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AKTUELLES:
Rassismus und Diskriminierung:
Nationalsozialistisch-orientiert gesellschaftliche, institutionelle
und strukturelle Diskriminierung von Sinti und Roma
und zum Antiziganismus nach 1945
Zuletzt AKTUALISIERT am 14.08.2024 !
Seiteninhalt:
- NS- und Rechtsextremismus-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach
1.1 Gerichtlich verfügte Beauftragung der forensischen Sachverständigen aus Kitzingen durch das Amtsgericht Mosbach bezüglich der gerichtlichen und außergerichtlichen Anti-Nazi-Aktivitäten des Antragstellers
1.2 Strafanzeigen vom 13.08.2022 an das Amtsgericht Mosbach gegen Verantwortliche der Inhaftierungen und Deportationen von Sinti und Roma aus Landkreis und Stadt Mosbach in Nazi-Konzentrationslager - Online-Artikel und Bücher zur Nationalsozialistisch-orientiert gesellschaftlichen, institutionellen und strukturellen Diskriminierung der Sinti und Roma und zum Antiziganismus nach 1945
2.1 Online-Artikel und Bücher zum Antiziganismus in Baden-Württemberg seit 1945
2.2 Online-Artikel zum Antiziganismus in Deutschland seit 1945 - YouTube-Videos zur Nationalsozialistisch-orientiert gesellschaftlichen, institutionellen und strukturellen Diskriminierung der Sinti und Roma und zum Antiziganismus nach 1945
- Stellungnahme der vom Amtsgericht Mosbach gerichtlich beauftragten forensischen Sachverständigen aus Kitzingen zur Nationalsozialistisch-orientiert gesellschaftlichen, institutionellen und strukturellen Diskriminierung der Sinti und Roma und zum Antiziganismus nach 1945
- Petition beim Deutschen Bundestag zur Rückführung ausgewiesener Roma nach Deutschland
1. NS- und Rechtsextremismus-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach
Amtsgericht Mosbach | NS- und Rechtsextremismus-Verfahren bei der Mosbacher Justiz: AKTUELLES: Siehe auch: Strafanzeigen vom 13.08.2022 gegen Verantwortliche der Inhaftierungen und Deportationen von Sinti und Roma aus Landkreis und Stadt Mosbach in Nazi-Konzentrationslager >>> |
1.1 Gerichtlich verfügte Beauftragung der forensischen Sachverständigen aus Kitzingen durch das Amtsgericht Mosbach bezüglich der gerichtlichen und außergerichtlichen Anti-Nazi-Aktivitäten des Antragstellers
Das Familiengericht-Amtsgericht Mosbach, Hauptstraße 110, 74281 Mosbach, beauftragt die forensische Sachverständige aus Moltkestr. 2, 97318 Kitzingen, in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 unter 6F 202/21, die Anti-Nazi-Aktivitäten des KVs und Antragstellers in einer ergänzenden Stellungnahme gutachterlich einzuschätzen und zu bewerten. Dazu zählen laut Anweisungen dieser amtsgerichtlichen Verfügungen SOWOHL die seit Sommer 2022 vom Antragsteller beim Amtsgericht Mosbach initiierten NS- und Rechtsextremismus-Verfahren ALS AUCH seine außergerichtlichen und gerichtlichen Aufklärungs- und Aufarbeitungsbemühungen zu Nationalsozialistischem Unrecht und Nationalsozialistischen Verbrechen aus dem Zeitraum um 2008, d.h. konkret von 2004 bis 2011, im Rahmen seiner sogenannten "Nazi-Jäger"-Aktivitäten im sachverhaltsbezogenen Kontext zur Problematik des Nationalsozialismus vor und nach 1945 und dessen Aufarbeitung bis heute. Siehe dazu auch Kapitel 4 auf dieser Seite.
Das Amtsgericht Mosbach BEAUFTRAGT EXPLIZIT in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 unter 6F 202/21 am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach die forensische Sachverständige aus Kitzingen, eine GUTACHTERLICHE STELLUNGNAHME zur Nationalsozialistischen Verfolgung der Sinti und Roma nach 1945 ALS TEIL DER NS-VERGANGENHEITSBEWÄLTIGUNG an das deutsche BRD-Amtsgericht Mosbach im Jahr 2022 zu erstellen.
1.2 Strafanzeigen vom 13.08.2022 an das Amtsgericht Mosbach gegen Verantwortliche der Inhaftierungen und Deportationen von Sinti und Roma aus Landkreis und Stadt Mosbach in Nazi-Konzentrationslager
Es gibt zwei Deportationswellen aus der Mosbacher Region. 1940 werden die badischen Juden deportiert. Und 1943 die hier ansässigen und hier festgesetzten Sinti- und Roma-Familien. Ein Fahrplan dieser Deportationen von Mosbach nach Auschwitz-Birkenau ist datiert auf den 10.03.1943. AKTUELLES: Siehe auch: Strafanzeigen vom 13.08.2022 gegen Verantwortliche der Inhaftierungen und Deportationen von Sinti und Roma aus Landkreis und Stadt Mosbach in Nazi-Konzentrationslager >>> |
Hiermit ergeht der zuvor benannte offizielle Strafantrag an das AG/FG Mosbach unter 6F 9/22 vom 13.08.2022.
BEGRÜNDUNG UND GLAUBHAFTMACHUNG:
1943/44 wurden mindestens 116 Sinti – Männer und Frauen, Säuglinge, Kinder und Alte – aus den Altkreisen Sinsheim, Mosbach und Buchen ins „Zigeunerlager Auschwitz“ deportiert. Nur wenige überlebten. Im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau wurden am 2. August 1944 etwa 4300 Sinti und Roma Kinder, Frauen und Männer in einer einzigen Nacht ermordet.
Unzureichende Aufarbeitung durch die Mosbacher Justiz ?: Bisher ist öffentlich nichts darüber bekannt, dass Verantwortliche im arbeitsteilig organisierten Nazi-Massenmord an Sinti und Roma während der Nachkriegszeit von der Mosbacher Justiz angeklagt und verurteilt wurden.
ANTRAG AUF VERFAHRENSBESCHLEUNIGUNG:
Hiermit ergeht der Antrag auf Verfahrensbeschleunigung in vorliegender Rechtssache gegen möglicherweise noch lebende NS-Täter.
SACHVERHALTSERMITTLUNGS- UND AUFKLÄRUNGSPFLICHT DES GERICHTS:
Das Gericht selbst ist von Amtswegen zur umfassenden Sachverhaltsermittlung und - aufklärung nach § 26 FamFG, § 27 FamFG, § 44 FamFG, § 138 ZPO verpflichtet, um möglichst eine Verletzung der Ansprüche auf rechtliches Gehör und faires Verfahren nach § 10 AEMR, § 6 EMRK, § 103 Abs. 1 GG sowie auf die Achtung des Familienlebens nach § 8 EMRK sowie auf das Recht auf Meinungsfreiheit § 19 AEMR, § 11 EMRK, § 5 GG sowie auf das Recht auf Diskriminierungsverbot § 14 EMRK auszuschließen.
GERICHTLICH EINZUHOLENDE STELLUNGNAHMEN
Beim hier fallverantwortlichen Spruchkörper des Amtsgerichts Mosbach wird unter 6F 9/22 offiziell beantragt von allen Verfahrensbeteiligten inklusive der involvierten Fachstellen (Jugendamt Neckar-Odenwaldkreis beim Landratsamt Mosbach unter Aktenzeichen 3.23214 und der gerichtlich bestellten Verfahrensbeiständin) offizielle Stellungnahmen in der hier anhängigen Rechtssache „Strafanzeigen gegen Verantwortliche der Inhaftierungen und Deportationen von Sinti und Roma aus Landkreis und Stadt Mosbach in Nazi-Konzentrationslager“ ordnungsgemäß und vollständig zeitnah einzuholen.
INTERNET-VERÖFFENTLICHUNGEN
Hiermit erfolgt offiziell die Antragsteller-Freigabe des vorliegenden Antrages vom 13.08.2022 unter 6F 9/22 in vorliegender Rechtssache „Strafanzeigen gegen Verantwortliche der Inhaftierungen und Deportationen von Sinti und Roma aus Landkreis und Stadt Mosbach in Nazi-Konzentrationslager“ zur frei zugänglichen Veröffentlichung in den Internetpräsenzen des Amtsgerichts Mosbach sowie der BRD-Justizinstitutionen sowie in den Internetpräsenzen der BRD-Universitäten und Fachhochschulen sowie in den Internetpräsenzen sämtlicher BRD-Bildungseinrichtungen.
Der vorliegende Strafantrag in vorliegender Rechtssache beim Amtsgericht-Familiengericht Mosbach wird mit begleitender Falldokumentation auf der folgenden Website frei zugänglich im Internet veröffentlicht: Die Internet-Präsenz " Nationalsozialismus in Mosbach - Baden und Württemberg : Rechtsextremismus und Neofaschismus : Rassismus und Diskriminierung : Anti-Semitismus : Homophobie " ist ein Linkportal und Informationsangebot zu regionalen Ereignissen im Prioritäten-Fokus zu Mosbach, Baden und Württemberg.
http://www.nationalsozialismus-in-mosbach-baden.info/
Beim fallverantwortlichen Spruchkörper am Amtsgericht Mosbach wird hiermit am 11.08.2022 unter 6F 9/22 die Veranlassung mit transparenter Bestätigungsmitteilung an alle Verfahrensbeteiligten beantragt, die hier anhängige RECHTSSACHE mit kritischer Dokumentation sowie die entsprechende Verfahrens- und Falldokumentationen auf den Internet-/bzw. Websites des Amtsgericht Mosbach frei zugänglich zu veröffentlichen.
Mit freundlichen Grüßen
***
Siehe auch:
2. Online-Artikel und Bücher zur Nationalsozialistisch-orientiert gesellschaftlichen, institutionellen und strukturellen Diskriminierung der Sinti und Roma und zum Antiziganismus nach 1945
2.1 Online-Artikel und Bücher zum Antiziganismus in Baden-Württemberg seit 1945
Antiziganismus in der frühen Bundesrepublik
Veranstaltungsort
Generallandesarchiv Karlsruhe
Denkmal für Sinti und Roma in Auschwitz-Birkenau
24.02.2023 16:00 Uhr
Forum Landesgeschichte
Denkmal für Sinti und Roma in Auschwitz-Birkenau.
Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma in Auschwitz-Birkenau
Das Forum Landesgeschichte im Generallandesarchiv Karlsruhe beschäftigt sich am Freitag, den 24. Februar 2023, ab 16 Uhr mit rassistischen Klischees und Stereotypen. In vier Vorträgen gehen Expertinnen und Experten der Geschichte des Antiziganismus in der frühen Bundesrepublik nach.
Rassistische Vorurteile und Stereotypen prägten über Jahrhunderte das Zusammenleben von Sinti und Roma und einer "Mehrheitsgesellschaft", die sie als "Zigeuner" diskreditierte. Die Verfolgung und Ermordung von Sinti und Roma während der Zeit des Nationalsozialismus war lange Zeit kein Thema der öffentlichen Erinnerungskultur. Im Begriff des Antiziganismus wird diese besondere Form des Rassismus begrifflich gefasst. Neue Arbeiten aus diesem Forschungsbereich werden auf dem "Forum Landesgeschichte" diskutiert.
Folgende Themen kommen beim Forum Landesgeschichte zum Vortrag:
Julia Wolrab M. A., Wissenschaftliche Leiterin des Dokumentationszentrums Nationalsozialismus Freiburg
Annäherung an ein Projekt: Zwischen Diskriminierung und Romantisierung. Eine vergleichende Betrachtung der Geschichte der Sinti und Roma in Baden und Brandenburg zwischen 1918 und 1990
Laura Hankeln, Doktorandin am Historischen Seminar, Universität Heidelberg
Staatliche Dimensionen des Antiziganismus: Kontinuitäten und Brüche im baden-württembergischen Behördenapparat nach 1945
Pause
Joey Rauschenberger M. A., Wiss. Mitarbeiter an der Forschungsstelle Antiziganismus, Heidelberg
Wiedergutmachung für Sinti und Roma? Praxis der Entschädigung von NS-Unrecht in Baden-Württemberg, 1945-1975
Daniela Gress M. A., Wiss. Mitarbeiterin an der Forschungsstelle Antiziganismus, Heidelberg
Protest und Anerkennung. Geschichte des Bürgerrechtsaktivismus von Sinti und Roma im deutschen Südwesten
https://www.landesarchiv-bw.de/
Unrecht und Widerstand – Romani Rose und die Bürgerrechtsbewegung
Dienstag, 19. Juli 2022, um 20.00 Uhr
Regie: Peter Nestler
Der Film handelt von verschiedenen Formen des Widerstands deutscher Sinti und Roma über acht Jahrzehnte hinweg. Es geht um Auflehnung gegen Unrecht und um das Beharren auf Würde und Gerechtigkeit.
Eine Erzählung vom Mut und der Entschlossenheit Einzelner, die sich verzweifelt wehrten. Und die leidvolle Geschichte einer Minderheit zwischen Trauma und Selbstbehauptung, die sich als beispielloses Unrecht durch die gesamte Nachkriegszeit bis in unsere Gegenwart zieht.
Im Zentrum steht Romani Rose, seine Familie, Mitstreiterinnen und Mitstreiter. 13 nahe Verwandte der Roses wurden in den Lagern umgebracht. Romani Roses Vater Oskar war während der Nazizeit untergetaucht und wurde von der Gestapo gesucht. Über sein mutiges Handeln berichtet der Film. Darüber, wie er versuchte, im April 1943 beim Münchner Kardinal Faulhaber um Schutz für die Verfolgten zu bitten und wie es ihm gelang seinen Bruder aus dem KZ-Neckarelz zu befreien.
Für Roma und Sinti, die den Völkermord überlebt hatten, waren Ausgrenzung, Armut und behördliche Schikanen Alltag. Der Porajmos, der Genozid an der Minderheit, wurde erst 1982 offiziell anerkannt. Der Film beschreibt den langen Weg aus der Rechtlosigkeit und Diskriminierung in die Bürgerrechtsbewegung.
Deren unermüdliches Engagement zeugt von Zivilcourage und Bürgersinn, vom entschiedenen Eintreten für das Miteinander diverser Kulturen und von zukunftsweisendem Demokratieverständnis. Gibt es in Zeiten zunehmender Ausgrenzung und rassistischer Gewalt Wichtigeres?
https://www.kinostar.com/
Sinti und Roma in Mosbach (Baden)
Vortrag in Heidelberg: „Verfolgung der Sinti zwischen Kraichgau, Neckartal-Odenwald und Bauland“
Bremeneckgasse 2 - Heidelberg
Datum 02.10.2018 20:00 - 22:00 Uhr
Veranstaltungsort Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma
Bremeneckgasse 2, 69117 Heidelberg
Im ländlichen Raum waren Sinti schon seit Jahrhunderten unterwegs. Zahlreiche Maßnahmen „zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens“ erschwerten ihnen jedoch die Ausübung ihrer Wanderberufe. Während das Land Baden ihre Ansiedlung anstrebte, versuchten die Bevölkerung und Ortsbehörden dies zu verhindern. Im Nationalsozialismus verschärfte sich die Verfolgung der Sinti: zu lokalen sozialrassistischen Maßnahmen kam ausgehend von der Reichsebene ein biologistischer Rassismus hinzu, der im Völkermord gipfelte. Vor 75 Jahren (1943/44) wurden mindestens 116 Sinti – Männer und Frauen, Säuglinge, Kinder und Alte – aus den Altkreisen Sinsheim, Mosbach und Buchen ins „Zigeunerlager Auschwitz“ deportiert; nur wenige überlebten.
Arno Huth (KZ-Gedenkstätte Neckarelz) wird anhand seiner Dokumentation über die örtliche Verfolgung und Deportation der Sinti berichten.
Veranstaltet von: VVN-BdA Kreisvereinigung Heidelberg und Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma
https://zentralrat.sintiundroma.de/
Erscheinungsformen des Antiziganismus
Sinti und Roma
Jahrzehnte hat es gedauert, bis der Völkermord an den Sinti und Roma in das öffentliche Gedenken einbezogen worden ist. Die historische Aufarbeitung dauert an. Auch der Antiziganismus ist noch immer existent und nicht überwunden. Unser Dossier zeichnet die Geschichte der deutschen Sinti und Roma im 20. Jahrhundert bis heute nach, informiert über Erscheinungsformen des Antiziganismus und stellt Handlungsstrategien vor.
https://www.gedenkstaetten-bw.de/sinti-roma-antiziganismus
Siehe auch HISTORISCHES: NS-Verfolgung von Sinti und Roma, auch in Mosbach >>>
VERFOLGUNG DER SINTI, ROMA UND JENISCHEN IM LÄNDLICHEN RAUM DES KRAICHGAUS, DES NECKARTALES, DES ELZTALES UND DES BAULANDES.
Arno Huth: Mosbach-Neckarelz 2010. Broschüre DIN A 4, 146 Seiten
Der erste Teil der Broschüre ist der Verfolgung, „Festsetzung“ und Deportation der jahrhundertelang in der Region ansässigen Angehörigen der Minderheit gewidmet. Im zweiten Teil seiner Dokumentation geht der Autor auf das Schicksal der Sinti-Häftlinge in den Neckarlagern ein.
http://www.kz-denk-neckarelz.de/literatur
Siehe auch:
Zusammenarbeit mit den deutschen Sinti und Roma in Baden-Württemberg
Die Landesregierung stärkt die im Land lebende Minderheit der Sinti und Roma. Deshalb hat sie einen Staatsvertrag mit den deutschen Sinti und Roma geschlossen. Durch den Vertrag erkennt das Land die Sinti und Roma offiziell als Minderheit an. Ein gemeinsames Gremium bringt außerdem die Zusammenarbeit weiter voran.
In Deutschland leben vier anerkannte nationale Minderheiten: die deutschen Dänen, die friesische Volksgruppe, die Sorben und Wenden sowie die deutschen Sinti und Roma. Allen gemeinsam ist, dass sie eine eigene Sprache, Kultur und Geschichte besitzen und schon seit Jahrhunderten in Deutschland heimisch sind.
Es ist Aufgabe der Länder, für die auf ihrem Gebiet lebenden Minderheiten geeignete Bedingungen zu schaffen, die es ihnen ermöglichen, ihre Kultur und Sprache zu erhalten sowie ihre Identität zu wahren. Für Baden-Württemberg bedeutet dies, dass es eine besondere Verantwortung für die im Land lebenden deutschen Sinti und Roma besitzt.
Deshalb hat das Land 2013 einen Staatsvertrag mit den deutschen Sinti und Roma abgeschlossen. Mit dem Vertrag hat Baden-Württemberg die deutschen Sinti und Roma in einem offiziellen, durch den Landtag einstimmig mit Gesetzeskraft versehenen Akt als nationale Minderheit in Baden-Württemberg anerkannt und gewürdigt.
Rat für die Angelegenheiten der deutschen Sinti und Roma
Mit dem Staatsvertrag wurde ein „Rat für die Angelegenheiten der deutschen Sinti und Roma in Baden-Württemberg“ geschaffen. Die Koordinierungsstelle des Rates ist im Staatsministerium angesiedelt. Aktuell ist Staatssekretär Rudi Hoogvliet als Koordinator des Rates bestellt.
In dem mit Vertreterinnen und Vertretern der deutschen Sinti und Roma in Baden-Württemberg, der Landesregierung, des Landtags und der kommunalen Landesverbände besetzten Gremium geht es um die Gestaltung der gemeinsamen Zukunft. Hierzu gehören neben dem würdigen Gedenken und der Erinnerung an die gemeinsame Geschichte die Anerkennung von Sinti und Roma in ihrer Vielfalt und die Förderung ihrer Kultur. Dass Staat und nationale Minderheit diese Aufgaben auf Augenhöhe angehen, ist ein Novum in der Landesgeschichte von Baden-Württemberg.
Der Rat dient als gemeinsame Plattform, in dem alle die Sinti und Roma im Land betreffenden Angelegenheiten besprochen, Informationen gebündelt und vernetzt sowie gemeinsame Empfehlungen erarbeitet werden können.
https://stm.baden-wuerttemberg.de/
Kontinuitäten des Antiziganismus in Baden-Württemberg nach 1945
ZEGK > Historisches Seminar > Mitglieder > Forschungsstelle Antiziganismus >
Joey Rauschenberger, M.A.
Forschungsstelle Antiziganismus
Funktion/Position
Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Verbundprojekt "Reintegration, Schuldzuweisung und Entschädigung": Teilprojekt "Kontinuitäten des Antiziganismus in Baden-Württemberg nach 1945“, gefördert durch die Baden-Württemberg Stiftung
Kontakt
Büro:
Forschungsstelle Antiziganismus
Hauptstraße 216
69117 Heidelberg
Postanschrift:
Historisches Seminar der Universität Heidelberg
Postfach 10 57 60
D-69047 Heidelberg
Tel: +49 (0) 6221 / 54 - 37701
E-Mail: Joey.Rauschenberger@zegk.uni-heidelberg.de
https://www.uni-heidelberg.de/
2.2 Online-Artikel zum Antiziganismus in Deutschland seit 1945
Gedenken an ermordete Sinti und Roma
Von Schmerz, Scham und Diskriminierung
Stand: 02.08.2024 17:18 Uhr
Seit 2015 gibt es den Holocaust-Gedenktag für Sinti und Roma. Mit Bundestagspräsidentin Bas ist erstmals die Vorsitzende des deutschen Parlaments bei dem Gedenken in Auschwitz. Vor Überlebenden spricht sie von Schmerz und Scham.
Von Sophie Rebmann, ARD Warschau
Bei der Gedenkzeremonie im ehemaligen KZ Auschwitz-Birkenau werden Namen der letzten dort inhaftierten Sinti und Roma verlesen. In der Nacht vom 2. August 1944 wurden sie von der SS in die Gaskammern getrieben und ermordet - trotz erbitterten Widerstands, wie Zeugen später berichteten. Bis in die Nacht habe man Schreie gehört. Mehr als 4.000 Menschen starben. Eine der letzten noch lebenden Überlebenden, Alma Klasing, trat bei der heutigen Gedenkveranstaltung ans Mikrofon. "Es ist für mich eine große Ehre, dass ich heute hier sein kann. Es wühlt mich gleichzeitig aber sehr auf, an diesem Ort zu sein, an dem unserer Minderheit so viel Leid angetan wurde.""Jede Minute Angst um unser Leben" Sie übergibt an die nächste Generation: Eine junge Frau liest Klasings Erinnerungen vor - davon, wie Verwandte sich auf der Wache melden mussten und ins Konzentrationslager geschickt wurden. Und wie ihre Mutter sich mit ihr und dem Bruder im Wald versteckte. "Wir hatten jede Minute Angst um unser Leben. Tagsüber hockten wir uns in Gruben und bedeckten uns mit Laub. Nachts zogen wir weiter und suchten ein anderes Versteck. Das alles musste geräuschlos verlaufen", erinnert sie sich." Immer in der Angst vor der Entdeckung und Deportation. Ernähren konnten wir uns nur von Beeren und essbaren Pflanzen. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir irgendwo Hilfe bekommen haben. "Der Überlebende Boleslaw Rumanowski hatte sich mit seiner Familie ebenfalls im Wald versteckt, war aber aufgegriffen und im KZ in Lodsch gefangen genommen worden. "Wir haben den Krieg überstanden. Leider sind viele meiner Verwandten umgekommen, sie wurden in den Lagern brutal ermordet. In den Ghettos, in den Wäldern haben wir überlebt, obwohl wir jeden Tag mit Tod und unmenschlichem Leid konfrontiert waren", sagt er. "Jeder Tag war ein Kampf ums Leben und jede Nacht voller Angst und Unsicherheit. Meine Geschichte, die meiner Familie, ist voll von Leid und Schmerz, den wir in dieser Zeit erlebt haben."
Der Nachkriegspass von Rigoletto Weiß
Player: videoWarnung vor anwachsendem Antiziganismus bei zentralem Gedenktag in Auschwitz
Porträt
02.08.2023
Nazi-Verbrechen an Sinti und Roma
Rigoletto Weiß hat überlebt
Rigoletto Weiß war elf Jahre alt, als er von den Nazis in das Vernichtungslager Belzec deportiert wurde. mehr
"Erinnern ist keine Schuldübertragung" "Es gibt unter uns Sinti und Roma kaum eine Familie, die mit dem Namen Auschwitz nicht die Ermordung ihrer Angehörigen verbindet", sagt Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrats der Sinti und Roma. In seiner Familie überlebten nur sein Vater und sein Onkel den Holocaust. Rose aber blickt nicht zurück, sondern in die Zukunft:
Erinnern an den Holocaust ist keine Schuldübertragung auf die heutige Generation. Es bedeutet aber, gemeinsame Verantwortung zu übernehmen für Demokratie und Rechtsstaat.
Sinti und Roma wurden im Nationalsozialismus systematisch verfolgt, 500.000 von ihnen ermordet. Davon ist Bundestagspräsidentin Bärbel Bas bei der Gedenkveranstaltung sichtlich bewegt:" Deutschland hat Ihnen und Ihren Familien furchtbares Leid angetan. Sie mussten durch die Hölle gehen", sagt sie. "Ich weiß es sehr zu schätzen, dass Sie heute hier sind!" Es schmerze und beschäme sie, welche Verbrechen Deutsche in Auschwitz begangen haben, betont Bas.
Romani Rose, Silas Kropf und Mehmet Daimagüler auf der Bundespressekonferenz
Player: video Wachsende Zahl an Vorfällen mit antiziganistischem Hintergrund
17.06.2024
Zahlen zu Antiziganismus
Mehr Übergriffe auf Sinti und Roma
Diskriminierung oder Gewalt: Die Zahl solcher Vorfälle hat sich 2023 im Vergleich zu 2022 verdoppelt. mehr
Diskriminierung reicht bis heute
Sie erinnert daran, dass das Leid der Sinti und Roma mit dem Ende des Nationalsozialismus nicht endete: "Der Rassismus verschwand nicht einfach aus den Köpfen. Das Leid der Sinti und Roma wurde nach dem Krieg nicht anerkannt. Gerichte verweigerten den Überlebenden Entschädigungen. Schlimmer noch: Sie machten die Opfer für ihre Verfolgung selbst verantwortlich. Der Völkermord an den Sinti und Roma wurde verschwiegen und verleugnet, kaum ein Täter zur Rechenschaft gezogen." Bas verweist auf eine Ende des vergangenen Jahres vom Bundestag beschlossene Kommission zur Aufarbeitung des Unrechts an Sinti und Roma. Weiterhin finde Diskriminierung statt - etwa auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt oder im Bildungswesen. Vor diesem Hintergrund appelliert sie: "Es braucht einen Bewusstseinswandel in vielen Bereichen der Gesellschaft. Schluss mit der Suche nach Feindbildern! Schluss mit Abwertung und Ausgrenzung. Wir brauchen Respekt und Akzeptanz."
Die Flagge der Roma
Player: audio Jahresbericht Antiziganismus: Großes Problem bei Polizei und Behörden
21.06.2024
Ministerpräsidentenkonferenz
Kommission gegen Antiziganismus eingesetzt
Es gibt mehr Angriffe auf Sinti und Roma - 2023 hat sich die Zahl der Vorfälle im Vergleich zu 2022 verdoppelt. mehr
Erstmals Bundestagspräsidentin bei Gedenken Mit der Bundestagspräsidentin spricht erstmals die Person mit dem zweithöchsten Staatsamt der Bundesrepublik bei der Veranstaltung. Eine Entschuldigung oder Bitte um Vergebung formuliert sie jedoch nicht. Die sprach Kulturstaatsministerin Claudia Roth beim zuvor stattfindenden Gedenkakt der politischen und parlamentarischen Repräsentanten aus: Sie bat alle Überlebenden im Namen der deutschen Bundesregierung um Vergebung und sagte, sie neige ihr Haupt vor den Überlebenden und ihren Nachfahren.
Player: audio Bundestagspräsidentin Bas gedenkt in Auschwitz ermordeter Sinti und Roma
Bundestagspräsidentin Bas gedenkt in Auschwitz ermordeter Sinti und Roma
00:0001:33
Sophie Rebmann, ARD Warschau, tagesschau, 02.08.2024 16:13 Uhr
Holocaust-Gedenktag
Sinti und Roma
Dieses Thema im Programm:
Über dieses Thema berichtete Inforadio am 02. August 2024 um 07:22 Uhr.
https://www.tagesschau.de/
Inneres
Fraktionen fordern Kommission zur Aufarbeitung des Unrechts an Sinti und Roma
Der Bericht der Unabhängigen Kommission Antiziganismus mit dem Titel „Perspektivwechsel – Nachholende Gerechtigkeit – Partizipation“ (19/30310, 20/1207 Nr.4) stand am Donnerstag, 14. Dezember 2023, auf der Tagesordnung des Bundestages.
Im Anschluss an die Debatte hat das Plenum mit breiter Mehrheit eine Entschließung (20/9779) angenommen, wonach die Bundesregierung aufgefordert wird, eine Kommission „zur Aufarbeitung des an Sinti und Roma begangenen Unrechts in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR“ für die Zeit nach 1945 bis in die Gegenwart einzurichten. Auch soll sie „das Gedenken an die durch das NS-Regime verfolgten und ermordeten Sinti und Roma“ wachhalten, heißt es. Mit der Entschließung verurteilt der Bundestag jede Form von Antiziganismus, würdigt die Arbeit der im Zentralrat Deutscher Sinti und Roma zusammengeschlossenen Verbände und fordert die Regierung unter anderem auf, den Abschluss eines Staatsvertrages anzustreben. Für die Entschließung stimmten die Fraktionen von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP. Die AfD-Fraktion enthielt sich mehrheitlich.
Bericht der Unabhängigen Kommission Antiziganismus
In dem mehr als 800 Seiten umfassenden Bericht fordert die 2019 eingesetzte Kommission die Bundesregierung auf, einen „Beauftragten gegen Antiziganismus“ zu berufen, der Maßnahmen zur Überwindung von Antiziganismus koordinieren soll. Beraten werden soll er nach dem Willen der Kommission von einem unabhängigen Kreis aus Wissenschaft, Praxis und Zivilgesellschaft, der von der Bundesregierung in Absprache mit dem Beauftragten berufen wird.
Zur Sicherstellung der Umsetzung zahlreicher in dem Bericht formulierten Empfehlungen fordert die Kommission zudem die Schaffung einer ständigen Bund-Länder-Kommission, da viele Maßnahmen zur Überwindung von Antiziganismus laut Vorlage in die Zuständigkeit der Länder fallen.
Anerkennung des Genozids an Sinti und Roma
Zu den zentralen Forderungen der Kommission zählt zudem die umfassende Anerkennung des nationalsozialistischen Genozids an Sinti und Roma. Für nicht in Deutschland lebende Überlebende des NS-Völkermordes an Sinti und Roma fordert die Kommission die Einrichtung eines Sonderfonds durch das Bundesfinanzministerium für diejenigen, die nach den gesetzlichen Vorschriften der Bundesrepublik bisher keine oder nur geringfügige Entschädigungen erhalten haben.
Eine niedrigschwellige, einmalige Anerkennungsleistung sei für alle Roma und Sinti vorzusehen, die vor der Befreiung ihres damaligen Heimat- oder Emigrationslandes von der NS-Besatzung oder den mit dem NS-Regime kollaborierenden Regierungen geboren wurden, heißt es in der Vorlage weiter. Wer die Anspruchsvoraussetzungen erfülle, solle laufende Leistungen erhalten.
„Schaden umfassend ausgleichen“
Die Kommission fordert darüber hinaus, „den gesundheitlichen, sozialen und ökonomischen Schaden, der durch die massive Benachteiligung in der Wiedergutmachungspraxis und den fortgesetzten Antiziganismus nach 1945 der Zweiten Generation entstanden ist, umfassend auszugleichen“. Den bis 1965 in Deutschland geborenen Kindern der im Nationalsozialismus verfolgten Sinti und Roma seien daher nach dem Vorbild der „Stiftung Anerkennung und Hilfe“ einmalige Pauschalen auszuzahlen.
Des Weiteren dringt das Gremium auf die Einsetzung einer Kommission zur Aufarbeitung des an Sinti und Roma begangenen Unrechts in der Bundesrepublik. Sinti und Roma „wurde und wird durch staatliche Behörden und andere gesellschaftliche Institutionen der Bundesrepublik Deutschland (zum Beispiel Polizei, Justiz, öffentliche Verwaltung, Ausländer- und Sozialbehörden, Schulen, Jugendämter, Kirchen, Wohlfahrtsverbände) gravierendes Unrecht zugefügt“, schreiben die Autoren. Deshalb fordere die Kommission die Bundesregierung auf, einen „umfassenden Prozess der Aufarbeitung dieses auch als Zweite Verfolgung bezeichneten Unrechts einzuleiten“. Dazu solle die Bundesregierung ein mit angemessenen finanziellen und personellen Ressourcen ausgestattetes Gremium einsetzen.
Anerkennung geflüchteter Roma als schutzwürdig
Ferner pocht die Kommission in ihrem Bericht auf die Anerkennung geflüchteter Roma als „besonders schutzwürdige Gruppe“. Mit Blick auf die praktische Anwendung der Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes sei klarzustellen, dass die in Deutschland lebenden Roma „aus historischen und humanitären Gründen als eine besonders schutzwürdige Gruppe anzuerkennen sind“. Landesregierungen und Ausländerbehörden seien aufgefordert, die Praxis der Abschiebung von Roma sofort zu beenden. Der Bundesregierung und dem Bundesgesetzgeber wird in dem Bericht empfohlen, die Einstufung von Serbien, Nordmazedonien, Bosnien-Herzegowina, Albanien, Montenegro und dem Kosovo als asylrechtlich „sichere Herkunftsstaaten“ zurückzunehmen.
Schließlich macht sich die Kommission in ihren „zentralen Forderungen“ für die „Umsetzung und Verstetigung von Partizipationsstrukturen“ stark. Unter anderem soll danach die zivilgesellschaftliche Arbeit der Organisationen von Sinti und Roma in Deutschland durch „transparente Strukturen einer dauerhaften finanziellen Förderung“ gestärkt werden. (sto/vom/hau/ste/14.12.2023)
https://www.bundestag.de/
Unrecht an Sinti und Roma nach 1945 aufarbeiten
Gilda-Nancy Horvath
04.10.2023. Oktober 2023
Im "Forum Sinti und Roma" wurde über Ansätze einer "Wahrheits-Kommission" diskutiert, die das fortgesetzte Unrecht an Sinti und Roma in Deutschland nach 1945 aufarbeiten soll. Diese könnte bereits 2024 aktiv werden.
Forum Sinti und Roma: Mehmet Daimagüler, Beauftragter der Bundesregierung gegen Antiziganismus (Berlin, 2. Oktober 2023)Bild: Gilda Horvath/DW
Das "Forum Sinti und Roma" mit dem Titel "Nationalsozialistische Verbrechen anerkennen. Zweite Verfolgung aufarbeiten. Anhaltende Folgen bekämpfen" war der erste Kongress des Beauftragten der Bundesregierung gegen Antiziganismus und für das Leben der Sinti und Roma, Mehmet Daimagüler.
Daimagüler kündigte an, dass eine sogenannte "Wahrheits-Kommission" voraussichtlich Anfang des kommenden Jahres ihre Arbeit aufnehmen werde. Diese solle unter Beteiligung der betroffenen Sinti- und Roma Communities die fortgesetzte Kriminalisierung und Benachteiligung durch staatliche Institutionen in Deutschland untersuchen und aufarbeiten. Zu den Aufgaben der Kommission gehöre auch die Erarbeitung von Handlungsempfehlungen für die Politik.
Roma-Flagge vor dem Berliner JustizRoma-Flagge vor dem Berliner Justiz
Roma-Flagge am Internationalen Roma-Tag vor der Berliner Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung (08.04.2022)Bild: Omer Messinger/Getty Images
"Das Narrativ über die Sinti und Roma wurde den Tätern überlassen", sagte der Bundesbeauftragte gegen Antiziganismus auf dem Forum, das Anfang Oktober 2023 in Berlin stattfand. Damit widersprach er der Auffassung, dass es nach 1945 eine "Stunde Null", einen Bruch mit den Denkweisen der Nationalsozialisten gegeben habe. "Die Kriminalisierung von Sinti und Roma geht weiter", unterstrich der Antiziganismusbeauftragte. Dies resultiere in der Ausgrenzung der Menschen bis in die Gegenwart, zum Beispiel am Wohnungs- und Arbeitsmarkt sowie in der Bildung. Besonders wichtig sei daher die Unabhängigkeit der Kommission, die nicht nur aus Forschenden, sondern mindestens zur Hälfte auch aus Betroffenen bestehen soll.
"Ethnic Profiling"
Auch die Kriminalisierung aufgrund der Ethnie ("Ethnic Profiling") wurde beim Forum mit dem Workshop "Antiziganismus und die Polizei" thematisiert. Unter dem Deckmantel der Bekämpfung sogenannter "Clan-Kriminalität" würden Maßnahmen getroffen, die weit über die Befugnisse der Polizei hinausgingen, sagte Daimagüler.
Als Beispiel nannte er den Fall eines elfjährigen Jungen, der grundlos auf der Straße kontrolliert und dann in Handschellen abgeführt worden sei. Der Junge wurde auf einer Polizeiwache festgehalten, seine Eltern wurden nicht informiert. Auch durfte er keinen Kontakt zu ihnen aufnehmen, solange er auf der Wache war. Dabei hatte sich der Junge nichts zu Schulden kommen lassen. Vier Polizeibeamte sind mittlerweile wegen Freiheitsberaubung und Nötigung mit Geldstrafen belegt worden.
Die Ahndung solcher Delikte sei eine Seltenheit, so Daimagüler, da vielen Betroffenen die finanziellen Mittel für einen Anwalt fehlten. Zudem hätten die Menschen aufgrund ihrer Diskriminerungserfahrung zuviel Angst, das geschehene Unrecht anzuzeigen. Daher werde auch der Aufbau eines Rechtshilfe-Netzwerks in Erwägung gezogen. Zudem solle die bereits aktive Melde- und Informationsstelle Antiziganismus (MIA) dazu beitragen, Fälle von Diskriminierung der Sinti und Roma sichtbar zu machen. Im aktuellen Bericht der Meldestelle wurden 2022 mehr als 600 Fälle verzeichnet.
Diese und andere Maßnahmen waren bereits von der Unabhängigen Kommission Antiziganismus (UKA) empfohlen worden. Die vom Bundesinnenministerium beauftragte UKA lieferte im Juli 2021 einen 800 Seiten starken Bericht, der auf den Daten aus insgesamt zwölf Studien fußt. Er belegt wissenschaftlich die nach 1945 fortgesetzte Diskriminierung von Sinti und Roma in Deutschland. Demnach finden rund zwei Drittel aller Diskriminierungserfahrungen von Sinti und Roma im Kontext staatlicher und öffentlicher Institutionen und Behörden statt. Der Bericht stelle eine wichtige Basis für die gesamte Arbeit des Bundesbeauftragten gegen Antiziganismus dar, so Daimagüler abschließend.
Das Forum Sinti und Roma, das Selbstorganisationen der Communities und Persönlichkeiten aus Politik und Philanthropie in einen Dialog gebracht hat, soll auch 2024 stattfinden.
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Hass gegen Sinti und Roma – „Eine Minderheit wird bewusst als Ganzes stigmatisiert“
18.09.2023 - Stand: 14:58 Uhr | Lesedauer: 3 Minuten
kevin_culina_WELT
Von Kevin Culina
Redakteur Innenpolitik
Sinti und Roma protestieren in Berlin gegen Diskriminierung (Archivbild)
Quelle: picture alliance / NurPhoto
Sinti und Roma sind in Deutschland von Diskriminerung betroffen, das ergibt ein Expertenbericht. Neben verbalen Anfeindungen wurde 2022 auch ein Fall schwerer Gewalt registriert. Oft komme die Diskriminierung von staatlichen Stellen, kritisiert der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma.
Eine Frau sei in eine Apotheke gegangen, um Medikamente beim Notdienst zu kaufen. Der Apotheker habe sie bedroht: Sie solle verschwinden, denn er habe genug von Leuten wie ihr – sonst schubse er sie die Treppe runter. Ihr Name sei ein bekannter Sinti-Name in der Region.
Ein Fahrgast habe sein Portemonnaie auf dem Tisch des Bordbistros vergessen. Die Schaffnerin habe ihn daraufhin gewarnt, nichts liegenzulassen – hier seien so viele „Zigeuner“.
Ein zwölfjähriges Mädchen sei auf dem Schulhof als „dreckige Zigeunerin“ beschimpft und an den Haaren den Boden entlanggezogen worden. Ihre Hose sei kaputtgegangen, das Knie habe geblutet. Die Lehrkraft habe dem Mädchen anschließend gesagt, sie solle sich nicht so anstellen.
Insgesamt 621 Fälle von Hass, Gewalt und Diskriminierung gegen Sinti und Roma wie diese wurden 2022 gemeldet. Das geht aus dem ersten Jahresbericht der Melde- und Informationsstelle Antiziganismus (MIA) hervor, der am Montag in Berlin vorgestellt wurde. MIA registrierte 17 körperliche Angriffe, 343 Fälle von Diskriminierung und 245 Fälle „verbaler Stereotypisierungen“. Bei einem Fall von Gewalt wurde eine Gruppe aus einem Auto heraus beschimpft, mit einer Druckluftwaffe beschossen und verletzt. Die meisten Fälle wurden im Bereich des Alltagslebens (158) oder im Wohnkontext (121) verzeichnet, insgesamt 119 Vorfälle bei Behörden oder staatlichen Stellen – also in Jobcentern, auf dem Jugendamt oder durch die Polizei.
Der Jahresbericht ist der erste dieser Art. Die Meldestelle wurde im Oktober 2021 eingesetzt, wurde zuerst vom Bundesinnenministerium gefördert, seit September 2022 vom Familienministerium. Meldungen werden telefonisch, über das Internet oder lokale Beratungsstellen angenommen.
In einem Siebtel der Fälle ukrainische Roma betroffen
„Der Bericht zeigt deutlich die Gefahren des zunehmenden Nationalismus und Rechtsextremismus auf“, sagte Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma. Deutschland fehle ein Verständnis von Erscheinungsformen des Antiziganismus, der Presserat solle entsprechende Stigmatisierungen in den Medien sanktionieren. Zudem fehle die Aufmerksamkeit für die Diskriminierung, bedauerte Rose. Unter den Opfern der rechtsextremen Terroranschläge von München 2016 und Hanau 2020 waren beispielsweise auch Sinti und Roma – Giuliano-Josef K., Janos Roberto R., Mercedes Kierpacz, Kaloyan Velkov und Vili-Viorel Păun.
Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma: „Gewisse Form der Narrenfreiheit hinsichtlich des Antiziganismus in Deutschland“
Quelle: AP
In etwa einem Siebtel der Fälle seien ukrainische Roma betroffen. So sei es Roma in einer Flüchtlingsunterkunft verboten gewesen, das Wärmezelt zu betreten, berichtete MIA-Leiter Guillermo Ruiz Torres. „Ukrainische Roma sollen den gleichen Schutz und die gleiche Behandlung wie andere ukrainische Geflüchtete erfahren“, forderte er.
Romani Rose bedauerte, dass es „trotz Holocaust eine gewisse Form der Narrenfreiheit“ hinsichtlich des Antiziganismus in Deutschland gebe. So erlebten Sinti und Roma immer wieder Diskriminierung durch Polizeibeamte, wenn etwa nicht ihre Staatsangehörigkeit beachtet, sondern ihre Abstammung betont werde. „Damit wird die Minderheit bewusst als Ganzes stigmatisiert“, so Rose.
„Der Rassismus auf der Straße ist schlimm, der Rassismus auf Behördengängen ist nicht akzeptabel“, sagte auch Mehmet Daimagüler, der 2022 eingesetzte Beauftragte der Bundesregierung gegen Antiziganismus. Es gebe eine immense Dunkelziffer bei antiziganistischen Vorfällen. Als Anwalt habe er vieles erlebt, das nie in offiziellen Statistiken aufgetaucht sei.
Daimagüler erinnerte zudem an den Genozid gegen Sinti und Roma im Nationalsozialismus, bei dem bis zu 500.000 Sinti und Roma von den Nazis ermordet wurden. Die Erinnerung daran müsse wachgehalten werden, auch mit Blick auf Denkmalschändungen. Bei einer Techno-Veranstaltung im vergangenen Juli in Berlin hätten sich etwa Feiernde im Wasserbecken des Denkmals an die nationalsozialistische Verfolgung der Sinti und Roma am Reichstag „erfrischt“.
„Die Vergangenheit ist nicht tot“, sagte Daimagüler. Er begegne heute noch 20-jährigen Enkeln von Holocaust-Überlebenden, die bis heute staatenlos sind, nachdem deren Großeltern durch die Nazis die Staatsangehörigkeit entzogen wurde. Diese „Zweite Verfolgung“ der Sinti und Roma wirke nach und müsse aufgearbeitet werden.
https://www.welt.de/
Antiziganismus
: Meldestelle erfasst 621 Fälle von Diskriminierung an Sinti und Roma
Anfeindungen, Drohungen, Gewalt: Für viele Sinti und Roma ist Diskriminierung Alltag. Die Fälle reichen von "verbaler Stereotypisierung" bis hin zu körperlichen Attacken.
Aktualisiert am 18. September 2023, 11:08 Uhr
Quelle: ZEIT ONLINE, dpa, KNA,
Antiziganismus: Die Flagge der Roma weht im April 2022 vor der Berliner Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung.
Die Flagge der Roma weht im April 2022 vor der Berliner Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung. © Omer Messinger/Getty Images
Für Sinti und Roma sind Diskriminierung, Anfeindung und sogar Gewalt in Deutschland Alltag. Das zeigt ein Bericht der neuen Melde- und Informationsstelle Antiziganismus (MIA).
Demnach gab es im vergangenen Jahr bundesweit 621 antiziganistische Vorfälle. Darunter sind 343 Fälle von Diskriminierung und 245 Fälle von "verbaler Stereotypisierung" sowie elf Fälle von Bedrohung, 17 Angriffe und ein Fall von "extremer Gewalt".
Die MIA definiert als Antiziganismus unter anderem "die gesellschaftlich tradierte Wahrnehmung von und den Umgang mit Menschen oder sozialen Gruppen, die als 'Zigeuner' konstruiert, stigmatisiert und verfolgt wurden und werden". Sinti und Roma seien dabei die zahlenmäßig am stärksten betroffene Gruppe.
In dem aktuellen Bericht heißt es weiter, dass etwa jeder zweite gemeldete Fall von Diskriminierung "im behördlichen Kontext" erfahren worden sei. Besonders gravierende Vorfälle habe es gegeben im Umfeld von Polizei, Jugendamt, Jobcenter sowie von kommunalen Verwaltungen, die für die Unterbringung von Geflüchteten zuständig sind. In jedem siebten verzeichneten Fall seien geflüchtete ukrainische Roma betroffen.
Die MIA wurde 2021 nach einem Beschluss des Bundestags gegründet und wird vom Bundesfamilienministerium gefördert. Ihr Auftrag ist es, systematisch Fälle von Antiziganismus zu erfassen – unter und über der Strafbarkeitsgrenze. Dazu wurden fünf regionale Meldestellen eingerichtet sowie die Möglichkeit, Vorfälle per Telefon, E-Mail oder über ein Formular online zu melden.
https://www.zeit.de/
Jahresbericht der Meldestelle MIA
Bundesweit mehr als 600 antiziganistische Vorfälle
Stand: 18.09.2023 12:15 Uhr
Sinti und Roma werden in Deutschland nach wie vor Ziel von Anfeindungen und Übergriffen. Zu diesem Ergebnis kommt die für Antiziganismus eingerichtete Meldestelle MIA. Diskriminierung findet demnach auch auf staatlicher Ebene statt. Im vergangenen Jahr wurden bundesweit mehr als 600 Fälle von Diskriminierung oder körperlicher Gewalt erfasst, die sich gezielt gegen Angehörige der Sinti und Roma richteten. Diese Bilanz zieht die Melde- und Informationsstelle Antiziganismus in ihrem Jahresbericht. Insgesamt wurden 2022 laut MIA 621 antiziganistische Vorfälle gemeldet. Dazu zählen demnach 343 Fälle von Diskriminierung und 245 Fälle von "verbaler Stereotypisierung", aber auch elf Fälle von Bedrohung, 17 Angriffe und ein Fall von "extremer Gewalt". Vergleiche zu Vorjahren sind auf Basis der MIA-Bilanz nicht möglich, da es sich um den ersten von der Meldestelle veröffentlichten Bericht handelt.Bei dem Fall von "extremer Gewalt" waren mehrere Betroffene im Saarland zunächst von einer Personengruppe aus einem Auto heraus beleidigt und anschließend mit einer Druckluftwaffe beschossen worden. Mehrere Menschen wurden verletzt. Der Vorfall floss auch in die Statistik für politisch motivierte Kriminalität als antiziganistische Straftat ein.
Player: videoErster Jahresbericht zu Antiziganismus
Sendungsbild | ARD-aktuell1 Min
Erster Jahresbericht zu Antiziganismus
Andre Kartschall, RBB, tagesschau, 18.09.2023 12:00 Uhr
Was ist Antiziganismus?
Für den Begriff "Antiziganismus" gibt es mehrere, etwas variierende Definitionen. Der Duden schreibt dem Begriff die Bedeutung einer "Abneigung oder Feindschaft gegenüber Sinti und Roma" zu.
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes folgt der Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA). Demnach "manifestiert sich Antiziganismus in individuellen Äußerungen und Handlungen sowie institutionellen Politiken und Praktiken der Marginalisierung, Ausgrenzung, physischen Gewalt, Herabwürdigung von Kulturen und Lebensweisen von Sinti und Roma sowie Hassreden, die gegen Sinti und Roma sowie andere Einzelpersonen oder Gruppen gerichtet sind, die zur Zeit des Nationalsozialismus und noch heute als 'Zigeuner' wahrgenommen, stigmatisiert oder verfolgt wurden bzw. werden. Dies führt dazu, dass Sinti und Roma als eine Gruppe vermeintlich Fremder behandelt werden, und ihnen eine Reihe negativer Stereotypen und verzerrter Darstellungen zugeordnet wird, die eine bestimmte Form des Rassismus darstellen."
Die Bundeszentrale für politische Bildung weist darauf hin, dass der Begriff Antiziganismus heute teilweise umstritten ist, da "er die abwertende Fremdbezeichnung 'Zigeuner' beinhaltet". Allerdings werde er "trotzdem von einigen Roma-Organisationen verwendet, auch um die darin enthaltenen rassistischen Zuschreibungen sichtbar zu machen, die von tatsächlichen Lebenswirklichkeiten völlig unabhängig sind".
Vorfälle unter und über Grenze der StrafbarkeitDoch nicht alle Fälle, die in die MIA-Bilanz einfließen, erfüllen auch einen Straftatbestand. Wie es vom gleichnamigen Verein, der für die Meldestelle zuständig ist, heißt, sind nur wenige der aufgezählten Taten auch in der Polizeistatistik ausgewiesen.Ihrer eigenen Definition nach registriert die Meldestelle unter anderem "körperliche Angriffe, Bedrohungen, Sachbeschädigungen, Schmierereien, Beleidigungen, Hasskommentare sowie Propagandamaterial wie Hetzschriften, Plakate oder Aufkleber". Hinweise und Meldungen zu körperlichen oder verbalen Übergriffen nimmt die Meldestelle telefonisch, auf elektronischem Wege oder direkt in den MIA-Zweigstellen entgegen.Antiziganismus sei für viele Betroffene alltäglich, mahnte Guillermo Ruiz Torres, Leiter der MIA. Er appellierte unter anderem auch an die Medien, für antiziganistische Stereotype in der Sprache und Berichterstattung sensibel zu sein. Der Deutsche Presserat solle entsprechende Verstöße sanktionieren.
Frank-Walter Steinmeier
Player: videoGedenken in Berlin an die Verfolgung und Ermordung von Sinti und Roma während des Nationalsozialismus
24.10.2022
Bundespräsident Steinmeier
"Diskriminierung von Roma muss aufhören" >>>
Steinmeier würdigt Mahnmal für Sinti und Roma, das vor zehn Jahren in Berlin eröffnet wurde. mehr
Diskriminierung auch durch Polizei und BehördenLaut Jahresbericht der Meldestelle handelte es sich bei rund der Hälfte aller erfassten Vorfälle um Diskriminierung - und davon habe etwa jeder zweite Fall auf "institutioneller Ebene" stattgefunden. Was bedeutet, dass sich diese Fälle in staatlichen und öffentlichen Einrichtungen ereignet haben sollen, wie Jobcentern, Jugendämtern oder Verwaltungen, die für die Unterbringung Geflüchteter zuständig sind. Auch durch Polizeikräfte seien Angehörige der Sinti und Roma diskriminiert worden.Der Verein MIA fordert angesichts dieser Zahlen, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz auf staatliche Stellen auszuweiten, um so Diskriminierung auch auf dieser Ebene ahnden zu können. Auch der Vorsitzende des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, sprach sich für ein härteres Vorgehen gegen Antiziganismus aus: "Die in unserer Verfassung garantierte gleichberechtigte Teilhabe kann nur dann eingelöst werden, wenn vor dem Hintergrund unserer Geschichte der jahrhundertealte Antiziganismus genauso geächtet wird wie der Antisemitismus."
Der Antiziganismusbeauftragte der Bundesregierung, Mehmet Daimagüler.
09.03.2022
Mehmet Daimagüler
Regierung beruft Antiziganismus-Beauftragten
Der Rechtsanwalt Daimagüler wird erster Beauftragte des Bundes gegen Antiziganismus in Deutschland. mehr
"Antiziganismus in Behörden trauriger Alltag"Gerade die auf behördlicher Ebene gemeldeten Fälle riefen beim Bundesbeauftragten gegen Antiziganismus, Mehmet Daimagüler, scharfe Kritik hervor: "Zur Wahrheit gehört eben auch, dass Antiziganismus nicht nur auf den Straßen, sondern auch in Behörden trauriger Alltag ist." Daimagüler betonte, der "Rassismus auf den Straßen ist schlimm" und der Rassismus "auf Behördengängen" sei "nicht akzeptabel". Vorfälle wie diese würden das Vertrauen von Betroffenen in staatliche Stellen schwächen. Sie zweifelten oft daran, mit Hilfe von Polizei und Justiz Gerechtigkeit zu erfahren.
Dieses Thema im Programm:
Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 18. September 2023 um 12:00 Uhr.
https://www.tagesschau.de/
Beleidigung, Bedrohung, Gewalt
:Meldestelle: 621 Fälle von Antiziganismus
Datum:
18.09.2023 14:58 Uhr
Erstmals hat die neue Melde- und Informationsstelle Antiziganismus einen Jahresbericht vorgelegt. Der zeigt: Sinti und Roma sind hierzulande oft Anfeindungen und Gewalt ausgesetzt.
2022 wurden rund 620 antiziganistische Vorfälle gemeldet. Der Beauftragte der Bundesregierung rechnet mit einer hohen Dunkelziffer und fordert den klaren Kampf gegen Rassismus.
18.09.2023
Für Sinti und Roma sind Diskriminierung, Anfeindungen und sogar Gewalt einem neuen Bericht zufolge in Deutschland Alltag. Bundesweit 621 Vorfälle hat die neue Melde- und Informationsstelle Antiziganismus (MIA) für das Jahr 2022 erfasst.
Unter den gemeldeten Vorfällen sind unter anderem 343 Fälle von Diskriminierung und 245 Fälle von "verbaler Stereotypisierung" sowie elf Fälle von Bedrohung, 17 Angriffe und ein Fall von "extremer Gewalt".
Diese Minderheit hat eine harte Geschichte.
Dabei handele es sich um einen Fall im Saarland, der auch in der Statistik für politisch motivierte Kriminalität als antiziganistische Straftat erfasst worden sei, heißt es in dem nun veröffentlichten ersten MIA-Jahresbericht: Aus zwei vorbeifahrenden Autos heraus sei eine Personengruppe zuerst antiziganistisch beleidigt und anschließend mit einer Druckluftwaffe gezielt beschossen worden. Mehrere Menschen seien verletzt worden.
Meldestelle: Diskriminierung häufig auch auf institutioneller Ebene
Besonders bemerkenswert finden die Autoren des MIA-Berichts zwei Aspekte: Mehr als die Hälfte der erfassten Vorfälle entfielen auf Diskriminierung und "etwa die Hälfte der Fälle antiziganistischer Diskriminierung fand auf institutioneller Ebene statt".
Gemeint sind demnach staatliche Institutionen wie Polizei, Jugendamt, Jobcenter sowie kommunale Verwaltungen, die für die Unterbringung von Geflüchteten zuständig sind. Desweiteren seien vor allem viele aus der Ukraine geflüchtete Roma von Attacken betroffen.
Am europäischen Holocaust-Gedenktag wurde im damaligen Konzentrationslager Auschwitz der Ermordung von Sinti und Roma gedacht. Allein in einer Nacht wurden 4.000 von ihnen ermordet.
In dem MIA-Bericht tauchen nach Angaben der Autoren einige wenige Taten auf, die auch in der Polizeistatistik ausgewiesen sind, darunter weitere Fälle von Gewalt sowie Beleidigung und Volksverhetzung. Im Wesentlichen bezieht sich der Bericht aber auf Meldungen bei eigens dafür eingerichteten regionalen Stellen. Die Fälle seien teils auch unter der Schwelle der Strafbarkeit.
MIA fordert deshalb, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz nicht auf privates Recht zu beschränken, sondern auf staatliche Stellen auszuweiten und auf dieser Grundlage Diskriminierungen zu ahnden.
Quelle: dpa
https://www.zdf.de/
Flugblatt-Affäre
Schuster von Aiwangers Entschuldigung nicht überzeugt
Stand: 04.09.2023 21:57 Uhr
Der Präsident des Zentralrats der Juden, Schuster, ist von der Entschuldigung Aiwangers in der Flugblatt-Affäre nicht überzeugt. Ob es in einer zukünftigen Koalition weiterhin einen stellvertretenden Ministerpräsidenten Aiwanger geben werde, sei abzuwarten, sagte er in den tagesthemen. Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, hat sich im Interview mit den tagesthemen irritiert über die Jubelrufe gezeigt, die der stellvertretende bayerische Ministerpräsident Hubert Aiwanger auf dem Volksfest Gillamoos bekommen hat. Er sei deshalb irritiert, weil Aiwanger die Forderung von Ministerpräsident Markus Söder Reue und Demut zu zeigen, nicht erfüllt habe. Aiwanger habe sich zwar entschuldigt, aber es sei nicht ganz klar, für was eigentlich, so Schuster. Darüber hinaus habe er den Fragenkatalog "mehr als dürftig" beantwortet.
"Ich habe eigentlich erwartet und erhofft, dass Aiwanger zu seinen Verfehlungen, auch wenn sie viele Jahre zurückliegen, ganz klar steht. Das wäre der richtige Weg gewesen, um eine solche Debatte auch abschließen zu können." Bei einem Treffen mit Aiwanger, das Söder vorgeschlagen habe, würde er diesem sehr deutlich machen, dass die Opfer-Täter-Umkehr, die dieser eingeschlagen habe, "überhaupt nicht geht". Die Entscheidung Söders, an Aiwanger festzuhalten, könne Schuster zum jetzigen Zeitpunkt verstehen. Aiwanger hätte sonst eventuell in einer Art Märtyrer-Funktion noch mehr Stimmen für die Freien Wähler bei der Landtagswahl einfangen können. Gegebenenfalls hätte davon auch eine Partei wie die AfD profitieren können. Es bleibe aber abzuwarten, ob Aiwanger auch in einer zukünftigen Koalition auf seinem Posten als stellvertretender bayerischer Ministerpräsident bleibe.
Der politische Frühschoppen beim Gillamoos ist in der bayerischen Politik ein Pflichttermin - im Wahljahr besonders. mehr
Knobloch lehnt Aiwangers Entschuldigung abZuvor hatte die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden und heutige Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, eine Entschuldigung Aiwangers abgelehnt. Der Freie-Wähler-Vorsitzende habe sich bei ihr gemeldet, sagte sie im Deutschlandfunk. "Ich habe ihm meine Meinung zu ihm, zu seiner Person ganz klar erklärt. Ich habe die Entschuldigung nicht angenommen. "Knobloch sagte aber auch, dass sie die Entscheidung von Ministerpräsident Söder, Aiwanger im Amt zu belassen, akzeptiere. Söder habe politisch entschieden - insofern stehe sie hinter dem Ministerpräsidenten. Aiwanger hätte eine Entlassung im Wahlkampf ausgenützt und hätte damit wohl auch Erfolg gehabt, so Knobloch.
Sinti und Roma kritisieren Aiwanger
Auch der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma kritisierte Aiwanger scharf. Seine Entschuldigung im Umgang mit einem antisemitischen Flugblatt sei nicht ernst gemeint, erklärte der Zentralrat in Heidelberg. Stattdessen stelle sich Aiwanger als Opfer einer Kampagne dar; dies sei inakzeptabel und zynisch. Eine weitere Verharmlosung nationalsozialistischer Verbrechen sei zu befürchten. Der Zentralrats-Vorsitzende Romani Rose sprach von einer gesellschaftspolitischen Klimaveränderung. Deren Ziel sei eine Stärkung von Rechtsextremismus und Nationalismus. Alle demokratischen Kräfte müssten einer Verharmlosung der NS-Verbrechen entgegentreten.
So beantwortete Hubert Aiwanger die 25 Fragen der Staatskanzlei rund um das antisemitische Flugblatt. mehr
Freier-Wähler-Fraktionschef verteidigt AiwangerAiwanger wird vom Fraktionschef der Freien Wähler im bayerischen Landtag, Florian Streibl, verteidigt. Wenn man mit solchen Vorwürfen überzogen werde, sei das eine "wahnsinnige Belastung für einen Menschen", sagte er im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk. Die Entscheidung von Söder, Aiwanger im Amt zu belassen, hält Streibl für notwendig. "Alles andere wäre nach meiner Meinung nicht verhältnismäßig." Er hoffe, dass man jetzt wieder zur Tagesordnung übergehen könne, das Land habe andere Probleme als das, was vor 35 Jahren auf einer Schultoilette passiert ist, so Streibl.
Dieses Thema im Programm:
Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 04. September 2023 um 22:15 Uhr.
https://www.tagesschau.de/
Stadtrundgang zur Verfolgungsgeschichte der Sinti und Roma in Wiesbaden
REIHE: BÖLL STADTRUNDGÄNGE
03.08.2023, WIESBADEN
Bildrechte: Hessischer Landesverband Dt. Sinti und Roma
Sinti und Roma sind und waren Teil der deutschen Gesellschaft. Dennoch wurden sie stets stigmatisiert, ausgegrenzt und verfolgt. Im Nationalsozialismus fand die Verfolgung mit dem Völkermord ihren schrecklichen Höhepunkt. Die Deportation der Wiesbadener Sinti jährt sich 2023 zum 80. Mal.
Der Stadtrundgang zur Verfolgungsgeschichte der Sinti und Roma in Wiesbaden führt ausgehend vom Kurhaus zu verschiedenen Orten der Verfolgung und beleuchtet die Geschichte der Sinti in Wiesbaden seit Beginn des 20. Jahrhunderts, die systematische Verfolgung im Nationalsozialismus und die Nachkriegszeit. Dabei wird auch die Rolle verschiedener Wiesbadener Institutionen bei der Verfolgung deutlich.
Der Rundgang dauert circa zwei Stunden.
Den Treffpunkt erhalten Sie mit der Anmeldebestätigung. Die Teilnahme ist kostenlos. Anmeldungen über die Anmeldemaske unten.
https://www.boell-hessen.de/
Gedenken an Befreiung des KZ Buchenwald - Schicksal von Sinti und Roma im Fokus
WEIMAR
von MDR THÜRINGEN
Stand: 17. April 2023, 07:14 Uhr
In der KZ-Gedenkstätte Buchenwald bei Weimar ist am Sonntag an das Leiden und den Tod Tausender Häftlinge des NS-Konzentrationslagers erinnert worden. Im Fokus des Gedenkens stand das Schicksal Tausender Sinti und Roma, die Opfer des nationalsozialistischen Rassenwahns geworden waren. Rund 3.500 von ihnen waren allein in Buchenwald inhaftiert.
Mehrere Hundert Menschen haben am Sonntag in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald bei Weimar der Opfer des nationalsozialistischen Konzentrationslagers gedacht. Im Fokus des Gedenkens stand das Leid von Sinti und Roma, die in das KZ verschleppt worden waren. Nach Angaben von Historikern waren rund 3.500 Sinti und Roma in Buchenwald eingesperrt.
Buchenwald
2 min
VIDEO
Buchenwald: Gedenken an KZ-Befreiung vor 78 Jahren
Ramelow: Buchenwald zwingt zu Scham und Demut
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) sagte bei der Gedenkveranstaltung, es habe fast 40 Jahre gedauert, bis die an Sinti und Roma begangenen Verbrechen in der Bundesrepublik als Völkermord anerkannt wurden. Buchenwald zwinge wie kaum ein zweiter Ort in Thüringen zu Scham und Demut im Angesicht der Menschheitsverbrechen, die dort im Namen einer verblendeten Rassenideologie begangen worden seien. "Dass wir heute eine lebendige Erinnerungskultur zur NS-Terrorherrschaft pflegen, verdanken wir auch dem unerschütterlichen Engagement und Selbstbehauptungswillen der Sinti und Roma", sagte Ramelow. Mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen hätten sie die lange bestehende Mauer des Schweigens durchbrochen und auf ihr Schicksal aufmerksam gemacht.
Zentralrat: Antiziganismus als Gefahr ernst nehmen
Jacques Delfeld vom Zentralrat Deutscher Sinti und Roma spricht bei der Gedenkveranstaltung in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald
Jacques Delfeld vom Zentralrat Deutscher Sinti und Roma
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma rief die staatlichen Institutionen auf, den Antiziganismus als Gefahr ernstzunehmen. In ganz Europa würden rechtsextreme sowie nationalistische Gruppen und Parteien offen gegen Rechtsstaat und Minderheiten hetzen, hieß es in der Rede des Zentralratsvorsitzenden Romani Rose. Weil Rose krankheitsbedingt nicht selbst an der Gedenkveranstaltung teilnehmen konnte, wurde die Ansprache von seinem Stellvertreter Jacques Delfeld verlesen.
Wagner: Gedenken muss von Gesellschaft stärker getragen werden
Nach Angaben der KZ-Gedenkstätte spielen Buchenwald und Mittelbau-Dora bei Nordhausen neben Bergen-Belsen eine zentrale Rolle in der NS-Erinnerungskultur der Sinti und Roma. Allein nach Buchenwald seien rund 3.500 Sinti und Roma verschleppt worden. Sie seien wegen ihrer nicht sesshaften Lebensweise als sogenannte Asoziale verhaftet worden.
Jens-Christian Wagner, Direktor der Stiftung KZ-Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora
Jens-Christian Wagner: Künftiges Gedenken muss stärker von der Gesellschaft getragen werden.
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Dem Gedenken war ein gemeinsamer Rundgang über das Lagergelände vorangegangen, bei dem Vertreter der Zivilgesellschaft ihre Beiträge zur Gedenkarbeit vorstellten. Der Direktor der Stiftung KZ-Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Jens-Christian Wagner, betonte die Bedeutung der Vereine und Initiativen für die weitere Erinnerungsarbeit. Bald werde der letzte Zeitzeuge verstorben sein, sagte Wagner. Dann sei es umso wichtiger, dass das Gedenken an die NS-Verbrechen auch stärker von der Gesellschaft getragen werde. Nur noch elf hochbetagte Überlebende kamen zur diesjährigen Gedenkfeier.
Bei den Feierlichkeiten wurde auch eine Gedenktafel für die US-Armee enthüllt. Sie würdigt deren Leistungen in der Zeit nach der Befreiung Buchenwalds am 11. April 1945, als Tausende völlig entkräftete Überlebende von US-Soldaten versorgt wurden.
https://www.mdr.de/
Erinnerung an KZ-Befreiung
:"Gedenken ohne Konsequenzen ist nur Ritual"
Datum:
16.04.2023 19:43 Uhr
Auch viele Sinti und Roma waren in den KZ Buchenwald und Bergen-Belsen inhaftiert. Beim Gedenken an die Befreiung vor 78 Jahren stand der erstarkende Antiziganismus im Fokus.
Bei der Gedenkveranstaltung für die Befreiung des KZ Buchenwald war auch der Holocaust-Überlebende Alojzy Maciak.
Quelle: AFP
Am Sonntag ist der Befreiung der Konzentrationslager Buchenwald und Mittelbau-Dora sowie Bergen-Belsen im April 1945 gedacht worden. Anlässlich des Gedenktages zum 78. Jahrestag rief der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma die staatlichen Institutionen dazu auf, den Antiziganismus als Gefahr ernstzunehmen und Minderheiten zu schützen.
Bergen-Belsen: Erinnerung an verfolgte Sinti und Roma
Schwerpunkt des diesjährigen Gedenkens war die Erinnerung an das Schicksal der im Nationalsozialismus verfolgten Sinti und Roma. Der Antiziganismusbeauftragte der Bundesregierung, Mehmet Daimagüler, unterstrich bei der Gedenkveranstaltung in Bergen-Belsen:
Wenn der ermordeten Sinti und Roma gedacht wird, ist oft ein Stück Verlogenheit im Spiel. Da werden die Toten geachtet und am nächsten Tag die Lebenden verachtet.
Mehmet Daimagüler, Antiziganismus-Beauftragter
Er forderte zu einem "echten Gedenken" auf, zu dem es gehöre, gegen Ausgrenzung und Verfolgung von Sinti und Roma in aller Welt einzutreten:
Gedenken ohne Konsequenzen für unser Handeln im Hier und Heute ist bloß Ritual.
Mehmet Daimagüler, Antiziganismus-Beauftragter
Kulturministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) sagte in Buchenwald, es gehe beim "Erinnern um Mahnung für die Gegenwart und Zukunft, damit wir immer im Blick behalten, wozu Antisemitismus, Rassismus und andere Ideologien der Ungleichwertigkeit führen können, wenn wir nicht rechtzeitig und entschieden eingreifen und gegenhalten".
Der Zentralrat der Juden beklagt eine zunehmende Gewalt gegen Juden in Deutschland. Betroffene berichten, dass sie in diesen Situationen zu wenig Solidarität erfahren.
Beitragslänge:
1 min
Datum:
28.02.2023
Auch Anne Frank starb in Bergen-Belsen
Das Konzentrationslager Bergen-Belsen bei Celle war am 15. April 1945 von der britischen Armee befreit worden. Landtagsvizepräsidentin Sabine Tippelt (SPD) erinnerte daran, dass Bergen-Belsen ab 1941 auch das Hauptgefangenenlager für sowjetische Kriegsgefangene war. Etwa 20.000 von ihnen seien in dem Lager bei Celle umgekommen.
Außerdem haben historischen Forschungen zufolge mehr als 50.000 jüdische und andere Gefangene das KZ Bergen-Belsen nicht überlebt, darunter das Mädchen Anne Frank (1929-1945) aus den Niederlanden.
Als Kind in Bergen-Belsen: Yvonne Koch erinnert sich
Beitragslänge:
12 min
Datum:
09.11.2018
An das Schicksal der jüdischen Gefangenen erinnerte Menachem Rosensaft, der Sohn Überlebender von Bergen-Belsen und 1948 dort geboren. Der ranghohe Vertreter des World Jewish Congress sagte, dass auch nach dem Krieg die überlebenden Juden unter britischer Kontrolle in dem Lager bleiben mussten. Sie stammten aus vielen Teilen Europas, konnten nicht in ihre Heimat zurück und galten als Displaced Persons.
Buchenwald: Erinnern als Mahnung für die Gegenwart
Das Ausmaß des Leids der Sinti und Roma im Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar ist nach Auffassung der Thüringer Landesregierung viel zu lange unbeachtet geblieben. Fast 40 Jahre habe es gedauert, bis die an ihnen begangenen Verbrechen in der Bundesrepublik als Völkermord anerkannt wurden, sagte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke).
Warum Buchenwald Besuche neu regeln muss
Buchenwald zwinge wie kaum ein zweiter Ort in Thüringen zu Scham und Demut im Angesicht der Menschheitsverbrechen, die dort im Namen einer verblendeten Rassenideologie begangen worden seien. Ramelow sagte:
Dass wir heute eine lebendige Erinnerungskultur zur NS-Terrorherrschaft pflegen, verdanken wir auch dem unerschütterlichen Engagement und Selbstbehauptungswillen der Sinti und Roma.
Bodo Ramelow, Ministerpräsident Thüringen
Als Sinti-Kind war Zilli Schmidt in Auschwitz:
Beitragslänge:
2 min
Datum:
02.08.2020
Romani Rose: Wieder offen Hetze gegen Minderheiten
Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, dass in ganz Europa rechtsextreme sowie nationalistische Gruppen und Parteien offen gegen Rechtsstaat und Minderheiten hetzten. Rose betonte, 2022 seien in Deutschland 145 Straftaten gegen Angehörige von Sinti und Roma erfasst worden.
Daher habe der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma begonnen, eine bundesweite Melde- und Informationsstelle gegen Antiziganismus aufzubauen. Rose betonte:
Die Erinnerung an die Geschichte des Nationalsozialismus ist eine wichtige Voraussetzung, um die Gefahren für unseren Staat rechtzeitig erkennen.
Romani Rose, Zentralrat Deutscher Sinti und Roma
Minderheiten bräuchten mehr Schutz. Seine Teilnahme an den Feierlichkeiten hatte Rose nach Zentralratsangaben krankheitsbedingt absagen müssen. Seine Rede war in Abwesenheit von seinem Stellvertreter Jaques Delfeld verlesen worden.
Über acht Jahrzehnte haben deutsche Sinti und Roma Unrecht erfahren. Der Dokumentarfilm erzählt von der Familie von Romani Rose, ihrem Widerstand und ihrem Beharren auf Gerechtigkeit.
Beitragslänge:
112 min
Datum:
28.03.2023
Nach Angaben der Gedenkstätte spielen Weimar und Mittelbau-Dora neben Bergen-Belsen eine zentrale Rolle in der NS-Erinnerungskultur der Sinti und Roma. Alleine nach Buchenwald seien rund 3.500 Sinti und Roma verschleppt worden, hieß es. Sie seien wegen ihrer nicht sesshaften Lebensweise als sogenannte Asoziale verhaftet worden. Leider können immer weniger Zeitzeugen heute noch davon berichten - nur noch elf hochbetagte Überlebende kamen zur diesjährigen Gedenkfeier.
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Gedenkfeier für Sinti und Roma
78. Jahrestag zur Befreiung des KZ Buchenwald
Kränze liegen auf dem ehemaligen Appelplatz bei einer Gedenkfeier zum 78. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald.
Vor 78 Jahren wurde das KZ Buchenwald bei Weimar befreit. Bei einer Gedenkfeier ist an das Schicksal das Sinti und Roma erinnert worden. Der stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma warnte zugleich vor aktuellen gefährlichen Entwicklungen in Deutschland.
16.04.2023, 18:24 Uhr
Weimar. Bei der Gedenkfeier zur Befreiung des einstigen NS-Konzentrationslagers Buchenwald bei Weimar vor 78 Jahren ist am Sonntag an das Schicksal der Sinti und Roma erinnert worden. Es gebe bei den deutschen Sinti und Roma keine Familie, die nicht vom nationalsozialistischen Verbrechen des Völkermords in existenzieller Weise betroffen gewesen sei, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Jacques Delfeld, bei der Veranstaltung in Buchenwald.
Diese Erfahrung absoluter Rechtlosigkeit habe sich tief in das kollektive Gedächtnis eingebrannt, sagte Delfeld und warnte zugleich vor aktuellen gefährlichen Entwicklungen: „Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa hetzen Rechtsextreme und nationalistische Gruppen und Parteien ganz offen gegen unseren demokratischen Rechtsstaat und auch gegen Minderheiten.“ Er rief die staatlichen Institutionen dazu auf, „den Antiziganismus als Gefahr ernstzunehmen und diesem entgegenzuwirken“.
Häftlinge waren Ukrainer, Russen und Belarussen
Das Gedenken stand auch in diesem Jahr unter dem Eindruck des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. Es sei eine Schande, dass Überlebende des Nazi-Terrors und ihre Angehörigen heute in der Ukraine fürchten müssten, Opfer russischer Bomben zu werden, sagte der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Jens Wagner. Er erinnerte daran, dass etwa ein Drittel aller Häftlinge des KZ Buchenwald aus der früheren Sowjetunion stammten - darunter Ukrainer, Russen und Belarussen. Wie schon 2022 waren auch zu den Gedenkfeierlichten am Sonntag offizielle Vertreter aus Russland und Belarus nicht erwünscht.
In das im April 1945 von US-Truppen befreite KZ Buchenwald hatten die Nationalsozialisten von 1937 bis kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs rund 280.000 Menschen aus ganz Europa verschleppt, 56.000 kamen ums Leben.
RND/dpa
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Enthüllung einer Gedenktafel für den Holocaustüberlebenden und Bürgerrechtler Ranco Brantner in Ulm
Zentralrat Deutscher Sinti und Roma
04.04.2023 – 13:36
Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma und der Oberbürgermeister der Stadt Ulm, Gunter Czisch, erinnern heute anlässlich der Enthüllung einer Gedenktafel an das Leben und Engagement des Ulmer Sinto Ranco Brantner.
Enthüllung einer Gedenktafel für den Holocaustüberlebenden und Bürgerrechtler Ranco Brantner in Ulm
Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma und der Oberbürgermeister der Stadt Ulm, Gunter Czisch, erinnern heute anlässlich der Enthüllung einer Gedenktafel an das Leben und Engagement des Ulmer Sinto Ranco Brantner.
Die feierliche Einweihung findet heute, Dienstag, den 4. April, um 17.00 Uhr an der Wengenkirche (Wengengasse 8) in der Ulmer Innenstadt statt.
„Die Lebensgeschichte des Ulmer Sinto Ranco Brantner und seiner Familie steht stellvertretend für das Schicksal unserer Minderheit im Nationalsozialismus und die fortgesetzte Diskriminierung, der Sinti und Roma nach 1945 in der Bundesrepublik ausgesetzt waren. Gleichzeitig ist sie ein Manifest der Selbstermächtigung: Durch sein Engagement in der katholischen Kirche und seine Mitarbeit in der Bürgerrechtsbewegung deutscher Sinti und Roma fand Ranco Brantner einen Weg, seinem durch das Trauma der NS-Verfolgung zerrissenen Leben einen selbstbestimmten Lebensentwurf entgegenzusetzen“, so der Zentralratsvorsitzende Romani Rose heute.
„Indem wir Menschen wie Ranco Brantner an ihren ehemaligen Wohnorten ehren, verankern wir nicht nur das Gedenken an den Holocaust, sondern vor allem auch die lange und schwierige Auseinandersetzung über die Anerkennung der an unserer Minderheit verübten Verbrechen im lokalen Gedächtnis. Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag, den Opfern der NS-Verfolgung ihre Identität und ihre Würde zurückzugeben“, so Rose weiter.
Ranco Brantner lebte von 1972 bis zu seinem Tod im Jahr 1996 in Ulm und war Mitglied der Wengengemeinde. 1931 in Chemnitz als Sinto geboren, wurde er mit 13 Jahren aufgrund der NS-Rassenpolitik zwangsweise sterilisiert. Zahlreiche seiner Angehörigen wurden ermordet. Ranco Brantner überlebte den Holocaust. Seit Ende der 1970er Jahre engagierte er sich in der Bürgerrechtsbewegung der deutschen Sinti und Roma. Die offizielle Anerkennung des Völkermords an den Sinti und Roma im Jahr 1982 durch die Bundesregierung ist auch seinem Engagement zu verdanken.
Weitere Informationen zu Ranco Brantner finden Sie auf der Internetseite www.verortungen.de des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma, der Online-Übersicht von Gedenkorten an die Verfolgung von Sinti und Roma:
https://verortungen.de/lebenswege/brantner-ranco-sinti-ulm/
Die Anbringung der Tafel durch die Stadt Ulm erfolgt auf Initiative des Zentralrats und des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma. Sie konnte durch ein gemeinsames Engagement der Wengengemeinde, des Ulmer Stadtarchivs und des Dokumentationszentrums Oberer Kuhberg, wo sein Nachlass aufbewahrt wird, realisiert werden.
Im Anhang die Rede von Romani Rose im Wortlaut. Bitte beachten Sie die Sperrfrist heute 17.00 Uhr!
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Jara Kehl
Politische Referentin
jara.kehl@sintiundroma.de
Tel.: 06221-981101
Zentralrat Deutscher Sinti und Roma
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Zentralrat Deutscher Sinti und Roma
Erklärung des Bundeskriminalamts und des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma zur künftigen Zusammenarbeit
27.01.2023 – 14:56
Zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust unterzeichneten der Präsident des Bundeskriminalamtes Holger Münch und der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma Romani Rose heute eine gemeinsame Vereinbarung über die zukünftige Zusammenarbeit gegen Antiziganismus
Antiziganismus entschieden entgegentreten
Bundeskriminalamt und Zentralrat Deutscher Sinti und Roma unterzeichnen gemeinsame Erklärung
Zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust und des 78. Jahrestages der Befreiung des NS-Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau haben der Präsident des Bundeskriminalamtes Holger Münch und der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma Romani Rose heute die Vereinbarung „Gemeinsam gegen Antiziganismus – Erklärung des Bundeskriminalamts und des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma zur künftigen Zusammenarbeit“ unterzeichnet.
Grundlage bildet die Arbeitsdefinition von Antiziganismus der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA), die das BKA aus diesem Anlass anerkennt. Sie ist ein wichtiges Werkzeug, um das Phänomen des Antiziganismus, dieser speziellen Form des Rassismus, der sich gegen Sinti und Roma richtet, zu identifizieren und ihm entschieden entgegenzutreten.
Die Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung erfolgte während einer Feierstunde im BKA Berlin, an der unter anderem die Bundesministerin des Innern und für Heimat, Nancy Faeser, der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antiziganismus und für das Leben der Sinti und Roma in Deutschland, Dr. Mehmet Daimagüler, der Sonderbeauftragte im Auswärtigen Amt für die Beziehungen zu jüdischen Organisationen, Antisemitismusfragen, Holocaust-Erinnerung und Internationale Angelegenheiten der Sinti und Roma, Dr. Robert Klinke, der ehemalige BKA-Präsident Jörg Ziercke sowie der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, und BKA-Präsident Holger Münch teilnahmen.
Jörg Ziercke, von 2004 bis 2014 Präsident des BKA, sagte: „Die NS-Polizei hat bei der Judenvernichtung und bei der Vernichtung der Sinti und Roma eine aktive Rolle eingenommen. Zum Kernprojekt der NS-Kriminalpolizei entwickelte sich jedoch die Ausgrenzung, Deportation und Ermordung der Sinti und Roma.“ Zur Gründungsgeschichte des BKA sagt er: „Gut geknüpfte Netzwerke der Ehemaligen und eine auf Amnestie und Amnesie setzende Vergangenheitsbewältigung sorgten für das Bild einer vom Nationalsozialismus distanzierten Kriminalpolizei, das über Jahrzehnte aufrechterhalten blieb.“
Auf Initiative des damaligen BKA-Präsidenten begann das BKA ab 2007, die Geschichte des Amtes kritisch zu reflektieren und intensiv aufzuarbeiten, insbesondere im Hinblick auf seine Gründungsphase sowie strukturelle und personelle Kontinuitäten und Brüche in Bezug auf die Zeit des Nationalsozialismus. Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit des BKA wird seitdem in der Aus- und Fortbildung aktiv gefördert, seit jüngerer Zeit auch durch die Angebote des Wertebeauftragten im BKA.
BKA-Präsident Holger Münch: „Diese Aufarbeitung hat eine wachsende Beziehung mit dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma ermöglicht. Im Gedenken an die Opfer des Holocaust und in dem Bewusstsein für die Verantwortung unseres eigenen Handelns heute formulieren wir in der neuen Kooperationsvereinbarung das klare Ziel, jegliche Form von Rassismus und Diskriminierung in- und außerhalb der polizeilichen Arbeit entgegenzuwirken.“
Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma: „Es ist nicht zu hoch gegriffen, wenn ich den heutigen Tag als ‚historisch‘ bezeichne. Dass das Bundeskriminalamt und der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma heute eine gemeinsame Vereinbarung über die zukünftige Zusammenarbeit gegen Antiziganismus unterzeichnen, muss als ‚Umbruch‘ im Umgang der Polizeibehörden mit unserer Minderheit nach 1945 bewertet werden. Dafür danke ich dem BKA und allen am Zustandekommen dieser Kooperationsvereinbarung beteiligten Personen.“
Bundesministerin des Innern und für Heimat Nancy Faeser: „Die deutschen Polizeibehörden registrieren jedes Jahr mehr als 100 antiziganistische Straftaten. Und leider müssen wir davon ausgehen, dass es ein erhebliches Dunkelfeld gibt. Wir müssen alles daransetzen, diese Straftaten ebenso wie auch Angriffe unterhalb der Strafbarkeitsgrenze zu verhindern. Die Polizei muss Antiziganismus erkennen, erfassen und entschlossen bekämpfen. Die Aufnahme der IHRA-Definition für Antiziganismus in den Themenfeldkatalog des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes in Fällen politisch motivierter Kriminalität ist dafür ein wichtiger Baustein. Denn sie steht beispielhaft für das Bestreben, ein stärkeres Bewusstsein für Rassismus zu schaffen und die Polizei im Kampf gegen Antiziganismus weiter zu sensibilisieren."
Mehmet Daimagüler, Beauftragter der Bundesregierung gegen Antiziganismus und für das Leben der Sinti und Roma in Deutschland:
„Die Annahme der IHRA-Arbeitsdefinition durch das BKA ist ein wichtiger Schritt, dem weitere folgen müssen. Auch der Gesetzgeber ist gefordert. Sinti und Roma werden regelmäßig zu Unrecht kriminalisiert und ebenso regelmäßig als Opfer von Hasskriminalität übersehen. Der Gesetzgeber sollte in § 46 StGB neben Antisemitismus auch Antiziganismus bei der Strafzumessung explizit benennen. Eine unterschiedliche Behandlung beim strafrechtlichen Schutz der Minderheiten ist weder juristisch noch politisch gerechtfertigt."
Der Sonderbeauftragte des Auswärtigen Amts zu internationalen Angelegenheiten von Sinti und Roma, Botschafter Dr. Robert Klinke, sagte:
„Die Übernahme der IHRA-Arbeitsdefinition durch das Bundeskriminalamt an diesem bedeutsamen Gedenktag ist ein wichtiges Zeichen für die Rechte von Sinti und Roma nicht nur in unserem Land. Mit ihr erweitern das BKA und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre arbeitsbezogenen Werte um ein Instrument, das dabei hilft, weit verbreitete antiziganistische Stereotypen zu erkennen, zu analysieren und zu dokumentieren. Möge dieser Schritt auch Ermutigung für andere sein, ebenfalls ein Zeichen zu setzen gegen nach wie vor bestehende Stigmatisierung und Ungleichbehandlung der größten Minderheit in Europa. Denn Rassismus, Diskriminierung und Vorurteile gegenüber Sinti und Roma dürfen keinen Platz haben, weder bei uns noch in der europäischen und internationalen Zusammenarbeit.“
Die Kooperationsvereinbarung zwischen dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma und dem BKA finden Sie unter www.bka.de.
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Jara Kehl
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GEDENKEN
Buchenwald und Mittelbau-Dora: Erinnern an Sinti und Roma
13.04.2023, 13:13
Bei den Gedenkfeierlichkeiten zur Befreiung der Konzentrationslager Buchenwald und Mittelbau-Dora werden in diesem Jahr die Verfolgung der Sinti und Roma im Nationalsozialismus in den Mittelpunkt gerückt. Sinti und Roma seien eine der Bevölkerungsgruppen, die unter dem Rassenwahn der Nationalsozialisten auch in Thüringen gelitten hätten, erklärte Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) am Donnerstag.
Bei den Gedenkfeierlichkeiten zur Befreiung der Konzentrationslager Buchenwald und Mittelbau-Dora werden in diesem Jahr die Verfolgung der Sinti und Roma im Nationalsozialismus in den Mittelpunkt gerückt. Sinti und Roma seien eine der Bevölkerungsgruppen, die unter dem Rassenwahn der Nationalsozialisten auch in Thüringen gelitten hätten, erklärte Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) am Donnerstag.
Fast 40 Jahre habe es gedauert, bis die Verbrechen an Sinti und Roma in der Bundesrepublik Deutschland als Völkermord anerkannt wurden - eine viel zu lange Zeit, sagte Ramelow. "Dass wir heute eine ebenso aufgeklärte wie lebendige Erinnerungskultur zur NS-Terrorherrschaft pflegen, verdanken wir auch dem unerschütterlichen Engagement und Selbstbehauptungswillen der Sinti und Roma." Nach Buchenwald waren laut der dortigen Gedenkstätte rund 3500 Sinti und Roma verschleppt worden.
Die Konzentrationslager von Buchenwald und Mittelbau-Dora waren im April 1945 von US-Truppen befreit worden. Anlässlich des 78. Jahrestages der Befreiung der beiden Lager werden am kommenden Sonntag und Montag in Buchenwald und Mittelbau-Dora Gedenkfeiern abgehalten. Zu den beiden Veranstaltungen werden auch 14 KZ-Überlebende unter anderem aus Frankreich, Belarus und Polen erwartet, sagte der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Jens-Christian Wagner.
Zur Gedenkfeier in Buchenwald wird laut Wagner auch eine Erinnerungstafel an die US Army eingeweiht. Nach der Befreiung des Lagers hatten Angehörige des 120. Evacuation Hospital der US-Armee in den ehemaligen SS-Kasernen ein Nothospital für Sterbenskranke und völlig erschöpfte Überlebende eingerichtet.
In das KZ Buchenwald und seine 139 Außenlager hatten die Nazis von 1937 bis zur Befreiung fast 280 000 Menschen aus ganz Europa verschleppt. 56 000 wurden ermordet, starben an Hunger, Krankheiten oder durch Zwangsarbeit. Im KZ Mittelbau-Dora bei Nordhausen mussten seit 1943 mehr als 60 000 Häftlinge Zwangsarbeit für die deutsche Rüstungsindustrie leisten, jeder Dritte kam dabei ums Leben.
Veranstaltungen zum Gedenken an 78. Jahrestag der Befreiung
dpa
https://www.stern.de/
Internationaler Tag der Roma: "Rom" heißt Mensch
08.04.2023
Stand: 08. April 2023, 04:00 Uhr
"Rom" heißt Mensch, ihre Menschen- und Bürgerrechte fordern Romnja und Roma seit Jahrzehnten ein. Auf ihre Kultur und Tradition, aber auch auf ihre soziale Situation, auf Verfolgung und Diskriminierung macht der Aktionstag am 8. April aufmerksam. Wir erklären die Hintergründe und stellen Menschen und Projekte in Sachsen-Anhalt und Sachsen vor, die sich für Anerkennung und Gleichberechtigung stark machen.
Der Internationale Tag der Roma am 8. April 2023 macht auf die Kultur und Tradition der Romnja und Roma, aber auch auf deren soziale Situation, die lange Geschichte ihrer Verfolgung und die bis heute anhaltende Diskriminierung aufmerksam.
Von wegen Minderheit
Rom:nja gibt es als ethnisch-kulturelle Minderheit auf allen Kontinenten, die große Mehrheit lebt seit rund 700 Jahren in Europa. Heute sind das schätzungsweise 12 Millionen Menschen. In Deutschland leben zwischen 70.000 bis 150.000 Sinti und Roma. Die in Deutschland ansässigen Rom:nja werden als ethnische Minderheit nicht erfasst, daher liegen keine genaueren Zahlen vor. Viele Rom:nja sind in den letzten Jahren im Rahmen des europäischen Freizügigkeitsrechts aus Rumänien und Bulgarien nach Deutschland zugewandert. Nicht zuletzt flüchteten auch viele Rom:nja nach dem russischen Überfall aus der Ukraine 2022 nach Deutschland.
8. April 1971: Beginn der Roma-Bürgerrechtsbewegung
Der Aktionstag findet seit 1990 am 8. April statt, das Datum erinnert an den ersten Internationalen Roma-Kongress am 8. April 1971 in London, der soziale Gerechtigkeit und Gleichberechtigung, aber auch die Bewahrung der Kultur und Sprache einforderte. Dazu kamen 23 Vertreterinnen und Vertreter aus neun Staaten. Die erste internationale Vereinigung der Rom:nja demonstrierte ein neues Selbstbewusstsein, das seinen Ausdruck in einer eigenen Hymne für eine "Nation ohne Nation" ("Djelem, Djelem"), einer eigenen, blaugrünen Flagge mit rotem Speichenrad und der Einigung auf die Bezeichnung Roma fand. Darüber wird in der Community bis heute auch kontrovers diskutiert. Am Ende steht der 8. April 1971 für den Beginn der Roma-Bürgerrechtsbewegung.
Porajmos: Genozid an den Sinti und Roma
Erinnert wurde damals auch an den Völkermord zur Zeit des Nationalsozialismus, bei dem 500.000 europäische Rom:nja umkamen. Dieser Genozid (Porajmos) wurde in Deutschland erst im März 1982 als solcher anerkannt. Im selben Jahr gründeten Sinti und Roma einen Zentralrat, um ihre Interessen und Rechte national und international besser vertreten zu können. Vorsitzender des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma ist seit seiner Gründung Romani Oscar Rose. 1995 erfolgte die Anerkennung als Minderheit.
Seit dem Jahr 2012 erinnert in Berlin das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas an die Opfer der NS-Vernichtungspolitik. Im März 2022 ernannte das Bundeskabinett den Rechtsanwalt Mehmet Daimagüler als ersten Antiziganismus-Beauftragten Deutschlands, um heute gegen wiederaufflammenden Rassismus vorzugehen.
DER VERGESSENE VÖLKERMORD
Die Vernichtung von Sinti und Roma im "Dritten Reich" >>>
Aktionstag 2023: Erinnerung an den in Chemnitz geborenen Ranco Brantner
Zum 52. Internationalen Tag der Roma finden den Angaben zufolge bundesweit zahlreiche Veranstaltungen statt. Bereits am 4. April wurde in Ulm an den in Chemnitz geborenen Holocaustüberlebenden und Bürgerrechtler Ranco Brantner erinnert. Zentralrats-Vorsitzender Rose und Ulms OB Gunter Czisch enthüllten dazu eine Gedenktafel. Brantner wurde aufgrund der NS-Rassenpolitik mit 13 Jahren zwangssterilisiert. Zahlreiche seiner Angehörigen wurden von den Nazis ermordet. Seit Ende der 1970er-Jahre engagierte sich Brantner in der Bürgerrechtsbewegung der deutschen Sinti und Roma. Die offizielle Anerkennung des Völkermords an den Sinti und Roma im Jahr 1982 durch die Bundesregierung ist auch seinem Engagement zu verdanken.
Verband der Roma und Sinti in Sachsen: Gedenken am Mahnmal in Leipzig
Schon im März wurde in Leipzig an das Leben und Wirken von Sinti und Roma in der Stadt erinnert. Eine Jahrhunderte lange Geschichte, die mit der am 1. März 1943 beginnenden Deportation endete. Zum 80. Jahrestag wurde ein Kranz am Mahnmal für die ermordeten Sinti und Roma niedergelegt, das die Stadt den Opfern 2003 unweit der Oper errichtete. Mit der Vergangenheit, aber auch Gegenwart und Zukunft der Roma und Sinti in Leipzig beschäftigte sich eine vom Verband der Roma und Sinti in Sachsen, ROMANO SUMNAL e.V., organisierte Podiumsdiskussion am 24. März in der Leipziger Stadtbibliothek.
https://www.mdr.de/
Wirklich "kein Platz für Antiziganismus"? Zum Internationalen Tag der Rom*nja und Sinti*zze
Stand: 08.04.2023 06:00 Uhr
Hat Bundeskanzler Scholz Recht, wenn er sagt: "Für Antiziganismus ist in unserer Gesellschaft kein Platz"? Die Frage stellt sich am Internationalen Roma-Tag besonders dringlich. Ein Essay von Klaus-Michael Bogdal.
2011 erschien im Suhrkamp Verlag mein Buch "Europa erfindet die Zigeuner. Eine Geschichte von Faszination und Verachtung". Die Resonanz erstaunte mich. Die Anzahl der Besprechungen in den Medien war überwältigend. Das Interesse bei den Organisationen der Sinti und Roma und im Raum der Politik hält seitdem unvermindert an. Der Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung vor zehn Jahren machte das Buch auch international bekannt. Das Thema befand sich zu diesem Zeitpunkt in der Hierarchie öffentlicher Debatten auf den unteren Plätzen. Ganz oben offenbarte Günter Grass Israel-Gedicht "Was gesagt werden muss" gerade die Versäumnisse intellektueller Auseinandersetzung mit dem Holocaust in Deutschland. Da schien es fast überraschend, dass 2012 endlich das Berliner Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas eingeweiht werden konnte.
Diesem Ereignis waren jahrelange, von mangelndem Interesse und Abwertungen entstellte Auseinandersetzungen vorangegangen. In der jungen Bundesrepublik wurde die genozidale Dimension der NS-Politik gegen Sinti und Roma angezweifelt und verschwand bald vollständig aus der offiziellen Erinnerungskultur. Nach zähem Ringen hatten sich zum ersten Mal die Betroffenen selbst bei der Gestaltung dieses beeindruckenden Denkmalensembles in der Nähe des Bundestags durchsetzen können. Die Anwesenheit der höchsten politischen Repräsentanten der Bundesrepublik bei der Einweihung signalisierte auf symbolischer Ebene die Anerkennung der Minderheit und ihrer Leidens- und Verfolgungsgeschichte. Sie weckte bei ihnen die Hoffnung auf ein normales, von Diskriminierung freies Leben in ihrem Land, das sich jetzt einem weiteren dunklen Kapitel seiner Geschichte zu stellen schien.
Auf jede positive Veränderung folgt eine Negation
In der Tat markierte dieses Ereignis den Beginn einer positiven Entwicklung. Für sie stehen die Anerkennung als nationale Minderheit in Schleswig-Holstein, der Staatsvertrag in Baden-Württemberg, die offizielle Kenntnisnahme des Internationalen Roma-Tags und nicht zuletzt die Einsetzung einer "Unabhängigen Kommission Antiziganismus" durch die Bundesregierung 2019. Doch im gleichen Zeitraum ließ und lässt sich eine bedrohliche Tendenz beobachten. Man könnte sie provisorisch als Dialektik zwischen staatlichen Antidiskriminierungsmaßnahmen und einem beinahe proportional dazu wachsenden Antiziganismus, Rassismus und Antisemitismus in der Gesellschaft bezeichnen. Auf jede positive Veränderung folgt eine Negation, die von der Missachtung etwa von Sprachregelungen bis zur offenen Gewalt reicht. Das hatte es, was Sinti und Roma und Juden betrifft, schon einmal als Reaktion auf die Emanzipations- und Demokratiebewegungen vor 1848 gegeben, als einzelne Länder - das Deutsche Reich existierte noch nicht - bestimmte Gesetze und Rechtsvorschriften wie das Staatsbürgerrecht und Gewerbeordnungen liberalisierten.
Die Unzufriedenheit mit einer drohenden Gleichbehandlung äußerte sich vehement in lokalen Schikanen und Beschwerden aus der Bevölkerung. Im öffentlichen Diskurs beharrten Autoren darauf, dass Juden und diejenigen, die sie als "Zigeuner" bezeichneten, Ausländer und "Gelichter" ohne Rechtsanspruch seien. Die staatlichen Institutionen reagierten auf diesen Widerstand rasch und gerne. Mit gruppenbezogenen Sondergesetzen und -regelungen unterhöhlten sie die allgemeine Gleichstellung: eine Praxis, die auch im 20. Jahrhundert bis in die 1970er-Jahre fortgesetzt wurde. Wenigstens diese Praxis existiert heute nicht mehr. Doch während die Bundesregierung 2022 zum ersten Mal einen Beauftragten gegen Antiziganismus berief und demokratische Parteien Sinti und Roma auf ihre Kandidatenlisten setzen, erreichte gleichzeitig die Zahl der gemeldeten Fälle von Diskriminierung durch Beschimpfung, Ausgrenzung und Gewalt ihren bisherigen Höchststand.
Unsere Gesellschaft hat die Fähigkeit zur De-Zivilisierung nicht verloren
Welchen Wert hat dann noch die Aussage von Bundeskanzler Olaf Scholz, "Für Antiziganismus ist in unserer Gesellschaft kein Platz", in einer Mitteilung zum Roma-Tag des gleichen Jahres? Sein Lob des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, dieser habe gezeigt, "wie die Kultur der Sinti und Roma unser Land jahrhundertelang mitgeprägt hat und auch heute bereichert", teilen nicht mehr, sondern immer weniger Menschen in Deutschland. In den sogenannten sozialen Medien weht der Wind aus einer anderen Richtung. Dort kann man über Zuwanderer aus EU-Staaten wie Bulgarien lesen: "Bald werden sie auch in euren Vorgärten sein und eure Gärten und Keller aufbrechen, euch bedrängen und bedrohen! Wir müssen handeln, solange es noch geht." Allein die Vorstellung von Nähe oder gar eines Zusammenlebens ist hier in höchstem Maße emotional aufgeladen. Das äußert sich durch Abwehr, Ausgrenzung und Verfolgung. In der Abwehrhaltung verbinden sich Vermischungs- und Überwältigungsängste, Kontroll- und Ordnungswahn und Gewaltfantasien zu einem gefährlichen politischen Sprengstoff. Wir haben es hier also mit mehr als gewöhnlichen Vorurteilen zu tun.
Die Resistenz gegen elementare Ideen von Gleichheit und Menschenwürde lässt uns auf erschreckende Weise erkennen, dass politische Ordnungsvorstellungen, die schon einmal demokratische Organisationsformen zerstört haben, nichts von ihrer Anziehungskraft und Wirkungsmacht eingebüßt haben. Trotz historischen Wissens über die katastrophalen Folgen totalitärer Herrschaft, trotz Aufklärung und Werteerziehung hat auch unsere Gesellschaft die Fähigkeit zur De-Zivilisierung nicht verloren. Wenn es keinen Platz für Antiziganismus gibt, weshalb nimmt man es dann hin, dass ukrainische Roma, die sich auf der Flucht vor den russischen Invasoren befinden, in den Zügen auf dem Weg nach Deutschland aussortiert oder auf Abstand gehalten werden? Ein Grund ist darin zu suchen, dass sich anders als beim Antisemitismus zivilgesellschaftliche Stoppregeln, die den weiterhin unverhohlen gegen Roma geäußerten Hass zurückdrängen könnten, bisher nur sehr schwach entwickelt haben.
Medienwirksame Symbolpolitik statt konkreter Veränderungen
Es mag beruhigend wirken, wenn der Bundeskanzler am Roma-Tag verkündet: "Die Bundesrepublik geht entschlossen gegen jede Form von Rassismus und Antiziganismus vor." In einer aktuellen, an die demokratischen Bundestagsfraktionen gerichteten Stellungnahme bestreiten die ehemaligen Mitglieder der Unabhängigen Kommission Antiziganismus diese Behauptung vehement. Sie bemängeln, dass keine der von ihnen 2021 vorgelegten Handlungsempfehlungen substantiell umgesetzt worden sei. Nicht einmal die Einrichtung eines Sonderfonds für jene Überlebenden des Völkermords, die bisher keine oder nur eine geringfügige Entschädigung erhalten haben, wurde ins Auge gefasst. Statt konkret zu handeln, setzt die neue Regierungskoalition wie in anderen Bereichen auch auf eine medienwirksame Symbolpolitik teilnehmenden Verstehens.
Diese Haltung wirft einen Schatten auf die Gedenkroutinen, mit denen der Internationale Roma-Tag von offizieller Seite begangen wird. Ja, er ist in der medialen Öffentlichkeit angekommen. Die Abendnachrichten haben ihn in ihre Prioritätenliste aufgenommen und Referenten erinnern die Spitzen der Politik zuverlässig an das Datum. An ihm zeigt man sich auch mal gerne zusammen mit Romani Rose, Zoni Weisz und Marianne Rosenberg oder lauscht Riccardo M. Sahiti und seinen Sinti und Roma Symphonikern. Es ist leicht zu prognostizieren, dass auch in diesem Jahr keiner der Feiertagsredner die Gelegenheit nutzen wird, um konkrete Schritte anzukündigen, die zu einer Verbesserung der Situation von Sinti und Roma führen. Die Kommission hatte den Begriff "nachholende Gerechtigkeit" ins Spiel gebracht, um auf die enge Verflechtung der gegenwärtigen Situation mit dem nach 1945 an den Überlebenden und deren Nachkommen begangenen Unrecht hinzuweisen. Von dieser Position sind die politischen Entscheidungsträger weit entfernt, weil man die nachholende Gerechtigkeit letztlich immer noch nicht als historische Verpflichtung ernst nimmt, sondern sich nur auf Druck der Organisationen der Sinti und Roma kleine Schritte nach vorne bewegt.
Der Internationale Roma-Tag gewinnt immer mehr an Bedeutung
Eines aber hat sich im Verlaufe der letzten zehn Jahre wirklich verändert. Lange Zeit stand der 2. August, der Europäische Holocaust-Gedenktag für Sinti und Roma, ein Tag der Trauer und der Erinnerung an die Opfer, als Gemeinschaft stiftendes Ereignis im Vordergrund. Das wird er noch für viele Generationen bleiben. Doch inzwischen wird auch der Internationale Roma-Tag von immer mehr Sinti- und Roma-Gemeinschaften angenommen. Er wird als Gelegenheit betrachtet, auf vielfältige Weise zusammen mit Gästen das Eigene zu feiern: von der Sprache über Musik, Kunst, Theater und Tanz bis zur Küche. Zunehmend erlangt der Roma-Tag eine dem Neujahrsfest Newroz der Kurden vergleichbare Bedeutung, auch in politischer Hinsicht. Dieser Tag wird getragen von dem Selbstbewusstsein, einer lebendigen, sich weiterentwickelnden Gemeinschaft anzugehören, die sich nicht mehr verstellen oder verstecken will, um von der Mehrheit akzeptiert zu werden. An diesem Tag zeigt man, wer man ist und wie man lebt und macht erfahrbar, dass Unterschiede ein Gewinn für die europäischen Gesellschaften sein können.
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Berlin & Brandenburg
Diskriminierung von Roma: So viele gemeldete Fälle wie nie
29.03.2023, 10:10 Uhr
Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine trafen in Berlin oft auf offene Arme. Nicht ganz so freundlich empfangen fühlten sich viele geflüchtete Sinti und Roma. Nur ein Aspekt in einer Dokumentation zum Antiziganismus.
Berlin (dpa/bb) - Beschimpfung, Ausgrenzung, Vorurteile: Die Zahl der gemeldeten Fälle von Diskriminierung gegen Sinti und Roma in Berlin ist deutlich gestiegen. 225 Fälle hat die Meldestelle Dosta nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr dokumentiert, 53 Prozent mehr als 2021. Auch aus der Ukraine angekommene Geflüchtete mit tatsächlichem oder angenommenem Roma-Hintergrund hätten Nachteile erfahren, berichteten die Experten des Amaro Foro.
Der Verein hatte die Dokumentationsstelle Antiziganismus (Dosta) 2014 eingerichtet und seither insgesamt 1289 Fälle dokumentiert. Davon fallen 372 in die Jahre 2021 und 2022. Die Zunahme der Meldefälle hängt nach Einschätzung des Vereins damit zusammen, dass Antiziganismus mehr im politischen Fokus steht. Die Dunkelziffer bleibe aber hoch. Zudem hätten Krieg und Krise den Antiziganismus verstärkt.
"Seit Beginn des russischen Angriffskrieges beobachten wir, dass aus der Ukraine geflüchtete Rom*nja nicht als Schutzsuchende, sondern als illegitime Geflüchtete markiert werden", erklärte Projektleiterin Violeta Balog. "Als Rom*nja gelesene Menschen werden in Unterkünften benachteiligt, von Versorgungsstrukturen und häufig vom Bildungssystem ausgeschlossen und erfahren in der Öffentlichkeit und in den Medien vermehrt antiziganistische Anfeindungen oder gar Übergriffe."
Die Dokumentationsstelle bezieht sich unter anderem auf Berichte von Betroffenen und Helfern am Berliner Hauptbahnhof. Wie viele aus der Ukraine Geflüchtete einen Roma-Hintergrund haben, ist den Angaben zufolge nicht erfasst.
Auch in der Ukraine selbst und in Ungarn würden Sinti und Roma auf der Flucht vor dem Krieg diskriminiert, berichtete der Antiziganismusbeauftragte der Bundesregierung, Mehmet Daimagüler, von einer Reise in beide Länder. "Die Situation war in jeder Hinsicht schlimmer, als ich es mir vorgestellt hatte", schrieb Daimagüler in einem Beitrag für die Dokumentationsstelle. "Geflüchtete Roma sind weitgehend auf sich selbst gestellt. Innerhalb der Ukraine sind sie auf jeder Etappe ihrer Flucht rassistischer Diskriminierung und Benachteiligung ausgesetzt."
Er forderte die Bundesregierung auf, bei der ukrainischen Regierung der Benachteiligung entgegenzuwirken. Zivile Hilfe solle möglichst direkt an Roma-Selbstorganisationen gehen, forderte Daimagüler.
Quelle: dpa
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VIDEO
Gemeldete Vorfälle aus Berlin: Mehr Diskriminierung gegen Sinti und Roma
29.03.2023 14:03
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MINDERHEIT DER SINTI UND ROMA
Antiziganismusbeauftragter Mehmet Daimagüler: "Schreiendes Unrecht"
In Deutschland steigt die Zahl gemeldeter Straftaten und Diskriminierungen gegen Sinti und Roma. Was sind die Ursachen, was muss geschehen? Mehmet Daimagüler im DW-Interview.
Datum 29.03.2023
Autorin/Autor Andrea Grunau
Deutsche Welle: Herr Daimagüler, Sie wurden im März 2022 berufen als Beauftragter der Bundesregierung gegen Antiziganismus und für das Leben der Sinti und Roma in Deutschland. Was ist Antiziganismus und wie wirkt er sich aus?
Mehmet Daimagüler: Antiziganismus ist eine spezifische Form des Rassismus, die sich gegen Sinti und Roma richtet oder gegen Menschen, die als Sinti oder Roma gelesen werden. Antiziganismus zieht sich durch alle Gesellschaftsschichten.
Eine Quelle ist der unaufgearbeitete Völkermord an den Sinti und Roma, dem etwa eine halbe Million Menschen in Europa zum Opfer gefallen sind. Dazu kommt das, was die Unabhängige Kommission Antiziganismus (UKA) zweite Verfolgung genannt hat: Ausgrenzung und Diskriminierung der Menschen nach 1945.
Ein Beispiel: Überlebende kamen zurück an ihren Heimatort. Dort wurde ihnen die Ausstellung von Ausweispapieren verweigert. Begründung: "Z" (Redaktion: Die Minderheit wurde unter der Fremdbezeichnung "Zigeuner" verfolgt und in Konzentrationslagern ermordet) könnten keine Deutschen sein. Menschen, deren Familie seit Jahrhunderten auf dem Gebiet Deutschlands lebt!
Bei einem Treffen von Selbstorganisationen in Köln sagten mir junge Menschen, ihre (Ur-)Großeltern hätten die Lager überlebt, aber keine Papiere bekommen. "Wir sind immer noch staatenlos." Das ist schreiendes Unrecht.
Blick auf eine große Zahl junger Menschen, die in einem Saal sitzen und nach vorne schauen
Junge Menschen an der Universität Köln: Nachfahren verfolgter Sinti und Roma sind bis heute benachteiligt
Wir haben eine Anerkennung des Völkermords erst spät erlebt, 1982. In Fragen der Wiedergutmachung wurden Sinti und Roma im Vergleich zu anderen Opfergruppen schlechter behandelt. Noch heute liegen Musikinstrumente in Museen, die Sinti und Roma gehörten. Die rechtmäßigen Eigentümer wären deren Nachkommen.
Wie können Sie den staatenlosen Menschen helfen?
Wir sind ein kleines Team und haben nicht die Kapazität, um Einzelfallberatung zu machen. Aber wir sehen Gesetzesnovellen. Wenn ein Gesetzentwurf zum Staatsangehörigkeitsrecht kommt, weisen wir darauf hin, dass Menschen nach dem Krieg rechtswidrig ausgebürgert wurden und ihre Nachfahren heute noch staatenlos in Deutschland leben. Wir drängen auf gesetzliche Änderungen, um diese Zustände zu ändern.
Die Bundesregierung hat für 2022 die Zahl von 145 antiziganistischen Straftaten genannt, so viele wie nie zuvor. Wie beurteilen Sie die Entwicklung?
Ich glaube, dass diese Zahl nur einen Bruchteil der Realität darstellt. In meiner anwaltlichen Tätigkeit hatte ich alleine schon im Jahr manchmal 20, 30 Fälle von antiziganistischer Hasskriminalität.
Viele Betroffene können sich keinen Anwalt leisten. Wir haben es mit Polizeibehörden zu tun, die bei der Kriminalisierung von Sinti und Roma viel Energie zeigen, aber nicht bei der Unterstützung im Kampf gegen Hasskriminalität. Das führt zu einem Kreislauf: Betroffene haben so wenig Vertrauen, dass sie sich nicht an die Polizei wenden, weil die Gefahr besteht, dass anschließend sie die Beschuldigten sind.
Blick auf die Seite eines hellen Fahrzeugs mit blauem Streifen und der Aufschrift Polizei
Viele Sinti und Roma scheuen den Weg zur Polizei, weil sie in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht haben
Es gibt Ausnahmen: 2021 gab es in Ulm einen Angriff von Neonazis auf eine Gruppe von Roma aus Frankreich. Da haben Polizeibehörden, Staatsanwaltschaft und Landgericht vorbildlich die antiziganistischen Aspekte der Tat aufgearbeitet.
Der Anstieg bedeutet, dass die Zahlen wirklich steigen, aber auch, dass Menschen bereit sind, sich zu wehren. Ich habe angeregt, dass man im Strafgesetzbuch bei den Strafzumessungsgründen neben Rassismus und Antisemitismus auch Antiziganismus einfügt. Es ist wichtig, dass die Strafverfolgungsbehörden das Signal bekommen, dass der Gesetzgeber das ernst nimmt. Wir reden über Menschen, die vor wenigen Jahrzehnten Opfer eines Völkermordes geworden sind. Das sollte Anlass genug sein, alles zu tun, um sie zu schützen.
Ein Mann im Hemd mit weißen Armen hat den Arm um die Schulter einer älteren Frau gelegt, die die Augen geschlossen hat und einen traurigen Eindruck macht
2022: Der Antiziganismusbeauftragte Mehmet Daimagüler traf bei einem Besuch in der Ukraine auch Überlebende des NS-Völkermords an den Sinti und Roma
Sie haben als Anwalt auch ein elfjähriges Kind vertreten, worum ging es?
Der Elfjährige wurde 2021 ohne Grund von vier Polizeibeamtinnen und -beamten in Handschellen gelegt und auf die Wache gebracht. Sie wussten, dass er Sinto ist. Ein elfjähriges Asthma-krankes Kind in Handschellen auf der Polizeiwache. So etwas kennt man aus Alabama oder Mississippi, wo rassistische Südstaaten-Polizisten schwarze Kids von der Schule zur Polizei verschleppen. Die Familie des Elfjährigen hat sich an die Selbstorganisation der Sinti und Roma gewandt.
Am Ende wurden zwei Polizeibeamte verurteilt. Gegen zwei wurde das Verfahren eingestellt, gegen eine hohe Auflage. Die Staatsanwaltschaft aber ging trotz klarer Hinweise auf den antiziganistischen Hintergrund nicht von einem rassistischen Fall aus. Bis heute hat sich niemand bei dem Kind entschuldigt.
Das Bundeskriminalamt (BKA) hat mit dem Zentralrat deutscher Sinti und Roma vereinbart, gegen Antiziganismus vorzugehen. Wie wichtig ist das?
Die Kooperationsvereinbarung ist ein großer Schritt nach vorn und lange überfällig. Aber: Polizeibehörden, auch das BKA, müssen sich überlegen, ob nicht ihre Kriminalitätsbekämpfung und Kommunikation rund um "Clan-Kriminalität" zum Antiziganismus beiträgt. Die Clan-Debatten widersprechen wesentlichen Erkenntnissen der kriminologischen Forschung. Für mich klingt das wie ein Echo der Sippen-Gedanken der 1930er Jahre.
In einem Polizeipapier stand: "Über 200.000 Personen gehören kriminellen Clan-Familien an - aber nicht alle sind kriminell". Warum zählt man sie dann mit? Bei Tatverdächtigen aus der Mehrheitsgesellschaft macht man das ja auch nicht.
Zwei Männer im Hemd, Krawatte und dunklem Anzug geben sich die Hand. Im Hintergrund ist eine Stellwand mit Fotos zu erkennen
Zusammenarbeit gegen Antiziganismus vereinbart: Romani Rose (li.), der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, und Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamts
Natürlich gibt es organisierte Kriminalität in allen Teilen der Gesellschaft, aber das Strafrecht hat genug Instrumente: Bildung von kriminellen Vereinigungen, Täterschaft, Teilnahme, Anstiftung oder Beihilfe. Was mir nicht einleuchtet, ist die Ausweitung der polizeilichen Kampfzone auf Familienangehörige, von der überwiegend Kurden, Araber und auch Sinti und Roma betroffen sind.
Die Dokumentationsstelle Antiziganismus (DOSTA) dokumentiert für 2021 und 2022 in Berlin 372 antiziganistische Vorfälle. Wächst das Problem oder das Bewusstsein?
Es kann sein, dass Menschen mehr und mehr bereit sind, sich zu wehren. Es kann auch sein, dass die Zahlen an sich steigen. Wir haben in den letzten Jahren einen gesellschaftlichen Wandel in Deutschland gesehen, wo Dinge, die früher zu Recht tabuisiert waren, heute von Abgeordneten in Parlamenten geäußert werden - von alten und neuen Nazis.
Minderheiten wie Sinti und Roma können eine Art Pulsmesser sein für die Veränderung. Sie spüren zuerst - ähnlich wie jüdische Menschen, wenn der Wind sich dreht. Ich würde mir wünschen, dass man den Kampf gegen Antiziganismus begreift als Kampf für unsere demokratische Grundordnung.
DOSTA nennt Diskriminierung in allen Lebensbereichen, was ist der größte Grund zur Besorgnis?
Rassismus in staatlichen Institutionen ist in doppelter Hinsicht gefährlich. Es gibt den Betroffenen das Gefühl, Menschen zweiter Klasse zu sein. Und: Was in staatlichen Strukturen passiert, hat Vorbild- und Signalwirkung. Wir können nicht als Politik zum Kampf gegen Rassismus aufrufen und gleichzeitig rassistische Praktiken anwenden wie Racial Profiling bei der Polizei. Jeder Rassist wird sich dadurch bestätigt fühlen.
Wir haben Diskriminierungsmeldungen überall, wo der Staat auf Menschen aus der Community trifft: bei Arbeitsagenturen, Polizei, Justiz oder in der Bildung. Dort wird das System der Förderklassen als Abschiebebahnhof für migrantische und Roma-Kinder benutzt.
Es kann nicht sein, dass vielen dieser Kinder keine echte Chance gegeben wird und viele von ihnen die Schule ohne Abschluss verlassen müssen. Wir müssen die Einwanderung, die wir schon haben, zum Erfolg führen.
Was wollen Sie in Ihrem Amt erreichen?
Erstens: Wir müssen unsere Vergangenheit aufarbeiten. Das heißt: Anerkennung von NS-Unrecht und Einsetzung einer Wahrheitskommission, die die zweite Verfolgung nach 1945 untersucht und Strategien entwickelt, um den anhaltenden negativen Folgen für die Betroffenen entgegenzuwirken.
Blick auf ein weites Gelände mit einzelnen gemauerten Schornsteinen, vorne links stehen zahlreiche Kränze vor einem Denkmal, ein Mann bückt sich, um eine Schleife zu richten. Im Hintergrund schauen viele Menschen zu
Verneigung vor den Toten 2022: Der Antiziganismusbeauftragte Mehmet Daimagüler am Mahnmal für die ermordeten europäischen Sinti und Roma auf dem Gelände des früheren Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau
Zweitens: Wir müssen im Bildungsbereich gerade mit Blick auf zugewanderte Roma eine echte Chancengleichheit herstellen und das Thema Rassismus gegen Sinti und Roma ernst nehmen.
Drittens: Es wäre an der Zeit, dass wir als Land uns positiv bekennen zu der Vielfalt durch die Zuwanderung der letzten Jahrzehnte und der, die wir schon immer hatten. Wir haben vier nationale Minderheiten: die Friesen, Dänen, Sorben und die Sinti und Roma. Diese Minderheiten haben einen enormen Anteil an der Entwicklung unseres Landes von der Kultur bis zur Wirtschaft. Lasst uns diese Vielfalt nicht nur annehmen, sondern auch feiern!
Eine Gruppe von 12 Personen hat sich in einem großen Raum fürs Foto aufgestellt, viele lachen und schauen sich an, einige halten eine blau-grüne Flagge mit einem roten Rad in die Kamera
Amaro Foro in Berlin ist eine der Selbstorganisationen von Roma und Nicht-Roma, die sich gegen Antiziganismus und für Chancengerechtigkeit einsetzen
Was macht Ihnen Hoffnung?
Eine Community, die nicht länger bereit ist, sich all das, was ihnen angetan wird, gefallen zu lassen. Menschen, die sich wehren, die selbst wissen, was gut für sie ist. Gerade die Jüngeren in der Community - die Energie und die Kampfbereitschaft finde ich imponierend. Das gibt mir sehr viel Hoffnung.
Das Gespräch führte Andrea Grunau.
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DOKUMENTATION ANTIZIGANISTISCHER VORFÄLLE
Krieg und Krisen verstärken Antiziganismus
Menschen, die als Roma wahrgenommen werden, erleben Diskriminierung: als Geflüchtete, Kranke, Kita-Kind oder bei Behörden. Die Vorfälle in Berlin hat Amaro Foro dokumentiert.
Datum 29.03.2023
Autorin/Autor Andrea Grunau
Hunderttausende Geflüchtete aus der Ukraine kamen in der deutschen Hauptstadt Berlin an. Die meisten wurden freundlich empfangen. Manche aber mussten an Verpflegungsständen mit Ausweisen belegen, dass sie "richtige Geflüchtete" sind. Einige wurden rassistisch beleidigt. Einer Familie versperrten Sicherheitskräfte im Hauptbahnhof den Weg zum Corona-Test und wollten ihr ein Hausverbot erteilen.
"Seit Beginn des russischen Angriffskrieges beobachten wir, dass aus der Ukraine geflüchtete Rom*nja nicht als Schutzsuchende, sondern als illegitime Geflüchtete markiert werden", kritisiert Violeta Balog, Leiterin der Dokumentationsstelle Antiziganismus (DOSTA) bei der Roma-Selbstorganisation Amaro Foro e.V. in Berlin: "Krieg und Krisen verstärken Antiziganismus".
Deutlich mehr Antiziganismus-Vorfälle in Berlin
DOSTA weist auf die deutsche Verantwortung durch die nationalsozialistischen Verbrechen an der Minderheit der Sinti und Roma in Europa hin: "Auch auf dem Gebiet der Ukraine fand der deutsche Vernichtungsfeldzug statt und der sogenannte Holocaust by bullets, also Massenerschießungen."
Sinti und Roma wurden im NS-Völkermord in Lagern ermordet, vielfach aber auch durch Erschießungen in ihren Heimatorten
Seit 2014 dokumentiert DOSTA die rassistische Diskriminierung von Menschen, die Roma sind, oder als Roma wahrgenommen werden in Berlin. Für die Jahre 2021 und 2022 wurden zusammen 372 Fälle erfasst; es sind die höchsten Zahlen seit Projektbeginn. Das Team geht von einer hohen Dunkelziffer aus.
Erst seit 2022 gibt es auf Empfehlung der Unabhängigen Kommission Antiziganismus auch eine bundesweite Melde- und Informationsstelle Antiziganismus (MIA), gerade hat sich ein Verein als Träger gegründet.
Flüchtlingsstatus angezweifelt
Mehmet Daimagüler, der Antiziganismus-Beauftragte der Bundesregierung, bestätigt die Benachteiligung von Roma aus der Ukraine in allen Phasen der Flucht, in der Ukraine selbst und in Deutschland. Mehr als 30 Menschen wurden von Bundespolizei und Bahnpersonal aus einem ICE gedrängt. Das Bahnpersonal hatte ihren Flüchtlingsstatus angezweifelt.
Daimagüler sagt der DW: "Ich halte es für unerträglich, dass Roma, Nachfahren von Menschen, die den Holocaust überlebt haben, die zum Teil in Zügen der Reichsbahn zu den Gaskammern gefahren wurden, jetzt in Zügen der Deutschen Bahn diskriminiert werden." Es gab ein Gespräch mit dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn und dem Vorsitzenden des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma. Die Bahn hat sich verpflichtet, ihre Beschäftigten über Antiziganismus zu schulen.
Der Rechtsanwalt Mehmet Daimagüler ist der erste Beauftragte der Bundesregierung gegen Antiziganismus und für das Leben der Sinti und Roma
DOSTA verweist darauf, dass auch Geflüchtete aus Moldau in Berlin sehr negative Erfahrungen gemacht haben. Man stelle sie pauschal als Roma dar und "illegitime Geflüchtete", sagt Politikwissenschaftler Aron Korozs. Roma in Moldau hätten kaum Zugang zur Bildungs- und Gesundheitsversorgung. In Berlin gebe es Abschiebungen schwerkranker Menschen und hochschwangerer Frauen.
Antiziganismus im Alltag
Eine Frau meldet sich bei der Rettungsstelle in einem Berliner Krankenhaus, weil es ihr nach der Chemotherapie sehr schlecht geht. Sie muss sich übergeben. Sicherheitsleute werfen sie raus und sagen: "Du kommst eh nur zum Essen und Trinken her."
Eine rumänische Frau hebt in einem Supermarkt eine Wassermelone hoch, um zu schauen, ob sie reif ist. Das Sicherheitspersonal verjagt sie, "weil Zigeuner immer klauen". Die Beschimpfte hat Anzeige wegen Beleidigung erstattet. Unter der rassistischen Fremdbezeichnung wurden Sinti und Roma in der NS-Zeit verfolgt und ermordet, in Konzentrationslagern wurde ihnen ein Z eintätowiert. Das Wort, sagt Violeta Balog, sei "beleidigend, rassistisch, verletzend".
Beim Einkauf, der Arbeit oder im Kontakt mit Nachbarn und Vermietern - Roma und Menschen, die man dafür hält, erleben in allen Lebensbereichen Diskriminierung - das zeigt die DOSTA-Auswertung.
Es sei schwer für Betroffene, sich zu wehren, sagt Balog, denn es gehe oft um existenzielle Bedürfnisse wie Wohnraum oder Arbeit. Viele hätten Angst vor den Folgen. Nicht ohne Grund: Ein Ratsuchender beschwerte sich mit Hilfe von Amaro Foro über eine Diskriminierung seines Vermieters. Ihm wurde gekündigt.
Antiziganistische Vorurteile und Straftaten
Die Leipziger Autoritarismus-Studie von 2022 ergab, dass viele Menschen auf Fragen nach Sinti und Roma mit Ablehnung antworten. "Ich hätte Probleme damit, wenn sich Sinti und Roma in meiner Gegend aufhalten", dieser Aussage stimmte mehr als die Hälfte der Befragten im Osten Deutschlands und mehr als ein Drittel im Westen zu. Noch höher war die Zustimmung zur Aussage "Sinti und Roma neigen zur Kriminalität."
Antiziganismus führt zu immer mehr Straftaten gegen die Minderheit. "Im Jahr 2022 wurden 145 antiziganistische Straftaten registriert, darunter zwölf Gewaltdelikte", so antwortete die Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion. Es ist der höchste Wert seit der ersten Erfassung 2017. Mehmet Daimagüler sagte der DW, er gehe davon aus, dass diese Zahl "nur einen Bruchteil der Realität" zeigt.
Bildung
Eine rumänische Mutter sucht einen Kita-Platz für ihre Tochter. Am Telefon sagt ihr die Kita-Leiterin, es gebe freie Plätze. Als sie mit ihrer Tochter hingeht, schickt man sie sofort wieder weg: Es gebe doch keine Plätze. Eine Bekannte von ihr, "die weiß gelesen wird", erhält einige Tage später dort einen Platz für ihr Kind.
Bildung ist einer der Schwerpunkte in der Dokumentation. Nicht nur Kita-Plätze würden Roma und denen, die man dafür hält, verwehrt, sagt Violeta Balog, auch auf Schulplätze würden viele Kinder "ewig warten". Moldauische Kinder lehnten manche Schulleitungen pauschal ab. Begründung: "Die werden eh abgeschoben."
Wenn Kinder aus der Minderheit zur Schule gingen, komme es häufig zu Mobbing durch Mitschüler und durch Lehrpersonal. Die RomnoKher-Bildungsstudie stellte fest: Mehr als sechs von zehn Angehörigen der Minderheit erlebten in der Schule Diskriminierung.
Rassistisches Mobbing in der Schule könne starke Auswirkungen auf den Bildungsweg der Kinder haben und ihre Chancen einschränken, sagt Violeta Balog. Kita- und Schulplätze müssten für alle Kinder zur Verfügung gestellt werden. Statt der Abspaltung in Willkommensklassen sollten alle Kinder zusammen unterrichtet werden, ergänzt durch Sprachförderung. Diskriminierung dürfe nicht hingenommen werden: "Es muss unabhängige Beschwerdestellen geben, die auch Befugnisse haben."
Balog kritisiert, dass der NS-Völkermord an der europäischen Minderheit der Sinti und Roma in Geschichtsbüchern meist nur in einem Nebensatz vorkomme. "Vor allem deutsche Sinti sind seit über 600 Jahren Teil dieser Gesellschaft. Es kann nicht sein, dass wir immer noch in einer Zeit der Ignoranz leben."
Das Team der Dokumentationsstelle Antiziganismus (DOSTA): Violeta Balog, Aron Korozs und Valerie Laukat (v.l.n.r.)
Behörden
In Berlin trat 2020 das bundesweit erste Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) in Kraft. DOSTA sieht Fortschritte, registrierte aber auch danach antiziganistische Vorfälle in Behörden. Dazu gehören auch Bundesbehörden wie Jobcenter und Familienkassen, für die das LADG nicht gilt.
DOSTA erfuhr 2019 durch ein Leak von einer internen Arbeitshilfe der Bundesagentur für Arbeit, die ursprünglich rumänische und bulgarische Staatsangehörige unter den Generalverdacht des "organisierten Leistungsmissbrauchs" stellte, sagt Balog.
Das Papier sei geändert worden, in der Praxis würden aber immer noch oft irrelevante Informationen und Unterlagen angefordert und die Zahlung von Leistungen stark verzögert. Um Unterstellungen einer "Armutszuwanderung" zu entkräften, weist DOSTA darauf hin, dass die Beschäftigungs- und Arbeitslosenquote bei Menschen aus Rumänien und Bulgarien 2021 kaum von der der deutschen Bevölkerung abwich.
Das Team von Amaro Foro e.V. in Berlin: Die Selbstorganisation von Roma und Nicht-Roma engagiert sich gegen Antiziganismus und für Chancengerechtigkeit
Sozialarbeit
In einer Gemeinschaftsunterkunft rät ein Sozialarbeiter einer Kollegin, einer jungen Bewohnerin nicht so viel Aufmerksamkeit zu schenken. Die habe einen Roma-Hintergrund, deshalb würde sie die Schule bald abbrechen und heiraten, da dies "zur Kultur" gehöre. Die Kollegin antwortet entsetzt, dass sie selbst der Minderheit angehört, studiert und keine Kinder hat. Der Kollege entgegnet: "Ach, Sie sind auch Roma? Sie sehen aber nicht so aus."
Ein Paradebeispiel dafür, sagt Aron Korozs, dass antiziganistische Bilder Teile der sozialen Arbeit präge, wenn eine homogene Roma-Kultur angenommen werde, die es nicht gibt. Soziale Arbeit sollte Menschen nicht in einen Topf werfen, sondern individuelle Lösungen suchen.
Medien
Amaro-Foro-Sprecherin Andrea Wierich beschäftigt sich mit der Berichterstattung von Medien über die Minderheit. Es gebe Fortschritte, sagt sie, antiziganistische Klischees seien aber nicht verschwunden: "Die Bettlerin wird sofort als Romni gelabelt, die Ärztin nicht." Bilder trügen zur Stigmatisierung bei: "Rom*nja sind oft nicht als Individuen auf Augenhöhe abgebildet, sondern eher als fremd wirkende Masse, besonders gern mit langen bunten Röcken, dunklen Haaren und von hinten."
Wierich wünscht sich mehr selbstverständliche Präsenz von Angehörigen der Minderheit in den Medien: "Dass ein Rom in der Tagesschau das Wetter präsentiert und nicht nur am Welt-Roma-Tag als Aktivist zu sehen ist."
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Holocaust-Gedenken
Mehmet Daimagüler und Douglas Emhoff gedenken ermordeten Sinti und Roma
Der Antiziganismusbeauftragte und der Second Gentleman der Vereinigten Staaten besuchten gemeinsam das Denkmal der im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas im Berliner Tiergarten. Dort gedachten sie den Opfern des Völkermordes.
01.02.2023 Aktuelle Meldung
Mehmet Daimagüler und Douglas Emhoff besuchen gemeinsam das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma im Berliner Tiergarten
© John Self/US-Botschaft Berlin
Am 31. Januar hat der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antiziganismus und für das Leben der Sinti und Roma, Mehmet Daimagüler, gemeinsam mit Douglas Emhoff, dem Ehepartner der Vizepräsidentin der Vereinigten Staaten von Amerika, Kamala Harris, das Denkmal der im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas im Berliner Tiergarten besucht. Vor Ort gedachten sie den Opfern des Genozids.
Dr. Mehmet Daimagüler: "Im Juni 2021 unterzeichneten die Vereinigten Staaten und Deutschland eine Vereinbarung zur Etablierung eines gemeinsamen Holocaust-Dialogs. In diesem Dialog muss der zu oft verschwiegene Völkermord an den Sinti und Roma Europas integraler Teil sein. Der Kampf gegen Antiziganismus muss ebenso wie der Kampf gegen Antisemitismus mit gemeinsamer Entschlossenheit geführt werden.
Vereinbarte Fortbildungen für Beamte oder Militärangehörige zu Fragen des Holocaust müssen auch den Völkermord an Sinti und Roma behandeln. Bei den regelmäßigen deutsch-amerikanischen Konsultationen sollte zudem die gegenwärtige Situation der Minderheit in Europa Gegenstand sein. Douglas Emhoff hat bei seinem heutigen Besuch des Mahnmals der Toten und der Überlebenden des Völkermords an den Sinti und Roma gedacht. Dafür möchte ich ihm meinen Dank und meine Hochachtung aussprechen."
Die Mitglieder der Volksgruppen der Sinti und Roma sind in Europa seit Jahrhunderten Diskriminierungen ausgesetzt. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurden sie verfolgt und in Konzentrationslager deportiert. Schätzungen zufolge wurde dort zwischen 220.000 und 500.000 Sinti und Roma ermordet.
Der Antiziganismusbeauftragte
Mehmet Daimagüler setzt sich als Beauftragter der Bundesregierung gegen Antiziganismus und für das Leben der Sinti und Roma für die Belange beider Volksgruppen in Deutschland ein. Dazu gehört auch die Einrichtung einer Nationalen Koordinierungsstelle zur Umsetzung der Roma-Strategie 2030 der Europäischen Union sowie der Aufbau einer zivilgesellschaftlichen Monitoring- und Informationsstelle zur Erhebung antiziganistischer Übergriffe. Zudem fungiert der Antiziganismusbeauftragte als zentrale Ansprechperson der Bundesregierung für die Communities der Sinti und Roma.
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Philomena Franz (1922-2022) - Deutschlands Mutter Courage
Im Alter von 100 Jahren ist die deutsche Sintiza Philomena Franz gestorben. Verfolgt vom Nazi-Regime, überlebte sie das KZ Auschwitz. Nach 1945 engagierte sie sich als Zeitzeugin und setzte sich für Versöhnung ein.
Datum 30.12.2022
Autorin/Autor Matthias Buth
Am 28. Dezember 2022 starb Philomena Franz. Einhundert Jahre alt zu werden ist fast schon ein Wunder. Die Konzentrationslager von Auschwitz-Birkenau und Ravensbrück zu überleben umso mehr. Philomena Franz wurde 1922 in Biberach an der Riß geboren, ihre Mutter eine Jüdin, ihr Vater ein Sinto aus Tours, dem nahen Frankreich. Ihre Familie wurde von unseren Vorfahren rassistisch verfolgt als "die Anderen". Dabei sind Sinti vor 600 Jahren nach Europa gekommen und so auch nach Deutschland, so wie vor 250 Jahren Roma zu uns kamen. Sie sind Deutsche, aber die nationalsozialistischen Deutschen grenzten sie aus, verfolgten und ermordeten sie. Und viele Bürger in der Bundesrepublik stigmatisieren sie immer noch.
Aus der Familie von Philomena Franz überlebten viele nicht. Wie etwa sechs Millionen Juden und 500.000 Sinti und Roma. Sie aber schaffte es, zu widerstehen mit allem, wozu sie fähig war: durch den Glauben an Gott und durch das Lied. Denn sie sang im KZ, zur Ermutigung für sich und andere. Ihr ausgebildeter Sopran, ihr Lied hat gerettet, als sie der Welt abhanden gekommen war.
"Wenn wir hassen, verlieren wir"
Philomena Franz, die "Frau Europas" 2001, ausgezeichnet mit dem Bundesverdienstkreuz und dem Verdienstorden von Nordrhein-Westfalen sowie Ehrenbürgerin der Kreisstadt Bergisch Gladbach, las viele Jahrzehnte aus ihrem eindrucksvollen Buch "Zwischen Liebe und Hass". Im In- und Ausland, an Schulen und Universitäten verbreitete sie ihre Lebensbotschaft: "Wenn wir hassen, verlieren wir. Wenn wir lieben, werden wir reich."
Ein Dreiklang bestimmte ihr Selbstverständnis: Sintiza, Gott, Deutschland. Und so hat sie uns allen ein Licht im dunklen Tunnel von Auschwitz entzündet. Und so können wir eher dieses Grauen annehmen, ohne am Deutschsein zu verzweifeln. Uns allen ist auf der Gedächtnishaut der Holocaust eintätowiert. Wir wissen, was Genozid ist und kennen Celans Vers "Der Tod ist ein Meister aus Deutschland". Daraus erwächst unsere Verantwortung. Dieser stellten sich die Autorinnen und Autoren der Anthologie "Himmel über Philomena / Auschwitz sieht uns an" (Pop Verlag, Ludwigsburg 2022), die anlässlich des vom Philomena-Franz-Forum e.V. ausgerichteten Symposiums am 21. Juli 2022 in der Stadt Rösrath erschienen ist.
Es waren Soldaten der Roten Armee, die vor bald 78 Jahren das SS-Vernichtungslager Auschwitz befreiten. Ihnen offenbarte sich am 27. Januar 1945 ein unvorstellbares Grauen. Dieser Tag ist erst seit 1996 nationaler Gedenktag in Deutschland. Nicht wenige wollen heute den Völkermord an Juden, Sinti und Roma wegschwadronieren, wollen diese Menschen nicht in der Mitte unseres Staates haben.
Schon bald, am Holocaust-Gedenktag am 27. Januar 2023, sprechen die Toten wieder zu uns, die aufgegangen sind im Rauch der Verbrennungsöfen von Ausschwitz und in den anderenVernichtungslagern in Europa. "Die Erinnerung an Auschwitz ist Teil unserer nationalen Identität", sagen Politiker oft. Aber was heißt das in den Städten Deutschlands? Philomena Franz war als Sintiza und Jüdin an dem Ort, der das Schreckenswort Deutschlands ist. Identität zu erreichen, gelingt nur auf den Gleisen der Erinnerung. Nur sie führt zu uns als Staat und Nation - und wir können beiden Begriffen nicht entrinnen und diese nicht nach Europa entsorgen.
Was bleibt?
Und so müssen wir uns auch unserem Versagen bei der strafrechtlichen Ahndung der KZ-Morde stellen: Über 20.000 Personen der SS waren in den Konzentrationslagern als Wachleute eingesetzt. Und es gab in Europa mit allen Außenlagern über 1600 KZs. Eine unvorstellbare Anzahl.
Seit den Nürnberger Prozessen vor Gründung der Bundesrepublik in den Jahren 1946 bis 1949, als die "Hauptkriegsverbrecher" vor Gericht standen, prägte uns Deutsche die Schlussstrichmentalität.
Und was bleibt nun nach allem? Verzweiflung und Abscheu? Nein. Deutschland ist ein Bürgerland, eines, das auch Geist, Kraft und Mut hat. Staatsbürger sind wir alle. Die Millionen von Auschwitz bleiben uns nahe, wie alle, die in Rauch aufgegangen sind und die zu uns sprechen wollen. Hören wir ihnen endlich zu!
Philomena Franz bleibt als große Frau, als Sintiza, Jüdin und Deutsche inmitten unserer Suche nach Identität als Volk und Staat. Ihr Leben ist eine Handreichung, ihr Leben war ein Lied, mit dem sie die Dämonen in ein paar Strophen für Augenblicke vertreiben konnte. Wann wird eine Schule, eine Universität oder ein ehemaliger Adolf-Hitler-Platz nach ihr benannt? Ohne ein Fortwirken des Lebenswerks von Philomena Franz wäre Deutschland ein Irrtum.
Matthias Buth (geb. 1951) ist ein deutscher Jurist, Dichter und Schriftsteller. 2021 gründete er das "Philomena-Franz-Forum" zusammen mit der Namensgeberin. Buth schreibt seit 2016 politische Feuilletons für deutschsprachige Medien in Europa.
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SINTI UND ROMA IN EUROPA
Nationalsozialismus: Morde an Sinti und Roma noch immer unbekannt
Vor zehn Jahren wurde in Berlin das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas eingeweiht, doch bisher ist dieser NS-Genozid kaum bekannt. Junge Nachfahren der Opfer wollen das ändern.
24.10.2022
Es ist ein kühler Herbstmorgen. In der Nacht hat es geregnet. Der Pflastersteinweg im Berliner Tiergarten ist noch nass. Eine dicke Wolkendecke färbt den Himmel grau. Wir stehen vor einem braunen Stahltor: Es ist der Eingang zum Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas. Stefan Pavlovic und sein Kollege David Nikolic haben heute eine Führung zum Thema Verfolgung und Vernichtung der Sinti und Roma in der NS-Zeit organisiert. Wir hören Rollkoffer über Pflastersteine klackern. Eine Gruppe kommt an - etwa 15 Roma und Nicht-Roma aus verschiedenen belarussischen Roma-Organisationen.
Die beiden Studenten Stefan und David sind Teil des Projekts "Me Sem Me", das vom "Rroma-Informations-Centrum" in Berlin ins Leben gerufen wurde. In dem Projekt berichten junge Nachfahren, deren Familien von der NS-Verfolgung betroffen waren, über den Genozid an den Roma und Sinti. David sagt, er fühle eine Art Verpflichtung gegenüber seinen Vorfahren, die Geschichte anderen näher zu bringen. "Me Sem Me" ist Romanes und bedeutet auf Deutsch übersetzt: "Ich bin Ich". Damit will der Verein deutlich machen, dass sie als Roma akzeptiert werden wollen.
Rassismus gegen Sinti und Roma ist bis heute weit verbreitet
Das ist wichtig für sie, denn bis heute ist Rassismus gegen die Sinti- und Roma-Community weit verbreitet. Stefan kennt das selbst nur zu gut. Als er Abitur machte, warf ihm eine Lehrerin vor, er mache das nur, um weiter Kindergeld zu kassieren. "Ich war geschockt. Deswegen sind mir diese Führungen auch so wichtig. Hier können wir über Rassismus von Anfang an aufklären. Wir haben oft auch Schulgruppen hier."
Die heutige Gruppe aus Belarus ist extra für die Führung der Jugendlichen angereist - und um das Rroma-Informations-Centrum kennenzulernen. Nur zwei Tage sind sie in Berlin. Fotografieren darf ich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht. Da Belarus die Deutsche Welle als "extremistisch" einstuft, fürchten sie um ihre staatliche Finanzierung.
Das Denkmal ist eine Lichtung, umringt von Bäumen, der Reichstag im Hintergrund. In der Mitte der Lichtung ist ein kleiner See, aus dem ein dreieckiger Sockel emporragt, der jeden Tag sinkt und wieder aufsteigt, jedes Mal mit einer frischen kleinen Blume darauf. Eigentlich ist es ein harmonisches Bild, ein ruhiger Gedenkort mitten in der hektischen Innenstadt. Doch als wir heute eintreten, zeigt sich ein etwas anderes Bild. Reinigungsgeräte surren und der See, auf dessen Oberfläche sich sonst Himmel, Reichstag und Bäume spiegeln, ist leer. Das Wasserbecken wird sauber gemacht.
Der ergreifendste Moment seines Lebens
Wir schreiten durch die nasse Wiese, die den Rest des Denkmals umgibt, und halten in der Nähe einiger Bäume, deren Blätter sich bereits gelb färben. Stefan erklärt, dass das Denkmal vom israelischen Künstler Dani Karavan entworfen wurde. Er war Sohn polnisch-jüdischer Einwanderer. Im Hintergrund höre man normalerweise das Geigenstück "Mare Manuschenge", komponiert vom Sinto-Musiker und Politiker Romeo Franz. Wir treten an das leere Wasserbecken heran und Stefan zeigt auf die metallene Einfassung, auf der steht: "Eingefallenes Gesicht; erloschene Augen; kalte Lippen; Stille; ein zerrissenes Herz; ohne Atem; ohne Worte; keine Tränen". Es ist ein Gedicht mit dem Titel "Auschwitz" und stammt vom italienischen Roma-Musiker und Hochschullehrer Santino Spinelli.
Auch wenn durch die Reinigungsarbeiten das Denkmal heute nicht seine ganze Wirkung entfaltet, ist die belarussische Gruppe bewegt. Ein Rom sagt mir, dass dies der wichtigste und ergreifendste Moment seines Lebens sei. In Belarus gebe es zwar auch Denkmäler für die Opfer des Nationalsozialismus, allerdings keines, dass sich speziell an Sinti und Roma richte. Ein anderes Gruppenmitglied ist beeindruckt von der zentralen Lage zwischen Reichstag und Brandenburger Tor. Das zeige, wie wichtig Deutschland das Gedenken sei. Als Stefan daraufhin erzählt, dass sie durch den geplanten Bau eines S-Bahntunnels aktuell um das Denkmal fürchten, ist die Gruppe entsetzt.
Ein Sinto-Boxer gegen das NS-Regime
Stefan und David zeigen auf die Steinplatten auf dem Boden, die den See umranden. Sie erinnern an Scherben. Auf diesen stehen die Orte der Erschießungen, der Konzentrations- und Vernichtungslager. Stefan holt ein Tablet heraus und zeigt ein Bild von Johann "Rukeli" Trollmann. Die Gruppe tummelt sich um ihn, um etwas zu sehen. Trollmann war ein deutscher Sinto, ein berühmter Boxer. Im Jahr 1933 hatte er aus Protest gegen den Rassenwahn des NS-Regimes bei einem Boxkampf blond gefärbte Haare und weiß gepuderte Haut. Er wurde 1944 in einem Außenlager des KZ-Neuengamme ermordet.
Die Reinigungsarbeiten am Denkmal sind beendet. Während der See sich langsam wieder mit Wasser füllt, schaffen es einige blasse Sonnenstrahlen durch die dichte Wolkendecke. Sie spiegeln sich im See, der tief und schwarz erscheint. Die belarussische Gruppe macht noch schnell Fotos. Dann müssen sie los. Ihr Flieger geht bald. Den letzten Teil der Führung machen Stefan und David mit mir allein.
Europa darf die Vergangenheit nicht vergessen
Wir halten am Erinnerungsort "Topographie des Terrors". Die Wolkendecke hat sich wieder zugezogen. Die grauen Gebäude und Steinplatten des Ortes werden fast eins mit dem Grau des Himmels. Stefan erklärt, dass sich hier während der Nazizeit die Zentralen der Geheimen Staatspolizei, der SS und des Reichssicherheitshauptamts befanden.
Wir gehen hinunter zum Ausstellungsgraben. Eine lange Reihe von Informationstafeln, davor viele Besucher. Wir drängeln uns zu einer Tafel, die die Verfolgung der Sinti und Roma thematisiert. Wir sehen Bilder des Lagers in Berlin Marzahn. Stefan erklärt, dass Roma und Sinti vor den Olympischen Spielen in Berlin im Jahr 1936 in dieses Lager eingeliefert wurden. Das Lager sei eine erste Station gewesen auf dem Weg von der systematischen Ausgrenzung zur Ermordung. Die Nationalsozialisten deportierten 1943 fast alle Insassen nach Auschwitz und töteten sie dort.
Die österreichische Romni Ceija Stojka gehört zu den wenigen KZ-Häftlingen, die Auschwitz überlebten. Als Kind war sie in drei Konzentrationslagern. Später wurde sie Schriftstellerin und Künstlerin. Stefan beendet seine Führung mit einem Zitat von ihr: "Ich habe Angst, dass Europa seine Vergangenheit vergisst und dass Auschwitz nur schläft." Genau das wollen Stefan und David mit der Führung "Me Sem Me" verhindern.
Datum 24.10.2022
Autorin/Autor Nadine Michollek
https://www.dw.com/de/
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
„Das Urteil muss Anstoß für Diskurs über den Völkermord an den Sinti und Roma sein“
28.06.2022 - Pressemitteilung
Der Antiziganismusbeauftragter der Bundesregierung zum Abschluss des Verfahrens gegen ehemaligen KZ-Wachmann
Zum heute ergangenen Urteil des Landgerichts Neuruppin im Verfahren gegen einen ehemaligen KZ-Wachmann des Konzentrationslagers Sachsenhausen erklärt der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antiziganismus und für das Leben der Sinti und Roma, Mehmet Daimagüler:
„Das Gericht hat in der Beweisaufnahme den Leidensweg der in das KZ Sachsenhausen verschleppten, gequälten und ermordeten Menschen in den Mittelpunkt gestellt. Auch die Verfolgung und Ermordung von Sinti und Roma im KZ Sachsenhausen wurden ausführlich untersucht. Dies ist keineswegs selbstverständlich – in vielen anderen Gerichtsverfahren waren die Hunderttausenden Opfer aus der Gruppe der Sinti und Roma gar kein Thema oder wurden höchstens am Rande erwähnt. Stattdessen beherrschten viel zu oft die Täter die Deutungshoheit: Demnach hätten sie nach Recht und Gesetz gehandelt, die Opfer seien Kriminelle. Die Folgen dieser infamen Täter-Opfer-Umkehrung wirken bis heute. Vielen Menschen ist bis heute unbekannt, dass es einen Völkermord an den Sinti und Roma gegeben hat, viele andere wollen es nicht wissen.
Das Landgericht in Neuruppin hat nun die Opfer aus dem Dunkel des Vergessens geholt und das furchtbare Unrecht und das unermessliche Leid, das ihnen zugefügt wurde, sichtbar gemacht. Dafür gebühren dem Gericht unser Dank und unsere Anerkennung. Das heutige Urteil müssen wir als Anstoß für einen dringend notwendigen gesellschaftlichen Diskurs über den Völkermord an den Sinti und Roma und die anhaltenden Folgen bis in die Gegenwart sehen.“
Die Unabhängige Kommission Antiziganismus (UKA) hatte im vergangenen Jahr ihren Abschlussbericht vorgelegt. Darin heißt es:
„Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus verhinderten die ehemaligen Täter_innen über Jahrzehnte eine Anerkennung des an Sinti_ze und Rom_nja begangenen Völkermords. Diese verweigerte Anerkennung hat entscheidend zum Fortwirken von Antiziganismus/Rassismus gegen Sinti_ze und Rom_nja nach 1945 beigetragen und führte zu einer gravierenden und bis heute andauernden Schlechterstellung von Sinti_ze und Rom_nja auf der Gesetzes- und der Umsetzungsebene in der ‚Wiedergutmachung‘. […] Sinti_ze und Rom_nja wurde und wird durch staatliche Behörden und andere gesellschaftliche Institutionen der Bundesrepublik Deutschland (z.B. Polizei, Justiz, öffentliche Verwaltung, Ausländer- und Sozialbehörden, Schulen, Jugendämter, Kirchen, Wohlfahrtsverbände) gravierendes Unrecht zugefügt. Deshalb fordert die Kommission die Bundes-regierung auf, einen umfassenden Prozess der Aufarbeitung dieses auch als Zweite Verfolgung bezeichneten Unrechts einzuleiten.“
https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/
Im Koalitionsvertrag hat sich die Bundesregierung darauf verständigt, zur Umsetzung der EU-Roma-Strategie eine Nationale Koordinierungsstelle zu gründen und eine unabhängige Monitoring- und Beratungsstelle für antiziganistische Vorfälle einzurichten.
Den Abschlussbericht der UKA „Perspektivwechsel. Nachholende Gerechtigkeit. Partizipation. Bericht der Unabhängigen Kommission Antiziganismus“ finden Sie hier:
https://www.bmi.bund.de/
INTERNATIONALER TAG DER ROMA
Erinnerung bedeutet gemeinsame Verantwortung
Vor 40 Jahren wurde in Deutschland der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma gegründet. 1982 wurde der Völkermord an den Sinti und Roma in der NS-Zeit erstmals anerkannt. Ein Gastbeitrag vom Vorsitzenden Romani Rose.
Datum 08.04.2022
Autorin/Autor Romani Rose
Romani Rose, Vorsitzender des ZDSR, im Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma (Heidelberg, 16.03.2022)
Am 17. März 1982 empfing der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt eine Delegation des kurz zuvor gegründeten Zentralrats Deutscher Sinti und Roma und erkannte den Völkermord an den 500.000 Sinti und Roma im NS-besetzten Europa an. Es wäre politisch korrekt und historisch richtig gewesen, wenn die Regierung der Bundesrepublik schon 1949 den Völkermord an den Sinti und Roma anerkannt hätte, so wie sie es mit der Shoah, der Ermordung der 6 Millionen Juden, getan hat. Diese Verbrechen waren kein Anhängsel der Shoa, der Völkermord wurde in Berlin zentral und bürokratisch geplant und organisiert und hinter der Ostfront und in den Vernichtungslagern vollzogen. Bis dahin war dieses Verbrechen im politischen oder gesellschaftlichen Bewusstsein nicht existent. Deshalb konnte der Antiziganismus nach dem Krieg seine Wirkungsmächtigkeit auch in der Bundesrepublik weiter entfalten.
Am 7. April 2022 hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in einer Videobotschaft, die er zum 40-jährigen Bestehen des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma aufgezeichnet hat, die Sinti und Roma für dieses zweite Leid um Verzeihung gebeten. Er betonte, dass die rassistisch motivierten Ressentiments nach der Befreiung nicht verschwunden seien, dass Sinti und Roma auch in der jungen Bundesrepublik Ausgrenzung und Herabwürdigung erlebten. Vor allem in Behörden, Polizei und Justiz seien sie diskriminiert, stigmatisiert oder kriminalisiert worden. In Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit wurde der Völkermord an den Sinti und Roma verschwiegen, verleugnet oder verdrängt und Ansprüche auf Entschädigung wurden viel zu lange nicht anerkannt, führte der Bundespräsident weiter aus.
Erstmals hat damit ein deutsches Staatsoberhaupt die Verantwortung übernommen für die nach dem Krieg bruchlos fortgesetzte antiziganistische Diskriminierung der Sinti und Roma in unserem Land. Für seine klaren und historischen Worte gebührt dem Bundespräsidenten Dank. Was nun folgen muss, ist eine intensive wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Leid, das Sinti und Roma in Deutschland in Behörden und Institutionen, aber auch in ihrem alltäglichen Leben widerfahren ist.
Antiziganismus - ein gesamtgesellschaftliches Problem
Das Bekenntnis des Bundespräsidenten ist ein weiterer Schritt, der deutlich zeigt, dass politisch in Deutschland in Bezug auf die Situation der Sinti und Roma bis heute viel erreicht wurde. Die Bundesrepublik ist in Europa beispielhaft für einen demokratischen Umgang mit unserer Minderheit, und das Gedenken an den Holocaust hat seinen festen Platz in der Erinnerungskultur. Erinnerung bedeutet nicht Schuldübertragung an heutige Generationen, sondern gemeinsam Verantwortung zu übernehmen für unseren Staat, der heute ein demokratischer Rechtsstaat ist.
Berlin Romani Rose und Horst Seehofer Antiziganismus Pressekonferenz
Romani Rose (l.) und Horst Seehofer, damaliger Bundesinnenminister, bei der Vorstellung des UKA-Berichts (Berlin, 13.07.2021)
Gesamtgesellschaftlich ist noch ein weiter Weg zu gehen, damit der Antiziganismus genauso geächtet wird wie der Antisemitismus. Studien der Antidiskriminierungsstelle des Bundes oder wie zuletzt Umfragen der Universität Leipzig zeigen, dass die Ablehnung von Sinti und Roma trotz dieser politischen Erfolge in der Bevölkerung noch immer hoch ist. Der Zentralrat ist besorgt über einen zunehmend gewaltbereiten Antiziganismus in ganz Europa, der sich, wie in Hanau oder München, gezielt gegen Sinti und Roma richtet, der aber im Kern auf die gemeinsamen demokratischen Werte zielt.
Insgesamt habe ich jedoch den Eindruck, dass mehr Menschen erkennen, dass Antiziganismus ein gesamtgesellschaftliches Problem ist. Rassistische und antiziganistische Diskriminierungen können ihre volle Kraft nur dann entfalten, wenn ihnen nicht deutlich, auch von solidarischen und nicht direkt betroffenen Menschen, widersprochen wird.
Sinti und Roma waren schon immer als Nachbarn und Arbeitskollegen in das gesellschaftliche Leben und in die lokalen Zusammenhänge integriert, und so ist es bis heute. Es ist die Aufgabe insbesondere der Politik, für den notwendigen Zusammenhalt in einer demokratischen Gesellschaft, gerade auch durch die gleichberechtigte Teilhabe von Minderheiten, zu sorgen, damit sich die Angehörigen unserer Minderheit endlich zu ihrer kulturellen Identität als Sinti oder Roma bekennen können, ohne in ihrem alltäglichen Leben Ausgrenzungen befürchten zu müssen.
Die vielen Geschichten auf der DW-Sonderseite "Sinti und Roma in Europa" über Menschen, die den Stereotypen und Diskriminierungen kreativ und konstruktiv, mit viel Mut und Engagement begegnen, zeigen, dass kulturelle Leistungen immer aus Begegnungen entstehen. Sie ermutigen nicht nur die Angehörigen unserer Minderheit, sondern auch viele Menschen in der Mehrheitsgesellschaft.
Romani Rose ist seit 1982 Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma.
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Antiziganismus überwinden
Bundesregierung beruft erstmals Antiziganismusbeauftragten
Der Rechtsanwalt Dr. Mehmet Daimagüler ist der erste Antiziganismusbeauftragte Deutschlands. Das neue Amt setzt ein Zeichen gegen Diskriminierung, Anfeindung und Ausgrenzung der Sinti und Sintize sowie Roma und Romnja.
09.03.2022 Aktuelle Meldung
Als Antiziganismusbeauftragter der Bundesregierung unterstützt Dr. Mehmet Daimagüler in Zukunft die Belange der Sinti und Sintize sowie Roma und Romnja in Deutschland
© Dr. Mehmet Daimagüler (Foto: Bernhard Ludewig)
Das Bundeskabinett hat in der Sitzung am 9. März den Rechtsanwalt Dr. Mehmet Daimagüler zum ersten Beauftragten der Bundesregierung gegen Antiziganismus und für das Leben der Sinti und Sintize sowie Roma und Romnja in Deutschland ernannt. Der Beauftragte ist im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend angesiedelt und wird die Maßnahmen der Bundesregierung gegen Antiziganismus koordinieren. Das neue Amt soll Vorurteilen entgegenwirken, die in der deutschen Gesellschaft gegen Sinti und Sintize sowie Roma und Romnja auch heute noch weit verbreitet sind und Schutz vor Diskriminierung und Anfeindung bieten.
Bundesfamilienministerin Anne Spiegel: "Sinti*ze und Rom*nja kämpfen in Deutschland mit Jahrhunderte alten, tiefsitzenden Vorurteilen in weiten Teilen der Mehrheitsgesellschaft und zunehmender Anfeindung und wachsender Radikalisierung in der rechtsextremen Szene. Mit der Berufung eines Antiziganismusbeauftragten kommt die Bundesregierung jetzt nicht nur einer zentralen Forderung der Sinti*ze und Rom*nja in Deutschland nach. Sie ist auch ein starkes Signal, dass wir der Diskriminierung, Ausgrenzung und Anfeindung von Sinti*ze und Rom*nja nicht tatenlos zusehen. Für das Amt konnten wir mit Dr. Mehmet Daimagüler einen engagierten Anwalt für die Betroffenen von Menschenfeindlichkeit, Hass und Gewalt gewinnen. Er wird sich mit aller Kraft für die Belange der Sinti*ze und Rom*nja in unserem Land einsetzen und für die Rechte der Opfer von Antiziganismus eintreten."
Der Antiziganismusbeauftragte der Bundesregierung unterstützt als Ansprechpartner in der Bundesregierung die Belange der Sinti und Sintize sowie Roma und Romnja in Deutschland. Er soll mit den beteiligten Bundesministerien Maßnahmen gegen Antiziganismus koordinieren und die Nationale Strategie "Antiziganismus bekämpfen, Teilhabe sichern!" weiterentwickeln und umsetzen. Dazu gehören auch die Einrichtung einer Nationalen Koordinierungsstelle zur Umsetzung der EU-Roma-Strategie 2030 sowie der Aufbau einer zivilgesellschaftlichen Monitoring- und Informationsstelle zur Erhebung antiziganistischer Übergriffe. Zudem fungiert der Antiziganismusbeauftragte als zentraler Ansprechpartner der Bundesregierung für die Communities der Sinti und Sintize sowie Roma und Romnja.
Zu seiner Ernennung erklärt Dr. Mehmet Daimagüler: "Die Bekämpfung des Antiziganismus muss ressortübergreifend und auf allen Ebenen angegangen werden, im Bund wie in den Ländern. Da viele Maßnahmen in der Zuständigkeit der Länder liegen, werde ich mich für die Einrichtung einer ständigen Bund-Länder-Kommission einsetzen. Die Herausforderungen sind nur gemeinsam mit den Communities der Sinti und Roma zu bewältigen. Den Bericht der Unabhängigen Kommission Antiziganismus verstehe ich als eine wichtige Ressource für meine Arbeit. Besonders am Herzen liegt mir die Einrichtung einer Kommission zur Aufarbeitung des Unrechts nach 1945. Die Ermordung Hunderttausender Sinti und Roma im Nationalsozialismus blieb weitgehend ungesühnt. Auch ihre Ausgrenzung und Diskriminierung endete nicht 1945, sondern setzte sich im Nachkriegsdeutschland fort und dauert bis heute an. Eine ehrliche Auseinandersetzung mit diesem Teil unserer Geschichte und Gegenwart ist überfällig."
Dr. Mehmet Daimagüler, geboren 1968 in Siegen, ist Rechtsanwalt und Buchautor. Regelmäßig steht er Opfern von politisch motivierten Hassverbrechen vor Gericht zur Seite. Bekannt wurde er vor allem als Vertreter der Nebenklage im Münchner NSU-Prozess. Er vertrat jüdische Überlebende ebenso wie Überlebende des Völkermords an den Sinti und Sintize sowie Roma und Romnja in Verfahren gegen ehemalige Angehörige der KZ-Wachmannschaften. Auch im Ulmer Prozess gegen fünf Rechtsextremisten, die 2019 einen Brandanschlag auf eine Roma-Familie verübt hatten, war er Nebenklagevertreter. Als Lehrbeauftragter der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin unterrichtete er Polizeibeamte und -beamtinnen in Grund- und Menschenrechten und sprach an Polizeihochschulen und auf Tagungen der Polizei über Themen wie Racial Profiling. In den vergangenen Jahren hat er regelmäßig an Informations- und Aufklärungsveranstaltungen zu Rassismus und Menschenfeindlichkeit in ganz Deutschland teilgenommen, wobei ihm der Austausch mit Schülerinnen und Schülern ein besonderes Anliegen ist.
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Siehe auch HISTORISCHES: NS-Verfolgung von Sinti und Roma in Mosbach >>>
Die nationalsozialistische Verfolgung der Sinti und Roma im Baden und Württemberg
Studienarbeit aus dem Jahr 2002 im Fachbereich Geschichte Europa - Deutschland - https://strato-editor.com/.cm4all/widgetres.php/cm4all.com.widgets.Embed/thumbnail.png
Nationalsozialismus, II. Weltkrieg, Note: 1,7, Universität Karlsruhe (TH) (Institut für Geschichte), Veranstaltung: H.S. Den Holocaust in musealer Präsentation, Sprache: Deutsch, Abstract: Bis in die 80er Jahre war die nationalsozialistische Verfolgung und Vernichtung der Sinti und Roma ein Desiderat der Geschichtsforschung in Deutschland und im Ausland. Die Ursachen für diese fehlende Beachtung waren unter anderem das Pflichtgefühl der Forschung Themen wie die Judenverfolgung aufzuarbeiten, sowie ein von der Gesellschaft mit Vorurteilen behaftetes Bild gegenüber den Sinti und Roma. Ein weiterer Grund mag darin liegen, dass es im Vergleich zur Judenverfolgung nur wenige Dokumente über den Genozid an den Sinti und Roma gibt. Ein wesentlicher Impuls in Deutschland zur Erforschung dieser Thematik wurde von der 1979 gegründeten Bürgerrechtsbewegung deutscher Sinti und Roma gegeben. Seitdem ist eine Reihe von Arbeiten, teilweise auch mit regionalem und lokalem Bezug, erschienen, letztere jedoch in geringer Anzahl. Das Ziel dieses Referates ist die Beschreibung der Verfolgung der Sinti und Roma in Baden und Württemberg durch die Nationalsozialisten. Um die Ausgangspunkte der nationalsozialistischen „Zigeunerverfolgung“ zu bestimmen, bedarf es zunächst einer Untersuchung der „Zigeunerpolitik“ in den Jahrzehnten vor 1933. Wie sah die Lage der Sinti und Roma in Bezug auf ihre Integration in Baden und Württemberg vor 1933 aus? Gab es gewisse Kontinuitäten nach 1933? Wie präsentierte sich der Nationalsozialismus auf lokaler Ebene und wer waren die Funktionsträger in der Verfolgung der badischen und württembergischen Sinti und Roma? Dies sind die Fragen, auf die das vorliegende Referat eine Antwort zu geben versucht. Die Verfolgung der Sinti und Roma im deutschen Reich ist gut dokumentiert.3 Leider fehlt es noch an Arbeiten mit regionalem Bezug. Über die Verfolgung der Sinti und Roma in Baden und Württemberg gibt es so gut wie keine explizite Literatur. Sowohl Literatur wie Dokumente sind außerordentlich ungünstig.
Siehe auch
Holocaust-Gedenktag für Sinti und Roma
"Ausgrenzung, die zu Gewalt führt"
Stand: 02.08.2022
4300 Sinti und Roma wurden am 2. August 1944 in Auschwitz von der SS ermordet - in einer einzigen Nacht. Beim heutigen Gedenktag erinnerte Bundesratspräsident Ramelow an das Verbrechen und mahnte vor erneuter Vertreibung.
Lange wurde der Holocaust an Sinti und Roma in der Erinnerungskultur vernachlässigt. 2015 erklärte das EU-Parlament den 2. August schließlich zum jährlichen "Europäischen Holocaust-Gedenktag für die Roma". Heute haben Sinti und Roma aus ganz Europa im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau an die Ermordung von Angehörigen in der NS-Zeit erinnert. Man geht davon aus, dass es bis zu 500.000 Getötete waren - mindestens ein Viertel der damaligen Roma-Bevölkerung in Europa.
Zu der internationalen Gedenkveranstaltung reiste auch Bundesratspräsident Bodo Ramelow nach Polen. "Wir sind heute hier, um dem Grauen ins Gesicht zu schauen und es dadurch sichtbar zu machen", sagte der Linken-Politiker. "Genau wie Juden und andere Minderheiten wurden Sinti und Roma bis in den Tod verfolgt, weil eine rassistische Ideologie ihnen das Recht zu leben absprach". Ramelow war der erste deutsche Bundesratspräsident, der in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau eine Rede hielt.
"Sinti und Roma leben sei über 1000 Jahren unter uns"
Im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau waren am 2. August 1944 etwa 4300 Sinti und Roma von der SS ermordet worden. "Kinder, Frauen und Männer - umgebracht in einer einzigen Nacht", sagte Ramelow. Der thüringische Ministerpräsident verwies darauf, dass die Wurzeln des Rassismus tief reichten. "Er beginnt, wo Menschen unfähig sind, mit denen zusammenzuleben, die als anders empfunden werden", sagte Ramelow und fügte hinzu: "Rassismus ist eine Form der Ausgrenzung, die stets zu Gewalt führt und im Nationalsozialismus als Staatsverbrechen organisiert wurde."
Quelle: https://www.tagesschau.de/
Siehe auch:
Offizielles Erinnern und die Situation der Sinti und Roma in Deutschland: Der nationalsozialistische Völkermord in den parlamentarischen Debatten des Deutschen Bundestages
Gabi Meyer untersucht den möglichen Zusammenhang von offiziellem Erinnern an begangenes Unrecht und der aktuellen sozialen Situation der Betroffenen und ihrer Nachfahren. Übten die Vorgänge im Deutschen Bundestag, die des nationalsozialistischen Völkermords an den Sinti und Roma gedachten, einen Einfluss auf deren Lebensbedingungen und die Wiedergutmachungspraxis der Behörden aus? Um diese Frage zu beantworten, gibt die Autorin einen Überblick über die Geschichte der Sinti und Roma, den an ihnen verübten Völkermord und ihre Situation in Deutschland seit 1945. Systematisch wertet sie alle Vorgänge im Deutschen Bundestag aus, die sich mit der Minderheit beschäftigten, und sucht nach positiven Impulsen und Wechselwirkungen.
Siehe auch:
Austausch mit Holocaust-Überlebenden und geflüchteten Roma
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
25.07.2022 Pressemitteilung
Mehmet Daimagüler, Beauftragter der Bundesregierung gegen Antiziganismus und für das Leben der Roma, reist vom 27. bis 31. Juli 2022 in die Ukraine. Vor Ort informiert er sich über die Situation von Holocaust-Überlebenden der ukrainischen Roma und der innerukrainischen Fluchtsituation für Roma.
Der Beauftragte trifft sich mit Betroffenen, Vertreterinnen und Vertretern ukrainischer Roma-Selbstorganisationen sowie politischen Vertreterinnen und Vertretern der ukrainischen Regierung.
Ebenso wird Mehmet Daimagüler die Gedenkstätte Babyn Jar besuchen und den Opfern mit einer Kranzniederlegung gedenken.
Im Anschluss nimmt Mehmet Daimagüler anlässlich des Internationalen Sinti und Roma Holocaust Gedenktag am 2. August an der Gedenkveranstaltung in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau teil und kommt mit Überlebenden zusammenkommen.
Quelle: https://www.bmfsfj.de/
Den Rauch hatten wir täglich vor Augen.... Der nationalsozialistische...: Der nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma
Siehe auch HISTORISCHES: NS-Verfolgung von Sinti und Roma, auch in Mosbach >>>
Siehe auch unter AKTUELLES >>> Rassismus und Diskriminierung >>>
- Menschen mit afrikanischer Herkunft >>>
- NS-Verfolgung von Homosexuellen >>>
- Nazi-Euthanasie in Mosbach (Baden) >>>
- Judenverfolgung und Anti-Semitismus >>>
- Judenverfolgung in Mosbach >>>
- Judendeportationen in Mosbach >>>
- Nazi-Geschlechterordnung >>>
MENSCHENRECHTE
Antiziganismus, die Justiz und die Polizei
Auf ethnisierte Gruppen fokussierte Ermittlungen werden in Deutschland seit mehr als hundert Jahren von Polizei und Justiz praktiziert. Besonders Sinti und Roma sind von der Praxis des "Racial Profiling" betroffen.
Datum 24.12.2021
Autorin/Autor Gilda-Nancy Horvath
Ende November 2021 hat das Deutsche Institut für Menschenrechte eine Podiumsdiskussion mit dem Titel "Antiziganismus im Kontext von Polizei und Justiz" organisiert. Die Videoaufzeichnung der Diskussion ist nun auch für ein breites Publikum online auf YouTube verfügbar.
Die Direktorin des Instituts, Beate Rudolf, stellte zu Beginn der Diskussion klar, dass es nicht um Fragen von Einzelfällen oder individuellem Fehlverhalten ginge: "Es geht um institutionellen Antiziganismus. Die Wirkung ist diskriminierend, denn diese verengte Form der Wahrnehmung kann sich in Verordnungen, Gesetzen und in den informellen Abläufen der Organisationen niederschlagen."
Beate Rudolf
Beate Rudolf, Deutsches Institut für Menschenrechte
Besonders gravierendend sei in diesem Kontext laut der Historikerin Anja Reuss der Fall von Michèle K. - einer Polizeibeamtin, die im April 2007 von der rechtsextremen Terror-Gruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) getötet wurde. Jahrelang hatte die Polizei fälschlicherweise gegen Sinti und Roma ermittelt, die damals auf der Durchreise am Tatort "Theresienwiese" in Heilbronn halt gemacht hatten. Insgesamt richteten sich fast 60 Prozent aller Ermittlungsaktivitäten in diesem Fall gegen Sinti und Roma.
"Im Rahmen der massiven Ermittlungen wurden mehr als 3000 DNA-Proben von Rom:nja und Sinti:zze genommen und ethnische Profile angelegt. Die Fragetechniken der Beamten fokussierten sich mehr auf Verwandtschaftsbeziehungen als auf Aussagen zum Tatgeschehen", erklärt die Historikerin. Eine Aufarbeitung dieser rassistischen Ermittlungen sei jedoch niemals erfolgt.
Racial Profiling - eine tradierte Praxis
Sinti und Roma wurden bereits im Kaisserreich Ziel von Racial Profiling. Sie wurden zu einem Sicherheits- und Ordnungsproblem erklärt und unter Generalverdacht gestellt. Die Nationalsozialisten konnten an diese tradierte Praxis anknüpfen, so dass 1938 bereits über 31.000 Menschen akribisch erfasst worden waren - mit Fingerabdrücken, Lichtbildern und Genealogien.
Bemerkenswert daran sei jedoch, so Reuss, dass diese polizeiliche Praxis nicht mit dem Niedergang des Dritten Reichs endete. Die Datensammlungen wurden unter neuen Vorzeichen auch nach dem Zweiten Weltkrieg fortgesetzt. Trotz der vehementen Proteste und Forderungen der Bürgerrechtsbewegung von Sinti und Roma in der Bundesrepublik der 1980er Jahre unterhielt das Bundeskriminalamt (BKA) bis 2001 weiterhin eine Sachbearbeiterstelle zum sogenannten Tatkomplex "Reisende Täter".
Der Rechtswissenschaftler Elmedin Sopa arbeitet für "DOSTA" (Es reicht), der Dokumentationsstelle Antiziganismus des Berliner Vereins "Amaro Foro". Auch er berichtet von rassistischen Praktiken: "Wir beobachten, dass Menschen mit zugeschriebenem Roma-Hintergrund unverhältnismäßige oder unrechtmäßige Maßnahmen durch die Polizei erfahren. In einem Fall wurde ein Jugendlicher am Boden fixiert und mit dem Z*-Wort beschimpft, weil er keinen Fahrschein vorweisen konnte. In einem anderen Fall wurde ein Mann, der mit seiner 9-jährigen Tochter unterwegs war, eindringlich von der zivilen Polizei befragt, wessen Kind dies sei und wo das Kind eigentlich herkomme."
Rechtsanwalt Mehmet Daimagüler
Oft fehle es Betroffenen von Antiziganismus und polizeilichen Übergriffen an finanziellen Mitteln, um sich juristisch zu wehren, so der Jurist Mehmet Daimagüler. Doch selbst wenn Betroffene den Schritt zur Anzeige wagten, würden sie oft nicht ernst genommen: "Ich habe immer wieder Klienten, die von der Polizei schlichtweg weggeschickt werden. Wir sollten aufhören, so zu tun, als hätten wir das Problem erkannt oder sogar schon gelöst. In der Realität der Betroffenen ist dies nicht der Fall. Ich fordere, dass wir dieses Thema ernst nehmen und eine Untersuchung anstoßen, die tatsächlich auch die Betroffenen miteinbezieht."
Antiziganismus - eine verengte Form der Wahrnehmung
Betroffenen den direkten Zugang zur Meldung von Hassverbrechen zu ermöglichen - das ist das Ziel der 2012 gegründeten Zentralstelle Hasskriminalität der Staatsanwaltschaft Berlin (STA). Ines Karl ist Oberstaatsanwältin und hat die Stelle mit aufgebaut. Ziel sei es, Hasskriminalität wirksam zu verfolgen und dabei auf alle Opfergruppen und Communities zuzugehen: "Was wir aus der Geschichte gelernt haben und was die Gegenwart zeigt, ist, dass diese ethnischen Zuschreibungen nicht sinnvoll sind und nicht zu einer Verbesserung unserer Arbeit führen. Wir müssen hier als Institution aktiv entgegenwirken, um unsere Aufgaben besser zu erfüllen."
Auch Eva Petersen hält eine Öffnung gegenüber den Communities für sinnvoll. Sie ist Ansprechperson für Antisemitismus und andere Phänomene gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit beim Landeskriminalamt Berlin. Es bringe sehr viel, einen Ansprechpartner für die Communities zu haben, um das Anzeigeverhalten von Betroffenen positiv zu beeinflussen: "Seit 2019 gibt es einen Antisemitismusbeauftragten bei der Polizei Berlin, und da erkannte man sehr schnell, dass es dort einen Ansprechpartner für alle Communities geben sollte", sagt Petersen.
Der Dialog mit der Zivilgesellschaft allein würde nicht ausreichen, kritisiert der wissenschaftliche Leiter im Zentralrat Deutscher Sinti und Roma (ZDSR), Herbert Heuß. Es müsse auch hinterfragt werden, wie dieses althergebrachte Gedankengut weitergegeben werde. Beispiele hierfür fänden sich immer wieder auch in Fachpublikationen der Polizei.
Herbert Heuß
Herbert Heuß, wissenschaftlicher Leiter im Zentralrat Deutscher Sinti und Roma
Gegen einen Artikel legte der ZDSR sogar eine Beschwerde bei den Vereinten Nationen ein, nachdem die zuständige Staatsanwaltschaft in Deutschland keine Diskriminierung zu erkennen vermochte und das entsprechende Verfahren eingestellt wurde. Die Vereinten Nationen bestätigten jedoch, was die Staatsanwaltschaft nicht wahrhaben wollte: Die Veröffentlichung sei "diffamierend, beleidigend und von diskriminierender Natur", was besonders schwer wiege angesichts der Tatsache, dass ein Polizeibeamter der Autor sei. Dies trage dazu bei, dass die Herkunft Roma eine verdachtsverstärkende Kategorie im Rahmen polizeilicher Arbeit sei.
Eine Untersuchung zu antiziganistischen Strukturen innerhalb der Polizeibehörden sei daher überfällig, meint Heuß. Darüber hinaus sei es notwendig, Themen wie Antiziganismus, Menschenrechte und Minderheitenrechte in die Ausbildung bzw. in die Lehrpläne angehender Polizeibeamten aufzunehmen: "Es wurden 12.000 neue Stellen für die Polizei bewilligt. Das sind viele Menschen, die demnächst die Polizeiausbildung durchlaufen sollen. Wenn diese jungen Beamtinnen und Beamten nicht geschult werden, dann wird Antiziganismus weiterhin Praxis bleiben und dieses Phänomen wird sich auch in der nächsten Generation der Polizei wieder festsetzen", so Heuß.
Empfehlungen an die Politik
Die vom Bundesinnenministerium beauftragte Unabhängige Kommission Antiziganismus (UKA) lieferte Mitte Juli 2021 einen 800 Seiten starken Bericht, der auf den Daten aus insgesamt zwölf Studien fußt. Er belegt wissenschaftlich die nach 1945 fortgesetzte Diskriminierung von Sinti und Roma in Deutschland. Demnach finden rund zwei Drittel aller Diskriminierungserfahrungen von Sinti und Roma im Kontext staatlicher und öffentlicher Institutionen und Behörden statt.
Berlin Romani Rose und Horst Seehofer Antiziganismus Pressekonferenz
Romani Rose (l), Vorsitzender des ZDSR, und der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer bei der Vorstellung des UKA-Berichts, Juli 2021
Der Bericht enthält Empfehlungen an die Politik. Es brauche Studien zu Praktiken von Polizei und Justiz unter Beteiligung der Betroffenen. Zudem seien die Anerkennung der Existenz von Antiziganismus in staatlichen Strukturen sowie mehr Ressourcen für Opferschutz nötig. Außerdem soll für Betroffene der Zugang zum Rechtsweg durch unabhängige Beschwerdestellen erleichtert werden, sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene. Zivilgesellschaftliche Organisationen fordern zudem ein Verbot von Racial Profiling und die Ausweitung des Antidiskriminierungsgesetzes (AGG) auf den öffentlichen Sektor.
Der Anwalt Daimagüler bringt es zum Abschluss der Diskussion noch einmal auf den Punkt: "Die Politik als höchste Instanz muss endlich die Verantwortung für diese notwendigen Veränderungen übernehmen. Diese Verantwortung muss über Kranzniederlegungen hinausgehen, denn die gegenwärtige Situation ist beschämend für eine Demokratie und einen Rechtsstaat."
Im Rahmen des Projekts "Rassismus, Antisemitismus, Rechtsextremismus - Stärkung von Strafverfolgung und Opferschutz" plant das Deutsche Institut für Menschenrechte eine weitere Diskussion zu diesem Themenkomplex im März 2022.
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Erst Schreie, dann Stille: Wie die Nazis 4300 Sinti und Roma ermordeten
Gedenkstein im Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas in Berlin.
In der Nacht vom 2. auf den 3. August 1944 lösten SS-Männer das von ihnen so genannte „Zigeunerlager“ in Auschwitz Birkenau auf. 4300 Sinti und Roma wurden in den Gaskammern des Vernichtungslagers ermordet. Kaum jemand weiß von ihrem Schicksal, dessen die Nachfahren der Opfer an diesem Montag gedenken.
Antea Obinja
02.08.2021, 18:01 Uhr
Berlin. Die Vernichtung nahm den gewohnten Lauf. Der SS-Mann und seine Helfershelfer entsicherten ihre Pistolen und Gewehre und forderten die entkleideten Menschen auf, in jene drei Räume zu gehen, in denen sie vergast werden sollten. Während sie ihren letzten Gang antraten, weinten viele vor Verzweiflung. Auch aus den Gaskammern konnte man verzweifelte Rufe und Schreie hören, bis das tödliche Gas seine Wirkung getan und auch die letzte Stimme zum Ersticken gebracht hatte.
Was der jüdische KZ-Häftling Filip Müller in der Nacht vom zweiten auf den dritten August 1944 beobachtet und später beschreibt ist die Ermordung von 4300 Sinti und Roma im Konzentrationslager Auschwitz Birkenau. Der damals 22-jährige Müller ist einer der wenigen Zeugen der Auflösung des von den Nazis sogenannten „Zigeunerlagers“. Als Teil des „Sonderkommandos“ ist er gezwungen, die Ermordung der Häftlinge in den Gaskammern vorzubereiten und ihre Leichen zu verbrennen.
Zwischen Februar 1943 und August 1944 wurden 23.000 Sinti und Roma aus ganz Europa in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz Birkenau verschleppt. Fast 90 Prozent der Inhaftierten sind dort umgekommen, wobei der Großteil der Menschen nicht vergast wurde, sondern an Hunger, Seuchen oder Misshandlungen gestorben ist, sagt der Historiker Frank Reuter von der Forschungsstelle Antiziganismus der Universität Heidelberg. „Nachdem die SS in den Monaten zuvor die arbeitsfähigen Häftlinge in andere Lager deportiert hatte, blieben im Sommer 1944 die Kranken und Schwachen zurück und die Alten und die Kinder – alle wurden ermordet“, so der Wissenschaftler.
Der Antiziganismus ist in der Gesellschaft tief verwurzelt
Am Montag erinnert der Zentralrat der Sinti und Roma Deutschland mit zwei parallel stattfindenden Gedenkveranstaltung an die Opfer. Neben einer Onlinegedenkstunde wird es auch eine Veranstaltung samt Kranzniederlegung in Auschwitz geben. Rund einhundert Gäste werden daran teilnehmen, darunter auch der deutsche Botschafter.
Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, betont die Bedeutung des 2. August: „Die Erinnerung ist für unseren demokratischen Rechtsstaat unerlässlich.“ Gerade in Zeiten eines wieder stärker um sich greifenden Antiziganismus sei es wichtig, zu erinnern, damit auch heranwachsende Generationen demokratische Verantwortung übernehmen könnten.
Rose fordert eine breitere und bewusstere Sensibilisierung der Gesellschaft. Zwar sei in den vergangenen Jahren politisch viel erreicht worden, gesellschaftlich bleibe aber noch vieles zu tun. „Der Antiziganismus ist tief in unserer Gesellschaft verwurzelt, antiziganistische Klischees werden seit Jahrhunderten von Generation zu Generation weitergegeben“, sagt Rose. Außerdem gebe es in Deutschland nicht das gleiche Bewusstsein für Antiziganismus wie für Antisemitismus, klagt der Zentralratsvorsitzende. „Das muss sich ändern.“
Noch immer würden Angehörige der Minderheit ihre Zugehörigkeit aus Angst vor Ausgrenzung verheimlichen, dabei stünden kulturelle Identität und Zugehörigkeit zu einer Nation nicht im Gegensatz zueinander. Rose warnt: „Im Kampf gegen Antiziganismus und Antisemitismus geht es nicht um die Rechte von Minderheiten, es geht um die Verteidigung unseres demokratischen Rechtsstaates.“
Romani Rose: „Wir dürfen keine Apartheit vor unserer Haustür dulden“
Mit Blick auf die Lebenssituation der Sinti und Roma in Osteuropa fordert Rose mehr Engagement der Bundesregierung: „Dort herrscht eine, für eine demokratische Institution wie die EU unwürdige Situation.“ Sinti und Roma müssten gleichberechtigt in ihren Heimatländern in Ost- und Südosteuropa leben dürfen, mit Zugang zu Arbeit und Bildung: „Wir dürfen keine Apartheid vor unserer Haustür dulden.“
Obwohl der 2. August seit nunmehr sechs Jahren der europäische Holocaustgedenktag für Sinti und Roma ist und obwohl dem Genozid 500.000 Menschen zum Opfer fielen, ist der Gedenktag in Deutschland weitgehend unbekannt. Markus End, Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft für Antiziganismusforschung und Mitglied der vom Bundestag eingesetzten Kommission Antiziganismus, sagt dem RND, dass ihn das nicht wundert. „Der Völkermord an den Frauen, Männern und Kindern der Sinti und Roma war lange kein Thema in Deutschland“, sagt End. Dass sich das nun langsam ändere, sei den Aktivisten, Organisationen und Verbänden der Sinti und Roma zu verdanken, die lange für die Anerkennung gekämpft hätten.
Die Arbeit der Unabhängigen Kommission Antiziganismus, so End, habe gezeigt, was viele schon zuvor geahnt hätten: „Die Kontinuitäten des Antiziganismus reichen vom Nationalsozialismus bis in die Gegenwart: Ein grundlegender Perspektivwechsel hat in der deutschen Gesellschaft kaum stattgefunden.“ Zwar habe der Antiziganismus seit 1945 an Gewalt eingebüßt und zeige sich häufig in subtileren Formen, er sei aber noch immer vorhanden und setze sich auch in Strukturen und Institutionen wie Polizei, Politik und Medien fort. „Es fehlt in Deutschland noch immer an einer ernsthaften Auseinandersetzung mit den Verbrechen und den Kontinuitäten des Antiziganismus“, sagt End, „bevor diese nicht stattfindet, wird sich nichts grundlegend ändern.“
Die historische Verspätung der Aufarbeitung beklagt auch Historiker Frank Reuter: „Die Gesamtzahl der Ermordeten von 500.000 ist eine Annäherung, eine Schätzung – wir werden nie sagen können, wie viele Menschen genau ermordet wurden.“ Viele wichtige Quellen seien nach 1945 nicht gesichert worden und Forschung habe zunächst nicht stattgefunden – „es hat nicht interessiert“, so der Heidelberger Forscher. Vor allem in Polen, Jugoslawien und Russland, wo viele Menschen den Massenerschießungen der SS und der Wehrmacht zum Opfer fielen, sei die Forschung bis heute unzureichend.
Umso wichtiger seien Gedenktage wie der 2. August für unser historisches Gedächtnis, sagt Reuter: „In dieser einen Tatnacht verdichtet sich dieser in seinem Ausmaß nicht fassbare Genozid zu einem einzelnen Ereignis: Die Barbarei des industriellen Massenmordes in den Gaskammern wird hier sichtbar.“
https://www.rnd.de/politik/
VERFOLGUNG DER GRÖSSTEN MINDERHEIT EUROPA
02.08.2021
NS-Völkermord an Sinti und Roma: Kinder "vernichten"
Europäischer Holocaust-Gedenktag für Sinti und Roma: Am 2. August 1944 wurden 4300 Menschen in Auschwitz-Birkenau ermordet. Den Schrecken der Verfolgung in ganz Europa spiegeln die Stimmen der Opfer.
"Liebe Banetla", schreibt Margarete Bamberger an ihre Schwester in Berlin, "muss dir mitteilen, dass meine beiden kleinsten Kinder gestorben sind". Ihr Brief wird 1943 aus dem sogenannten "Zigeunerlager" in Auschwitz-Birkenau geschmuggelt. Margarete Bamberger ist mit ihrem Mann Willi und ihren Kindern dort. Die Eltern werden überleben, alle Kinder sterben.
Auschwitz-Birkenau 1944: Mord an Kindern, Kranken, Alten
Wie die Kinder von Margarete Bamberger sterben die allermeisten Häftlinge an Hunger, Krankheiten und Gewalt. Die Nacht vom 2. auf den 3. August 1944 wird zum "entsetzlichen Höhepunkt" der rassistischen Verfolgung von Sinti und Roma, sagt Fings.
Die SS löst das Familienlager auf: Sie treibt 4300 schreiende und weinende Menschen in den Tod, ein Schreckenstag des Völkermords an Sinti und Roma, dem Porajmos. Das Europäische Parlament hat den 2. August als Europäischen Holocaust-Gedenktag für Sinti und Roma festgelegt.
Im Gas erstickt wird in der Mordnacht 1944 auch die Tochter von Zilli Schmidt: die vierjährige Gretel mit ihren Großeltern, ihrer Tante und deren sechs Kindern. Wie andere arbeitsfähige KZ-Häftlinge wird Gretels Mutter kurz vorher abtransportiert. Als sie vom Zug zurück zu ihrer Familie laufen will, zwingt SS-Arzt Josef Mengele sie mit einer Ohrfeige zurück in den Waggon: "Er hat mein Leben gerettet, aber er hat mir damit keinen Gefallen getan."
Auch Mano Höllenreiner (10) aus München wird vorher mit seinen Eltern abtransportiert ins Konzentrationslager Ravensbrück. Viele Verwandte verliert er in Auschwitz: Cousinen mit ihren Kindern, Tanten und "meine arme Großmutter, die ich so geliebt habe - auch vergast".
Im Gas erstickt wird in der Mordnacht 1944 auch die Tochter von Zilli Schmidt: die vierjährige Gretel mit ihren Großeltern, ihrer Tante und deren sechs Kindern. Wie andere arbeitsfähige KZ-Häftlinge wird Gretels Mutter kurz vorher abtransportiert. Als sie vom Zug zurück zu ihrer Familie laufen will, zwingt SS-Arzt Josef Mengele sie mit einer Ohrfeige zurück in den Waggon: "Er hat mein Leben gerettet, aber er hat mir damit keinen Gefallen getan."
Auch Mano Höllenreiner (10) aus München wird vorher mit seinen Eltern abtransportiert ins Konzentrationslager Ravensbrück. Viele Verwandte verliert er in Auschwitz: Cousinen mit ihren Kindern, Tanten und "meine arme Großmutter, die ich so geliebt habe - auch vergast".
Aus dem katholischen Kinderheim nach Auschwitz
Franziska Kurz hatte man ihre Kinder Otto, Sonja, Thomas und Albert weggenommen und ins Heim gesteckt. Von dort wurden sie deportiert.
1946 schreibt die Mutter an die Oberin des katholischen Kinderheims St. Josefspflege. Die Polizei hätte ihr seinerzeit mündlich mitgeteilt, "daß sich meine 4 Kinder in Auschwitz befänden". Sie habe gefragt: "Was wollen Sie denn noch von meinen armen Kindern?" Die kurze Antwort: "Vernichten".
Man habe sie gewarnt, sich "ruhig zu verhalten". Sonst müsse man sie und ihr jüngstes Kind Maria auch in ein Konzentrationslager überweisen.
Otto, Sonja, Thomas und Albert werden in Auschwitz ermordet. Von 39 Sinti-Kindern aus der St. Josefspflege überleben nur vier. Die katholische Kirche schützt sie nicht.
Kein Einzelfall. Im Mai 1943, als die Deportation nach Auschwitz und Zwangssterilisierungen drohen, schreibt Oskar Rose dem Erzbischof von Breslau: "Wenn unsere katholische Kirche uns nicht in ihren Schutz nimmt, so sind wir einer Maßnahme ausgesetzt, die moralisch wie auch rechtlich jeder Menschlichkeit Hohn spricht." Er betont, es gehe nicht um einzelne Familien, "sondern um 14.000 Angehörige der römisch-katholischen Kirche."
In Deutschland wurde der Völkermord jahrzehntelang geleugnet. Täter bei der Kriminalpolizei setzten die rassistische Erfassung mit den NS-Akten fort. Sie verhinderten die Anerkennung der Verfolgung - eine weitere Traumatisierung für die Überlebenden, die auch die 2. und 3. Generation belaste, sagt Fings.
Die Historikerin war Mitglied der Unabhängigen Kommission Antiziganismus, die kürzlich ihren Abschlussbericht vorgelegt hat. Neben der klaren Anerkennung des Genozids und Aufklärung durch eine Wahrheitskommission, sagt sie, müsse es auch eine materielle Kompensation geben, nicht nur in Deutschland: "Das betrifft diejenigen, die in anderen Ländern leben, insbesondere in Osteuropa, die nach 1945 vollständig von einer Entschädigung ausgeschlossen wurden."
Zudem fordere die Kommission, dass Deutschland - wie im Fall der jüdischen NS-Verfolgten und ihrer Nachkommen - Verantwortung übernimmt, "dass Roma und Romnja als besonders schutzbedürftige Gruppe anerkannt werden".
Quelle : https://www.dw.com/
Bericht der Antiziganismus Kommission vorgelegt
Stiftung EVZ unterstützt Forderung nach mehr Partizipation für Sinti:ze und Rom:nja in Medien, Politik, Wissenschaft und Verwaltung
22.06.2021 – 12:26
Berlin (ots)
Bericht der Antiziganismus Kommission lobt Programm Latscho Diwes der Stiftung EVZ, das Überlebenden der NS-Verfolgung den Lebensabend erleichtert
Die Unabhängige Kommission Antiziganismus hat ihren Abschlussbericht vorgelegt. Dieser wird am kommenden Donnerstag (24. Juni) erstmals auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums stehen. Der Bericht stützt sich auf 15 von der Kommission initiierte empirische Studien zu Rassismus gegen Sinti:ze und Rom:nja.
Den Bericht kommentiert Dr. Petra Follmar-Otto, Vorständin der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ): "Der Bericht legt auf über 800 Seiten deutlich und alarmierend Antiziganismus als tief verwurzeltes, gesamtgesellschaftliches Problem offen. Sinti:ze und Rom:nja wurden von den Nationalsozialisten systematisch entrechtet, verfolgt und ermordet. Im Nachkriegsdeutschland passierte die Aufarbeitung des Völkermordes an dieser Minderheit nur schleppend - bis heute. Die anhaltende und durch die Pandemie potenzierte Diskriminierung von Rom:nja und Sinti:ze gefährdet unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt."
In sechs zentralen Forderungen formuliert der Abschlussbericht Maßnahmen, wie Antiziganismus bekämpft und überwunden werden kann. Die Siftung EVZ unterstützt insbesondere die Forderung nach mehr Partizipation für Sinti:ze und Rom:nja in Medien, Politik, Wissenschaft und Verwaltung. "Antiziganismus zu bekämpfen ist Aufgabe der sogenannten Mehrheitsgesellschaft. Um die Grundrechte von Rom:nja und Sinti:ze zu stärken, in Deutschland aber auch Mittel- und Osteuropa, braucht es Förderungen für die Selbstorganisationen von Rom:nja und Sinti:ze selbst. Mit Projekten für Inklusion, Partizipation und Bildungsteilhabe ist die Stiftung EVZ hier eine entscheidende Partnerin", sagt Petra Follmar-Otto, Stiftung EVZ.
Als weitere Forderung nennt der Bericht eine "Kommission zur Aufarbeitung des an Sinti_ze und Rom_nja begangenen Unrechts in der Bundesrepublik Deutschland".
"Rom:nja und Sinti:ze wurden lange nicht als Opfer des Nationalsozialismus angesehen. Wie der von der Stiftung EVZ geförderte Multidimensionale Erinnerungsmonitor für Deutschland (MEMO Studie IV, 2021) zeigt, sind der nationalsozialistische Genozid und die Kontinuitäten von Verfolgung und Ausgrenzung noch nicht in der Gesellschaft angekommen. Die Aufarbeitung kann und muss Wissenslücken schließen", führt Vorständin Petra Follmar-Otto aus.
Ein Zweck der Stiftung EVZ ist es, alle Opfergruppen nationalsozialistischer Verfolgung zu unterstützen. Dazu gehören Gesundheitsleistungen ebenso wie Sichtbarkeit und Anerkennung ihrer Lebensgeschichten und ihres Leidens. Ein Beispiel ist das Programm Latscho Diwes, das im Bericht von der Kommission lobend erwähnt wird. Latscho Diwes fördert überlebende Rom:nja in neun Ländern, u.a. in Russland, Rumänien und der Ukraine.
Über die Stiftung EVZ
Die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) bezeugt die politische und moralische Verantwortung von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft für das nationalsozialistische Unrecht. Auseinandersetzung mit der Geschichte, Handeln für Menschenrechte und Engagement für Opfer des Nationalsozialismus sind die Handlungsfelder, in denen die öffentlich-rechtliche Stiftung heute tätig ist. Jährlich werden rund 300 Projekte in 20 Ländern von der Stiftung EVZ gefördert.
Weiterführende Informationen
Bericht der Unabhängigen Kommission Antiziganismus Link
Mehr über die Unabhängige Kommission Antiziganismus Link
Mehr über das Förderprogramm für Überlebende des NS-Genozids an den Roma Latscho Diwes der Stiftung EVZ Link
MEMO Deutschland - Multidimensionaler Erinnerungsmonitor 2021 der Stiftung EVZ Link
Pressekontakt:
Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ)
Katrin Kowark
Friedrichstraße 200
10117 Berlin
Tel. +49 (0)30 - 25 92 97 24
Mobil +49 (0) 151 500 470 64
E-Mail: kowark@stiftung-evz.de
www.stiftung-evz.de
https://www.presseportal.de/pm/129525/4948937
Fundstücke: Entwurzelt im eigenen Land: Deutsche Sinti und Roma nach 1945
Die Autoren befassen sich mit der nach 1945 marginalisierten Opfergruppe der Sinti und Roma und ihrem Ringen um Anerkennung und Entschädigung
Bericht: Diskriminierung von Sinti und Roma ist allgegenwärtig
Eine Kundgebung gegen Antiziganismus in Berlin (Archivbild).
Die Unabhängige Kommission Antiziganismus verlangt größere Anstrengungen im Kampf gegen die Diskriminierung von Sinti und Roma. Zu dem Schluss kommt ein Bericht der Kommission. Bis heute wirke sich der nationalsozialistische Völkermord auf die Lebensbedingungen der Minderheit aus.
24.06.2021, 12:56 Uhr
Berlin. Die Unabhängige Kommission Antiziganismus verlangt von der Politik erhebliche Anstrengungen gegen die Diskriminierung von Sinti und Roma. In ihrem über 800-seitigen Bericht, den die Kommission am Donnerstag in Berlin vorstellte, kommt sie zu dem Schluss, dass die Diskriminierung von Roma und Sinti allgegenwärtig ist.
Zudem wirkten sich der nationalsozialistische Völkermord und die sogenannte zweite Verfolgung nach 1945 in der Bundesrepublik bis heute auf die Lebensbedingungen der Minderheiten aus.
Die 2019 von der Bundesregierung berufene Kommission war vom Bundestag beschlossen und beauftragt worden, Antiziganismus in Deutschland wissenschaftlich zu untersuchen und Strategien zu seiner Überwindung aufzuzeigen.
Antiziganismus unterscheide sich von anderen Formen rassistischer Diskriminierung und müsse entsprechend bekämpft werden, heißt es in dem Bericht. Stärker als von den Experten erwartet wirke sich zudem der NS-Völkermord und die nach 1945 über Jahrzehnte verweigerte Anerkennung des Genozids aus.
Komission verlangt Ausgleichsleistungen
Die Kommission fordert die Berufung eines Beauftragten gegen Antiziganismus und eine Bund-Länder-Kommission, um das Vorgehen gegen Diskriminierung dauerhaft im Regierungshandeln zu verankern.
Sie verlangt Ausgleichsleistungen für die Schlechterstellung der Sinti und Roma gegenüber anderen Opfergruppen bei der Wiedergutmachung nach 1945 und die Aufarbeitung dieser erneuten Diskriminierung. Zu den zentralen Forderungen des Gremiums zählt weiter, geflüchtete Roma als besonders schutzwürdige Gruppe anzuerkennen.
Sinti und Roma leben seit Jahrhunderten in Europa. Als Sinti werden die Angehörigen der Minderheit bezeichnet, die sich vorwiegend in West- und Mitteleuropa angesiedelt haben. Roma leben zumeist in ost- und südosteuropäischen Ländern.
RND/epd
https://www.rnd.de/
Bürgerrechtler über Hass auf Sinti und Roma: „Der Rassismus wurde nie hinterfragt“
Marko Knudsen vom Bildungsverein der Roma zu Hamburg.
Am Donnerstag ist der Internationale Tag der Roma. Der Hamburger Marko Knudsen ist Vorsitzender des Bildungsvereins der Roma und selber Rom. Im RND-Interview erklärt er, warum viele Deutsche so wenig über die NS-Verfolgung der Sinti und Roma wissen, was das Wort „Zigeuner“ rassistisch macht und wieso manche Roma ihre Wurzeln verschweigen.
Alisha Mendgen
08.04.2021, 05:30 Uhr
Marko Knudsen weiß, wovon er spricht. Als der Hamburger in jungen Jahren erzählte, dass er Rom (Einzahl von Roma) ist, sagte ihm ein Lehrer: „Aus dir wird sowieso nichts.“ Er sollte Unrecht behalten. Seit seiner Jugend arbeitet Knudsen mit anderen Sinti und Roma zusammen, so ist der mittlerweile 47-Jähriger unter anderem Vorsitzender des Bildungsvereins der Roma zu Hamburg. Im RND-Interview erzählt der Sozialpädagoge, dass sich Vorurteile gegen Roma und Sinti seit Jahrhunderten halten. Außerdem erklärt er, was sich an der Aufklärung über die NS-Zeit ändern muss und, warum der Begriff „Zigeuner“ schon immer rassistisch war.
Roma und Sinti werden oft in einem Atemzug genannt. Sollten Sie zu einer Gruppe zusammengefasst werden?
Roma und Sinti sind dasselbe Volk, wobei die Sinti im deutschen Sprachraum seit mehr als 600 Jahren ansässig sind. Wir sprechen dieselbe Sprache und wir haben dieselbe Geschichte. Sinti möchten im deutschen Sprachgebrauch speziell als einzelne Gruppe genannt werden, weil mehr als 90 Prozent ihrer Menschen in der NS-Zeit umgekommen sind und sie mit ihrem Namen sichtbar sein wollen.
Wie stehen Roma und Sinti in Beziehung zueinander?
Ich nenne gerne folgendes Beispiel: Wenn die Roma das Äquivalent für Deutschland wären, dann sind Sinti unser Bayern mit einer starken eigenen Identität. Sie sind also eine Untergruppe der Roma.
Anerkennung und Wiedergutmachung sind uns verwehrt worden.
Marko D. Knudsen
In einer Studie von 2016 gaben 57,8% der Befragten an, dass sie ein Problem damit hätten, wenn Sinti und Roma in ihrer Nähe wohnen würden. Wie äußert sich Antiziganismus, also Rassismus gegen Roma und Sinti, heute noch?
Antiziganismus zeigt sich seit ungefähr 600 Jahren und ist aufgekommen mit dem Auftauchen der Roma, dem osmanischen Reich und dem Islam, von dem sich Europa bedroht gefühlt hat. Daher kommen auch die Vorurteile, die bis heute bestehen.
Da wäre zum Beispiel das historische Vorurteil, dass wir Spione der Türken sind oder, dass wir die Pest bringen. Diese Ängste sind nie aufgearbeitet worden. Antiziganismus wird wie ein europäischer Kulturkodex unhinterfragt von Generation zu Generation in der Mehrheitsbevölkerung weitergegeben.
Was genau meinen Sie mit einem „europäischen Kulturkodex“?
Ich meine damit die antiziganistischen Vorurteile. Sie werden genährt durch die Bilder im Kopf, die jeder Europäer hat und die Merkmale widerspiegeln sollen, die „Zigeuner“ haben. Also, dass wir Asoziale seien oder Kriminelle. Das war das Hauptargument der Nationalsozialisten, warum wir in die Konzentrationslager gesteckt wurden. Nicht aufgrund unserer Ethnie sondern aufgrund des Konstrukts des kriminellen „Zigeuners“.
Das war auch die Begründung vor den Gerichten nach Kriegsende, als uns die Entschädigungszahlungen verweigert wurden. Es wurde gesagt, gegen uns habe es keinen Völkermord gegeben und die Verfolgung sei zur Vorbeugung von Kriminalität gewesen.
Es hat bis 1982 gedauert, bis Helmut Schmidt als Bundeskanzler den Völkermord an den Roma und Sinti während der NS-Zeit als solchen formuliert hat. Bis dahin wurde den Leuten gesagt, dass es keinen systematischen Völkermord an uns gab.
Im Falle der Juden gab es Wissenschaftler, die nach Kriegsende sofort den Antisemitismus als Hauptübel ihrer Verfolgung während der NS-Zeit erkannten und bei der Aufarbeitung halfen. Deswegen wissen wir, was Antisemitismus heißt. Antiziganismus hingegen ist immer noch ein Fremdwort. Die Juden erfuhren außerdem Unterstützung, weil sie später einen eigenen Staat hatten und seitdem auf Staatsebene repräsentiert werden. Anerkennung und Wiedergutmachung sind uns verwehrt worden.
Also fehlt es an einer massenhaften Aufklärung?
Richtig, aber dieses „Zigeunerbild“ hatten nicht nur Nazis hierzulande, das herrschte in ganz Europa vor. Alle Länder wollten Roma verdrängen. Da braucht es eine europaweite Aufklärung.
Was muss sich noch in Sachen Aufklärung ändern?
Jedes Mal, wenn über Antisemitismus in der NS-Geschichte geredet wird, muss auch über Antiziganismus geredet werden. Geschichte wird geprägt und weitergegeben. Wenn man sich Dokumentationen über die Verfolgung der Juden anschaut, hört man selten etwas von der Verfolgung der Sinti und Roma. Die Aufklärung über den Völkermord ist konsequent unter den Tisch gefallen.
Wie wirkt der Rassismus ins Heute?
Der Rassismus hat sich gehalten und wurde nie hinterfragt. Ein Beweis dafür war die kranke Diskussion in der WDR-Sendung „Die letzte Instanz“ über das „Zigeunerschnitzel“. Wir müssen ehrlich sein: Hätten diese Promis so über Antisemitismus gelästert wie sie es über Antiziganismus getan haben, dann hätten sie ihre Karriere an den Nagel hängen können.
Es ist ganz einfach: „Zigeuner“ ist eine rassistische Fremdzuschreibung, die uns mit Stereotypen besetzt und die wir selber nie benutzt haben. Mit dem Begriff verbinden sich automatisch negative Bilder, die Angst auslösen und verhindern, dass man uns als Individuen wahrnimmt. Letztendlich ist es eine Frage des Respekts und, ob man jemanden mit einem Namen nennt, den er nicht möchte.
Sollte man in einem Gespräch über Antiziganismus „Zigeuner“ als „Z-Wort“ abkürzen?
Ich muss das Wort aussprechen, um den Teufel zu benennen. Es gibt aber keine Rechtfertigung dafür es außerhalb des Rassismusdiskurses zu nutzen. Ich muss aber „Zigeuner“ sagen, um zu erklären, welche Bilder bei den Menschen hervorgerufen werden.
Wie sieht es bei Menschen aus, die nicht Sinti oder Roma sind?
Solange niemand mit dem Begriff bezeichnet wird, kann „Zigeuner“ in sachlichen Diskussionen benutzt werden, um dem Rassismus auf den Grund zu gehen. Im alltäglichen Leben hat er keine Rechtfertigung.
Inwiefern führt die Anpassung von Sprache zu weniger Rassismus?
Sprache ist ein Mittel, um auf die Diskriminierung aufmerksam zu machen und um sie zu entblößen. Wenn ich nicht verstehe, was rassistisch ist oder andere als rassistisch empfinden, dann kann ich es auch nicht korrigieren.
Viele haben das Gefühl, man müsse unsichtbar bleiben, um erfolgreich zu sein.
Marko D. Knudsen
Viele Sinti und Roma verheimlichen ihre Wurzeln aus Angst vor Diskriminierung. Haben Sie Ihre Wurzeln auch schon mal verschwiegen?
In meiner Arbeit als Sozialpädagoge in Schulen merke ich, dass es sehr schwierig ist, in der Schule erfolgreich zu sein, wenn sich Kinder als Roma oder Sinti outen. Diese Erfahrung habe ich selber gemacht im Alter von 14 Jahren, als ich erzählt habe, dass ich Roma bin. Ich habe meine Identität aber nicht verschwiegen, das Thema hatte sich vorher einfach nicht aufgedrängt. Den Rassismus habe ich dennoch auf meinem Zeugnis gesehen, ein Lehrer sagte mir: „Aus dir wird sowieso nichts.“ Das sind Erfahrungen, die viele machen.
Haben Sie sich damals gegen diesen Lehrer gewehrt?
Nein, ich habe mich nicht gewehrt. Was hätte ich machen sollen? Ich hatte keine Chance und sowieso schon berufliche Pläne. Mich hat das nicht runtergezogen, ich fliege höher, wenn ich Gegenwind bekomme. Andere Menschen stürzen ab.
Wie kam es dazu, dass Sie von Ihren Wurzeln erzählt haben?
Es war eine bewusste Entscheidung. Ich hätte undercover bleiben können. Doch mit meiner Jugendarbeit – ich hab einen der ersten Jugendverbände der Roma und Sinti gegründet – habe ich dazu gestanden.
Sie benutzen den Begriff „Coming Out“ oder sagen, dass Sie zu ihrer Identität stehen. Dabei sollte sich doch niemand für seine Geschichte schämen.
Ja, niemand sollte sich für seine Geschichte schämen. Aber Roma und Sinti wissen genauso viel über sich, wie es die Mehrheitsbevölkerung tut. Das heißt, dass sie manchmal auch die gleichen Vorurteile verinnerlichen. Einige benutzen aus Unwissenheit selber den Begriff „Zigeuner“. Viele haben das Gefühl, man müsse unsichtbar bleiben, um erfolgreich zu sein.
Das zeigen auch bekannte Beispiele von Menschen, die ihre Identität lange verschwiegen haben, zum Beispiel Marianne Rosenberg und Sido. Ihr Outing hatten sie erst, als sie so erfolgreich waren, dass man ihnen ihren Erfolg nicht mehr nehmen konnte. Erst dann schienen sie den Mut gehabt zu haben, ihre Wurzeln preiszugeben.
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Hunderte Fälle von Diskriminierung gegen Sinti und Roma in Berlin
Protest gegen Diskriminierung von Sinti und Roma in Berlin am 25.10.2013. (Archivbild)
Die Dokumentationsstelle Antiziganismus meldet Hunderte diskriminierende Vorfälle gegen Sinti und Roma in Berlin seit 2015. Im vergangenen Jahr sei die Zahl zwar leicht zurückgegangen. Die Dokumentationsstelle und der Berliner Justizsenator Dirk Behrendt sprechen dennoch von einem “besorgniserregend hohen Niveau”.
01.10.2019, 16:08 Uhr
Berlin. Die Zahl antiziganistischer Vorfälle in Berlin ist im vergangenen Jahr leicht zurückgegangen, bleibt aber auf einem hohen Niveau. Besonders bei Behörden, auf der Straße und im Alltag erlebten zugewanderte Roma aus Rumänien, Bulgarien und den Westbalkanstaaten immer wieder Rassismus und Diskriminierung, sagte Georgi Ivanov von der Dokumentationsstelle Antiziganismus (Dosta) des Vereins Amaro Foro am Dienstag in Berlin. Unter dem Begriff Antiziganismus versteht man die Feindschaft gegenüber Sinti und Roma.
Die Dokumentationsstelle, die ab 2014 aufgebaut wurde, nennt zwischen 2015 und 2018 insgesamt 588 entsprechende Vorfälle, davon 161 im vergangenen Jahr. Die Mehrheit (61 Prozent) erlebten die Betroffenen demnach auf Ämtern (216 Fälle) oder im Alltag und im öffentlichen Raum (140 Fälle). An dritter Stelle rangierte mit 60 Fällen der verwehrte Zugang zu Bildung.
Diskriminierung durch Behörden
So sei einer Roma-Familie aus Serbien von einer Sachbearbeiterin auf dem Sozialamt gesagt worden: "Ich will deine Unterlagen nicht sehen, ich will mit Zigeunern nichts zu tun haben." In einem anderen Fall hätte sich das Sozialamt trotz eines Gerichtsbeschlusses geweigert, die Kosten für die Unterbringung einer obdachlosen Mutter mit Kindern zu übernehmen und sie aufgefordert, nach Rumänien zurückzukehren.
Drei Frauen in langen Röcken sei von Sicherheitsmitarbeitern der Zugang zu einem U-Bahnhof verwehrt worden mit der Begründung, sie wollten betteln und würden die Menschen belästigen. Eine Schulsekretärin hätte in einem weiteren Fall gegenüber einer Sozialarbeiterin, die einen Roma mit seinem Sohn bei der Schulanmeldung begleitete, gesagt, sie solle ihre Taschen zumachen, "da schon mal was geklaut wurde, als Kinder ohne Deutschkenntnisse angemeldet wurden". Einer schwangeren Roma-Frau empfahl eine Ärztin in einem Berliner Krankenhaus laut Angaben der Dokumentationsstelle, sich mit dem Kaiserschnitt gleich sterilisieren zu lassen.
Da von einem hohen Dunkelfeld ausgegangen werden müsse, seien die vorgelegten Zahlen nicht repräsentativ, sagte Ivanov. Sie böten aber einen tiefen Einblick in die Funktionsweise rassistischer Abwertungen und Ausschlüsse. "Wir erleben immer mehr, dass Menschen mit selbst- oder fremdzugeschriebenem Roma-Hintergrund unter Generalverdacht zu stehen scheinen, bei den Leistungsbehörden, in Schulen, bei den gesetzlichen Krankenkassen, am Arbeitsplatz oder bei Justiz und Ordnungsbehörden", kritisierte der Amaro Foro-Vorstand.
Einen wichtigen Hintergrund dieser Vorfälle bildeten dabei politische und mediale Debatten, sagte Projektmitarbeiterin Andrea Wierich. Die Hemmschwelle, sich antiziganistisch zu äußern, sei immer geringer.
Justizsenator spricht von "besorgniserregend hohem Niveau"
Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) sprach von einem "besorgniserregend hohen Niveau". Keine andere Minderheit sei in Europa so stark von Benachteiligung und Diskriminierung betroffen wie Sinti und Roma. Die Arbeit der Dokumentationsstelle helfe hoffentlich, ein neues Bewusstsein über die Allgegenwärtigkeit des Antiziganismus zu entwickeln. Die Stelle wird von der Berliner Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung gefördert. Bundesweit weist der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma immer wieder auf Diskriminierungsfälle hin.
Lesen Sie auch: Zentralrat Deutscher Sinti und Roma kritisiert Sat.1 für Dokumentation
RND/epd
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Getrenntes Bekenntnis zu Sinti und Roma im Bundestag
Mahnmal für die in der NS-Zeit ermordeten Sinti und Roma am Reichstag in Berlin.
Die Diskriminierung von Sinti und Roma soll in Deutschland genauso entschlossen bekämpft werden wie der Judenhass. Darin ist sich ein Bündnis aus Regierungs- und Oppositionsfraktionen eigentlich einig. Doch aus einem gemeinsamen Antrag an diesem Freitag wird trotzdem nichts.
22.03.2019, 06:00 Uhr
Berlin. Der Bundestag will an diesem Freitag eine Erklärung verabschieden, jeder Form des Hasses gegen Sinti und Roma entschlossen zu begegnen. Dieses Willensbekenntnis möchte die Mehrheit der Fraktionen in der Anwesenheit des Vorsitzenden des Zentralrats deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, abgeben – eine wichtige Geste.
Das Bild der Geschlossenheit hat sich jedoch getrübt, seit aus dem ursprünglich vereinbarten gemeinsamen Antrag der Koalitionsfraktionen, Grünen und FDP sowie eines wortgleichen Antrags der Linken nichts mehr wird. Freitag stimmen die Abgeordneten nur noch über zwei ähnlich lautende Anträge von CDU/CSU und SPD auf der einen sowie Grünen, Linken und FDP auf der anderen Seite ab. Geschlossenheit sieht anders aus.
Union will nicht mit Linken stimmen
Hintergrund ist der in jeder Wahlperiode erneuerten Unvereinbarkeitsbeschluss, wonach die Union grundsätzlich keine gemeinsamen Anträge mit Linken oder AfD stellt. Die Grünen-Fraktion wollte in der Frage eines Bekenntnisses gegen den Antiziganismus die Linken jedoch nicht allein dastehen lassen und entschloss sich, den gleichen Antrag zweimal zu stellen: einmal mit Koalition und FDP sowie einmal mit den Linken. Ungewöhnlich, aber möglich.
Da die Union diese Verbindung ablehnt, wurden zunächst die Grünen vom gemeinsamen Antrag verbannt, dann auch die Liberalen. Offenbar, weil die SPD nach dem Wegfall der Grünen nun auf einen reinen GroKo-Antrag pochte.
FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae ist extrem verärgert. „Das ist ein schlechtes Signal an die Sinti und Roma in Deutschland“, sagte Thomae dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Bei solch einem Thema sind parteipolitische Befindlichkeiten hintenan zu stellen.“
Zentralrat wünschte sich interfraktionelle Initiative
Die Grünen sind ebenfalls unzufrieden mit dem Ergebnis. Die Sprecherin für Migrations- und Integrationspolitik, Filiz Polat, weist darauf hin, dass sich der Zentralrat der Sinti und Roma eine interfraktionelle Initiative gewünscht hatte. "Im Koalitionsantrag fehlt die Selbstverpflichtung des Bundestags, gegen den Antiziganismus genauso kompromisslos vorzugehen wie gegen den Antisemitismus", sagte Polat dem RND. "Ich verstehe nicht, dass die SPD das mitmacht."
Die CDU wirft den Grünen hingegen vor, die Linkspartei im Bundestag koalitionsfähig machen zu wollen. „Wichtiger als die Sache scheint den Grünen der Schulterschluss mit der Linkspartei zu sein“, sagte CDU-Fraktionsvize Thorsten Frei. Entgegen der Absprache in letzter Minute auch einen gemeinsamen Antrag mit der Linkspartei einzubringen, sei ein „grobes parlamentarisches Foul“ der Grünen gewesen.
CDU: Unser Anliegen war starkes Signal an Sinti und Roma
„Unser Anliegen war es, ein starkes Signal an den Zentralrat Deutscher Sinti und Roma zu senden“, so Frei. „Wir waren deshalb bemüht, das Thema aus dem Streit der Fraktionen herauszuhalten und einen Konsens zwischen CDU/CSU, SPD, FDP und den Grünen herbeizuführen, wie uns das auch schon beim Antrag zur Bekämpfung des Antisemitismus gelungen ist.“
Die SPD spielt den Ball zum Koalitionspartner zurück. „Ich hätte mir bei diesem wichtigen gesamtgesellschaftlichen Thema einen fraktionsübergreifenden Antrag gewünscht“, sagte SPD-Vizefraktionschefin Eva Högl gegenüber dem RND. „Dieser ist leider an der Weigerung der Union gescheitert, gemeinsam mit der Fraktion Die Linke diesen Antrag zustellen und eine einheitliche Haltung aller demokratischen Parteien im Deutschen Bundestag bei der Bekämpfung von Antiziganismus einzunehmen“, so Högl.
Sinti und Roma leiden bis heute unter Ausgrenzung
Sinti und Roma würden bis heute unter Ablehnung, Ausgrenzung und Benachteiligung leiden. „Die Einsetzung eines Expertengremiums war eine jahrelange Forderung der SPD“, so Högl. „Ich bin sehr froh, dass die Union nun eingelenkt hat und ihre Blockade gegen die Kommission und gegen einen gemeinsamen Antrag im Bundestag aufgegeben hat.“
Die Linken werfen der Koalition hingegen unreifes Verhalten vor. Der erste Parlamentarische Geschäftsführer, Jan Korte, nennt die Situation in einem persönlichen Brief an SPD-Fraktions- und Parteichefin Andrea Nahles („Liebe Andrea“) ein haarsträubendes Ergebnis. Es würde nun abgestimmt über zwei Anträge von Fraktionen, die sich eigentlich im Anliegen einig seien. „Sie werden getrennt von einer Fraktion, die aus antikommunistischer Brauchtumspflege das demokratische Spektrum spaltet und einer Fraktion, die sie dabei unterstützt – und das seid ihr.“
Innenministerium setzt Expertengremium ein
In den Anträgen begrüßen die Fraktionen, dass der Bundesinnenminister nach Konsultationen mit dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma ein Expertengremium einsetzen will, um bis 2021 eine systematische Bestandsaufnahme aller Erscheinungsformen des Antiziganismus zu erstellen. Aus den Ergebnissen sollen zum Beispiel Handlungsempfehlungen für die historisch-politische Bildungsarbeit gegen den Antiziganismus und die Wirkung von Gedenkstätten abgeleitet werden.
Von Thoralf Cleven/RND
https://www.rnd.de/
Siehe auch HISTORISCHES:
Siehe auch unter AKTUELLES >>> Rassismus und Diskriminierung >>>
- Menschen mit afrikanischer Herkunft >>>
- NS-Verfolgung von Homosexuellen >>>
- Nazi-Euthanasie in Mosbach (Baden) >>>
- Judenverfolgung und Anti-Semitismus >>>
- Judenverfolgung in Mosbach >>>
- Judendeportationen in Mosbach >>>
- Nazi-Geschlechterordnung >>>
- Muslimfeindlichkeit >>>
- Diskriminierung von Missbrauchsopfern >>>
Soziale Arbeit im Kontext gesellschaftlicher Diskriminierung von Sinti und Roma in Deutschland
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2016 im Fachbereich Sozialpädagogik / Sozialarbeit, Note: 1,3, Fachhochschule Münster, Sprache: Deutsch, Abstract: In der vorliegenden Arbeit soll auf Grundlage einer theoretischen Annäherung herausgearbeitet werden, welche Ausgrenzungs- und Abwertungsmechanismen sich gegenüber Sinti und Roma in der deutschen Gesellschaft ablesen lassen, in welcher Form diese in der Mehrheitsgesellschaft verankert sind und inwiefern Soziale Arbeit in diesem Kontext intervenieren kann und muss. In diesem Zusammenhang wird die Hypothese aufgestellt, dass Antiziganismus einen Auftrag Sozialer Arbeit darstellt. Diese Arbeit unter dem Titel „Soziale Arbeit im Kontext gesellschaftlicher Diskriminierung von Sinti und Roma in Deutschland“ versteht sich nicht als Versuch Erkenntnis über die Lebensweise der Sinti und Roma zu gewinnen, sondern vielmehr als ein Verweis auf die Notwendigkeit, sich den vorherrschenden Vorurteilsstrukturen gegenüber dieser Minderheit zu widmen. Der inhaltliche Schwerpunkt dieser Arbeit umfasst Sinti und Roma ungeachtet ihrer Nationalität, denn durch eben diese Betrachtungsweise wird deutlich, dass Ethnizität und nicht Nationalität im Hinblick auf die Diskriminierung der Romgruppen ein wichtiger Indikator zur Stigmatisierung ist.
Antiziganistische Straftaten im Jahr 2020
Deutscher Bundestag Drucksache 19/26932
19. Wahlperiode 24.02.2021
Antwort
der Bundesregierung
auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau, Dr. André Hahn,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 19/26642 –
V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r
Sinti und Roma erfahren in Deutschland immer noch in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens Hass, Ausgrenzung, Diskriminierung und Benachteiligung. Zu strukturellen und institutionellen Ausprägungen des Antiziganismus kommen Straf- und Gewalttaten mit gezielt antiziganistischer Motivation hinzu. Diese werden seit 2017 auch als eigenes Unterthema im Kriminalpolizeilichen Meldedienst zur Politisch motivierten Kriminalität (PMK) erfasst. Seit Beginn der Erfassung ist die statistisch ausgewiesene Zahl antiziganistischer Straftaten kontinuierlich gestiegen (vgl. Bundestagsdrucksachen 19/19339 und 19/8343), für das Jahr 2019 wurde sie mit 78 angegeben. Erstmals wurden im Jahr 2019 auch zwei (versuchte) Tötungsdelikte erfasst.
Nach Kenntnis der Fragestellerinnen und Fragesteller gehen zahlreiche Selbstorganisationen von Sinti und Roma davon aus, dass die tatsächliche Zahl solcher Straftaten weit höher liegt. Neben dem Umstand, dass die Erfassung an
sich ein relatives Novum darstellt, was gerade in der Anfangsphase eine lückenhafte Erfassung mit sich bringen dürfte, ist hier auch die Frage der Sensibilisierung von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten anzusprechen. Die Fragestellerinnen und Fragesteller sind der Ansicht, dass die diesbezüglichen Maßnahmen etwa der Bundespolizei ungenügend sind. Sensibilisierungen für Fragen von Rassismus oder Antiziganismus scheinen ihnen eher unter „ferner liefen“ durchgeführt zu werden; ohnehin ist fraglich, inwiefern eine einmalige Schulung tatsächlich zu einer Änderung in der Organisationskultur führen kann – hier muss darauf verwiesen werden, dass die Polizei selbst eine lange antiziganistische Tradition aufweist (die Fragestellerinnen und Fragesteller verweisen hierzu beispielhaft auf die Arbeiten von Markus End).
Einen Beleg für die nach wie vor unzureichende Sensibilisierung im Bereich der Bundespolizei sehen die Fragestellerinnen und Fragesteller unter anderem in der Antwort der Bundesregierung zu Frage 10 auf Bundestagsdrucksache 19/19339. Hier beantwortet die Bundesregierung die Frage, welche Anstrengungen die Sicherheitsbehörden in Bezug auf Antiziganismus unternehmen, unter anderem damit, dass Polizeitrainer „regelmäßig im Einsatz- und Situationstraining auf den Umgang mit Personen aus fremden Kulturkreisen“ eingingen. Sinti und Roma sind bereits vor über 600 Jahren nach Deutschland gekommen. Wer sie als „Personen aus fremden Kulturkreisen“ bezeichnet und glaubt, damit das Phänomen Antiziganismus zu erfassen, dokumentiert damit aus Sicht der Fragestellerinnen und Fragesteller lediglich den eigenen Sensibilisierungsbedarf.
https://dserver.bundestag.de/
Sprachforscher erklärt: Darum fällt es manchen Menschen so schwer, nicht mehr „Zigeunersoße“ zu sagen
Dr. Anatol Stefanowitsch von der Freien Universität Berlin spricht über die Sendung „Die letzte Instanz“.
Vier weiße Menschen finden in der WDR-Sendung „Die letzte Instanz“, dass sie weiterhin „Zigeunersoße“ sagen dürfen. Warum wollen sie ihre Gewohnheit nicht ändern? Wir sprechen mit dem Sprachforscher Dr. Anatol Stefanowitsch über diskriminierende Sprache.
Geraldine Oetken
03.02.2021, 08:00 Uhr
In der Sendung „Die letzte Instanz“ mit Moderator Steffen Hallaschka diskutierten die Gäste Janine Kunze, Thomas Gottschalk, Micky Beisenherz und Jürgen Milski unter anderem darüber, ob man das Wort „Zigeunersoße“ sagen dürfe. Die Talkteilnehmer sahen kein großes Problem – zum Entsetzen des Publikums, das die Wiederholung der Folge am vergangenen Freitag sah. „Naiv“ und „empathielos“ sei die Diskussion gewesen.
Wir sprachen mit dem Sprachwissenschaftler Dr. Anatol Stefanowitsch von der Freien Universität Berlin über diskriminierende Sprache, alte Gewohnheiten und emotionale Diskussionen.
WDR-Moderator Steffen Hallaschka hat mit seinen Gästen in der Sendung „Die letzte Instanz“ diskutiert, ob man noch weiter Wörter wie „Zigeunersoße“ verwenden dürfe. Nach der Ausstrahlung gab es von Zuschauern massive Rassismusvorwürfe. Wie haben Sie die Sendung erlebt?
Ich habe schon lange keine hohen Erwartungen mehr an solche Talkformate, wo kontroverse Themen auf unterhaltsame Weise diskutiert werden sollen. Und gerade diese Runde habe ich als sehr typisch empfunden. Janine Kunze zeigte zum Beispiel zwar keine böse Absicht, aber eine ignorante Haltung mit Sätzen wie „Das stört doch niemanden“. Den Zentralrat der Sinti und Roma stört das. Doch muss man auch positiv hervorheben, dass sich Kunze nun ganz klar entschuldigt hat.
Dass der Prozess dahin etwas länger dauert, liegt auch daran, dass manche im Alltag sich damit wenig auseinandersetzen, weil sie keine Diskriminierungserfahrungen machen oder niemanden kennen, der die gemacht hat. Für die ist das dann eine abstrakte Diskussion, die nur irgendwelche Eliten führen.
Gleichzeitig fehlt mir in öffentlichen Diskussionen die Ernsthaftigkeit. Das wird als Unterhaltung abgetan – und damit fehlt der differenzierte Umgang.
Manche Menschen haben aber tatsächlich das Gefühl, dass ihnen etwas genommen wird, wenn sie nicht mehr „Mohrenkopf“ oder „Zigeunersoße“ sagen dürfen.
Ich wundere mich sehr darüber, dass sich diese Menschen so sehr mit Soßen und Schokoküssen identifizieren, dass sie nicht bereit sind, ihren Sprachgebrauch zu ändern. Die „Zigeunersoße“ wurde in den 1950er Jahren entwickelt, da steht keine lange Tradition hinter. Davor kamen wir gut ohne das Wort aus. Und jetzt auch.
Wenn der Zentralrat der Sinti und Roma sich wünscht, dass das Wort „Zigeuner“ nicht mehr verwendet wird, dann liegt das an der historischen Dimension und an den falschen Stereotypen, die mit diesem Wort in Verbindung gesetzt werden. Aber damit ist der Mord an Sinti und Roma im Holocaust begründet worden. Dadurch ist das Wort verbrannt und kann nicht mehr zur Benennung von Speisen herhalten.
„Man kann rassistisch handeln, ohne ein Rassist zu sein.“
Diese Menschen schieben also Gründe vor?
Auf jeden Fall. Wir erleben da einen großen Sprachkonservatismus. Das Sprachgefühl entwickelt sich in der Regel bis zu einem Alter von Mitte 30. Dann ist es erst einmal gefestigt.
Wir beobachten zum Beispiel bei Leserkommentaren, dass die Frage, ob man ein Wort benutzen darf oder nicht, hochemotional diskutiert wird.
Ich sehe das tatsächlich vor allem bei öffentlichen Debatten – im privaten Bereich viel weniger.
Dass dann emotional diskutiert wird, liegt an zwei Dingen: Zum einen setzen Debatten in den Medien wie auch bei „Die letzte Instanz“ stark auf Konfrontation und auf ein Für und Wider. Andererseits fühlen sich viele schnell durch die Diskussion angegriffen. Das merkt man daran, dass die dann gleich verteidigend sagen: „Ich bin kein Rassist.“ Aber darum geht es ja gar nicht. Man kann rassistisch handeln, ohne ein Rassist zu sein.
„Alles, was ungewohnt ist, ist erst einmal umständlich.“
Wie lange dauert es, bis sich eine neue Sprachgewohnheit durchsetzt?
Ich glaube, dass wir beispielsweise beim Gendersternchen nicht mit jahrzehntelangen Irritationen rechnen müssen, sondern eher in Jahren rechnen können. Die Rechtschreibreform ist da ein gutes Beispiel: Es gibt zwar immer noch einzelne Menschen, die das ß nach den alten Regeln benutzen, aber die neue Rechtschreibung hat sich komplett durchgesetzt.
Beim Gendersternchen gibt es die Meinung, dass es zu umständlich für den Alltag sei. Was sagen Sie dazu?
Alles, was ungewohnt ist, ist erst einmal umständlich. Wenn man beim Lesen über das Gendersternchen stolpert, ist das eigentlich eher ein Moment der Unsicherheit.
https://www.rnd.de/
Das Unaussprechliche in der psychosozialen Beratung von Sinti und Roma: Eine interdisziplinäre Einführung und praktische Hinweise für eine kultursensible Beratungspraxis
Mit dem "Unaussprechlichen" werden Phänomene bezeichnet, die Angehörige der Sinti und Roma in ihrer Lebensqualität einschränken - bewusst oder unbewusst. Obwohl diese Phänomene oftmals zu erheblichen Belastungen führen, wollen oder können die Betroffenen darüber nicht sprechen. Nach einer Zusammenfassung der begrifflichen Grundlagen wie Kultur, Tabu, Trauma, Familiengeheimnis, Scham, Schweigen und Stigmatisierung und einem historischen Abriss über die Geschichte der Sinti und Roma werden konkrete Ursachen und Ausprägungen des "Unaussprechlichen" anhand von Beispielen aus der Literatur vertiefend dargestellt. Abschließend werden Elemente des professionellen Umgangs mit dem "Unaussprechlichen" in der psychosozialen Beratung von Sinti und Roma sowie Handlungsempfehlungen für die Beratungspraxis zur Diskussion gestellt
Verantwortung Deutschlands :
Steinmeier bittet Sinti und Roma um Vergebung
Datum:
24.10.2022 11:40 Uhr
Zum 10. Jahrestag der Einweihung des Denkmals für vom NS-Regime ermordeten Sinti und Roma hat Bundespräsident Steinmeier um Vergebung gebeten.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat eine anhaltende Diskriminierung von Roma in Deutschland und Europa kritisiert. Die alten romafeindlichen Vorurteile hielten sich in vielen Teilen der Gesellschaft hartnäckig, sagte Steinmeier am Montag in Berlin zum 10. Jahrestag der Einweihung des Denkmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma.
In Deutschland würden Roma weiterhin diskriminiert
Vorurteile würden überall in Europa von rechtsradikalen Kräften neu belebt. Auch in Deutschland würden Angehörige der Roma im öffentlichen Raum, in der Schule, auf dem Arbeitsmarkt, bei der Polizei, in Behörden diskriminiert, sagte Steinmeier anlässlich der Eröffnung einer neuen Freiluftausstellung mit Porträts von in der NS-Zeit verfolgten Männern und Frauen der Minderheit.
Steinmeier bat erneut um Vergebung "für das unermessliche Unrecht, das den Roma Europas in der Zeit des Nationalsozialismus von Deutschen angetan wurde". Dabei erinnerte er auch an "die Missachtung, die deutsche Sinti und Roma nach Kriegsende auch in der Bundesrepublik erfuhren".
Mit dem zwischen Brandenburger Tor und Reichstagsgebäude gelegenen Gedenkort bekenne sich Deutschland zu seiner Verantwortung, die Erinnerung an den Völkermord an den europäischen Roma wachzuhalten. "Dieser Ort ist ein ständiger Auftrag an Politik und Gesellschaft, an alle, die in unserem Land leben. Wir dürfen nicht vergessen, weil nie wieder geschehen darf, was damals geschehen ist", sagte der Bundespräsident.
Sinti und Roma warnen vor "neuem rassistischem Denken"
Auch der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma warnt bei derselben Veranstaltung vor neuen Anfeindungen gegen Angehörige der Minderheit. Seit 1949 habe es viele positive Entwicklungen gegeben, erklärte der Zentralratsvorsitzende Romani Rose am Montag in Berlin.
Dennoch müssen wir trotz dieser Entwicklungen zur Kenntnis nehmen, dass ein neuer Nationalismus und ein neues rassistisches Denken wieder um sich greifen.
Romani Rose, Zentralratsvorsitzender
Antiziganistische und antisemitische Hetze führten wieder dazu, "dass Menschen zu Sündenböcken gemacht werden und sich in ihrer Existenz bedroht sehen". Übergriffe auf Minderheiten "beschämen das gesamte Land", auch weil "diese Verbrechen aus Rassenhass oftmals mit Versagen der Sicherheitsbehörden entschuldigt werden".
Dotschy Reinhardt, steht frontal zur Kamera und lächelt. Sie trägt ein rotes, ärmelloses Kleid
Als "Zigeuner" beschimpft, verfolgt, von den Nazis ermordet und ausgegrenzt bis heute: "ZDF-History" blickt anhand bewegender Schicksale auf die Geschichte der Sinti und Roma in Deutschland.
Rose wies Forderungen nach einem "Schlussstrich" unter das Gedenken an die Verbrechen während des Holocaust zurück. Damit würde man "der heutigen Gesellschaft und zukünftigen Generationen in diesem Land die Möglichkeit nehmen, für unser aller Zukunft aus der Geschichte Lehren zu ziehen".
Das Mahnmal erinnert an etwa 500.000 während der NS-Zeit ermordeten Sinti und Roma. Es wurde nach mehr als 20 Jahren Vorlauf am 24. Oktober 2012 eröffnet.
Quelle: EPD, dpa
https://www.zdf.de/
Externe Links
- Bildungsforum gegen Antiziganismus
- Internetseite des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma
- Internetseite des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma
- Bündnis für Solidarität mit den Sinti und Roma Europas
3. YouTube-Videos zur Nationalsozialistisch-orientiert gesellschaftlichen, institutionellen und strukturellen Diskriminierung der Sinti und Roma und zum Antiziganismus nach 1945
10 Jahre Denkmal: Bundespräsident Steinmeier bittet Sinti und Roma um Vergebung
24.10. 2022|
Zum 10. Jahrestag der Übergabe des Denkmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beim heutigen Festakt am Denkmal: „Im Namen unseres Landes bitte ich Sie um Vergebung – für das unermessliche Unrecht, das den Roma Europas in der Zeit des Nationalsozialismus von Deutschen angetan wurde, und für die Missachtung, die deutsche Sinti und Roma nach Kriegsende auch in der Bundesrepublik erfuhren. Ich bitte Sie um Vergebung. Mangau tamen, prosaran man!“ Weiter sagte er, dass die alltägliche Diskriminierung von Sinti und Roma aufhören müsse, denn bis heute verheimlichten Angehörige der Minderheit oft ihre Herkunft, Sprache und Kultur aus Angst vor Demütigung oder Anfeindungen. Das dürfe niemandem im Land gleichgültig sein.
Zoni Weisz.
Der Überlebende des Holocaust, der 85-jährige Sinto Zoni Weisz aus den Niederlanden, der seine gesamte Familie im nationalsozialistischen Völkermord verloren hat, mahnte in seiner Rede, dass man wachsam bleiben müsse, gerade in Zeiten, in denen der Einfluss rechtsgerichteter Politiker zunimmt. Das Denkmal nannte er, wie schon bei seiner Rede die er zur Eröffnung vor 10 Jahren, ein Denkmal der Hoffnung: „Wir hoffen, dass Faschismus, Rassismus, Antisemitismus und Antiziganismus nicht die Form annehmen, die sie in den 1930er Jahren hatten. Hoffnung, dass wir trotz der großen Unterschiede zwischen den Kulturen und Völkern in Frieden zusammenleben können, und Hoffnung, dass wir uns gegenseitig respektieren.“
Zentralratsvorsitzender Romani Rose warnte vor neuen Anfeindungen gegen Sinti und Roma. Es habe viele positive Entwicklungen gegeben, „dennoch müssen wir trotz dieser Entwicklungen zur Kenntnis nehmen, dass ein neuer Nationalismus und ein neues rassistisches Denken wieder um sich greifen.“ Antiziganistische und antisemitistische Hetze führten wieder dazu, „dass Menschen zu Sündenböcken gemacht werden und sich in ihrer Existenz bedroht sehen“. Übergriffe auf Minderheiten „beschämen das gesamte Land“, auch weil „diese Verbrechen aus Rassenhass oftmals mit Versagen der Sicherheitsbehörden entschuldigt werden“. Er wies Forderungen nach einem „Schlussstrich“ unter das Gedenken an die Verbrechen während des Holocaust zurück. Damit würde man „der heutigen Gesellschaft und zukünftigen Generationen in diesem Land die Möglichkeit nehmen, für unser aller Zukunft aus der Geschichte Lehren zu ziehen“.
Der Zentralrat hat heute zum 10. Jubiläum auch ein Statement von Romani Rose auf seinem YouTube-Kanal veröffentlicht, in der der Zentralratsvorsitzende über aktuelle Herausforderungen im Kampf gegen den Antiziganismus, über die Verantwortung der Gesellschaft und das Erinnern und das Gedenken an den Holocaust an den Sinti und Roma in Europa spricht:
Die Roma-Aktivistin Irina Spataru erinnerte an die noch immer vorherrschende systematische Benachteiligung von Sinti und Roma in Europa: „Wir erleben Ungleichbehandlung von geflüchteten Roma aus der Ukraine und sind immer noch Zeugen von Polizeigewalt und institutioneller Diskriminierung. Eine der Grundvoraussetzungen für die Bekämpfung von Antiziganismus ist die Anerkennung der rassistischen Verfolgung, die Anerkennung, dass unsere Vorfahren sterben mussten, nur weil sie Sinti und Roma waren.“
Die Reden von Zoni Weisz, Romani Rose und Irina Spataru können hier heruntergeladen werden:
Rede Zoni Weisz
Rede Romani Rose
Rede Irina Spataru
Die Rede des Bundespräsidenten ist auf der Homepage des Bundespräsidialamtes zu finden.
https://zentralrat.sintiundroma.de/
31.03.2022 - Wer sind Sinti und Roma?
MrWissen2go Geschichte
In der Geschichte leiden Sinti und Roma lange unter Vertreibung und Diskriminierung: In ganz Europa werden sie seit Jahrhunderten ausgegrenzt. Im Mittelalter dürfen sie sich nicht niederlassen und werden dann als „fahrendes Volk” stigmatisiert. Auch die Bezeichnung „Zigeuner” ist eine negativ konnotierte Fremdzuschreibung. Eng mit diesem Begriff verknüpft ist der Völkermord an den Sinti und Roma im Nationalsozialismus.
Noch immer kursieren Vorurteile und das Wissen über ihre Geschichte ist oft lückenhaft. Heute gelten Sinti und Roma zwar als eine anerkannte Minderheit in Deutschland, doch noch immer gibt es Verbrechen aus Antiziganismus. Was viele vergessen: Sinti und Roma prägen die Kultur in Deutschland und in ganz Europa entscheidend mit.
In diesem Video erklären wir euch, woher Sinti und Roma ursprünglich kommen, wie sie über Jahrhunderte ausgegrenzt werden und wieso ihre Geschichte eben doch weit mehr ist die Erinnerung an Unterdrückung und Diskriminierung.
https://www.youtube.com/watch?v=AIecahOTnP4
Premiere am 07.04.2022 - Der lange Weg der Sinti und Roma | dokus und reportagen
hrfernsehen
Jùlie Halilic ist stolz, wenn sie an ihren Großvater denkt. Wallani Georg erkämpfte gemeinsam mit anderen Bürgerrechtlern, dass der Massenmord an den Sinti und Roma 1982 als Völkermord anerkannt wurde.
Mit persönlichen Lebenswegen zeichnet der Film emotional und eindrucksvoll die Geschichte von Deutschlands größter nationaler Minderheit nach und macht bisher unerzählte Perspektiven sichtbar. Individuelle Geschichten und bisher kaum gezeigtes Archivmaterial nehmen mit in eine Zeit, in der Sinti und Roma weiter diskriminiert wurden und in der sie sich schließlich zur Wehr setzten. Unter den historischen Aufnahmen aus den ARD-Archiven fand Filmautor Adrian Oeser viele Szenen, die deutlich machen, wie stark der Rassismus gegen Sinti und Roma nach 1945 fortdauerte – und auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk immer wieder befeuert wurde. Die Dokumentation „Der lange Weg der Sinti und Roma“ ist damit auch eine kritische Auseinandersetzung der ARD mit ihrer eigenen Geschichte.
Der Film zeigt darüber hinaus, dass eine Aufarbeitung in vielen gesellschaftlichen Bereichen bis heute notwendig ist. Bis in die 1980er Jahre arbeiteten Landeskriminalämter und Forscher in ganz Deutschland mit den Akten der Rassenhygieniker aus der Nazizeit weiter, um Sinti und Roma systematisch zu erfassen. Erst die Bürgerrechtler konnten diese Aktenbestände in den 1980er Jahren freipressen. Beeindruckendes Archivmaterial zeigt, wie sie die Dokumente ihrer Verfolgung fast vierzig Jahre nach der Befreiung erstmals in den Händen halten. Zu realisieren, dass die systematische Stigmatisierung so lange andauerte, belastet den Bürgerrechtler Rudko Kawczynski bis heute.
„Der lange Weg der Sinti und Roma“ ist ein Film über Geschichte, die nicht abgeschlossen ist, über eine Zeit, die bis heute fortwirkt. Ein Film übers Gestern fürs Heute.
https://www.youtube.com/watch?v=9TSbm5Su_7Y
27.07.2022 - Germany's Sinti and Roma: A history of discrimination | DW Documentary
DW Documentary
Not until 1982 was the Nazi mass-murder of the Sinti and Roma people recognized as genocide. Using personal life stories, this film traces the history of Germany's largest national minority.
Jùlie Halilic is proud when she thinks of her grandfather. Together with other civil rights activists, Wallani Georg fought for the mass-murder of the Sinti and Roma to be recognized as genocide. It began with an occupation of the Dachau concentration camp memorial. Eleven Sinti people went on hunger strike there in 1980, to highlight the fact that persecution of their community had not ended with the fall of the Third Reich: racism against the Sinti and Roma continued unabated.
Musicians Manolito Steinbach and Romani Weiß talk about how, for a long time, they preferred to remain invisible while growing up in West Berlin -- and how this only gradually gave way to a newfound self-confidence. Gianni Jovanovic, meanwhile, found that persecution did not end even with the recognition of the genocide. He survived a bomb attack in Darmstadt in 1982, and a short time later, his relatives' home was abruptly demolished by the city government.
With these personal stories, the film traces the history of Germany's largest national minority group, bringing previously unheard voices to the fore. Among the historical footage are scenes that show how fiercely racism against Sinti and Roma continued after 1945, fueled even by public broadcasting. The film also shows that, for the Sinti and Roma, history continues to be felt, to this day.
https://www.youtube.com/watch?v=pfdC8jUV4HY
Live übertragen am 13.03.2021 - Zur Erinnerung an die Deportation der Münchner Sinti und Roma am 13. März 1943
NS-Dokumentationszentrum München
Vor 78 Jahren, am 13. März 1943, veranlasste die Münchner Polizei die Deportation von 131 Sinti und Roma aus München und Umgebung in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau.
Am 8. März 1943 begannen in München die Verhaftungen ganzer Familien. Bis heute ist die Zahl der ermordeten Kinder, Frauen und Männer nicht exakt zu bestimmen; der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma geht von insgesamt etwa 500 000 Menschen aus, die den Mordaktionen und den grausamen Bedingungen in den Konzentrationslagern zum Opfer fielen.
Nach Kriegsende setzten sich die Diskriminierung und Kriminalisierung der Angehörigen dieser Minderheit in Behörden, Schulen und Institutionen fort. Die wenigen überlebenden Sinti und Roma erfuhren weder eine Anerkennung als Opfer nationalsozialistischer Verfolgung noch erhielten sie Entschädigungsleistungen. Die Täter hingegen konnten in den allermeisten Fällen ihre Karrieren ungebrochen weiterführen. Auch heute noch sehen sich Sinti und Roma mit zahlreichen Vorurteilen konfrontiert.
https://www.youtube.com/watch?v=hL7AN7aohqA
Programm der Gedenkveranstaltung:
Kranzniederlegung und Stilles Gedenken an die aus München deportierten Sinti und Roma mit Bürgermeisterin Katrin Habenschaden und Roberto Paskowski (Verband Deutscher Sinti und Roma Landesverband Bayern e.V.)
Grußworte von Bürgermeisterin Katrin Habenschaden, Erich Schneeberger (Verband Deutscher Sinti und Roma Landesverband Bayern e. V.) und Mirjam Zadoff (NS-Dokumentationszentrum München)
Vortrag „Antiziganismus in der Bundesrepublik Deutschland: Kontinuitätslinien und Brüche“ von Markus End (Zentrum für Antisemitismusforschung – TU Berlin)
Der Gedenktag wird von einer Arbeitsgruppe konzipiert, der das Kulturreferat der LHM, das Stadtarchiv, NS-Dokumentationszentrum, die Fachstelle für Demokratie, Drom Sinti und Roma, Stattreisen e.V., die KZ-Gedenkstätte Dachau, die Lagergemeinschaft Dachau, Madhouse gemeinnützige GmbH, der Verband Deutscher Sinti und Roma Landesverband Bayern e.V., das Polizeipräsidium München und die Seelsorge für Ethnische Minderheiten der Erzdiözese München und Freising angehören.
https://www.ns-dokuzentrum-muenchen.de/
24.10.2012 - Denkmal für ermordete Sinti und Roma
ARD Mittagsmagazin
Mit einem Festakt wird in Berlin ein Denkmal für die von den Nazis ermordeten Sinti und Roma eingeweiht. Das von dem israelischen Bildhauer Dani Karavan gestaltete Mahnmal liegt in unmittelbarer Nähe des Reichstags.
Es besteht aus einem zwölf Meter breiten, kreisrunden Wasserbecken mit einer frischen Blüte in der Mitte. An der Feierstunde nehmen auch Bundespräsident Joachim Gauck, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der Vorsitzende des Zentralrats der Sinti und Roma, Romani Rose, teil. Während der NS-Gewaltherrschaft waren nach Schätzungen rund 500.000 Menschen der Volksgruppe systematisch verfolgt und ermordet worden.
Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) würdigte das Mahnmal als "eindringliches wie sensibles Kunstwerk. Dieses Denkmal macht unmissverständlich deutlich, dass wir die Verbrechen an den Sinti und Roma nicht verdrängen und nicht vergessen, sondern dass wir den Opfern ein würdiges Andenken bewahren."
Die kreisförmige, schwarze Wasserschale soll ein Symbol für Tod, Vernichtung und neues Leben sein.
https://www.youtube.com/watch?v=eNn_A1aHmPs
03.01.2015- Staatenloses Volk: Der verzweifelte Kampf der Roma (Teil 1) | SPIEGEL TV
Über kaum ein anderes Volk wird so schlecht geredet wie über die Roma. Sie werden diskriminiert und von der Politik im Stich gelassen. SPIEGEL-TV-Reporter Detlev Konnerth zeigt die Parallelwelt, in der viele Roma in Rumänien und auch in Deutschland leben.
https://www.youtube.com/watch?v=Jb1frobwQAk
16.10.2021 - Sinti:zze und Rom:nja - Was können wir gegen ihre Ausgrenzung tun? | neuneinhalb | WDR
WDR
Sinti:zze und Rom:nja sind schon seit vielen hundert Jahren Teil unserer Gesellschaft. Ihre Geschichte ist geprägt von Ausgrenzung und Verfolgung, und auch heute noch werden viele von ihnen diskriminiert und ausgeschlossen. Jana möchte herausfinden, warum das so ist, und woher die Vorurteile kommen. Sie trifft den 13-jährigen Sinto Jakob, der sie mit zum Sinti Powerclub in Ravensburg nimmt. Als "Powerbotschafter" setzt er sich hier gegen Ausgrenzung der Sinti:zze ein. Außerdem spricht Jana mit dem ersten Sinto Rapper Deutschlands, Dorado Weiss. Er erzählt ihr, was seine Musik für ihn bedeutet und warum er auf Romanes rappt – der Sprache der Sinti:zze und Rom:nja. Wie er mit Rassismus und Diskriminierung umgeht und was wir alle dagegen tun können, darum geht es in dieser Folge von neuneinhalb.
https://www.youtube.com/watch?v=_4iCG-t2Fn0
Studium Generale
Sinti und Roma: Die unerwünschte Minderheit
Universität Konstanz
Die Diskriminierung und Verfolgung von Sinti und Roma kulminierte im Völkermord unter nationalsozialistischer Ägide. Die Leiden der verfolgten und deportierten Sinti und Roma waren mit dem Ende des NS-Regimes nicht beendet. Die Diskriminierung dauerte mindestens bis in die 1970er Jahre. Die Ablehnung der Anträge auf Entschädigung wurde von den Behörden mit den gleichen rassistischen Vorurteilen begründet, die vom NS-Staat zur Bekämpfung der Minderheit benutzt wurden: „Zigeuner“ seien aus Veranlagung kriminell, ihre Internierung im Dritten Reich habe deshalb nur polizeilich notwendige vorbeugende Gründe gehabt, die Haftbedingungen seien harmlos gewesen und die Verfolgung habe sie weniger geschmerzt als andere Menschen. Vom Genozid wollten Politiker, Behörden, Gutachter, Mitbürger nichts wissen. Erst spät gaben Gerichte den Klagen von Sinti und Roma auf Entschädigung recht.
Mit der Zuwanderung von Roma werden Ängste geschürt und Gefahren beschworen, die uns durch Migration angeblich drohen. Vorurteile und Feindbilder, die pauschal auf alle Roma aus Südosteuropa projiziert werden, sind Gründe zur Ausgrenzung und Diskriminierung. Und wer angesichts bettelnder Kinder und Frauen von deren Menschenwürde spricht, muss sich naiv nennen lassen.
Die Angehörigen der autochthonen Minderheit deutscher Sinti und Roma treten für die Mehrheit der Deutschen dagegen kaum in Erscheinung. Sie sind integriert, wohnen und arbeiten so unauffällig wie ihre Nachbarn, geben sich nicht zu erkennen, weil sie das Stigma fürchten, wenn sie sich als „Zigeuner“ outen. Einige Musiker und Sportler haben es getan, nachdem sie Prominentenstatus erreicht hatten und keine Schmähung und keinen Karrierenachteil mehr fürchten mussten.
Das Verhältnis der größten ethnischen Minderheit Europas zur jeweiligen Mehrheit wird durch Traditionen, überlieferte Ressentiments, Legenden, Bilder bestimmt. Dazu kommt eine neue visuelle Wahrnehmung: Roma-Zuwanderer aus Südosteuropa werden als „aggressive Bettler, als Sozialschmarotzer gesehen. Dies nährt den Antiziganismus.
https://www.youtube.com/watch?v=snjIxd7YS_k
14.11.2018 - Darf man eigentlich Zigeuner sagen? Fakten über Sinti und Roma
Faktastisch
Im folgenden Video reden wir über eine leider häufig diskriminierte Minderheit, nämlich Sinti und Roma. Viel Spaß bei: Darf man eigentlich Zigeuner sagen?
https://www.youtube.com/watch?v=699GpN4OwhE
Premiere am 25.04.2019 - Wie Sinti und Roma in Deutschland gegen Rassismus kämpfen
Sinti*zze und Rom*nja sind in unserer Gesellschaft nicht nur von Rassismus und Verfolgung betroffen, sondern auch weitgehend unsichtbar. Der jährliche Rom*nja Power Month soll das ändern.
https://www.youtube.com/watch?v=h0mMKhHq3m0
30.01.2018 - Der Staatsvertrag - wie fördert Baden-Württemberg Sinti und Roma?
Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg
Anerkennung und Förderung von Sinti und Roma statt Diskriminierung! Dafür steht auch das Bundesland Baden-Württemberg. Im November 2013 schloss es erstes Bundesland einen Staatsvertrag mit dem Landesverband Deutscher Sinti und Roma.
Der Staatsvertrag stellt die Anerkennung und Förderung der Minderheit auf eine rechtsverbindliche Grundlage. Gemeinsames Ziel ist es, der Diskriminierung entgegenzuwirken und den gesellschaftlichen Antiziganismus zu bekämpfen.
Gegen Antiziganismus, also gegen die Diskriminierung von Menschen, die als Zigeuner stigmatisiert werden! Alle Videos der Playlist "Gegen Anzitiganismus!" finden Sie hier: http://bit.ly/2k2gSGs
https://www.youtube.com/watch?v=6XZcE0kIYlw
19.01.2018 - Gegen Antiziganismus! Der Staatsvertrag in BW - kurz erklärt
Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg
Anerkennung und Förderung statt Diskriminierung! Dafür steht auch das Bundesland Baden-Württemberg. Im November 2013 schloss es erstes Bundesland einen Staatsvertrag mit dem Landesverband Deutscher Sinti und Roma.
Der Staatsvertrag stellt die Anerkennung und Förderung der Minderheit auf eine rechtsverbindliche Grundlage. Gemeinsames Ziel ist es, der Diskriminierung entgegenzuwirken und den gesellschaftlichen Antiziganismus zu bekämpfen.
Gegen Antiziganismus, also gegen die Diskriminierung von Menschen, die als Zigeuner stigmatisiert werden!
Alle Videos der Playlist "Gegen Anzitiganismus!" finden Sie hier: http://bit.ly/2k2gSGs
https://www.youtube.com/watch?v=qROfjMAOW1I
07.06.2017 - Alpha & Omega. Sinti und Roma – die ewigen Außenseiter?
kirchenfernsehen.de
Die deutschen Sinti und Roma leben als anerkannte nationale Minderheit in Deutschland. Sie sprechen ihre eigene Sprache Romanes, besitzen eine eigene Kultur und Geschichte. Und sie sind bereits seit Jahrhunderten in Deutschland heimisch.
Die Bezeichnung Roma stammt von "Rom" ab, was übersetzt aus der Sprache Romanes "Mensch" bedeutet. Sie leben in Deutschland, stammen aber aus südost-europäischen Ländern. Die Bevölkerungsgruppe der Sinti lebt überwiegend in Deutschland, sowie in Frankreich, den Niederlanden und der Schweiz.
Warum hat diese Minderheit immer noch mit Vorurteilen zu kämpfen? Was wissen wir eigentlich über Sinti und Roma? Und warum fühlen sie sich nicht einmal in ihren "sicheren Herkunftsländern" wohl?
Darüber spricht Moderatorin Heidrun Lieb mit ihren Gästen bei Alpha & Omega.
https://www.youtube.com/watch?v=yv2VAsMcFJc
Gäste:
Magdalena Guttenberger, Romni aus der Slowakei
Andreas Hoffmann-Richter, Pfarrer der Landeskirche für Sinti und Roma
Manfred Kern, Rat für Angelegenheiten der deutschen Sinti und Roma, MDL Baden Württemberg
Autorin / Redaktion: Melanie Britz / Bettina Ditzen
Mehr über die anerkannte Minderheit erfahren Sie auf den Webseiten der Bundeszentrale für politische Bildung: http://www.bpb.de/internationales/eur...
4. Stellungnahme der vom Amtsgericht Mosbach gerichtlich beauftragten forensischen Sachverständigen aus Kitzingen zur Nationalsozialistisch-orientiert gesellschaftlichen, institutionellen und strukturellen Diskriminierung der Sinti und Roma und zum Antiziganismus nach 1945
Das Familiengericht-Amtsgericht Mosbach, Hauptstraße 110, 74281 Mosbach, beauftragt die forensische Sachverständige aus Moltkestr. 2, 97318 Kitzingen, in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 unter 6F 202/21, die Anti-Nazi-Aktivitäten des KVs und Antragstellers in einer ergänzenden Stellungnahme gutachterlich einzuschätzen und zu bewerten. Dazu zählen laut Anweisungen dieser amtsgerichtlichen Verfügungen SOWOHL die seit Sommer 2022 vom Antragsteller beim Amtsgericht Mosbach initiierten NS- und Rechtsextremismus-Verfahren ALS AUCH seine außergerichtlichen und gerichtlichen Aufklärungs- und Aufarbeitungsbemühungen zu Nationalsozialistischem Unrecht und Nationalsozialistischen Verbrechen aus dem Zeitraum um 2008, d.h. konkret von 2004 bis 2011, im Rahmen seiner sogenannten "Nazi-Jäger"-Aktivitäten im sachverhaltsbezogenen Kontext zur Problematik des Nationalsozialismus vor und nach 1945 und dessen Aufarbeitung bis heute. Siehe dazu auch Kapitel 1 auf dieser Seite.
Während die vom Familiengericht-Amtsgericht Mosbach beauftragte forensische Sachverständige aus Moltkestr. 2, 97318 Kitzingen, zunächst EINERSEITS ein familienpsychologisches Sachverständigengutachten in einem Umfang von über 100 Seiten zum 07.04.2022 unter 6F 202/21 erstellt hat, entschließt sich dieselbe Gutachterin sodann, ANDERERSEITS eine ergänzende Stellungnahme von zwei ganzen DIN A4-Seiten im sachverhaltsbezogenen Kontext zur Problematik des Nationalsozialismus vor und nach 1945 und dessen Aufarbeitung bis heute, insbesondere zum Kontext der historisch nachgewiesenen Beteiligungen an NS-Massenmordverbrechen in Mosbach wie Judenverfolgung und Holocaust, NS-Verfolgung von Sinti und Roma, Nazi-Euthanasie unter 6F 202/21 zum 31.08.2022 an das Amtsgericht Mosbach zu generieren. Die forensische Sachverständige aus Moltkestr. 2, 97318 Kitzingen, ERWÄHNT LEDIGLICH MIT EINEM WORT DEN "NATIONALSOZIALISMUS" auf Seite 2, Absatz 2 und erwähnt lediglich mit einem Satz auf Seite 2, Absatz 2, dass der Antragsteller von NS- und Rechtsextremismus-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach sich gegen den Nationalsozialismus wendet. Die forensische Sachverständige aus Kitzingen hat hier die GERICHTLICH BEAUFTRAGTE EINDEUTIGE GELEGENHEIT gehabt, mit einer entsprechend beim Amtsgericht Mosbach beantragten Fristverlängerung SICH SACHLICH UND FACHLICH auch auf über 100 Seiten bezüglich der Nazi-Thematik bzw. der Nazi-Problematik vor einem deutschen BRD-Gericht EXPLIZIT ZU ÄUSSERN. Diese Gelegenheit für eine sachliche und fachliche gutachterliche Expertise zum Nationalsozialismus und nationalsozialistischen Verbrechen, deren Auswirkungen und Aufarbeitungen nach 1945, u.a. auch in Mosbach, besteht zukünftig weiterhin jederzeit für die forensische Sachverständige aus Kitzingen.
Siehe dazu auch:
Das Amtsgericht Mosbach BEAUFTRAGT EXPLIZIT in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 unter 6F 202/21 am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach die forensische Sachverständige aus Kitzingen, eine GUTACHTERLICHE STELLUNGNAHME zur Nationalsozialistisch-orientiert gesellschaftlichen, institutionellen und strukturellen Diskriminierung der Sinti und Roma nach 1945 ALS TEIL DER NS-VERGANGENHEITSBEWÄLTIGUNG an das deutsche BRD-Amtsgericht Mosbach im Jahr 2022 zu erstellen.
EINERSEITS:
Mit den Verfügungen des Familiengerichts-Amtsgericht Mosbach vom 17.08.2022 unter 6F 202/21 hat die gerichtlich beauftragte forensische Sachverständige aus Kitzingen nicht nur die Möglichkeit, sondern auch die Chance und das gerichtliche explizite Angebot, sich sachlich und fachlich zur NS-Vergangenheitsbewältigung seit 1945 bis heute, auch zur NS-Vergangenheitsbewältigung und Nazi-Kontinuität in Mosbach und in Baden-Württemberg, AUSFÜHRLICH EXPLIZIT gutachterlich zu äußern.
ANDERERSEITS:
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zum Sachverhalt zur Nationalsozialistischen Verfolgung der Sinti und Roma vor und nach 1945 ALS TEIL DER NS-VERGANGENHEITSBEWÄLTIGUNG. UND DIES OBWOHL diese Sachverhalte zu dieser NS-Thematik bzw. NS-Problematik frei verfügbar sind im öffentlichen Diskurs über entsprechende Medienberichte; über künstlerisch-kulturelle Themenaufarbeitungen; über die juristische, politische und wissenschaftliche Fachliteratur; über Publikationen von BRD-Institutionen der Justiz und Politik. UND DIES OBWOHL hier das Amtsgericht Mosbach in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 diese Gutachterin mit der Sachverständigen-Aufklärung der NS-Vergangenheitsbewältigung am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach EXPILZIT BEAUFTRAGT.
ANDERERSEITS:
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zum konkreten historisch nachgewiesenen Sachverhalt der Tatbeteiligungen in MOSBACH am Nazi-Massenmord an Sinti und Roma; der Tatbeteiligungen an der Nationalsozialistischen Verfolgung der Sinti und Roma vor 1945 in Mosbach; der Tatbeteiligungen an der Deportation von Sinti und Roma vor 1945 auch von Kindern in Nazi-Konzentrationslager von und aus Mosbach.
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zum konkreten historisch nachgewiesenen Sachverhalt, dass u.a. auch im Nazi-Konzentrationslager Neckarelz-Mosbach Sinti und Roma vor 1945 interniert gewesen sind.
UND DIES OBWOHL diese Sachverhalte zu dieser NS-Thematik bzw. NS-Problematik frei verfügbar sind im öffentlichen Diskurs über entsprechende Medienberichte; über künstlerisch-kulturelle Themenaufarbeitungen; über die juristische, politische und wissenschaftliche Fachliteratur; über Publikationen von BRD-Institutionen der Justiz und Politik. UND DIES OBWOHL hier das Amtsgericht Mosbach in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 diese Gutachterin mit der Sachverständigen-Aufklärung der NS-Vergangenheitsbewältigung am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach EXPILZIT BEAUFTRAGT.
ANDERERSEITS:
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zum Sachverhalt, dass nach bisherigen öffentlichen Kenntnissen die baden-württembergische BRD-Justiz in Mosbach zum konkreten historisch nachgewiesenen Sachverhalt der Tatbeteiligungen in MOSBACH am Nazi-Massenmord an Sinti und Roma; der Tatbeteiligungen an der Nationalsozialistischen Verfolgung der Sinti und Roma vor 1945 in Mosbach; der Tatbeteiligungen an der Deportation von Sinti und Roma vor 1945 auch von Kindern in Nazi-Konzentrationslager von und aus Mosbach nach 1945 UNTÄTIG GEBLIEBEN IST. UND DIES OBWOHL diese Sachverhalte zu dieser NS-Thematik bzw. NS-Problematik frei verfügbar sind im öffentlichen Diskurs über entsprechende Medienberichte; über die juristische, politische und wissenschaftliche Fachliteratur. UND DIES OBWOHL hier das Amtsgericht Mosbach, das diese Gutachterin mit der Sachverständigen-Aufklärung zur NS-Thematik beauftragt, selbst örtlich zuständig ist. UND DIES OBWOHL das Amtsgericht Mosbach in seiner Verfügung vom 17.08.2022 unter 6F 202/21 die forensische Sachverständige aus Kitzingen EXPLIZIT BEAUFTRAGT, eine GUTACHTERLICHE STELLUNGNAHME ZUR NS-VERGANGENHEITSBEWÄLTIGUNG an das deutsche BRD-Amtsgericht Mosbach im Jahr 2022 zu erstellen.
ANDERERSEITS:
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zum konkreten Antrag vom 13.08.2022 des Antragstellers für Strafanzeigen vom 13.08.2022 an das Amtsgericht Mosbach gegen Verantwortliche der Internierungen und Deportationen von Sinti und Roma aus Landkreis und Stadt Mosbach in Nazi-Konzentrationslager. UND DIES OBWOHL hier das Amtsgericht Mosbach in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 diese Gutachterin mit der Sachverständigen-Aufklärung der seit Sommer 2022 vom Antragsteller beim Amtsgericht Mosbach initiierten NS- und Rechtsextremismus-Verfahren EXPILZIT BEAUFTRAGT.
Siehe dazu auch:
ANDERERSEITS:
Die Nationalsozialistische Verfolgung der Sinti und Roma vor 1945 mit der Internierung von Kindern der Sinti und Roma in Nazi-Konzentrationslagern liegt auch im Fallzuständigkeits- und Fallverantwortungsbereich der deutschen Kinder- und Jugendhilfeinstitution des Jugendamtes mit seinem originären Schutz- und Hilfeauftrag für Kinder und Jugendliche. Gemäß Aktenlage und Verfahrensanalyse zu den anhängigen Verfahren beim Familiengericht-Amtsgericht Mosbach sind beim Familiengericht-Amtsgericht Mosbach ordnungsgemäß Stellungnahmen der involvierten Fachstelle des Jugendamtes Neckar-Odenwaldkreis beim Landratsamt Mosbach zur Problematik der Internierung von Kindern der Sinti und Roma in Nazi-Konzentrationslagern im Rahmen der Nationalsozialistischen Verfolgung der Sinti und Roma vor 1945 mit der entsprechenden Eingabe vom 13.08.2022 unter 6F 9/22 gerichtlich einzuholend beantragt. Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 ZUR AUFARBEITUNG VON NS-VERBRECHEN in der Nazi-Kinder- und Jugendhilfe sowie in der Nazi-Familienrechtspraxis zum Sachverhalt, dass die fallzuständigen Mitarbeiterinnen des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD) vom Jugendamt Neckar-Odenwaldkreis beim Landratsamt Mosbach die beantragte gerichtlich einzuholende Stellungnahme zu NS-VERBRECHEN in der Nazi-Kinder- und Jugendhilfe mit dem konkreten Sachverhalt der Internierung von Kindern der Sinti und Roma in Nazi-Konzentrationslagern im Rahmen der Nationalsozialistischen Verfolgung der Sinti und Roma vor 1945 verweigern. UND DIES OBWOHL die höchste übergeordnete Amtsleitung, d.h. der gegenwärtige Landrat beim Landratsamt Mosbach, hier im Gegensatz zu seinen untergeordneten Jugendamt-ASD-Mitarbeiterinnen, gemäß Medienberichten selbst weitaus weniger Probleme damit hat, sich öffentlich gegen den Nationalsozialismus und dessen Verbrechen zu äußern und zu engagieren.
Siehe dazu auch:
ANDERERSEITS:
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zum konkreten historisch nachgewiesenen Sachverhalt der Internierung von Kindern der Sinti und Roma, auch von und aus MOSBACH, in Nazi-Konzentrationslagern im Rahmen der Nationalsozialistischen Verfolgung der Sinti und Roma vor 1945. UND DIES OBWOHL diese Sachverhalte zu dieser NS-Thematik bzw. NS-Problematik frei verfügbar sind im öffentlichen Diskurs über entsprechende Medienberichte; über künstlerisch-kulturelle Themenaufarbeitungen; über die juristische, politische und wissenschaftliche Fachliteratur; über Publikationen von BRD-Institutionen der Justiz und Politik. UND DIES OBWOHL hier das Amtsgericht Mosbach in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 diese Gutachterin mit der Sachverständigen-Aufklärung der NS-Vergangenheitsbewältigung am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach EXPILZIT BEAUFTRAGT.
ANDERERSEITS:
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zum Sachverhalt der Fortsetzung von nationalsozialistischen Diskriminierungsschemata zur Benachteiligung der Sinti und Roma nach 1945, auch in der Rechtsauslegung und Rechtsanwendung der BRD. UND DIES OBWOHL diese Sachverhalte zu dieser NS-Thematik bzw. NS-Problematik frei verfügbar sind im öffentlichen Diskurs über entsprechende Medienberichte; über künstlerisch-kulturelle Themenaufarbeitungen; über die juristische, politische und wissenschaftliche Fachliteratur; über Publikationen von BRD-Institutionen der Justiz und Politik. UND DIES OBWOHL hier das Amtsgericht Mosbach in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 diese Gutachterin mit der Sachverständigen-Aufklärung der NS-Vergangenheitsbewältigung am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach EXPILZIT BEAUFTRAGT.
Siehe auch:
- HISTORISCHES : Nazi-Verfolgung von Sinti und Roma vor 1945 >>>
ANDERERSEITS:
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zum Sachverhalt, dass die Fortsetzung von nationalsozialistischen Diskriminierungsschemata der Sinti und Roma nach 1945, auch auf die Kontinuität von NS-Funktionseliten in der Problematik der NS-Vergangenheitsbewältigung zurück zu führen ist. UND DIES OBWOHL diese Sachverhalte zu dieser NS-Thematik bzw. NS-Problematik frei verfügbar sind im öffentlichen Diskurs über entsprechende Medienberichte; über künstlerisch-kulturelle Themenaufarbeitungen; über die juristische, politische und wissenschaftliche Fachliteratur; über Publikationen von BRD-Institutionen der Justiz und Politik. UND DIES OBWOHL hier das Amtsgericht Mosbach in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 diese Gutachterin mit der Sachverständigen-Aufklärung der NS-Vergangenheitsbewältigung am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach EXPILZIT BEAUFTRAGT.
Siehe auch:
ANDERERSEITS:
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zu den in den Medien und in der Öffentlichkeit frei verfügbaren Erfahrungsberichten der Sinti und Roma vor und nach 1945 bis heute sowie zu den Schwierigkeiten seit der Nachkriegszeit bis heute für Sinti und Roma und ihre Familienangehörigen, ihre Diskriminierungsopferanerkennungen und Entschädigungen durchzusetzen.
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zu den in den Medien und in der Öffentlichkeit frei verfügbaren Diskursen über die Sachverhalte, dass die Sinti und Roma sehr lange Zeit in der BRD keine Anerkennung als Opfer nationalsozialistischer Verfolgung und keine Entschädigungsleistungen erhielten, während die NS-Täter hingegen in den allermeisten Fällen ihre Karrieren nach 1945 ungebrochen weiterführen konnten.
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zu den in den Medien und in der Öffentlichkeit frei verfügbaren Diskursen über die Sachverhalte, dass Ablehnungen der Anträge auf Entschädigung von Sinti und Roma von deutschen BRD-Behörden mit den gleichen sozialrassistischen Vorurteilen begründet wurden, die bereits vom NS-Staat zur Bekämpfung der Minderheit benutzt wurden: „Zigeuner“ seien demnach aus Veranlagung kriminell, ihre Internierung im Dritten Reich habe deshalb nur polizeilich notwendige vorbeugende Gründe gehabt, die Haftbedingungen seien harmlos gewesen und die Verfolgung habe sie weniger geschmerzt als andere Menschen.
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zu den in den Medien und in der Öffentlichkeit frei verfügbaren Diskursen über die Sachverhalte, dass bis in die 1980er Jahre Landeskriminalämter und Forscher in ganz Deutschland mit den Akten der Rassenhygieniker aus der Nazizeit weiterarbeiteten, um Sinti und Roma systematisch zu erfassen.
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zu den in den Medien und in der Öffentlichkeit frei verfügbaren Diskursen über die Sachverhalte, dass die sozialrassistischen Maßnahmen gegen Sinti und Roma sowie der Genozid an dieser Minderheit erst 1982 offiziell anerkannt wurden.
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zu den in den Medien und in der Öffentlichkeit frei verfügbaren Diskursen über die Sachverhalte, dass erst in 2012 das zentrale Denkmal für vom NS-Regime ermordeten Sinti und Roma in Berlin eingeweiht wurde.
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zu den in den Medien und in der Öffentlichkeit frei verfügbaren Diskursen über die Sachverhalte, dass erst in 2013 das Bundesland Baden-Württemberg einen Staatsvertrag mit dem Landesverband Deutscher Sinti und Roma schloss, während zuvor NICHTS gegen die Kontinuitäten des Antiziganismus in Baden-Württemberg nach 1945 unternommen worden war.
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zu den in den Medien und in der Öffentlichkeit frei verfügbaren Diskursen über die Sachverhalte, dass erst im März 2022 die Bundesregierung den ersten Beauftragten gegen Antiziganismus und für das Leben der Sinti und Sintize sowie Roma und Romnja in Deutschland beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ernennt.
UND DIES OBWOHL diese Sachverhalte zu dieser NS-Thematik bzw. NS-Problematik frei verfügbar sind im öffentlichen Diskurs über entsprechende Medienberichte; über künstlerisch-kulturelle Themenaufarbeitungen; über die juristische, politische und wissenschaftliche Fachliteratur; über Publikationen von BRD-Institutionen der Justiz, der Politik. Die forensische Sachverständige aus Kitzingen VERZICHTET DAMIT EXPLIZIT DARAUF, den Sinti und Roma und ihren Familienangehörigen eine Stimme mit Anerkennung und Respekt für Opfer und Verfolgte des NS-Regimes vor einem deutschen Gericht im Jahr 2022 in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach zu geben.
Siehe dazu auch:
5. Petition beim Deutschen Bundestag zur Rückführung ausgewiesener Roma nach Deutschland
Petition von Bernd Michael Uhl beim Deutschen Bundestag
Rückführung ausgewiesener Roma nach Deutschland: Der Bundestag möge die Regelungen zur Rückführung ausgewiesener Roma nach Deutschland beschließen.
Begründung:
Auch durch die historischen Ereignisse, dass die Roma bereits zu einer Verfolgtengruppe im deutschen nationalsozialistischem Regime gehörten, hat der vorliegende Petitionsgegenstand besondere Bedeutung vor dem gegenwärtigen Hintergrund des Wirkens und des Agierens der Deutschen Regierung und der deutschen politisch-administrativen Verwaltung. Mittlerweile beschreiben mehrere Medienberichte (ZDF, Europamagazin, usw.) das anti-humanitäre Gebahren deutscher Behörden einer Abschiebepraxis mit Einsatz der Ausländerbehörde und der Polizei nachts und im Morgengrauen, die eindeutig die Menschenwürde verletzt.
Im September 2010 kritisiert die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, die "unglaubliche Diskriminierung" von Roma in Europa auch mit schweren Vorwürfe gegen Deutschland, da parallel zu dem in der EU kritisierten Abschiebehandelns in Frankreich, die anhaltende Rückführung der Roma von Deutschland in das Kosovo nach UN-Hochkommissarin Pillay "verheerende Folgen für die Rechte der Kinder, auch für ihr Recht auf Bildung", habe. "Roma-Kinder, die in deutschen Schulen gut integriert waren, befinden sich auf einmal in einem völlig fremden Umfeld, in dem nur albanisch gesprochen wird. Plötzlich können sie gar nicht mehr oder nur unter großen Schwierigkeiten zur Schule gehen."
Beschlussbegründung:
Bernd Michael Uhl
Aufenthaltsrecht
Der Deutsche Bundestag hat die Petition am 01.03.2012 abschließend beraten und beschlossen:
Das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden konnte.
Begründung
Mit der Petition wird gefordert, Regelungen zur Rückführung ausgewiesener Roma
nach Deutschland zu beschließen.
Die Eingabe wurde auf der Internetseite des Petitionsausschusses eingestellt. Sie
wurde von 934 Mitzeichnern unterstützt. Außerdem gingen 173 Diskussionsbeiträge
ein.
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, Roma gehörten aufgrund der
historischen Ereignisse im deutschen nationalsozialistischen System zu einer
verfolgten Gruppe. Vor diesem Hintergrund sei das derzeitige W irken und Agieren
der Bundesregierung zu missbilligen. Deutsche Behörden würden mit ihrer nächtlich
und
im Morgengrauen
stattfindenden
Abschiebepraxis
eindeutig
die
Menschenwürde verletzen. Zudem habe die Hohe Kommissarin der Vereinten
Nationen für Menschenrechte (UNHCHR) im September 2010 die unglaubliche
Diskriminierung von Roma in Europa kritisiert. Hierbei habe sie auch schwere
Vorwürfe gegen die Bundesrepublik erhoben, da die anhaltende Rückführung der
Roma von Deutschland in den Kosovo verheerende Folgen für die Rechte der
Kinder, auch für ihr Recht auf Bildung habe. Ferner habe sie ausgeführt, dass sich
abgeschobene Roma-Kinder, die in deutschen Schulen gut
integriert waren, auf
einmal in einem völlig fremden Umfeld befinden, in dem nur Albanisch gesprochen
wird und sie plötzlich gar nicht mehr oder nur unter großen Schwierigkeiten zur
Schule gehen können.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zu dem Vorbringen wird auf die eingereichten
Unterlagen verwiesen.
hat
des
zwei Stellungnahmen
der Eingabe
zu
Der Petitionsausschuss
Innern (BMI) eingeholt. Unter Einbeziehung der
Bundesministeriums des
vorliegenden Stellungnahmen lässt sich das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung
wie folgt zusammenfassen:
Der Petitionsausschuss weist zunächst darauf hin, dass die vorliegende Eingabe zur
Diskussionserleichterung in verkürzter Form ins Internet gestellt worden ist.
Gleichwohl konnte der gesamte Text der Petition entsprechend dem Wunsch des
Petenten im Forum vollständig eingesehen werden.
Zudem stellt der Ausschuss inhaltlich betrachtet fest, dass sich die Feststellung der
Ausreisepflicht einer Person und die Voraussetzungen für Rückführungen nach den
Maßgaben des deutschen Aufenthaltsgesetzes richten. Der Vollzug dieses
Bundesgesetzes
vorgegebenen
vom Grundgesetz
der
entsprechend
liegt
Kompetenzverteilung in der Verantwortung der Länder.
Nach Auskunft des BMI wird in jedem Einzelfall durch die zuständigen
Ausländerbehörden der Länder bzw. - soweit ein Asylverfahren anhängig ist - durch
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) geprüft, ob rechtliche oder
tatsächliche Abschiebehindernisse im Sinne des Gesetzes vorliegen. Dabei sind
jedoch grundsätzlich wirtschaftliche oder soziale Aspekte im Zielstaat nicht
ausschlaggebend für die Frage der Rückführbarkeit einer Person.
für die völkerrechtliche Pflicht zur Übernahme
Überdies ist Anknüpfungspunkt
eigener Staatsangehöriger durch den Herkunftsstaat stets der Besitz der
entsprechenden Staatsangehörigkeit bzw. die Herkunft einer Person aus diesem
Staat, nicht aber deren ethnische Zugehörigkeit.
Deutschland bekennt sich seit
langem ausdrücklich zu einer schrittweisen
Rückführung von aus dem Kosovo stammenden Personen. Es finden keine
Massenabschiebungen statt. Der kosovarischen Regierung wurde bis auf Weiteres
zugesagt,
jährlich insgesamt maximal 2.500 Rückübernahmeersuchen zu stellen, die klären
sollen, ob eine Person tatsächlich aus dem Kosovo stammt und deshalb dorthin
zurückgeführt werden könnte,
bei der Stellung der Ersuchen auf ein angemessenes Verhältnis der
verschiedenen ethnischen Zugehörigkeiten zu achten, um eine Fokussierung auf
eine bestimmte Ethnie, z. B. die der Roma, zu vermeiden und
auf eine angemessene geografische Verteilung der Rückkehrer zu achten, um die
aufnehmenden
kosovarischen
Kommunen
nicht
in
den
Reintegrationsbemühungen für die Rückkehrer zu überfordern.
Diese Vorgaben sind für die Länder bindend und werden nach Auskunft des BMI
beachtet.
Überdies stellt der Ausschuss fest, dass Bund und Länder die freiwillige dauerhafte
in Deutschland aufhältigen Personen
illegal
Ausreise der hierzu verpflichteten,
bevorzugen
und
fördern. Hierbei
verweist
der
Ausschuss
auf
das
Rückkehrförderprogramm REAG/GARP. Demnach erhält z. B. eine vierköpfige
Roma-Familie (zwei Erwachsene, zwei Kinder) bei Erfüllung der Voraussetzungen
neben der vollständigen Übernahme ihrer Heimreisekosten eine Starthilfe und eine
Reisebeihilfe
einem durchschnittlichen
2.850 Euro, was
insgesamt
von
Jahresbruttoeinkommen im Kosovo entspricht.
Darüber hinaus leisten Bund und Länder mit dem Kosovo-Rückkehrprojekt URA 2
auch einen Beitrag zur W iedereingliederung von Rückkehrern aus Deutschland
unabhängig von den Umständen der Rückkehr oder ihrer ethnischen Zugehörigkeit.
Dieses hält neben sozialer und psychologischer Beratung vielfältige Angebote zur
Überwindung von ersten Schwierigkeiten nach der Rückkehr bereit, etwa in Form
von Arbeits- und Wohnraumvermittlung, Starthilfen bei der Existenzgründung oder
die Gewährung von Lohn- und Mietkostenzuschüssen.
Zudem gibt es im geltenden Aufenthaltsrecht bereits eine Reihe von Regelungen, die
eine Legalisierung des Aufenthaltes Geduldeter ermöglichen. Hierzu gehören z. B.
§ 25 Abs. 4 und 5 und § 23a Aufenthaltsgesetz
(AufenthG)
sowie die
Bleiberechtsregelung des § 104a AufenthG, die im Dezember 2009 um zwei Jahre
verlängert und um weitere Verlängerungstatbestände ergänzt wurde, u. a.
für
Personen mit abgeschlossener Schul- oder Berufsausbildung. Von diesen
Regelungen haben in der Vergangenheit bereits mehrere tausend kosovarische
Staatsangehörige profitiert.
Darüber hinaus verweist der Ausschuss auf das am 1. Juli 2011 in Kraft getretene
Gesetz zur Bekämpfung der Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer von
Zwangsheirat sowie zur Änderung weiterer aufenthalts- und asylrechtlicher
Vorschriften, worin u. a. ein eigenständiger Aufenthaltstitel
für gut
integrierte
geduldete Jugendliche und Heranwachsende eingeführt worden ist
(§ 25a
AufenthG).
Im Übrigen verweist der Ausschuss auf den Beschluss des Deutschen Bundestages
vom 7. Juli 2011, die Situation der Sinti und Roma in Europa zu verbessern
(PlPr. 17/120, Drs. 17/6446). Damit wird die Bundesregierung aufgefordert, sich
weiterhin bi- und multilateral für eine Verbesserung der Menschenrechtslage der
Roma einzusetzen.
Vom Deutschen Bundestag abgelehnt wurden hingegen der Antrag Die Integration
der Sinti und Roma in Europa verbessern (Drs. 17/6090) der Fraktion der SPD, der
sich für das Verbot der Abschiebung besonders schutzbedürftiger Roma einsetzt
sowie der Antrag Für die Umsetzung der Gleichstellung von Sinti und Roma in
Deutschland und Europa (Drs. 17/5191) der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Damit wurde einem generellen Abschiebeverbot
sowie einer Rückführung
ausgewiesener Roma nach Deutschland eine Absage erteilt.
Alle erwähnten Drucksachen und die Protokolle der Plenardebatten können im
Internet unter www.bundestag.de aufgerufen werden. Insofern wird auf die dortigen
Ausführungen verwiesen.
Vor diesem Hintergrund empfiehlt der Petitionsausschuss, das Petitionsverfahren
abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden kann.
Siehe auch:
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