil nicht die völlige "Unschuld" im Sinne einer Nichtbeteiligung Harlans an der Förderung der Judenverfolgung durch diesen Film festgestellt haben konnte, daß mithin der Freispruch auf einem anderen, vergleichsweise "formalen" Gesichtspunkt beruhen mußte. Die Äußerung des Beschwerdeführers kann also nicht in Vergleich gesetzt werden mit den Fällen, in denen eine Boykottaufforderung durch Verbreitung einer summarischen Kennzeichnung eines Sachverhalts begründet wird, die von den Adressaten nicht ohne weiteres richtig verstanden werden kann.
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d) Die vom Beschwerdeführer für seine Meinungsäußerung gewählten Formen der Ansprache vor dem Presseklub und des Offenen Briefes gingen nicht über das nach den Umständen Zulässige hinaus. Die Domnick-Film-Produktion GmbH hat in dem Schreiben, das sie nach der Ansprache des Beschwerdeführers an diesen richtete, hervorgehoben, daß ihr daran gelegen sei, die frühere künstlerische Höhe des deutschen Films wieder zu erreichen. In diesem "Bestreben nach künstlerisch anspruchsvollen Filmen" habe sie Harlan zur Mitarbeit herangezogen. Daraus ergibt sich, daß die Gesellschaft sich gerade von der Mitwirkung Harlans an ihren Filmen viel versprach, und es war selbstverständlich, daß sie diese Mitwirkung in ihrer Werbung entsprechend hervorheben werde. Hiermit war ein starkes Hervortreten Harlans in der Öffentlichkeit auch ohne besonderes Zutun von seiner Seite verbunden. Das Massenunterhaltungsmittel des Films erreicht fast gleichzeitig Millionen von Zuschauern im In- und Ausland und läßt so die Mitwirkenden, namentlich die Darsteller und Regisseure, rasch in der breitesten Öffentlichkeit bekannt werden. Wer aber in dieser Weise vor die Öffentlichkeit tritt und dabei an den früheren Ruf eines Mitwirkenden anknüpft, muß sich gefallen lassen, daß auch die Kritik hieran vor der Öffentlichkeit erfolgt; und je intensiver mit einem Namen und unter Hinweis auf die früheren Leistungen eines Künstlers auf breite Bevölkerungskreise gewirkt wird, desto eindringlicher und schärfer darf auch die Form der vorsorglichen Abwehr solcher Wirkung sein. Deshalb ist es nicht zu beanstanden, daß der Beschwerdeführer für seine Kritik die Form einer Ansprache vor Filmproduzenten und Filmverleihern sowie die des Offenen Briefes gewählt hat, die letztere übrigens nur, weil die Domnick-Film-Produktion GmbH ihrerseits ihr Schreiben der Spio bekanntgegeben hatte.
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Eine abschließende Gesamtbetrachtung des Falles kann schließlich an folgender Überlegung nicht vorübergehen: Der Beschwerdeführer hat aus lauteren Motiven an das sittliche Gefühl der von ihm angesprochenen Kreise appelliert und sie zu einer nicht zu beanstandenden moralischen Haltung aufgerufen. Das ist in der allgemeinen Volksanschauung nicht verkannt worden. Der Beschwerdeführer hat darauf hinweisen können, daß er sich bei seiner Bewertung des Wiederauftretens Harlans im Einklang mit der Haltung angesehener Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens im Inland und Ausland befinde. Beweise dafür liegen vor; es mag nur auf die in Nr. 3 der Deutschen Universitätszeitung vom 8. Februar 1952 veröffentlichte Stellungnahme von 48 Göttinger Professoren verwiesen werden, ferner etwa auf die Beiträge in der erwähnten Ausgabe der Neuen Zürcher Zeitung. Vor allem aber hat in der 197. Sitzung des Deutschen Bundestags am 29. Februar 1952 der Abgeordnete Dr. Schmid-Tübingen folgendes erklärt (Prot. S. 8474):
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"In Bonn läuft zur Zeit der Film 'Immensee' aus der Produktion des Ihnen allen als Hersteller des Films 'Jud Süß' bekannten Regisseurs Veit Harlan. Es ist eine Schande, daß die Machwerke dieses Mannes in Deutschland überhaupt gezeigt und besucht werden können. Manche berufen sich darauf, daß es keine Gesetze gebe, die es ermöglichten, die Vorführung von Filmen dieses Mannes zu untersagen. Das ist richtig, und auch der Bundestag kann ihre Vorführung nicht verhindern. Ich glaube aber, daß man dem wahren Rechte dient, wenn in diesem Hause dagegen Protest erhoben wird, daß ausgerechnet am Sitze des deutschen Parlaments, das in diesem Lande in ganz besonderem Maße der Hüter und Herold echter Toleranz zu sein hat, Filme eines Mannes aufgeführt werden, der zumindest indirekt mit dazu beigetragen hat, die massenpsychologischen Voraussetzungen für die Vergasungen von Auschwitz zu schaffen."
74
Das Protokoll verzeichnet hierzu "Beifall links und bei den Regierungsparteien". Für die Beurteilung des Verhaltens des Beschwerdeführers kann die hier zum Ausdruck gekommene Auffassung des repräsentativen Vertretungsorgans des deutschen Volkes nicht gleichgültig sein. Sie macht es unmöglich, in den Äußerungen des Beschwerdeführers einen Verstoß gegen die "Auffassungen der verständigen, billig und gerecht denkenden Bürger" zu sehen.
IV.
75
Das Bundesverfassungsgericht ist auf Grund dieser Erwägungen zu der Überzeugung gelangt, daß das Landgericht bei seiner Beurteilung des Verhaltens des Beschwerdeführers die besondere Bedeutung verkannt hat, die dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung auch dort zukommt, wo es mit privaten Interessen anderer in Konflikt tritt. Das Urteil des Landgerichts beruht auf diesem Verfehlen grundrechtlicher Maßstäbe und verletzt so das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Es ist deshalb aufzuheben.
https://www.bundesverfassungsgericht.de/


2.1 Online-Artikel zu NS-Fälschungen und NS-Verschwörungstheorien

Die „Hitler-Tagebücher“ – Wer war verstrickt in die Jahrhundertfälschung?

STAND
24.4.2023, 15:36 UHR
Gregor Papsch diskutiert mit
Prof. Dr. Magnus Brechtken, Historiker, stellvertretender Direktor des Instituts für Zeitgeschichte, München
Prof. Dr. Hajo Funke, Politikwissenschaftler, FU Berlin
John Götz, Journalist u.a. NDR, Berlin
Die „Hitler-Tagebücher“ – Wer war verstrickt in die Jahrhundertfälschung? 44 Min Audio herunterladen (42,3 MB | MP3) >>>
„Hitlers Tagebücher entdeckt“, versprach im April 1983 das Nachrichtenmagazin „Stern“. Eine vermeintliche Sensation, die zum Fiasko wurde, denn das Magazin war einem Fälscher aufgesessen: Konrad Kujau. Bis heute ist er der geniale Hochstapler in Helmut Dietls Komödie „Schtonk“.
Das alles ist lange her, aber jetzt wird über den Betrug neu diskutiert. Der Grund: Journalisten und Wissenschaftler haben 40 Jahre nach dem Skandal die Fake-Tagebücher erstmals komplett gelesen und stellen fest: Kujaus Fälschungen waren nicht nur der gezielte Versuch, „Hitler reinzuwaschen“, wie der Politikwissenschaftler Hajo Funke es ausdrückt. Es waren auch mehr Personen in den Skandal verstrickt als bisher angenommen.
Wer hatte ein Interesse an dieser Geschichtsfälschung? Warum sollen wir uns heute daran erinnern?
„Man muss die „Tagebücher“ in ganzer Länge lesen, erst dann wird das Ausmaß der Verharmlosung Hitlers deutlich. Niemand hat sich vor uns diese Mühe gemacht.“
John Götz
„Dass uns die „Tagebücher“ einen Hitler verkaufen sollten, der mit dem historischen Hitler nichts zu tun hat, ist seit 1983 bekannt. Man hätte sich den Aufwand sparen können.“
Markus Brechtken
TV-Doku „Der Hitler-Fake“
Die SWR-Fernseh-Doku „Der Hitler-Fake: Geschichte einer Jahrhundertfälschung“ ist am 24.4.2023 um 22:50 Uhr in Das Erste und bis zum 20.4.2025 in der ARD Mediathek zu sehen.
Buch zur Sendung
Cover des Buchs "Die echten falschen Hitler-Tagebücher" (Foto: Pressestelle, März-Verlag)
Die echten falschen "Hitler-Tagebücher".
Kritische Dokumentation eines geschichtsrevisionistischen Rehabilitierungsversuchs
Verlag:
März Verlag
ISBN:
978-3-7550-0023-5
Hrsg. und mit einem Vorwort von John Goetz sowie mit einer Einleitung von Heike B. Görtemaker und einer historisch-politischen Einordnung von Hajo Funke
Sendung vom
Mo., 24.4.2023 22:05 Uhr, SWR2 Forum, SWR2
https://www.swr.de/


MEDIENGESCHICHTE
40 Jahre gefälschte Hitler-Tagebücher

Datum 24.04.2023
Autorin/Autor Silke Wünsch
Vor 40 Jahren präsentierte das Magazin "Stern" einen absoluten Knaller: die Tagebücher von Adolf Hitler. Der größte Fake der deutschen Pressegeschichte porträtierte den Kriegsverbrecher als fürsorglichen Politiker.
Ein Mann hält mehrere schwarze Kladden mit roten Siegeln hoch.
Stern-Reporter Gerd Heidemann präsentiert 1983 die gefälschten Hitler-Tagebücher
27 Fernsehteams und mehr als 200 Journalisten versammeln sich am 25. April 1983 im Hamburger Verlagshaus Gruner + Jahr, wo die Zeitschrift "Stern" eine Sensation vorbereitet hat. Die Chefredaktion des "Stern" tritt vor die Presse, mit dabei haben die Herren zwölf schwarze Kladden, vollgeschrieben mit den persönlichen Aufzeichnungen des ehemaligen Reichskanzlers Adolf Hitler. Tumultartige Zustände, aufgeregte Stimmen, das Klicken der Auslöser, Blitzlichtgewitter - und der "Stern"-Reporter Gerd Heidemann, der sich von der allgemeinen Begeisterung dazu hinreißen lässt, mit den Tagebüchern für die Kameras zu posieren. Diese Bilder gehen um die Welt.
Am 28. April 1983 veröffentlicht der "Stern" in einer Sonderausgabe die ersten Auszüge der vermeintlichen Tagebücher. Die Auflage von ursprünglich 1,8 Millionen hat das Wochenmagazin vorsorglich um 400.000 erhöht, und die Ausgabe ist 50 Pfennig teurer (ca. 25 Eurocent). "Stern"-Chefredakteur Peter Koch verkündet mit breiter Brust: "Die Geschichte des Dritten Reiches muss in großen Teilen neu geschrieben werden." Doch stattdessen wurde vielmehr, wie Recherchen heute beweisen, ein stark verzerrtes Geschichtsbild wiedergegeben.
Ein begeisterter Mann zeigt eine Kladde und das Victory-Zeichen und wird von Journalisten umringt.
In der Verfilmung des Skandals spielt Götz George 1992 den Reporter in "Schtonk!"
Blähungen und Mundgeruch
Die Stern-Leser erfahren erstmal - nichts. Private Banalitäten reihen sich aneinander. Hitlers Lebensgefährtin Eva Braun wollte Freikarten für die Olympischen Spiele 1936 haben, was den Führer ärgerlich stimmte. Zudem litt er an unappetitlichen Zipperlein: "Lasse mich auf Wunsch von Eva, von meinen Ärzten richtig untersuchen. Durch die neuen Pillen, habe ich starke Blähungen, und wie Eva sagte Mundgeruch." [Die in diesem Artikel vorkommenden Zitate werden originalgetreu mit Zeichen- und Rechtschreibfehlern wiedergegeben, Anm.d.Red.]
Schon längst glauben Historiker und auch Kollegen aus anderen Medienhäusern nicht mehr, dass die Aufzeichnungen echt sind. Als schließlich das Bundeskriminalamt zwölf Tage nach Veröffentlichung seine Gutachten vorlegt, ist der Beweis für die Fälschungen so banal wie unumstößlich: Das Papier, aus dem die Kladden bestehen, gab es im Dritten Reich noch gar nicht, sondern wurde erst in den 1950er-Jahren hergestellt.
Der Skandal ist perfekt. Die Staatsanwaltschaft leitet Ermittlungen ein. Die Strippenzieher des Skandals, Reporter Heidemann und Fälscher Kujau, landen vor Gericht, beide bekommen mehrjährige Haftstrafen. Konrad Kujau stirbt 2000 an Krebs, Heidemann lebt in bescheidenen Verhältnissen in Hamburg. Der "Stern" bezeichnete den Skandal später selbst als "größten anzunehmenden Unfall der Zeitschriftengeschichte" und konnte sich jahrelang nicht von dieser Peinlichkeit erholen.
Stern-Ausgaben liegen im Hamburger Polizeimuseum, dazu der Satz: Die Sensation und ihr schnelles Ende.
"Stern"-Ausgaben von 1983 im Hamburger Polizeimuseum
Wie ein Kunstfälscher alle reinlegt
Rückblick in die 1970er: Der Maler und talentierte Kunstfälscher Konrad Kujau gibt sich als Händler aus und beliefert den Industriellen und früheren SS-Mann Fritz Stiefel bereits seit Jahren mit angeblich echten Nazi-Artefakten, darunter vermeintliche Handschriften und Kunstwerke aus Hitlers Feder. Auch das erste von ihm gefälschte Tagebuch zeigt er dem leidenschaftlichen Sammler von Nazi-Relikten. Die Herren vergleichen das Heft mit den anderen Hitler-Handschriften aus Stiefels Besitz, die Kujau ebenfalls gefälscht hatte, und erklären das Tagebuch für echt.
Als Stiefel den Stern-Reporter Gerd Heidemann, einen ebenfalls begeisterten Sammler von NS-Devotionalien, kennenlernt, zeigt er dem Journalisten das Tagebuch. Heidemann wittert eine Sensation. Er geht dem Gerücht nach, dass an der Absturzstelle eines Nazi-Flugzeugs in der DDR Tagebücher von Adolf Hitler geborgen worden seien. Heidemann fährt zur Absturzstelle und ist überzeugt, dass die Bücher tatsächlich dort gefunden wurden. Er weiht nur wenige Kollegen vom "Stern" ein und schafft es schließlich mit Kujau in Kontakt zu treten. Der weiß längst, dass er mit dem "Stern"-Reporter einen riesigen Fisch an der Angel hat. Das Angebot lässt nicht lange auf sich warten - die Wochenzeitschrift bietet ihm zwei Millionen D-Mark (ca. eine Million Euro) für die Hefte - und Kujau legt los.
Ein Mann zeigt einem anderen Mann ein Gemälde.
In der TV-Adaption "Faking Hitler" von 2021 ist Moritz Bleibtreu in der Rolle des Fälschers Kujau zu sehen
Die ersten drei Tagebücher werden sofort überprüft. Renommierte Historiker, Experten des Bundesarchivs und des Landeskriminalamts Rheinland-Pfalz bestätigen zunächst tatsächlich die Echtheit. Niemandem fällt auf, dass einige der Vergleichsschriftproben, die den Gutachtern vorgelegt wurden, ebenfalls aus Kujaus Feder stammten.
"Führer Hitler"
Vor Ungereimtheiten verschließen sowohl die Redaktion als auch die Prüfer die Augen. Es ist zwar bekannt und belegt, dass Hitler eher schreibfaul war. So passt es nicht zu dem als ungeduldig und impulsiv charakterisierten Mann, so viele Kladden voll zu schreiben - und das mit verdächtig ordentlicher Schrift ohne hektisch durchgestrichene Schreibfehler. Das wird einfach unter den Tisch gekehrt.
Selbst der offensichtlichste Fehler wird umgedichtet: Auf den Deckeln der Kladden stehen in altmodischer Typo die zwei Buchstaben "FH" . Hitlers Initialen? Nun, die Gier der Beteiligten setzt ein gewisses Maß an Fantasie frei. Selbstverständlich müsse "FH" für "Führer Hitler" stehen.
Wenn der Hintergrund nicht so grausam wäre, grenzt die ganze Geschichte fast schon an Klamauk - und war längst Stoff für Kino und TV. 1992 hat Regisseur Helmut Dietl den Skandal mit der Oscar-nominierten Satire "Schtonk!" ins Kino gebracht. 2021 war die Geschichte in der Miniserie "Faking Hitler" bei dem Privatsender RTL+ zu sehen.
Für alle zugänglich
Ein Rechercheteam des TV-Senders NDR hat nun mit Hilfe einer künstlichen Intelligenz die meist unlesbaren Handschriften digitalisiert und in eine lesbare Form umgesetzt. Im Februar 2023 veröffentlichte der NDR alle Bände der gefälschten Tagebücher in einer wissenschaftlich kommentierten Online-Ausgabe. Der Historiker und Politologe Hajo Funke hat die Aufzeichnungen in den entsprechenden historischen Kontext gesetzt und kommentiert. Minutiös werden die historischen Fakten mit den Kujau-Texten verglichen. Per Zeitstrahl kann man sich in die einzelnen Jahre klicken. Eine Suchfunktion führt Interessierte direkt zu den Einträgen, die sich mit "Eva", "Goebbels", "Stalin", "Juden", "Mussolini" oder auch "Mundgeruch" beschäftigen.
Bisher hatten nur wenige Experten - etwa vom Deutschen Bundesarchiv - Einsicht in die gefälschten Bücher. Jetzt können alle Interessierten das merkwürdige Geschwurbel lesen, das der Fälscher Kujau Hitler angedichtet hat.
Konrad Kujau vor seinen gefälschten Kunstwerken von Klimt.
Nach dem Skandal eröffnete Konrad Kujau ein eigenes Atelier mit "original Kujau-Fälschungen"
Kein Wort vom Holocaust
Dabei wird sehr schnell eins sichtbar: Es gibt keinen Hinweis darauf, dass Hitler die Verfolgung und Vernichtung der Juden im Dritten Reich aktiv vorangetrieben hat. Im Gegenteil - Hitler hätte nichts vom Holocaust gewusst und sich fürsorglich für Juden eingesetzt. So lässt Kujau mit diesem verzerrten Geschichtsbild seinen Hitler Ende April 1933 schreiben: "Die am 1. gegen jüdische Einrichtungen begonnenden Maßnahmen sind mir zu gewaltig, habe sofort die dafür verantwortlichen Männer gewarnt. Mußten auch einige aus der Partei ausschließen lassen."
Auch die brutalen Ausschreitungen gegen die jüdische Bevölkerung in der Reichspogromnacht am 9. November 1938 ließen den falschen Hitler empört schreiben: "Es geht nicht daß unserer Wirtschaft durch einige Hitzköpfe Millionen und aber Millionenwerte vernichtet werden, allein schon an Glas. (…) Mir wird von einigen unschönen Übergriffen einiger Uniformträger gemeldet, an einigen Orten auch von erschlagenen Juden und jüdischen Selbstmorden. Sind diese Leute denn verrückt geworden? Was soll das Ausland dazu sagen?"
Nach der Reichspogromnacht in Berlin, Menschen gehen an einem zerstörten Schaufenster vorbei.
In der Version nach Kujau war vor allem der Glasbruch Hitlers größte Sorge nach der Reichspogromnacht 1938
Am 20. Januar 1942, dem Tag der Wannseekonferenz, heißt es: "Erwarte die Meldungen der Konferenz über die Judenfrage. Wir müssen unbedingt einen Platz im Osten finden, wo sich diese Juden selbst ernähren können. Ich habe von den Teilnehmern der Konferenz eine schnelle Lösung verlangt. Es muß doch im Osten einen Flecken geben, wo man diese Juden unterbringen kann."
Dass an diesem Tag bei Kaffee und Schnittchen der Massenmord an Millionen europäischer Juden mit den Worten "Endlösung der Judenfrage" beschlossen wurde, wird mit keinem Wort erwähnt.
Hinter den Texten, so schlussfolgert das NDR-Rechercheteam, verberge sich nicht nur die Fantasie einiger von Geld- und Geltungsdrang Getriebener, sondern "die Einträge sind in einem rechtsradikalen Umfang entstanden - und leugnen den Holocaust."
Unverhohlenes Interesse am privaten Hitler
So ist die Geschichte um den größten Presseskandal der Bundesrepublik nicht nur das Schelmenstück eines genialen Fälschers, der die komplette Chefetage einer populären deutschen Wochenzeitschrift reingelegt hat.
Postkarte Hitler sitzt auf der Terrasse des Berghofs am Obersalzberg und liest.
Hitler am Obersalzberg 1936: Der vermeintlich belesene und besonnene Staatsmann
Sie war vor 40 Jahren auch ein Spiegel, der den Deutschen vorgehalten wurde: Es gab weiterhin vielerorts ein unverhohlen großes Interesse an der Person Hitlers - vor allem am Privatmenschen -, der nicht als verbrecherischer Kriegstreiber und Massenmörder dargestellt wurde, sondern als sorgen- und verantwortungsvoller Staatsmann. Dessen Gedanken sich keinesfalls um Vernichtungslager drehten, dafür aber um Eva Brauns Befindlichkeiten, Joseph Goebbels' Frauengeschichten und seine eigenen Darmwinde.
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„Humbug“-Podcast
Hat Adolf Hitler den Zweiten Weltkrieg überlebt?

Düsseldorf · Die Verschwörungstheorie, dass Hitler kurz vor Kriegsende aus Berlin entkommen sei und das NS-Regime seinen Tod nur fingiert habe, ist immer wieder zu hören. Historiker widersprechen und weisen auf zahlreiche Beweise hin, die den Tod des Diktators im Jahr 1945 bezeugen.
08.04.2021, 10:44 Uhr 7 Minuten Lesezeit
Der „Führer“ spricht zu seinen Gefolgsleuten. Verschwörungstheoretiker glauben, Adolf Hitler habe nach Kriegsende in Südamerika oder in der Antarktis weitergelebt.
Foto: ja/Amaral/Riva Verlag
Von Jan Luhrenberg
Heute wäre Adolf Hitler, geboren 1889, auch unter normalen Umständen nicht mehr am Leben. Doch starb er wirklich am 30. April 1945 gegen 15.30 Uhr im Privatzimmer seines Bunkers in Berlin? In jedem Geschichtsbuch steht sinngemäß: Hitler und seine frisch angetraute Frau Eva Braun werden tot auf dem Sofa gefunden, nachdem ein Schuss zu hören war. Kurze Zeit später werden die Leichen nahezu vollständig verbrannt. Doch Verschwörungstheorien besagen, dass Hitler überlebt und im Ausland weitergelebt habe.
Was wird behauptet?
Verschwörungstheoretiker glauben, dass Hitler seinen Tod mit einem Doppelgänger fingiert habe und unbemerkt geflüchtet sei, als der endgültige Zusammenbruch Deutschlands im Zweiten Weltkrieg kurz bevorstand. Die meisten Anhänger dieser Theorie gehen davon aus, dass Hitler – wie etliche andere Nazigrößen auch – mit einem U-Boot nach Argentinien geflüchtet sei. Andere halten es für wahrscheinlicher, dass Hitlers Ziel ein geheimer Stützpunkt in der Antarktis gewesen sei.
So wollen wir Humbug entlarven
Konzept Mithilfe von Experten gehen wir Humbug auf den Grund. Dabei suchen wir nach dem Ursprung der Theorie und den Argumenten dagegen. Regelmäßig erscheinen neue Beiträge. Sie sind zu finden unter www.rp-online.de/humbug.
Podcast Lieber hören statt lesen? Ausgewählte Verschwörungstheorien behandeln wir auch in unserem neuen Podcast „Humbug – Verschwörungsmythen im Faktencheck“.
Ideen Welche anderen Theorien sollen wir uns anschauen? Gibt es vielleicht sogar lokalen Humbug in Ihrer Stadt oder Ihrer Region? Mailen Sie uns an humbug@rheinische-post.de.
Woher kommt der Humbug?
Die Sowjetunion verbreitete bereits kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs absichtlich Falschinformationen über Hitlers Verbleib, die bis heute von Verschwörungstheoretikern aufgegriffen werden. Auf der Potsdamer Konferenz im Sommer 1945 verkündete Stalin, dass Hitler überlebt habe, von den westlichen Alliierten versteckt gehalten werde oder nach Spanien oder Argentinien geflohen sei. Zudem verschwieg das kommunistische Regime absichtlich, dass es Hitlers Überreste bereits gefunden und identifiziert hatte.
Kurz vor seinem 100. Geburtstag: Prinz Philip ist gestorben
In einer über 60 Jahre alten Akte des US-Geheimdienstes CIA soll es dennoch Hinweise darauf geben, dass Hitler in den 50er Jahren unter dem Namen Adolf Schüttelmayer in Kolumbien gelebt hat. Die Aussagen der Akte sollen sich auf den ehemaligen SS-Mann Philip Citroen aus den Niederlanden beziehen. Er behaupte demnach, dass Hitler in Tunja lebte, einer rund 140 Kilometer nördlich der Hauptstadt Bogotá gelegenen Kleinstadt. In den Unterlagen soll es auch ein Foto geben, das den Niederländer mit Hitler zeigt. Auch in Akten des FBI soll von Sichtungen Hitlers nach dessen Tod die Rede sein.
Auch Adolf Hitler machte sich dieDie jüdische Weltverschwörung
Neue Folge des „Humbug“-Podcasts
Die jüdische Weltverschwörung
Wie verbreitet ist der Humbug?
Sönke Neitzel, der viel zum Zweiten Weltkrieg forscht, begegnet Verschwörungstheorien zur NS-Zeit regelmäßig bei seiner Arbeit. „Immer mal wieder bekomme ich Sachen zugeschickt, die ich aber nicht weiterverfolge“, sagt der Historiker. In den Verschwörungstheoretikern, die etwa daran glauben, dass Hitler nicht im Führerbunker gestorben ist, sieht Neitzel eine „Hobbyszene von historischen Laien“, die mit Wissenschaft nichts am Hut habe. „Das Gedankenkonstrukt ist jenseits der Rationalität, da hört die Wissenschaft auf“, sagt er.
Die Verschwörungstheorie hält sich aber auch deshalb so hartnäckig, weil es zahlreiche Bücher zu dem Thema gibt. Dass Hitler kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges aus Berlin geflüchtet sei, wird unter anderem im Buch „Hitler überlebte in Argentinien“ aufgegriffen, das Abel Basti und Jan van Helsing, ein rechtsextremer Verschwörungstheoretiker, im Jahr 2011 publizierten. Darin behaupten sie, dass Hitler nach Argentinien geflüchtet sei und einen Sohn gehabt habe.
Bei einer Demonstration von Reichsbürgern vor Das Märchen von der „BRD-Lüge“ Nach Großrazzia in „Reichsbürger“-Szene Das Märchen von der „BRD-Lüge“ >>>
Was ist dran?
Es gibt durchaus führende Nationalsozialisten, die den Zweiten Weltkrieg überlebt haben, weil sie sich ins Ausland abgesetzt haben. Es ist sogar historisch belegt, dass etliche Größen des NS-Regimes nach dem Krieg nach Südamerika flüchteten. Adolf Eichmann, bekannt als Organisator des Holocaust und so für den Tod von schätzungsweise sechs Millionen Menschen mitverantwortlich, entkam etwa mithilfe der katholischen Kirche nach Argentinien. Anfang der 60er Jahre wurde er nach Israel entführt, dort verurteilt und hingerichtet. Auch der KZ-Arzt Josef Mengele lebte bis zu seinem Tod 1979 in Argentinien, Paraguay und Brasilien. Die Biografien von Eichmann und Mengele könnten die Vertreter der Verschwörungstheorien zu den Thesen gebracht haben, Hitler könnte ebenfalls in Südamerika weitergelebt haben.
Die Theorie um den Nazi-Stützpunkt in der Antarktis, wohin Hitler geflüchtet sein soll, fußt im Kern ebenfalls auf einer wahren Geschichte: Im Jahr 1938 brach ein deutsches Schiff unter strengster Geheimhaltung zu einer Expedition in die Antarktis auf. Die Crew sollte einen Landstrich in einem unerschlossenen Teil des Kontinents kartografieren und in Besitz nehmen. Getauft wurde das Stück Land damals Neuschwabenland. Der Stützpunkt selbst aber ist Teil einer eigenen Verschwörungstheorie.
Lange Zeit gab es zudem widersprüchliche Aussagen über die Todesumstände Adolf Hitlers. Eine Obduktion bestätigte dann im Jahr 2018 die Erkenntnisse aus der Nachkriegszeit. Französische Wissenschaftler führten an Hitlers Überresten, die seit 1946 vom russischen Geheimdienst unzugänglich verwahrt wurden, eine rechtsmedizinische Untersuchung durch. Untersucht wurden sein Gebiss und ein Schädelfragment. Hitler sei zweifelsfrei 1945 gestorben, sagte der Rechtsmediziner Philippe Charlier im Anschluss. Die Zähne seien authentisch. Die Wissenschaftler hatten das Gebiss mit einem Röntgenbild von Hitler aus dem Jahr vor seinem Tod verglichen.
Mithilfe des Schädelfragments konnte auch die Todesursache näher bestimmt werden. Der Schädel wies laut den Wissenschaftlern ein Loch in der linken Hälfte auf, der von einem Pistolenschuss herrührte. Der Schuss ist wahrscheinlich in die Stirn oder den Nacken gegangen, weil keine Pulverspuren an den Zähnen festgestellt wurden. Hitler nahm, bevor er sich erschoss, zudem eine Giftkapsel. Charlier und sein Team entdeckten bläuliche Ablagerungen an Hitlers falschen Zähnen, was auf eine chemische Reaktion zwischen dem Gift Zyanid und dem Metall der Prothesen hindeutete. Das Forscherteam ging daher davon aus, dass Hitler höchstwahrscheinlich durch eine Kugel und eine Vergiftung gestorben ist.
Adolf Hitler war bereits viele Jahre zuvor, am 25. Oktober 1956, nach einer ausführlichen Untersuchung vom Amtsgericht Berchtesgaden offiziell für tot erklärt worden. Dabei wurden mehr als 40 Zeugen unter Eid befragt, darunter der SS-Mann Otto Günsche und der Kammerdiener Heinz Linge, die die Ersten waren, die Hitlers Leiche fanden und später auch Zeugen ihrer Verbrennung waren. Günsche berichtete in seiner Vernehmung, dass Hitler ihn in seine Pläne einweihte, sich das Leben zu nehmen.
Auch die Geheimdienste hatten nie Zweifel an Hitlers Tod. Die CIA bezweifelte die Informationen aus der Akte von 1955 schnell und fand nie Hinweise darauf, dass Adolf Schüttelmayer in Wirklichkeit Adolf Hitler war. Dass Hitler überhaupt aus Berlin entkam, scheint ebenfalls widerlegt. Das FBI und andere Geheimdienste gingen vielen Hinweisen nach, ohne jemals Hinweise auf eine Flucht von Hitler gefunden zu haben.
Was sagen die Experten?
Sönke Neitzel ist Historiker und beschäftigt sich insbesondere mit der Militärgeschichte des 20. Jahrhunderts.
Foto: dpa
Auch Historiker Sönke Neitzel hält deshalb nichts von den Theorien. „Das ist alles Quatsch“, sagt der Professor für Militärgeschichte an der Uni Potsdam. „Der Befund, dass sich Hitler am 30. April gegen 15.30 Uhr im Führerbunker erschossen, gleichzeitig auf eine Giftampulle gebissen hat und im Anschluss von der Wachmannschaft verbrannt worden ist, ist eindeutig und wird in der Wissenschaft nicht angezweifelt“, sagt Neitzel. Zudem sei unstrittig, dass es viele schlüssige Beweise gebe, die den Befund weiter stützten. Dazu gehörten die Aussagen der Insassen im Führerbunker, die Hitlers Tod bestätigten. „Dafür, dass Hitler am 30. April irgendwie aus Berlin entkommen konnte, gibt es nicht ein einziges kleines Indiz“, sagt Neitzel.
(Der Artikel ist ursprünglich am 17.10.2020 erschienen, wir haben das Thema aber jetzt in unserem Podcast noch einmal aufgegriffen.)
https://rp-online.de/


Und wenn Hitler doch überlebt hat?

Eine beliebte Geschichte bei vielen Verschwörungstheoretikern ist die, dass Adolf Hitler den Krieg überlebt haben könnte, sein Selbstmord nur vorgetäuscht war. WELTGeschichte-Redakteur Sven Felix Kellerhoff zeigt die krudesten Verschwörungstheorien und erklärt, was dran ist. (Video, 7:43 Min.)
Veröffentlicht am 06.03.2020
Von Sven Felix Kellerhoff, Gunter Hartmann, Sabrina Bracklow
Eine beliebte Geschichte bei vielen Verschwörungstheoretikern ist die, dass Adolf Hitler den Krieg überlebt haben könnte, sein Selbstmord nur vorgetäuscht war. WELTGeschichte-Redakteur Sven Felix Kellerhoff zeigt die krudesten Verschwörungstheorien und erklärt, was dran ist. (Video, 7:43 Min.) ...
https://www.welt.de/



Angebliche Geheimakten
Ex-CIA-Agent: Hitler täuschte Selbstmord vor und floh nach Argentinien

Montag, 11.01.2016, 06:18
Hat Adolf Hitler seinen Selbstmord nur vorgetäuscht? Spekulationen über eine Flucht des Diktators nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sind vor allem in Kreisen von Verschwörungstheoretikern beliebt. Vermeintliche Geheimakten des FBI sollen diese Theorie nun bestätigen.
Ein ehemaliger CIA-Agent behauptet, Adolf Hitler habe sich nicht selbst getötet, sondern ist über Gran Canaria nach Argentinien geflohen. Dabei stützt er sich auf bisher unzugängliche Akten des FBI. Dies berichtet die "Daily Mail".
Dem Mann zufolge legen die nun veröffentlichten Dokumente nahe, dass Hitler zunächst nach Teneriffa geflogen ist, um von dort seine Flucht mit einem U-Boot nach Argentinien fortzusetzen. Diese Aussagen tätig der EX-CIA-Mitarbeiter im Rahmen einer umstrittenen Hitler-Dokumentation, die der History Channel ausgestrahlt hat.
Kein Beweis für Hitlers Selbstmord
Der Fernsehsendung zufolge sei sich das FBI bereits zum Ende des Zweiten Weltkriegs nicht sicher gewesen, ob sich Hitler tatsächlich selbst erschossen habe. Gemäß der TV-Dokumentation spreche hierfür auch der Umstand,  dass weder ein Augenzeuge Hitlers Suizid beobachtet habe noch dessen Leiche im Führerbunker gefunden worden wäre. Einem der vermeintlichen Geheimdokumente nach gebe es keinen Beweis für den Tod Adolf Hitlers, schreibt die "Daily Mail" unter Berufung auf die Fernsehdokumentation.
"Die Geschichte, die uns die Regierung erzählt ist eine Lüge", behauptet der Mann, der ehemals in den Diensten des CIA stand. Wir seien davon ausgegangen, dass der Tod Hitlers im Führerbunker eine gesicherte Tatsache sei, je tiefer man jedoch in der Sache gräbt, desto deutlicher werde, dass wir für diese These keine Beweise hätten, führt der frühere Agent des US-Geheimdienstes weiter aus.
Der EX-CIA-Mann mit den kontroversen Thesen beschäftigte sich während seiner Dienstzeit vor allem mit der Spionageabwehr und war 21 Jahre für die US-Behörde tätig.
tjs
https://www.focus.de/


Siehe auch:

 




3. YouTube-Videos zur Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Nationalsozialismus, NS-Vergangenheitsbewältigung und Auswirkungen bis heute


25.01.2019 - Des Volkes Stimme | Auf großer Bühne - der Mössinger Streik gegen Hitler

Haus der Geschichte Baden-Württemberg 
In Mössingen streikten rund 1.000 Arbeiterinnen und Arbeiter am 31. Januar 1933 gegen die Ernennung von Hitler zum Reichskanzler. Zum 80. Jahrestag im Jahr 2015 brachte das Theater Lindenhof das Ereignis auf die Bühne, worüber die Rundfunkjournalistin Katharina Thoms den Dokufilm "Widerstand ist Pflicht" erstellte.
https://www.youtube.com/watch?v=8oQ3KjASjBc


06.01.2016 - Widerstand ist Pflicht - Kinotrailer zum Dokumentarfilm

ktwortfm
Ein Film von Katharina Thoms - www.widerstandfilm.de
Vor über 80 Jahren gingen Hunderte in dem schwäbischen Dorf Mössingen gegen Hitler auf die Straße - als erste und als einzige in Deutschland. 80 Jahre später bringt ein Theater dieses lange verschwiegene Thema auf die Bühne der Stadt Mössingen. Mit über hundert LaiendarstellerInnen und MusikerInnen stehen sie vor einem Mammutprojekt und wollen es unbedingt durchziehen - gegen alle Widerstände...
Die Hauptfigur in dem Stück ist Paul Ayen - er war einer der Organisatoren des Mössinger Generalstreiks 1933. Für seine Tochter Andrea Ehrensache in dem Theaterstück mitzuspielen und so an die Taten ihres Vaters zu erinnern.
https://www.youtube.com/watch?v=V-8g8M6Q-LY


Landespreis für Heimatforschung Baden-Württemberg 2016: Jana Schumacher
RegierungBW
Die Abhandlung „Erziehung von oben und von unten“ Einfluss des Nationalsozialismus auf Jugend und Schule am Beispiel von Tübingen“ von Jana Schumacher wurde mit dem Jugendförderpreis des Landespreises für Heimatforschung Baden-Württemberg 2016 ausgezeichnet. Mit dem Preis würdigt das Land beispielhafte Leistungen auf dem Gebiet der ehrenamtlichen Heimatforschung, die nicht im Zusammenhang mit einer wissenschaftlichen Ausbildung oder darauf aufbauenden Tätigkeit entstanden sind.


21.10.2022 - Gemeinsam gegen Extremismus - konex bietet Ausstiegsmöglichkeiten!

Polizei Baden-Württemberg
„Ich dachte ich kenne ihn. Ich dachte, ich verstehe ihn. Aber eigentlich weiß ich nicht, was in ihm vorgeht. Ist er extrem? Ich bin extrem verzweifelt wegen seines Weges“, das sind die Worte einer besorgten Mutter, in der neuen Kampagne des Kompetenzzentrums gegen Extremismus in Baden-Württemberg (konex).
Wie der Frau im Clip, geht es tagtäglich zahlreichen Angehörigen in Baden-Württemberg, die nicht wissen, wie Sie mit der fortschreitenden Radikalisierung der Menschen aus dem engsten Umfeld umgehen sollen.
Egal ob Rechtsextremismus, Linksextremismus, islamistischer Extremismus oder auslandsbezogener Extremismus, unsere Kolleginnen und Kollegen des konex bieten Hilfe und sind Ansprechpartner für Ausstiegswillige und deren Angehörige.
Alle Infos zur Ausstiegsberatung findet Ihr hier www.konex-bw.de
https://www.youtube.com/watch?v=7aCzftAbJEo


21.02.2015 - Gegen das Vergessen: Stolpersteine für NS "Euthanasie"-Opfer | Zwischen Spessart und Karwendel

Bayerischer Rundfunk
Der Kölner Bildhauer Gunter Demning hat Anfang Februar in Würzburg 15 neue Stolpersteine verlegt. Sie sollen an die Menschen erinnern, die wegen ihrer Behinderung von den Nationalsozialisten ermordet wurden.
Mehr von Zwischen Spessart & Karwendel unter: http://www.br.de/spessart
Autor: Maike Bandmann
https://www.youtube.com/watch?v=onYga2P8BWM


09.09.2015 - Streit um Stolpersteine

Körber-Stiftung
Das Projekt »Stolpersteine«, initiiert durch den Künstler Gunter Demnig, gilt als Erfolgsmodell der Erinnerungskultur. Seit 1995 wurden rund 50.000 Gedenksteine in 18 Ländern verlegt. Die Erinnerungsform steht aber auch zunehmend in der Kritik, beispielsweise weil NS-Begriffe wie »Rassenschande« darauf zitiert werden. Ob das Projekt seine Ziele verfehlt, der Profit im Vordergrund steht und die Angehörigen selbst übergangen werden, diskutieren der Publizist und Autor Micha Brumlik, der Journalist Daniel Killy und Peter Hess, Projektkoordinator der Stolpersteine in Hamburg. Moderation: Carmen Ludwig, Körber-Stiftung
https://www.youtube.com/watch?v=XR5mUoBT_No


Siehe auch:

 




5. Stellungnahme der vom Amtsgericht Mosbach gerichtlich beauftragten forensischen Sachverständigen aus Kitzingen zur Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Nationalsozialismus, NS-Vergangenheitsbewältigung und Auswirkungen bis heute

Das Familiengericht-Amtsgericht Mosbach, Hauptstraße 110, 74281 Mosbach, beauftragt die forensische Sachverständige aus Moltkestr. 2, 97318 Kitzingen, in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 unter 6F 202/21, die Anti-Nazi-Aktivitäten des KVs und Antragstellers in einer ergänzenden Stellungnahme gutachterlich einzuschätzen und zu bewerten. 

Dazu zählen laut Anweisungen dieser amtsgerichtlichen Verfügungen SOWOHL die seit Sommer 2022 vom Antragsteller beim Amtsgericht Mosbach initiierten NS- und Rechtsextremismus-Verfahren ALS AUCH seine außergerichtlichen und gerichtlichen Aufklärungs- und Aufarbeitungsbemühungen zu Nationalsozialistischem Unrecht und Nationalsozialistischen Verbrechen aus dem Zeitraum um 2008, d.h. konkret von 2004 bis 2011, im Rahmen seiner sogenannten "Nazi-Jäger"-Aktivitäten im sachverhaltsbezogenen Kontext zur Problematik des Nationalsozialismus vor und nach 1945 und dessen Aufarbeitung bis heute. Siehe dazu auch Kapitel 1 auf dieser Seite.


Während die vom Familiengericht-Amtsgericht Mosbach beauftragte forensische Sachverständige aus Moltkestr. 2, 97318 Kitzingen, zunächst EINERSEITS ein familienpsychologisches Sachverständigengutachten in einem Umfang von über 100 Seiten zum 07.04.2022 unter 6F 202/21 erstellt hat, entschließt sich dieselbe Gutachterin sodann, ANDERERSEITS eine ergänzende Stellungnahme von zwei ganzen DIN A4-Seiten im sachverhaltsbezogenen Kontext zur Problematik des Nationalsozialismus vor und nach 1945 und dessen Aufarbeitung bis heute, insbesondere zum Kontext der historisch nachgewiesenen Beteiligungen an NS-Massenmordverbrechen in Mosbach wie Judenverfolgung und Holocaust, NS-Verfolgung von Sinti und Roma, Nazi-Euthanasie unter 6F 202/21 zum 31.08.2022 an das Amtsgericht Mosbach zu generieren.
Die forensische Sachverständige aus Moltkestr. 2, 97318 Kitzingen, ERWÄHNT LEDIGLICH MIT EINEM WORT DEN "NATIONALSOZIALISMUS" auf Seite 2, Absatz 2 und erwähnt lediglich mit einem Satz auf Seite 2, Absatz 2, dass der Antragsteller von NS- und Rechtsextremismus-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach sich gegen den Nationalsozialismus wendet.
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen hat hier die GERICHTLICH BEAUFTRAGTE EINDEUTIGE GELEGENHEIT gehabt, mit einer entsprechend beim Amtsgericht Mosbach beantragten Fristverlängerung SICH SACHLICH UND FACHLICH auch auf über 100 Seiten bezüglich der Nazi-Thematik bzw. der Nazi-Problematik vor einem deutschen BRD-Gericht EXPLIZIT ZU ÄUSSERN. Diese Gelegenheit für eine sachliche und fachliche gutachterliche Expertise zum Nationalsozialismus und nationalsozialistischen Verbrechen, deren Auswirkungen und Aufarbeitungen nach 1945, u.a. auch in Mosbach, besteht zukünftig weiterhin jederzeit für die forensische Sachverständige aus Kitzingen.
Siehe dazu auch:


Das Amtsgericht Mosbach BEAUFTRAGT EXPLIZIT in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 unter 6F 202/21 die forensische Sachverständige aus Kitzingen, eine GUTACHTERLICHE STELLUNGNAHME zur Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Nationalsozialismus, NS-Vergangenheitsbewältigung und Auswirkungen bis heute am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach in 2022 mit seinen jahrelangen Bemühungen um die außergerichtliche und gerichtliche Aufarbeitung von Nationalsozialistischem Unrecht und Nationalsozialistischen Verbrechen an das deutsche BRD-Amtsgericht Mosbach im Jahr 2022 zu erstellen.


EINERSEITS:
Mit den Verfügungen des Familiengerichts-Amtsgericht Mosbach vom 17.08.2022 unter 6F 202/21 hat die gerichtlich beauftragte forensische Sachverständige aus Kitzingen nicht nur die Möglichkeit, sondern auch die Chance und das gerichtliche explizite Angebot, sich sachlich und fachlich zur NS-Vergangenheitsbewältigung seit 1945 bis heute, auch zur NS-Vergangenheitsbewältigung und Nazi-Kontinuität in Mosbach und in Baden-Württemberg, AUSFÜHRLICH EXPLIZIT gutachterlich zu äußern.


ANDERERSEITS:
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zu den Thematisierungen in der bisherigen, gegenwärtigen und zukünftigen Öffentlichkeitsarbeit über die konkreten Tatbeteiligungen an NS-Verbrechen in Mosbach - Baden, wie Konzentrationslager, Zwangsarbeit, Judenverfolgung, Nazi-Euthanasie und Zwangssterilisierung, Verfolgung von Sinti und Roma.
UND DIES OBWOHL diese Sachverhalte zu dieser NS-Thematik bzw. NS-Problematik frei verfügbar sind im öffentlichen Diskurs über entsprechende Medienberichte; über künstlerisch-kulturelle Themenaufarbeitungen; über die juristische, politische und wissenschaftliche Fachliteratur; über Publikationen von BRD-Institutionen der Justiz und der Politik.
UND DIES OBWOHL die Gutachterin aus Kitzingen vom Amtsgericht Mosbach am 17.08.2022 unter 6F 202/21 EXPLIZIT BEAUFTRAGT ist, eine gutachterliche Stellungnahme zum Nationalsozialismus und dessen Aufarbeitung nach 1945 am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren  abzugeben.
Siehe dazu auch:


ANDERERSEITS:
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zur Öffentlichkeitsarbeit des Bundesverfassungsgerichts sowie zu seinen Entscheidungen zum Thema Nationalsozialismus, auch zum Kampf ums Recht mit Meinungsfreiheit.
UND DIES OBWOHL diese Sachverhalte zu dieser NS-Thematik bzw. NS-Problematik frei verfügbar sind im öffentlichen Diskurs über entsprechende Medienberichte; über künstlerisch-kulturelle Themenaufarbeitungen; über die juristische, politische und wissenschaftliche Fachliteratur; über Publikationen von BRD-Institutionen der Justiz, der Politik; der Sicherheitsdienste und Sicherheitskräfte.
UND DIES OBWOHL die Gutachterin aus Kitzingen vom Amtsgericht Mosbach am 17.08.2022 unter 6F 202/21 EXPLIZIT BEAUFTRAGT ist, eine gutachterliche Stellungnahme zum Nationalsozialismus und dessen Aufarbeitung nach 1945 am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren  abzugeben.


ANDERERSEITS:
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zu den Sachverhalten der rechtsextremistischen Unterwanderung und/oder nationalsozialistischer Orientierung in der Kunst- und Kulturszene, wie zum breit öffentlich diskutierte Anti-Semitismus-Skandal auf der internationalen Weltkunstschau, der 15. Documenta in Kassel, im Sommer 2022.
UND DIES OBWOHL diese Sachverhalte zu dieser NS-Thematik bzw. NS-Problematik frei verfügbar sind im öffentlichen Diskurs über entsprechende Medienberichte; über künstlerisch-kulturelle Themenaufarbeitungen; über die juristische, politische und wissenschaftliche Fachliteratur; über Publikationen von BRD-Institutionen der Justiz, der Politik; der Sicherheitsdienste und Sicherheitskräfte.
UND DIES OBWOHL die Gutachterin aus Kitzingen vom Amtsgericht Mosbach am 17.08.2022 unter 6F 202/21 EXPLIZIT BEAUFTRAGT ist, eine gutachterliche Stellungnahme zum Nationalsozialismus und dessen Aufarbeitung nach 1945 am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren  abzugeben.
Siehe dazu auch:


ANDERERSEITS:
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zu den bisherigen und aktuellen kulturellen und künstlerischen Aufarbeitungen und Thematisierungen des Nationalsozialismus und des Rechtsextremismus bzw. Rechtsterrors nach 1945.
UND DIES OBWOHL diese Sachverhalte zu dieser NS-Thematik bzw. NS-Problematik frei verfügbar sind im öffentlichen Diskurs über entsprechende Medienberichte; über künstlerisch-kulturelle Themenaufarbeitungen; über die juristische, politische und wissenschaftliche Fachliteratur; über Publikationen von BRD-Institutionen der Justiz, der Politik; der Sicherheitsdienste und Sicherheitskräfte.
UND DIES OBWOHL die Gutachterin aus Kitzingen vom Amtsgericht Mosbach am 17.08.2022 unter 6F 202/21 EXPLIZIT BEAUFTRAGT ist, eine gutachterliche Stellungnahme zum Nationalsozialismus und dessen Aufarbeitung nach 1945 am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren  abzugeben.
Siehe auch:


ANDERERSEITS:
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zu den bisherigen und aktuellen Gedenk- und Erinnerungsaktionen an Opfer und Verfolgte des NS-Terrors, wie u.a. Stolpersteine, Ausstellungen, Diskussionsveranstaltungen und Vorträge, etc.
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zu den bisherigen und aktuellen Gedenk- und Erinnerungsaktionen an den Widerstand gegen den Nationalsozialismus, wie u.a. Stolpersteine gegen das Vergessen, Ausstellungen, Diskussionsveranstaltungen und Vorträge, etc.
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zu den NS-Gedenkstätten, inklusive der ehemaligen NS-Konzentrationslager, als Erinnerungsorte und Lernorte, sowie zur anhaltenden Debatte um deren Finanzierungen und Aufrechterhaltung im Betrieb, Ausbau und Erweiterungen, etc.
UND DIES OBWOHL diese Sachverhalte zu dieser NS-Thematik bzw. NS-Problematik frei verfügbar sind im öffentlichen Diskurs über entsprechende Medienberichte; über künstlerisch-kulturelle Themenaufarbeitungen; über die juristische, politische und wissenschaftliche Fachliteratur; über Publikationen von BRD-Institutionen der Justiz, der Politik; der Sicherheitsdienste und Sicherheitskräfte.
UND DIES OBWOHL die Gutachterin aus Kitzingen vom Amtsgericht Mosbach am 17.08.2022 unter 6F 202/21 EXPLIZIT BEAUFTRAGT ist, eine gutachterliche Stellungnahme zum Nationalsozialismus und dessen Aufarbeitung nach 1945 am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren  abzugeben.
Siehe dazu auch:


ANDERERSEITS:
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zu den bisherigen, gegenwärtigen und zukünftigen Aussteigerprogrammen aus der rechtsextremistischen rechtsradikalen Szene, sowie zur anhaltenden Debatte um deren Finanzierungen und Aufrechterhaltung im Betrieb, Ausbau und Erweiterungen, etc.
UND DIES OBWOHL diese Sachverhalte zu dieser NS-Thematik bzw. NS-Problematik frei verfügbar sind im öffentlichen Diskurs über entsprechende Medienberichte; über künstlerisch-kulturelle Themenaufarbeitungen; über die juristische, politische und wissenschaftliche Fachliteratur; über Publikationen von BRD-Institutionen der Justiz, der Politik; der Sicherheitsdienste und Sicherheitskräfte.
UND DIES OBWOHL die Gutachterin aus Kitzingen vom Amtsgericht Mosbach am 17.08.2022 unter 6F 202/21 EXPLIZIT BEAUFTRAGT ist, eine gutachterliche Stellungnahme zum Nationalsozialismus und dessen Aufarbeitung nach 1945 am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren  abzugeben.
Siehe dazu auch:


ANDERERSEITS:
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zur Wichtigkeit der gegenwärtigen und zukünftigen NS-Gedenk- und Erinnerungsstätten für die Öffentlichkeitsarbeit und Bildungsarbeit.
UND DIES OBWOHL diese Sachverhalte zu dieser NS-Thematik bzw. NS-Problematik frei verfügbar sind im öffentlichen Diskurs über entsprechende Medienberichte; über künstlerisch-kulturelle Themenaufarbeitungen; über die juristische, politische und wissenschaftliche Fachliteratur; über Publikationen von BRD-Institutionen der Justiz, der Politik; der Sicherheitsdienste und Sicherheitskräfte.
UND DIES OBWOHL die Gutachterin aus Kitzingen vom Amtsgericht Mosbach am 17.08.2022 unter 6F 202/21 EXPLIZIT BEAUFTRAGT ist, eine gutachterliche Stellungnahme zum Nationalsozialismus und dessen Aufarbeitung nach 1945 am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren abzugeben.
Siehe dazu auch:


Siehe auch:



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