Nationalsozialismus in Mosbach - Baden
: Rechtsextremismus und Neofaschismus : Anti-Semitismus : Anti-Ziganismus : Homophobie : Rassismus : Diskriminierung 

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AKTUELLES & HISTORISCHES:
Nazi-KZ Auschwitz-
Verfahren und -Prozesse

FRAGESTELLUNG
ZUR ROLLE DER DEUTSCHEN JUSTIZ
IN DER NS-VERGANGENHEITSBEWÄLTIGUNG


 Zuletzt aktualisiert am 21.04.2025 ! 

Seiteninhalt:

  1. NS- und Rechtsextremismus-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach

    1.1 Gerichtlich verfügte Beauftragung der forensischen Sachverständigen aus Kitzingen durch das Amtsgericht Mosbach bezüglich der gerichtlichen und außergerichtlichen Anti-Nazi-Aktivitäten des Antragstellers

    1.2 Strafanzeige aus 2010 des Antragstellers von NS- und Rechtsextremismusverfahren beim Amtsgericht Mosbach gegen die Schändung des Nazi-Konzentrationslagers Auschwitz

  2. YouTube-Videos zu Nazi-KZ Auschwitz-Verfahren und -Prozessen

  3. Podcasts zu Nazi-KZ Auschwitz-Verfahren und -Prozessen

  4. Online-Artikel zu Nazi-KZ Auschwitz-Verfahren und -Prozessen

    4.1 Prozess gegen Oskar G.

    4.1 Prozess gegen Reinhold H.

    4.2 Statistiken zum Nazi-KZ Auschwitz

  5. Stellungnahme der vom Amtsgericht Mosbach beauftragten forensischen Sachverständigen aus Kitzingen zu historischen Nazi-KZ Auschwitz-Verfahren und -Prozessen sowie zu gegenwärtigen NS-Prozessen im 21.Jahrhundert


Auschwitz: Geschichte eines Verbrechens | Die fundierte sowie erschütternde Darstellung über die unfassbaren Geschehnisse des Holocaust (0) Taschenbuch – 12. Februar 2007

In dieser ebenso fundierten wie erschütternden Darstellung gelingt es Laurence Rees, dem Leser die unfaßbaren Geschehnisse des Holocaust nachvollziehbar vor Augen zu führen – mit einem beunruhigenden Fazit: Der Holocaust ist kein düsterer Alptraum, kein singulärer Exzeß, sondern Ergebnis der menschlichen Veranlagung.





Jan Sehn und die Ahndung der Verbrechen von Auschwitz
Eine Biografie

Filip Gańczak

Für die juristische Aufarbeitung der NS-Verbrechen hat Jan Sehn in Polen ähnlich hohe Bedeutung wie Fritz Bauer in der Bundesrepublik Deutschland. Er war kein KZ-Häftling, kein Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung, sondern hatte während des Krieges eine bescheidene Stellung in einem Gastwirteverband inne. Und doch war der deutschstämmige Sehn nach 1945 eine treibende Kraft für die juristische Ahndung der deutschen Verbrechen in Polen. Als Vorsitzender der Bezirkskommission zur Untersuchung deutscher Verbrechen in Krakau verhörte er zahlreiche an Polen ausgelieferte Nationalsozialisten, darunter Amon Göth, Rudolf Höß und Maria Mandl. Auf unkonventionelle Weise trug er belastendes Material zusammen, suchte Zeugen, die die Konzentrationslager überlebt hatten und verhandelte mit kommunistischen Behörden der Volksrepublik Polen, US-amerikanischen Militärs und Staatsanwälten aus der Bundesrepublik Deutschland. Beim Frankfurter Auschwitz-Prozess spielte Sehn eine wichtige Rolle, da auf seine Vermittlung hin die Ortsbesichtigung in Auschwitz stattfinden und eine Gerichtsdelegation an den Tatort der Verbrechen reisen konnte – erstaunlich im politischen Klima des Kalten Krieges.
Dr. Filipp Gańczak
geb. 1981, lebt mit seiner Familie in Warschau. Der studierte Journalist arbeitete lange im Ressort Ausland der Zeitschrift Newsweek Polska, bevor er sich als Wissenschaftler einen Namen machte. Sein Buch »Jan Sehn. Aus dem Leben eines Nazijägers« wurde unter anderem mit dem Internationalen Witold-Pilecki-Preis gewürdigt.
Studien zur Geschichte und Wirkung des Holocaust, Band 7,
hrsg. von Sybille Steinbacher im Auftrag des Fritz Bauer Instituts, Übersetzung von Lothar Quinkenst
Göttingen: Wallstein Verlag, 2022, 238 S., 14 Abb., Hardcover gebunden, mit Schutzumschlag
978-3-8353-5321-3
Preis: 26 Euro
https://www.fritz-bauer-institut.de/


Siehe auch:



Das Höcker-Album: Auschwitz durch die Linse der SS. Preiswerte Sonderausgabe Gebundene Ausgabe – Sonderausgabe, 9. März 2020

2007 erhielt das United States Holocaust Memorial Museum von einem ehemaligen Lieutenant Colonel der U.S. Army ein Fotoalbum, das dieser 1946 in Frankfurt ›gefunden‹ hatte. Das Album entpuppte sich schnell als Sensation. Denn es gehörte Karl Höcker, Adjutant des letzten Lagerkommandanten von Auschwitz, Richard Baer. Die 116 Bilder zeigen SS-Personal und Besucher: bei der Jagd, bei Schießübungen, bei Freizeitaktivitäten - parallel zum Massenmord in Auschwitz zwischen Juni 1944 und Januar 1945. Abgebildet sind u. a. Richard Baer, Rudolf Höß, Josef Kramer, Franz Hößler, Otto Moll und Josef Mengele. Die Bilder geben ganz neue Hinweise auf Verbindungen und Seilschaften der SS-Größen. Und sie zeigen Verantwortliche und Ausführende des Massenmords, die hier erstmals identifizierbar werden. Der vorliegende Band publiziert das Höcker-Album vollständig. Beiträge von neun internationalen Autoren erschließen das Album im Kontext der Zeit wie auch den Fall Höcker.


1. NS- und Rechtsextremismus-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach

Amtsgericht Mosbach: Bildquelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Amtsgericht_Mosbach#/media/Datei:Mosbach-kloster-amtsgericht1.jpg

Amtsgericht Mosbach
Hauptstraße 110
74821 Mosbach
Telefon:
06261 - 87 0
(Zentrale)
Telefax:
06261 - 87 460
(Zentrale Faxnummer)


Erfahrungen der juristischen Aufarbeitung von Judenfeindlichkeit vor und nach 1945  bei den Mosbacher Justizbehörden
Die nationalsozialistische Judenverfolgung in Mosbach-Baden vor 1945 mit diskriminierender Benachteiligung; Berufsverboten; Enteignungen und Beraubungen jüdischen Vermögens; Schändung des jüdischen Friedhofs; Verhaftung der Familie des Mosbacher Rabbiners; Zerstörung der Synagoge; Massen-Deportationen der badischen Juden in das Nazi-KZ Gurs nach Frankreich sowie die Schändung des KZ-Buchenwald mit dem Erinnerungsort der nach Auschwitz deportierten jüdischen Kinder mit Eingabe vom 06.08.2022, die antisemitische Volksverhetzung mit Eingabe vom 10.04.2023 werden bereits beim Amtsgericht Mosbach in den vom AS entsprechend initiierten und anhängigen Verfahren unter 6F 9/22, 6F 202/21, 6F 2/22 und 6F 2/23 thematisiert, u.a. mit diesbezüglichen Strafanzeigen gemäß § StPO 158.

Sowohl das Justizministerium Baden-Württemberg u.a. am 20.12.2022 unter JUMRIX-E-1402-41/878/28 als auch der Landtag Baden-Württemberg am 10.03.2023 zu PETITION 17/1464 benennen EXPLIZIT die vom AS gemäß § 158 StPO seit 03.06.2022 initiierten NS- und Rechtsextremismus-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach-Baden.

Das Amtsgericht Mosbach bestätigt sowohl mit der Verfügung vom 17.08.2022 unter 6F 9/22 als auch mit der Mitteilung vom 20.03.2023 unter 6F 2/23, die vom AS gemäß § 158 StPO initiierten NS- und Rechtsextremismus-Verfahren sowie zu angezeigten antisemitischen Straftaten, auch zu konkreten Tatbeteiligungen an NS-Massenmordverbrechen in der Mosbacher Region, beim Amtsgericht Mosbach-Baden in SONDERBÄNDEN anzulegen.

Fritz Bauer: oder Auschwitz vor Gericht Taschenbuch – 14. September 2015

Fritz Bauer zwang die Deutschen zum Hinsehen: Inmitten einer Justiz, die in der jungen Bundesrepublik noch immer von braunen Seilschaften geprägt war, setzte er den großen Frankfurter Auschwitz-Prozess durch. Er kooperierte mit dem israelischen Geheimdienst, um Adolf Eichmann vor Gericht zu bringen. Aber wer war der kämpferische Einzelgänger wirklich? Ronen Steinke erzählt das Leben eines großen Juristen und Humanisten, dessen persönliche Geschichte zum Politikum wurde.




1.1 Gerichtlich verfügte Beauftragung der forensischen Sachverständigen aus Kitzingen durch das Amtsgericht Mosbach bezüglich der gerichtlichen und außergerichtlichen Anti-Nazi-Aktivitäten des Antragstellers


Es gibt zwei Deportationswellen aus der Mosbacher Region. 1940 werden die badischen Juden deportiert. Und 1943 die hier ansässigen und hier festgesetzten Sinti- und Roma-Familien. Ein Fahrplan dieser Deportationen von Mosbach nach Auschwitz-Birkenau ist datiert auf den 10.03.1943.

Es gibt bisher keine öffentlich bekannte juristische Aufarbeitung seitens der Mosbacher Justizbehörden seit 1945 zu den direkten und beihelfenden Tatbeteiligungen an diesen Nazi-Massenmorden in Mosbach, d.h. weder am Holocaust noch am Völkermord an den Sinti und Roma.

AKTUELLES: Siehe auch: Strafanzeigen vom 13.08.2022 gegen Verantwortliche der Inhaftierungen und Deportationen von Sinti und Roma aus Landkreis und Stadt Mosbach in Nazi-Konzentrationslager >>>

In der Verfügung des Amtsgerichts Mosbach unter 6F 9/22 vom 17.08.2022, teilt das Amtsgericht Mosbach die Rechtsauffassung mit, dass es nicht Aufgabe des Gerichts sei, die NS-Vergangenheit aufzuarbeiten, was SOWOHL entgegen der Rechtsaufassung des baden-württembergischen Justizministeriums unter JUMRIX-E-1402-41/878/4 vom 20.06.2022, dass heute und noch künftig NS-Verbrechen von der Justiz verfolgt würden,  ALS AUCH entgegen der Rechtsauffassung u.a. des Urteils vom 28.06.2022 beim Landgericht Neuruppin mit der Verurteilung eines 101-jährigen KZ-Wachmannes wegen Beihilfe zum Mord in mehr als 3.500 Fällen steht.

Das Amtsgericht Mosbach erklärt, die vom Antragsteller initiierten Verfahren zur Aufarbeitung von NS-Unrecht und NS-Verbrechen nicht bearbeiten, sondern laut Verfügungs-Mitteilung vom 17.08.2022 unter 6F 9/22 getrennt von der Akte lediglich in einem Sonderband anlegen zu wollen.

Das AG MOS äußert sich weiterhin auch in 6F 2/22 in und nach der Verhandlung vom 22.11.22 NICHT zu den beim AG MOS erhobenen konkreten Dienstaufsichtsbeschwerden und Anhörungsrügen u.a. gegen wiederholt nicht-ordnungsgemäße Bearbeitungen von konkreten Eingaben des Antragstellers zur Aufklärung und Aufarbeitung von Nationalsozialistischem Unrecht und von Nationalsozialistischen Verbrechen seitens des Amtsgericht Mosbach unter 6F 9/22 entgegen der geltenden Strafprozessordnung § 158 StPO. Siehe dazu auch u.a. KV-RA-Eingabe vom 22.06.22 unter 6F 2/22.

Das Familiengericht-Amtsgericht Mosbach, Hauptstraße 110, 74281 Mosbach, beauftragt die forensische Sachverständige aus Moltkestr. 2, 97318 Kitzingen, in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 unter 6F 202/21, die Anti-Nazi-Aktivitäten des KVs und Antragstellers in einer ergänzenden Stellungnahme gutachterlich einzuschätzen und zu bewerten. 

Dazu zählen laut Anweisungen dieser amtsgerichtlichen Verfügungen SOWOHL die seit Sommer 2022 vom Antragsteller beim Amtsgericht Mosbach initiierten NS- und Rechtsextremismus-Verfahren ALS AUCH seine außergerichtlichen und gerichtlichen Aufklärungs- und Aufarbeitungsbemühungen zu Nationalsozialistischem Unrecht und Nationalsozialistischen Verbrechen aus dem Zeitraum um 2008, d.h. konkret von 2004 bis 2011, im Rahmen seiner sogenannten "Nazi-Jäger"-Aktivitäten im sachverhaltsbezogenen Kontext zur Problematik des Nationalsozialismus vor und nach 1945 und dessen Aufarbeitung bis heute. Siehe dazu auch Kapitel 5 auf dieser Seite.


Das Amtsgericht Mosbach BEAUFTRAGT EXPLIZIT in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 unter 6F 202/21 die forensische Sachverständige aus Kitzingen, eine GUTACHTERLICHE STELLUNGNAHME ZU DEN NAZI-VERBRECHER-PROZESSEN am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach in 2022 mit seinen jahrelangen Bemühungen um die außergerichtliche und gerichtliche Aufarbeitung von Nationalsozialistischem Unrecht und Nationalsozialistischen Verbrechen an das deutsche BRD-Amtsgericht Mosbach im Jahr 2022 zu erstellen.


Das Amtsgericht Mosbach BEAUFTRAGT EXPLIZIT in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 unter 6F 202/21 am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach die forensische Sachverständige aus Kitzingen, eine GUTACHTERLICHE STELLUNGNAHME ZU DEN JURISTISCHEN NS-VERFAHREN ALS TEIL DER NS-VERGANGENHEITSBEWÄLTIGUNG INKLUSIVE DER ROLLE DER DEUTSCHEN BRD-JUSTIZ, d.h. sowohl zu den seit 1945 bis heute im 21. Jahrhundert geführten NS-Prozessen als auch zu den in 2022 noch laufenden NS-Prozessen und zu den künftigen NS-Prozessen, an das deutsche BRD-Amtsgericht Mosbach im Jahr 2022 zu erstellen.

Das Amtsgericht Mosbach BEAUFTRAGT EXPLIZIT in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 unter 6F 202/21 die forensische Sachverständige aus Kitzingen, eine GUTACHTERLICHE STELLUNGNAHME zum menschenverachtenden System der Nazi-Konzentrationslager SOWIE DEREN THEMATISIERUNGEN IN DER NS-VERGANGENHEITSBEWÄLTIGUNG NACH 1945 bis heute am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren beim Amtsgericht mit seinen jahrelangen Bemühungen um die außergerichtliche und gerichtliche Aufarbeitung von Nationalsozialistischem Unrecht und Nationalsozialistischen Verbrechen an das deutsche BRD-Amtsgericht Mosbach im Jahr 2022 zu erstellen.


Das Amtsgericht Mosbach BEAUFTRAGT EXPLIZIT in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 unter 6F 202/21 die forensische Sachverständige aus Kitzingen, eine GUTACHTERLICHE STELLUNGNAHME zum menschenverachtenden System der Nazi-Konzentrationslager örtlich und konkret bezogen im Gau Nordbaden Mosbach vor 1945 und im heutigen Neckar-Odenwaldkreis SOWIE DEREN THEMATISIERUNGEN IN DER NS-VERGANGENHEITSBEWÄLTIGUNG NACH 1945 bis heute am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren beim Amtsgericht mit seinen jahrelangen Bemühungen um die außergerichtliche und gerichtliche Aufarbeitung von Nationalsozialistischem Unrecht und Nationalsozialistischen Verbrechen an das deutsche BRD-Amtsgericht Mosbach im Jahr 2022 zu erstellen.

Das Amtsgericht Mosbach BEAUFTRAGT EXPLIZIT in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 unter 6F 202/21 die forensische Sachverständige aus Kitzingen, eine GUTACHTERLICHE STELLUNGNAHME ZU sogenannten NAZI-JÄGER-AKTIVITÄTEN MIT NS-PROZESSEN, VERURTEILUNGEN VON NS-TÄTER*INNEN, auch zu NS-Prozessen im 21. Jahrhundert, d.h. auch in 2022 laufenden und noch künftigen NS-Prozessen, etc. IN DER NS-VERGANGENHEITSBEWÄLTIGUNG NACH 1945 am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach mit seinen jahrelangen Bemühungen um die außergerichtliche und gerichtliche Aufarbeitung von Nationalsozialistischem Unrecht und Nationalsozialistischen Verbrechen an das deutsche BRD-Amtsgericht Mosbach im Jahr 2022 zu erstellen.


1.2  Strafanzeige aus 2010 des Antragstellers von NS- und Rechtsextremismusverfahren beim Amtsgericht Mosbach gegen die Schändung des Nazi-Konzentrationslagers Auschwitz

Am 04.01.2010 teilt die Staatsanwaltschaft Kassel unter 1612 UJs 85188/09 dem Antragsteller mit, dass sie in der Sache des gestohlenen Schriftzuges „Arbeit macht frei“ am Eingangstor des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz nicht zuständig sei, weil dieser Diebstahl an der NS-Gedenkstätte des ehemaligen deutschen Nazi-KZs auf polnischem Staatsgebiet mit Auftraggebern aus Schweden durch polnische Gruppen durchgeführt worden sei.

Siehe dazu:


Kommandant in Auschwitz: Autobiographische Aufzeichnungen des Rudolf Höß Taschenbuch – 1. Februar 1998

Die autobiographischen Aufzeichnungen decken die Hintergründe der moralischen und geistigen Pervertierung auf, die sich im Deutschland Hitlers und Himmlers bei unzähligen ehrgeizigen »Gläubigen« des Regimes vollzog. Das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz, in der Nähe der gleichnamigen Stadt gelegen, wurde nach dem deutschen Angriff auf Polen im Zweiten Weltkrieg errichtet. Im Mai 1940 wurde der damalige SS-Obersturmbannführer Rudolf Höß mit dem Ausbau des Lagers beauftragt, das er als Kommandat dreieinhalb Jahre lang befehligte. Auschwitz gehörte zu den größten Vernichtungslagern des Dritten Reiches und bestand bis zum Januar 1945. Höß wurde zum 2. April 1947 vom polnischen Obersten Volksgericht zum Tode verurteilt und am 16. April 1947 in Auschwitz gehenkt. Der Kommandant, dessen Laufbahn in Dachau begann, dann über Sachsenhausen nach Auschwitz führte und schließlich 1945 in der Zentrale der »Inspektion KL« endete, berichtet von dem Inferno einer maschinell und »hygienisch« betriebenen Ermordung der Hunderttausende, die mit Transportzügen aus ganz Europa in Auschwitz eintrafen. Er schildert Entstehung, Organisation und Entwicklung der Konzentrationslager, besonders aber seine Tätigkeit in Auschwitz. Dabei bemüht er sich um Exaktheit und Sachlichkeit; er zeigt sich keineswegs als sadistischer Henkersknecht, sondern vielmehr als ein Mann, der Ordnung und Disziplin liebte, der in der Freizeit als »anständiger« SS-Führer stets beflissen und bereit war, auch den unmenschlichsten Befehl zur Zufriedenheit seiner Vorgesetzten auszuführen.



2. YouTube-Videos zu Nazi-KZ Auschwitz-Verfahren und -Prozessen

Frankfurter Auschwitz-Prozess Zeuge Hermann Reineck 52. VERHANDLUNGSTAG 05.06.1964

HistoryChannelOnYoutube
Zeuge Hermann Reineck
52. VERHANDLUNGSTAG 05.06.1964
1. Frankfurter Auschwitz-Prozess
»Strafsache gegen Mulka u.a.«, 4 Ks 2/63
Landgericht Frankfurt am Main
52. Verhandlungstag, 5.6.1964
Vernehmung des Zeugen Hermann Reineck
Quelle: https://www.auschwitz-prozess.de/zeug...


Historische TV-Sendungen über den Zweiten Weltkrieg

Der Auschwitzprozess in Frankfurt, 1963 - 1965: Teil 1: Die Ermittlung

Deutsche Fernsehgeschichte
Strafsache 4 Ks 2/63
Am 20.12.1963 begann vor dem Schwurgericht Frankfurt am Main ein Prozess, den die zeitgenössische Geschichtsschreibung mit dem pathetischen Kommentar versehen hat, die Deutschen hätten mit ihrer Selbstreinigung begonnen. Auf der Anklagebank saßen 22 Angeklagte.
Zum 30 Jahrestag des Beginn des Auschwitzprozesses hat der Hessische Rundfunk mit Unterstützung des Landes Hessen eine Serie produziert, die sich in drei Sendungen mit dem Prozess auseinandersetzt. Die Autoren konnten dabei auf die Tonbandmitschnitte des Prozesses zurückgreifen, die hier erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt werden.
Interviews mit ehemaligen Häftlingen, Prozesszeugen und Prozessbeteiligten ergänzen neben umfangreichem Archivmaterial diese Tonbandprotokolle. Maßgeblich initiiert und vorangetrieben wurde der Prozess von dem Hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer.
Eine Dokumentation des Hessischen Rundfunks aus 1993


05.10.2015 - Der Auschwitzprozess in Frankfurt, 1963 - 1965: Teil 2: Der Prozeß

Deutsche Fernsehgeschichte

Strafsache 4 Ks 2/63
Der zweite Teil des größten Strafprozesses der deutschen Justiz gegen NS-Verbrecher: angeklagt waren 22 ehemalige Angehörige der Wachmannschaft.
Ausschnitte der Tonbandprotokolle (erste Veröffentlichung der Mitschnitte aus dem Bestand des hessischen Staatsarchiv) geben einen unmittelbaren Eindruck vom Prozessgeschehen. Die zitierten Aussagen werden ergänzt durch Bilder der Gedenkstätte, durch Dokumente (Beweisstücke der Anklage) sowie durch Filmaufnahmen der Prozessteilnehmer und aus der NS-Zeit. Zeitzeugen erinnern sich an dieses bedeutendste Strafverfahren der deutschen Justiz, bzw, Rechtsgeschichte.
https://www.youtube.com/watch?v=7WMzUkMZ_Ss


05.10.2015 - Der Auschwitzprozess in Frankfurt, 1963 - 1965: Teil 3: Das Urteil

Deutsche Fernsehgeschichte
Strafsache 4 Ks 2/63
Der dritte Teil des größten Strafprozesses der deutschen Justiz gegen NS-Verbrecher: angeklagt waren 22 ehemalige Angehörige der Wachmannschaft.
Ausschnitte der Tonbandprotokolle (erste Veröffentlichung der Mitschnitte aus dem Bestand des hessischen Staatsarchiv) geben einen unmittelbaren Eindruck vom Prozessgeschehen. Interviews mit ehemaligen Häftlingen, Prozesszeugen und Prozessbeteiligten ergänzen neben umfangreichem Archivmaterial diese Tonbandprotokolle.
Im dritten Teil sind u.a. die Stellungnahmen der Angeklagten zu hören. Schlagzeilen machte der Auftritt von Rechtsanwalt Dr. Hans Laternser. Der Selektionsprozess und das Sonderkommando, sind weitere Schwerpunkte. Nach 20 Monaten Prozess wurde das Urteil gesprochen.
Eine Dokumentation des Hessischen Rundfunks aus 1993
https://www.youtube.com/watch?v=g4ECSiQ28_Y


7. Dr. Heinz Düx, "Der sog. Auschwitzprozess in Frankfurt"

UWK-BMJ
Dr. Heinz Düx, Richter am Oberlandesgericht Frankfurt a.D. und ehemaliger Ermittlungsrichter im Auschwitzprozess zum Thema: "Auschwitz im Gerichtssaal: der sog. Auschwitzprozess in Frankfurt - Vortrag und Diskussion".


Heimkehr eines Auschwitz-Kommandanten. Wie Fritz Hartjenstein drei Todesurteile überlebte

Topographie des Terrors
Dienstag, 8. Februar 2022  19:00 Uhr
Heimkehr eines Auschwitz-Kommandanten. Wie Fritz Hartjenstein drei Todesurteile überlebte
Grußwort: Kai Pätzke, Programmplanung Zeitgeschichte, Vandenhoeck & Ruprecht Verlage
Buchpräsentation: Jürgen Gückel, Journalist und Autor, Stederdorf bei Peine
Moderation: Dr. Andrea Riedle, Direktorin der Stiftung Topographie des Terrors, Berlin
HINWEIS: Im Abspann wird bei Jürgen Gückel das "Naturhistorische Museum Wien" genannt. Dies ist ein Versehen, Jürgen Gückel ist freier Autor und Journalist und nicht beim Naturhistorischen Museum Wien beschäftigt.


26.01.2020 - Frankfurter Auschwitz-Prozesse: „Das ist Teil unserer Geschichte“

faz
Der pensionierte Oberstaatsanwalt Gerhard Wiese spricht über die Frankfurter Auschwitz-Prozesse in den 60er Jahren. © REUTERS


18.01.2018 - Auschwitz-Prozess eingestellt: Recht gebeugt? | Panorama 3 | NDR

ARD
In Schwerin war der ehemalige SS-Mann Hubert Z. wegen Beihilfe zum Mord angeklagt, zu einem Urteil kam es nicht. Gegen drei Berufsrichter liegt nun Anzeige wegen Rechtsbeugung vor.


21.03.2020 - Unbezahlbarer Zeitzeuge – Gerhard Wiese im Porträt | kriminalreport

hrfernsehen
Gerhard Wiese ist der letzte lebende Ankläger der Auschwitzprozesse in Frankfurt. Er war damals der jüngste von vier Anklägern und bereitete mit seinen Kollegen die Anklageschrift gegen die SS-Führer Wilhelm Boger und Oswald Kaduk vor. Der heute 91-Jährige berichtet an Universitäten über den Auschwitz-Prozess und den Nationalsozialismus und warnt vor erneut aufkommendem Hass und Rassismus in der heutigen Gesellschaft.
Im maintower kriminalreport werden aktuelle Fahndungsfälle der hessischen
Polizei gezeigt. Dazu gibt der maintower kriminalreport: regelmäßig Einblicke in die Ermittlungsarbeit von Spezialisten der Spurensicherung oder der Forensik und zeigt abgeschlossene Fälle.


15.07.2015 - Former Auschwitz Guard Guilty of 300,000 Counts of Accessory to Murder

A former Auschwitz guard was convicted on 300,000 counts of accessory to murder on Wednesday. The state court in the northern German city of Lüneburg gave 94-year-old Oskar Gröning a four-year sentence. Photo: AP.
https://www.youtube.com/watch?v=VZIwMxz7Rko


07.06.2018 - The Last Nazi Trials: The Case Of Auschwitz Guard Reinhold Hanning | TIME

TIME
The Last Nazi Trials follows the prosecution of a 94-year-old former SS guard, Reinhold Hanning, more than 70 years after the Holocaust. The film renews questions about how to assign blame for the Holocaust.
https://www.youtube.com/watch?v=XuQkwMTxQVw


22.04.2015 - 93-year-old Nazi guard on trial for his role at Auschwitz

CBS Evening News
Oskar Groening was a member of the Waffen SS stationed at Auschwitz. Now he's on trial in Germany, charged with being an accessory to mass murder. Mark Phillips reports on the case that's already seen testimony from an Auschwitz survivor.
https://www.youtube.com/watch?v=Lv0i8Do4u48


16.11.2016 - Former SS Auschwitz guard apologises at trial

AP Archive
(29 Apr 2016) A 94-year-old former SS sergeant told a German court on Friday that he is "ashamed" he served as a guard in the Nazis' Auschwitz death camp, and that he knew what was going on there but did nothing to stop it.
Reinhold Hanning told the Detmold state court that he had never talked about his service in Auschwitz from January 1942 to June 1944, even to family, but wanted to use his trial as an opportunity to apologise.
95-year-old Holocaust survivor Leon Schwarzbaum was in court on Friday to hear Hanning's statement.
He said he didn't want to see Hanning go to prison, but he'd wished the accused had spoken more of the atrocities committed at Auschwitz to teach today's generation.
Hanning faces 170,000 counts of accessory to murder.
https://www.youtube.com/watch?v=X8wlha8RAQw


07.06.2018 - The Last Nazi Trials: The Case Of Auschwitz Guard Reinhold Hanning | TIME

TIME 
The Last Nazi Trials follows the prosecution of a 94-year-old former SS guard, Reinhold Hanning, more than 70 years after the Holocaust. The film renews questions about how to assign blame for the Holocaust.


15.07.2015 - Former Auschwitz Guard Guilty of 300,000 Counts of Accessory to Murder

Wall Street Journal
A former Auschwitz guard was convicted on 300,000 counts of accessory to murder on Wednesday. The state court in the northern German city of Lüneburg gave 94-year-old Oskar Gröning a four-year sentence. Photo: AP.
https://www.youtube.com/watch?v=VZIwMxz7Rko


29.04.2016 - 13. Tag im Auschwitz-Prozess: Angeklagter Reinhold Hanning entschuldigt sich

Lippische Landes-Zeitung
Am Ende der Verhandlung des 13. Prozesstages hat sich Reinhold Hanning an das Gericht und die Öffentlichkeit gewandt. Er sagte, dass er es zutiefst bereue am Tode so vieler Menschen mitverantwortlich gewesen zu sein.
https://www.youtube.com/watch?v=zYzPExfeGCI


28.04.2016 - 12. Tag im Auschwitz-Prozess: Richterin präsentiert grausame Zahlen

Lippische Landes-Zeitung
Am zwölften Verhandlungstag gegen den ehemaligen SS-Wachmann Reinhold Hanning (94) aus Lage hat Dr. Imre Lebovits ausgesagt, der 70 seiner 80 engsten Verwandten im Vernichtungslager Auschwitz verloren hat. Zudem verliest Richterin Anke Grudda bedrückende Zahlen zum Vernichtungslager.
https://www.youtube.com/watch?v=DVCSkBpd0Rc


01.07.2015 - Auschwitz-Prozess nähert sich dem Ende

ARD Mittagsmagazin
Im Lüneburger Auschwitz-Prozess will sich der Angeklagte Oskar Gröning erneut vor dem Lüneburger Landgericht äußern. Zudem wird die Auschwitz-Überlebende Irene Weiss aus den USA aussagen.
Nach den Planungen des Gerichtes könnten danach bereits die Plädoyers von Staatsanwaltschaft, Nebenklägeranwälten und Verteidiger beginnen.
Der mittlerweile 94-jährige frühere SS-Mann Gröning muss sich wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 300.000 Fällen verantworten. Dem "Buchhalter von Auschwitz" wird vorgeworfen, Spuren der Massentötung verwischt zu haben, indem er half, an der Bahnrampe in Auschwitz-Birkenau Gepäck wegzuschaffen. Gröning hatte zu Beginn des Prozesses im April eine moralische Mitschuld eingeräumt. An der Rampe will er aber nur dreimal Dienst getan haben.
https://www.youtube.com/watch?v=Y5pGH3wLpHc


09.08.2022 - Execution of Otto Moll - The Most Sadistic Nazi at Auschwitz Concentration Camp - Holocaust - WW2

World History
Execution of Otto Moll - The Most Sadistic Nazi at Auschwitz Concentration Camp - Holocaust - WW2.   Otto Moll was born on the 4th of March 1915 and he was 17 years old when on the 30th of January 1933, Adolf Hitler was appointed chancellor of Germany by the German President Paul von Hindenburg. In 1936, three years after Hitler and the Nazi party came into power, Otto Moll joined the SS after having graduated from the professional gardening school.
Moll was musically active and became a member of the SS marching band. From 1938 to 1941, Moll was employed at the Sachsenhausen concentration camp which was located north of Berlin. After Rudolf Höss became the commandant of the Auschwitz concentration camp, he brought Moll there on the 2nd of May 1941.  Many former Auschwitz prisoners described Otto Moll as the worst SS-man in the entire camp. He distinguished himself with the particular sadism towards the prisoners and because he had a glass eye, he had a nickname “Cyclops “.
At Auschwitz, Moll  became the leader of the notorious penal company to which the prisoners were assigned for various reasons, including escape attempts, contact with civilians or the illegal possession of food, money and additional clothing. Assignment to the penal company, situated in infamous Block 11, lasted from one month to one year and the prisoners were not only completely isolated from other prisoners but had to perform the hardest labor and were continually beaten by the SS men and prisoner functionaries.
After the expansion of Auschwitz into an extermination camp ordered by the head of the SS Heinrich Himmler, Moll devoted himself primarily to the killing of people.
From September 1943 to May 1944, Moll was the first commandant of the Fürstengrube and Gleiwitz I which were Auschwitz sub-camps.
In May 1944 he returned to the Auschwitz-Birkenau camp, where he was appointed the head of all crematoria by the camp’s commandant Rudolf Höss.
Even among the SS men, Moll was notorious for his cruelty and hatred towards the Jews, especially women and children. When he did not throw the children into the fire alive, he would kick them to death with a smile on his face. The prisoners did not consider him a human and would call him “ Schweinemetzger” which meant “pig butcher”.
During 8 weeks from May 15 to July 9, 1944, Hungarian gendarmerie officials, under the guidance of German SS officials, deported around 424,000 Jews from Hungary to Auschwitz-Birkenau, where, upon arrival and after selection, SS functionaries killed the majority of them in gas chambers.
As the head of all crematoria, Moll also directed the work of the Jewish Sonderkommando which was a unit of camp’s prisoners forced to help with the disposal of gas chamber victims. Those who refused to do the terrible work of the Sonderkommando, Moll would personally throw alive into burning furnaces.
In mid-January 1945, as Soviet forces approached the Auschwitz concentration camp complex, the SS began evacuating Auschwitz and its subcamps. SS units forced nearly 60,000 prisoners to march west from the Auschwitz camp system. Prisoners suffered from the cold weather, starvation, and exposure on these marches. Otto Moll let one such death march and in February 1945 he arrived in Kaufering which was the common name of a system of eleven subcamps of the Dachau concentration camp system.
On the 28th of April 1945, Otto Moll arrived at Dachau. When the camp was liberated on the following day by The U.S. Seventh Army’s 45th Infantry Division,  Otto Moll was arrested and finally to face justice and pay for his crimes. In November 1945 he was tried at the first Dachau trial which was held within the compound of the former Dachau concentration camp.
In the end, some justice was served. On the 28th of May 1946, Otto Moll, then 31 years old, was executed in Landsberg prison. There were no tears shed for Otto Moll.
https://www.youtube.com/watch?v=uru4RRJsQO8


09.07.2016 - Der Detmolder Auschwitz-Prozess

Lippische Landes-Zeitung
Bitte Untertitel aktivieren: Im Detmolder Auschwitz-Prozess wurde der ehemalige KZ-Wachmann Reinhold Hanning zu fünf Jahren Haft wegen Beihilfe zum Mord in 170.000 Fällen verurteilt. In unserem Video haben wir mit den NS-Überlebenden Hedy Bohm und William Glied über das Urteil und ihre Erfahrungen im KZ Auschwitz gesprochen.
Alle LZ-Berichte zum gesamten Prozess mit spannenden Berichten der Zeitzeugen lest ihr auf www.lz.de/ssprozess
https://www.youtube.com/watch?v=vCdMJb3OzhM



3. Podcasts zu Nazi-KZ Auschwitz-Verfahren und -Prozessen


Kalenderblatt - Deutschlandfunk ·
Vor 75 Jahren zum Tode verurteilt - Auschwitz-Kommandant Rudolf Höß: "Das Töten war leicht"

Kalenderblatt - Deutschlandfunk · 02.04.2022 · 5 Min.
Am 2. April 1947 verurteilte ein polnisches Gericht den langjährigen Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höß zum Tod durch Erhängen ebendort. Er war nach Kriegsende zunächst untergetaucht und dann im März 1946 gefasst worden. Im Prozess schwankte er zwischen Einsicht und Verleugnung. Von Bernd Ulrich
https://www.ardaudiothek.de/

SWR2
Der erste Frankfurter Auschwitz-Prozess: Vernehmung
SWR2 Archivradio · 17.09.2021 · 72 Min.
17.9.1964 | Am 20. Dezember 1963 begann im Frankfurter Römer der größte Strafprozess der deutschen Nachkriegsgeschichte. Angeklagt waren 23 Mitglieder der Lagermannschaft im ehemaligen Vernichtungslager Auschwitz. Initiator dieses ersten Auschwitz-Prozesses war der hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer. Ausgangspunkt waren aufgetauchte Erschießungslisten, die Bauer zugespielt worden waren. Der Mitschnitt dokumentiert die Vernehmung von Mitgliedern der Fahrbereitschaft am 17. September 1964.
https://www.ardaudiothek.de/

NDR Info
Die 60er: Auschwitz vor Gericht (8/14)

Deine Geschichte – unsere Geschichte · 03.04.2022 · 42 Min.
Ab 1963 wurden in Frankfurt in einem der größten Prozesse der deutschen Nachkriegszeit die nationalsozialistischen Verbrechen in Auschwitz vor Gericht verhandelt. Parallel dazu lief in der deutschen Öffentlichkeit die Debatte über die Verjährung nationalsozialistischer Verbrechen.
https://www.ardaudiothek.de/
Hintergründe:
Auschwitz-Prozess 1963
https://www.ndr.de/geschichte/chronologie/auschwitzprozesse102.html
Auschwitz: Symbol des Holocausts
https://www.ndr.de/geschichte/chronologie/verbrechen112.html
Konzentrationslager: "Alltag" in der Hölle
https://www.ndr.de/geschichte/chronologie/auschwitz116.html
Holocaust - NS-Völkermord an den Juden
https://www.ndr.de/geschichte/chronologie/verbrechen100.html
Befreiung des KZ Auschwitz
https://www.ndr.de/geschichte/schauplaetze/auschwitz592.html
Massenvernichtung mit Zyklon B im KZ
https://www.ndr.de/geschichte/chronologie/kriegsende/zyklonb100.html
Auschwitz-Kommandant Rudolf Höß
https://www.ndr.de/geschichte/chronologie/hoess112.html


SWR2
Auschwitzprozess: Ärzte im "Zigeunerlager - Der Name "Mengele" taucht auf

SWR2 Archivradio · 24.05.2022 · 70 Min.
28.8.1964 | Der erste Auschwitzprozess fand zwischen 1963 und 1965 in Frankfurt am Main statt. Zu den zentralen Themen des ersten Auschwitzprozesses gehörte die Frage, welche Ärzte die "Selektion" betrieben haben. Damit ist die Aussonderung von kranken und alten Gefangenen gemeint, die unmittelbar der Tötung zugeführt werden sollten. Bei den Selektionen waren meist Ärzte dabei; ihnen oblag die Entscheidung über Leben oder Tod. Die Vernehmung des Zeugen und späteren Nebenklägers Aron Bejlin durch Richter Hans Hofmeyer am 28. August 1964 dreht sich um diese Frage. Bejlin war selbst Arzt und lebte in seiner Häftlingsbaracke mit anderen Ärzten zusammen. In unmittelbarer Nachbarschaft befand sich das "Zigeunerlager", wo laufend Selektionen stattfanden. Innerhalb kurzer Zeit, so der Zeuge, waren alle Zigeuner vernichtet. Im Lagerjargon gab es den "Goebbels-Kalender" - ein makabrer Begriff für jüdische Feiertage, an denen die SS besonders viele Vergasungen unternahm. Aron Bejlin wurde, wie viele Ärzte unter den Häftlingen, zu pflegerischen Aufgaben abgestellt und berichtet von 40 griechischen Jungs, die er mit seinen primitiven Verbandsmaterialien nicht versorgen konnte. Den Kindern hatte der Lagerarzt Horst Schumann mit Röntgenstrahlen die Hoden verbrannt. Bejlin erwähnt mehrmals in der Vernehmung den Lagerarzt Josef Mengele. Er ist heute für seine medizinische Experimente an Gefangenen berüchtigt und rückte erst durch diesen Prozess ins Bewusstsein der Strafverfolgung. Mengele starb unbehelligt 1979 in Südamerika.
https://www.ardaudiothek.de/

(1) Richter: Josef Perseke - Frankfurter-Auschwitz-Prozess
Ecco Mania
Tonbandmitschnitte des ersten großen Auschwitz-Prozesses von 1963–1965
- Verlesung des Eröffnungsbeschlusses vom 7.10.1963 -
Teil 1 - Richter: Josef Perseke - 3. Verhandlungstag
Auf ein Wort des Bedauerns wartete Richter Perseke vergebens: https://www.fr.de/politik/wort-bedaue...
Karte KZ Auschwitz I : https://upload.wikimedia.org/wikipedi...
Karte KZ Auschwitz II : https://upload.wikimedia.org/wikipedi...
Dokumentation Auschwitz-Prozess: https://www.youtube.com/watch?v=1j79...
Weitere Dokumentationen zu diesem Thema befinden sich auf meinem Kanal
Quelle:  https://www.auschwitz-prozess.de/
Musik: Erik Satie / Gnossienne
Ab 20. Dezember 1963 wurde in Frankfurt der größte Strafprozess der deutschen Nachkriegsgeschichte geführt. Es waren drei Richter und sechs Geschworene, vier Staatsanwälte, drei Nebenklagevertreter, 19 Verteidiger und 22 Angeklagte beteiligt.
Für die Zeugen, die die Lagerhaft überlebt hatten, waren die Aussagen äußerst belastend. Sie durchlebten nach zwanzig Jahren die schrecklichen Ereignisse noch einmal. Zudem wurden sie durch die Verteidigung unter Druck gesetzt, indem man am Wahrheitsgehalt ihrer Berichte zweifelte. Häufig musste eine Pause eingelegt werden, weil ein Zeuge die Grenze seiner Belastbarkeit erreicht hatte. Die Aussagen der ehemaligen Häftlinge riefen Bestürzung und Fassungslosigkeit im Publikum hervor.
Insgesamt wurden 360 Zeugen vernommen. Am 6. Mai 1965, nach 154 Prozesstagen, wurde die Beweisaufnahme abgeschlossen.
https://www.youtube.com/watch?v=1j79AfpGdYg&list=P



4. Online-Artikel zu Nazi-KZ Auschwitz-Verfahren und -Prozessen



Holocausttag am 27. Januar
Diese Fakten sollte jeder über Auschwitz wissen

Die Bahngleise, auf denen Hundert­tausende von Menschen ankamen, um in die Gaskammern des ehemaligen Nazi-Todeslagers Auschwitz-Birkenau (Auschwitz II) gebracht zu werden, im polnischen Oświęcim.
Der Komplex der Konzentrations- und Vernichtungs­lager in Auschwitz steht synonym für die Massen­ermordung europäischer Juden durch die Nazis. Tatsächlich jedoch sind vielen Menschen bedeutsame Fakten über Auschwitz unbekannt. Etwa über den Widerstand der Häftlinge, die Beteiligung deutscher Firmen an den Verbrechen oder was mit der Asche der Ermordeten geschah.
Thoralf Cleven
Thoralf Cleven
25.01.2025, 00:00 Uhr
Berlin. Als die ersten sowjetischen Soldaten am 27. Januar 1945 gegen 15 Uhr durch die Tore ins Konzentrations- und Vernichtungs­lager Auschwitz eindrangen, waren viele der jungen Befreier geschockt. Der Gestank der aufgefundenen 600 Leichen muss nach vielen Nachkriegs­schilderungen schier unerträglich gewesen sein. Schlimmer jedoch war der Anblick der Menschen in den gestreiften Drillich­anzügen, die ihnen um die ausgemergelten Körper schlotterten. Die meisten standen wie erstarrt und abwesend am Stacheldraht. Sie hatten überlebt. Aber wie und warum?
Etwa 7600 Frauen und Männer, aber auch Kinder, werden von den Soldaten inmitten des Grauens mit Tonnen von aufgehäuften Haaren, hundert­tausenden Kleidungs­stücken, Brillen und Gebissen angetroffen. Zehn Tage zuvor hatte der letzte Häftlings­appell in Auschwitz stattgefunden. In der Nacht zum 18. Januar 1945 mussten schätzungsweise 58.000 KZ-Insassen, brutal getrieben durch die SS-Wachmannschaften auf der Flucht vor der heran­eilenden Roten Armee, zu Fuß zu den 60 Kilometer entfernten Bahnhöfen Gleiwitz und Loslau. Tausende sterben auf dem Marsch bei Temperaturen von minus 20 Grad – an Kälte und Erschöpfung oder durch Kugeln der SS-Männer.
Auschwitz steht inzwischen synonym für die Schoa oder den Holocaust – die Ermordung von bis zu 6,3 Millionen europäischen Juden während des Zweiten Weltkriegs durch die deutschen National­sozialisten. Insgesamt 1,3 Millionen Menschen wurden von 1940 bis 1945 in den Lager­komplex deportiert. Unter den insgesamt mindestens 1,1 Millionen Toten waren 960.000 Juden, von denen 865.000 direkt nach der Ankunft im Lager ermordet wurden – die meisten mit Gas des Schädlings­bekämpfungs­mittels Zyklon B. Inhaftiert waren jedoch auch 140.000 Polen, 20.000 Sinti und Roma, 10.000 sowjetische Kriegs­gefangene sowie 10.000 Menschen mit verschiedenen Nationalitäten. Viele starben aufgrund der Arbeits­bedingungen, Hunger, Krankheiten, medizinischen Versuchen oder durch Exekutionen.
Häftlinge des Konzentrations­lagers Auschwitz im Januar 1945 nach der Befreiung durch die Rote Armee.
Häftlinge des Konzentrations­lagers Auschwitz im Januar 1945 nach der Befreiung durch die Rote Armee.
Quelle: IMAGO/United Archives International
„Auschwitz war ohne Frage eine zentrale Stätte des Holocaust“, sagte der Historiker Norbert Frei, der zuletzt als Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena lehrte, dem RND. „Dabei sollte aber nie vergessen werden, dass es nicht die einzige war und dass die Nationalsozialisten die europäischen Juden auch außerhalb der Vernichtungslager millionenfach ermordeten.“ Tatsächlich, so Frei, wüssten die allerwenigsten „um die verschiedenen Funktionen, die der Lager­komplex Auschwitz gehabt hat“.
Die Monstrosität des Geschehens an diesem Ort verdeckt bisweilen Details der Geschichte von Auschwitz, die zum einen Aufschluss darüber geben, wie planmäßig die Mord­maschinerie funktionierte und wie die Mörder mit ihren Familien in unmittelbarer Nähe ein normales Leben führten. Zum anderen schärfen Einzelheiten den Blick dafür, dass Auschwitz nicht nur ein Lager war und wie deutsche Konzerne kräftig am Bau der Gaskammern und Krematorien, deren Betreiben und nicht zuletzt an billigen Arbeitskräften verdienten. Und: die Häftlinge halfen sich und leisteten Widerstand.
Was in Auschwitz passierte

Professorin Sybille Steinbacher, Direktorin des Fritz-Bauer-Instituts und Inhaberin des Lehrstuhls zur Erforschung der Geschichte und Wirkung des Holocaust an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, hat vor 20 Jahren mit „Auschwitz. Geschichte und Nachgeschichte“ (C.H.Beck Wissen) ein nur 128-seitiges Buch vorgelegt, in dem alle belegbaren Fakten stehen. „Im Lager­komplex Auschwitz bündeln sich sämtliche ideologischen Zielsetzungen der National­sozialisten“, sagte die Historikerin dem RND. „Da Auschwitz im öffentlichen Bewusstsein schon vor Langem zur Chiffre für die Massen­vernichtung in der NS-Diktatur geworden ist, ist der konkrete Ort mit seinen vielen Besonderheiten oftmals nicht im Blick.“
Die Wissenschaftlerin hält gute Kenntnisse über diesen Teil der deutschen Geschichte für essenziell in Bezug auf die Gegenwart. Dass die selbstkritische Beschäftigung mit den Verbrechen der Nazis zur politischen Kultur in Deutschland gehöre, sei eine große Errungenschaft, findet Steinbacher. „Ich halte es für zentral, dass sich jede Generation neu damit auseinandersetzt.“ Dies sei angesichts des „sich verstärkenden Geschichts­revisionismus von rechts und der immer radikaler werdenden Angriffe auf die Erinnerungs­kultur, die in postkolonialer Attitüde auch von links kommen“, umso bedeutender.
Die Historikerin Sybille Steinbacher leitet an der Gothe-Universität den bundesweit ersten Lehrstuhl für Holocaust­forschung und ist Direktorin des Fritz-Bauer-Instituts.
Quelle: picture alliance / Frank Rumpenhorst/dpa
War Auschwitz ein Konzentrations­lager oder ein Vernichtungs­lager?
Auschwitz, so Historikerin Steinbacher, war der größte Schauplatz des Massen­mords an den europäischen Juden und ein Kristallisations­punkt der Siedlungs- und „Germanisierungs­politik“ der National­sozialisten. Vernichtung und „Lebensraum­eroberung“ verschmolzen hier konzeptionell, zeitlich und räumlich. „Als Konzentrations­lager, Vernichtungs­lager und Drehscheibe des Zwangs­arbeits­einsatzes steht Auschwitz exemplarisch für die Multi­dimensionalität des national­sozialistischen Lager­systems. Die Verknüpfung von Vernichtungs­absicht und industriellen Ausbeutungs­interessen wurde hier unmittelbar Wirklichkeit.“
Warum entstanden die Lager von Auschwitz an diesem Ort?
Das polnische Oświęcim (Auschwitz) lag nur unweit von Gleiwitz entfernt, wo ein SS-Stoßtrupp am Vorabend des 1. September 1939 den Grund für den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs inszenierte. Die Kleinstadt wurde zum Sammel­becken für Juden, die aus den beschleunigt „einzudeutschenden“ polnischen Gebieten rundherum deportiert wurden. Im April 1940 entschied eine vom Reichs­führer SS, Heinrich Himmler, eingesetzte Inspektion, dass das Gelände einer früheren Kolonie für Emigranten und Wanderarbeiter das KZ Auschwitz werden soll. Es bestand aus 22 gemauerten Häusern mit Walmdächern und 90 Holz­baracken. Das Gelände war infrastrukturell erschlossen, lag an einem Eisenbahn­knotenpunkt und war nach außen leicht abzuschotten.
Wer baute das KZ Auschwitz?
1200 arbeitslose polnische Flüchtlinge mussten mit dem Bau des später Stammlager genannten KZ beginnen, dazu kamen etwa 300 Auschwitzer Juden. Am Auf- und Ausbau des Konzentrations­lagers wirkten mehr als 500, im Laufe der Zeit insgesamt rund 2000 größere und kleinere Betriebe aus dem gesamten Reichsgebiet mit: durch Hoch- und Tiefbau­arbeiten, durch Installationen und Lieferungen aller Art. Die Firmen kooperierten mit der SS, lieferten Material und schickten Fach­arbeiter nach Auschwitz, so Steinbacher in „Auschwitz. Geschichte und Nachgeschichte“.
Stacheldrahtzäune und Baracken des früheren Vernichtungs­lagers Auschwitz-Birkenau.
Stacheldrahtzäune und Baracken des früheren Vernichtungs­lagers Auschwitz-Birkenau.
Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Wann kamen die ersten Häftlinge ins KZ Auschwitz?
Auschwitz war von den Nazis ursprünglich als eine Haftstätte für polnische politische Gefangene gedacht. Die ersten, Gymnasiasten, Studenten und Soldaten, kamen im Juni 1940. Nahezu alle Häftlinge wurden anfangs zum Aufbau des Lagers eingesetzt, der sich wegen des baufälligen Zustands der Gebäude und des Mangels an Baumaterial weitaus länger hinzog als geplant. Die „polnische Phase“ der Lager­geschichte dauerte etwa bis Mitte 1942. Bis dahin war die Zahl der Juden in Auschwitz vergleichsweise gering. Systematische Ermordungen gab es noch nicht, die SS schikanierte und tötete Gefangene dennoch schon in diesem Zeitraum wahllos.
Gelangen Flucht­versuche aus Auschwitz?
Aus kaum einem anderen Konzentrations­lager entwichen so viele Häftlinge wie aus Auschwitz, schreibt Steinbacher. Die Hälfte derer, die einen Flucht­versuch unternahmen, waren Polen. Von insgesamt mindestens 802 Geflohenen aller Nationen (757 Männern und 45 Frauen) gelang der Ausbruch nachweislich 144; die meisten anderen (mindestens 327) wurden aufgegriffen, viele erschossen.
Trotz der rigiden Strafen konnten die Lager­insassen von der polnischen Bevölkerung Hilfe­leistungen erwarten. Die Hilfs­aktionen weiteten sich in Auschwitz, Brzeszcze und anderen Orten in der Umgebung zu einem organisierten Netzwerk aus, getragen von politischen Widerstands­gruppen und unter maßgeblichem Einfluss der katholischen Pfarrgemeinde Mariä Himmelfahrt in der Stadt Auschwitz. Anschläge auf Züge und Eisenbahn­verbindungen auf der Strecke nach Auschwitz häuften sich 1943, vermutlich waren dies gezielte Akte polnischer Widerstands­zirkel. An der Hilfe für die Gefangenen manifestierte sich massiver Widerstand gegen das Besatzungs­regime.
Gab es Widerstand im KZ Auschwitz?
Trotz des Terrors der SS formierte sich auch im Lager organisierter Widerstand, zunächst getragen von sozialistisch und national orientierten polnischen Insassen, die sich Anfang 1942 eine einheitliche Organisation gaben. Mit der Zahl der Einlieferungen verzweigte sich die lagerinterne Widerstands­bewegung in mehrere nationale und religiöse Gruppen, die vor allem von Sozialisten und Kommunisten gesteuert wurden. Franzosen, Jugoslawen, Österreicher, Russen, Tschechen und Juden bildeten im wachsenden Lager­konglomerat von Auschwitz jeweils eigene konspirative Zirkel, die zunächst unabhängig voneinander agierten, bald aber die Zusammen­arbeit suchten. Unter gemeinsamer Leitung entstand im Mai 1943 die sogenannte Kampf­gruppe Auschwitz, maßgeblich zusammen­gehalten von Hermann Langbein, einem Spanien­kämpfer aus Wien, der im August 1942 nach Auschwitz deportiert worden war.
Das Innere einer Baracke im Vernichtungs­lager Auschwitz-Birkenau (Auschwitz II).
Das Innere einer Baracke im Vernichtungs­lager Auschwitz-Birkenau (Auschwitz II).
Quelle: Str/dpa
Zellen, Gruppen und Sektionen entstanden, und es gelang den Mitgliedern der Widerstands­gruppe, allmählich Posten in der Häftlings­hierarchie zu besetzen, darunter Stellen in den Büros der Kommandantur und der Politischen Abteilung, der Häftlings­schreibstube, beim Arbeits­einsatz und im Häftlings­krankenbau. Vielerlei Formen der Selbsthilfe wurden entwickelt, Lebens­mittel und Ausweise beschafft, Flucht­versuche organisiert, Sabotage­aktionen eingeleitet, Kontakte zur Außenwelt geknüpft. So konnten auch Unterlagen der SS oder Abschriften nach draußen gelangen und die Verbrechen im Lager dokumentieren, erklärt Historikerin Steinbacher. Ein bewaffneter Aufstand war seit dem Frühjahr 1942 das Ziel der konspirativen Häftlings­zirkel. Zwar blieb eine gemeinsam organisierte Revolte am Ende aus, aber spontane, aus der unmittelbaren Todes­gefahr entstandene Aktionen und kurzfristig vorbereitete Aufstands­versuche kamen durchaus zustande.
Wer bewachte das KZ Auschwitz?
Zählten die SS-Wach­verbände im März 1941 noch rund 700 Personen, waren es im Juni 1942 bereits knapp dreimal so viele. Im August 1944, nachdem die Evakuierung des Lagers begonnen hatte, taten mehr als 3300 SS-Leute Dienst in Auschwitz. Der Höchststand von fast 4500 SS-Leuten war im Januar 1945 während der Schluss­phase der Evakuierung erreicht. Bis Kriegsende waren insgesamt etwa 7000 SS-Angehörige im Lager tätig gewesen, darunter – als Aufseherinnen, SS-Nachrichten­maiden und medizinisch geschulte SS-Schwestern – rund 200 Frauen.
Die sogenannte SS-Siedlung in Auschwitz dehnte sich bald zu einem eigenen Stadtteil aus. Das Leben in dem modern ausgebauten Viertel war mit vielerlei Annehmlichkeiten verbunden. Es gab ein Kaffeehaus, ein Schwimmbad, eine Bibliothek, Kindergärten, Schulen, Arzt- und Zahnarzt­praxen. Viele Bräute und Ehefrauen mit Kindern folgten ihren Männern nach Auschwitz. SS-Familien hielten sich Lager­häftlinge in Haus und Garten als Dienstboten.
Was war das Lager Auschwitz-Monowitz?
Die IG Farben (Interessen-Gemeinschaft Farbenindustrie AG) baute im Frühjahr 1941 in Auschwitz eine neue Fabrik. „Das Vorhaben, ‚IG Auschwitz‘ genannt, war eines der größten, ehrgeizigsten und mit Kosten von rund 600 Millionen Reichsmark eines der teuersten Investitions­projekte des Deutschen Reiches im Zweiten Weltkrieg“, so Steinbacher. Das Werk Auschwitz, rund drei Kilometer östlich der Altstadt gelegen und etwa sieben Kilometer vom Konzentrations­lager Auschwitz entfernt, sollte zur Produktion von Buna dienen, einem künstlich aus Kohle hergestellten Gummi für die Kriegs­wirtschaft.
Die IG Farben war das erste Privat­unternehmen, das sich ein Heer von Häftlings­zwangs­arbeitern hielt. Ihre Zahl stieg auf 11.000 im Jahr 1944. Um die Menschen stets verfügbar zu haben, entstand 300 Meter vom Werk entfernt ab 1941 ein fabrik­eigenes Konzentrations­lager anstelle des abgetragenen Dorfes Monowitz. Von insgesamt rund 35.000 zwangs­beschäftigten Lager­insassen starben mehr als 25.000 an den Folgen ihrer Arbeit für den Chemie­giganten.
Eingangstor in Auschwitz mit der zynischen Inschrift „Arbeit macht frei“.
Eingangstor in Auschwitz mit der zynischen Inschrift „Arbeit macht frei“.
Quelle: Getty Images
Profitierten auch andere deutsche Firmen von Zwangs­arbeit in Auschwitz?
Ja. Rüstungs­konzerne wie Krupp oder Siemens, aber auch die Reichs­bahn, etliche Hütten­werke, chemische Betriebe und land­wirtschaftliche Unternehmen siedelten sich in Auschwitz an. Es entstand ein Netz von insgesamt mehr als 30 Neben- und Außen­lagern. Die SS vermietete die Lager­insassen. Für einen Fach­arbeiter wurden von Privat­firmen 6 Reichsmark, für ungelernte Kräfte 4 Reichsmark pro Tag verlangt. Sie mussten täglich 15 Stunden und mehr arbeiten. Auschwitz stand durch die Ansiedlungen, Zuzüge deutscher Fachkräfte, Wohnungsbau, Infrastruktur- und Energie­netze im Zentrum der NS-Germanisierungs­politik als „Muster der Ostsiedlung“.
Was bedeutet systematische Vernichtung in Auschwitz?
Ab Juli 1942 wurden die Häftlinge regelmäßig nach Kriterien wirtschaftlicher Verwendbarkeit gemustert. Die Selektion, ausgeführt von SS-Ärzten und anderen Funktionären, wurde dauerhaft zum Entscheidungs­prinzip über Leben und Tod. Zuerst zum Opfer fielen ihr Häftlinge, die wegen ihrer körperlichen Konstitution für den Arbeits­einsatz nicht infrage kamen: Kinder, Schwangere, Alte, Kranke und Behinderte. Der Arbeits­einsatz war jedoch lediglich das Synonym für einen langsameren Tod. Nach durchschnittlich drei bis vier Monaten waren die meisten eingesetzten Häftlinge tot, verstorben an Schlägen und Hunger, an Entkräftung und unmenschlichen Lebens­bedingungen. Nazis nannten dies auch „Vernichtung durch Arbeit“.
Gerhard Wiese (Foto vom 21.11.2023 in seiner Frankfurter Wohnung) war als junger Staatsanwalt beim ersten Auschwitzprozess 1963 in Frankfurt am Main als einer von drei Anklägern dabei. Der 95-Jährige spricht bis heute mit Schülern und Studenten über dieses Verfahren.
Der letzte Ankläger
Am 20. Dezember 1963 begann im Frankfurter Römer der Prozess gegen frühere SS‑Männer im Vernichtungs­lager Auschwitz. Das Verfahren vor 60 Jahren machte Auschwitz zur Chiffre der deutschen Schuld. Der heute 97-jährige Gerhard Wiese war damals einer der drei Staatsanwälte.
Mehr erfahren
Was wusste die Zivilbevölkerung von den Verbrechen in Auschwitz?
Vor allem Reichsbahn­mitarbeiter, die die Häftlings­transporte ins Konzentrations­lager begleiteten, konnten sehen, was geschah, als die SS die Insassen aus den Waggons trieb und wie die Selektionen abliefen. Unter der zivilen Bevölkerung von Auschwitz kursierten mancherlei Teilinformationen, Gerüchte und Vermutungen. Man ahnte, dass der süßliche Gestank verbrannten Fleisches, der zu penetrant war, um nicht wahrgenommen zu werden, schlimme Gründe hatte. „Protest wurde jedenfalls nicht laut, kennzeichnend war vielmehr Tatenlosigkeit“, schreibt Historikerin Steinbacher.
Was war im Ausland über Auschwitz bekannt?
Die polnische Exilregierung in London berichtete seit November 1941 von den Gewalt­taten in Auschwitz und veröffentlichte am 21. Juli 1942 Meldungen über Vergasungs­experimente im Lager. Die BBC London vermeldete seit Herbst 1943 weltweit erste Schreckens­nachrichten aus Auschwitz. Auch erfolgreich aus Auschwitz Geflüchtete berichteten über die Geschehnisse in den Lagern. Nach amerikanischen Erkundungs­flügen lagen den Alliierten Ende Juni 1944 so detaillierte Aufnahmen vor, dass die Vernichtungs­stätten zu erkennen waren, außerdem sah man die Rampe und Personen, die zu Fuß Richtung Krematorien marschierten – vermutlich Häftlinge auf dem Weg zur Gaskammer. Dennoch fanden keine Luftschläge gegen Vernichtungs­anlagen statt, dafür gegen das Werk der IG Farben in der Nähe.
Kriegsverbrecher und Mitglieder der deutschen Behörden im Zweiten Weltkrieg wurden von den alliierten Streitkräften gefangen genommen und den polnischen Behörden übergeben. Auf dem Bild von links: Josef Bühler, Leiter der Genera­lgouvernement-Regierung und Stellvertreter des General­gouverneurs Hans Frank, Kurt Ludwig Burgsdorff, ehemaliger Gouverneur des Distrikts Krakau, und Rudolf Höß, ehemaliger Kommandant des deutschen NS-Vernichtungs­lagers Auschwitz-Birkenau.
Kriegsverbrecher und Mitglieder der deutschen Behörden im Zweiten Weltkrieg wurden von den alliierten Streitkräften gefangen genommen und den polnischen Behörden übergeben. Auf dem Bild von links: Josef Bühler, Leiter der Genera­lgouvernement-Regierung und Stellvertreter des General­gouverneurs Hans Frank, Kurt Ludwig Burgsdorff, ehemaliger Gouverneur des Distrikts Krakau, und Rudolf Höß, ehemaliger Kommandant des deutschen NS-Vernichtungs­lagers Auschwitz-Birkenau.
Quelle: picture-alliance / PAP
Was unterschied das Vernichtungs­lager Auschwitz-Birkenau vom KZ Auschwitz?
Während Konzentrations­lager als Haft- und Terror­stätten der „Umerziehung“, Bestrafung und ökonomischen Ausbeutung dienten, hatten die Vernichtungs­lager nur einen Zweck: ankommende Häftlinge umgehend zu ermorden. Sonder­formen bildeten Auschwitz-Birkenau und Majdanek, die sowohl Konzentrations- als auch Vernichtungs­lager waren. Der Bau von Birkenau, etwa zwei Kilometer vom Stamm­lager entfernt, hatte 1941 begonnen. Bis zu 200.000 Menschen sollten hier festgehalten werden. Die Lebens­bedingungen waren noch katastrophaler als im Stamm­lager. Auf dem sumpfigen Gelände standen Baracken aus Ziegel­steinen, ohne Estrich, Heizöfen und elektrisches Licht. Die Schlaf­plätze waren dreistöckige Kojen von vier Quadratmetern. Die Baracken waren jeweils für 180 Personen gedacht, die SS pferchte jedoch über 700 hinein.
Wie kam es zum Einsatz von Zyklon B zum Vergasen der Häftlinge in Auschwitz?
Das Giftgas wurde ab Juli 1941 zunächst zur Schädlings­bekämpfung eingesetzt, um Unterkünfte und Kleidung zu desinfizieren. Die kristallinen Blausäure­körner verwandeln sich in Verbindung mit Sauerstoff ab etwa 26 Grad Celsius in Gas und wirken schon in geringen Mengen tödlich. Hersteller war die Deutsche Gesellschaft für Schädlings­bekämpfung (Degesch) in Frankfurt am Main, ein Tochter­unternehmen der IG Farben. Ende August oder Anfang September 1941 wurde Zyklon B zunächst versuchsweise, bald aber regelmäßig angewendet, um Häftlinge zu ermorden.
Die ersten Opfer waren Kriegs­gefangene aus der Sowjetunion, außerdem kranke und schwache Häftlinge anderer Kategorien, darunter Juden aus Zwangsarbeits­lagern. Die Tötungen fanden bis zum Frühjahr 1943 in zwei Häusern statt, mit einem Fassungs­vermögen von 800 beziehungsweise 1200 Menschen. Waren die Räume voll, wurden die luftdichten Türen geschlossen, durch Öffnungen an den Seitenwänden schütteten SS-Desinfektoren das Zyklon B ein. SS-Ärzte beaufsichtigten die Mordaktionen.
Was geschah mit den Leichen der Ermordeten in Auschwitz?
Sie wurden verbrannt. Dafür baute die Erfurter Ofenbau­firma Topf & Söhne auf dem Gelände des Vernichtungs­lagers Birkenau vier neue Krematorien, die mit dem Krematorium im Stammlager eine Verbrennungskapaziät von insgesamt 4756 Leichen täglich hatten. Das Deutsche Reich verdiente nicht nur am Einschmelzen des bei den Leichen heraus­gebrochenen Zahngolds und dem Verarbeiten von Menschen­haar zu Garn und Filz. Auch die Asche wurde als Dünger ausgebracht oder diente der Ausbesserung von Straßen.
Was machten die Nazis mit den ungarischen Juden?
Ungarn hatte die Deportation der Juden lange verweigert. Doch ab Mai 1944 fiel der Widerstand und die Massen­vernichtung im Vernichtungs­lager Auschwitz erreichte einen letzten Höhepunkt. Bis zu 10.000 ungarische Juden kamen täglich an. Zwischen 15. Mai und 9. Juli 1944 trafen insgesamt etwa 430.000 Menschen ein, etwa 20 Prozent wurden in das Lager aufgenommen, alle anderen sofort getötet. Ihre Ermordung war eine der größten Vernichtungs­aktionen überhaupt, so Steinbacher.
Der erste Auschwitz-Prozess im Plenarsaal der Frankfurter Stadtverordneten­versammlung wird eröffnet. Das Bild zeigt die Reihe der Angeklagten mit ihren Verteidigern und den wachhabenden Polizisten. In der ersten Reihe sitzt der Angeklagte Victor Capesius (mit dunkler Brille), hinter ihm steht der Angeklagte Oswald Kaduk.
Der erste Auschwitz-Prozess im Plenarsaal der Frankfurter Stadtverordneten­versammlung wird eröffnet. Das Bild zeigt die Reihe der Angeklagten mit ihren Verteidigern und den wachhabenden Polizisten. In der ersten Reihe sitzt der Angeklagte Victor Capesius (mit dunkler Brille), hinter ihm steht der Angeklagte Oswald Kaduk.
Quelle: Roland Witschel/dpa
Wurden Täter verurteilt?
Der langjährige Lager­kommandant Rudolf Höß wurde am 16. April 1947 unweit seiner einstigen Kommandanten­villa nach dem Urteil eines polnischen Gerichts hingerichtet. 23 weitere SS-Männer und -Frauen wurden von einem Krakauer Gericht ebenfalls zum Tode verurteilt, sieben Angeklagte erhielten lebenslänglich, neun Zeitstrafen.
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„Mediziner und Wirtschafts­manager, die in Auschwitz Selektion und Massen­mord aktiv vorangetrieben hatten, kamen unter bundes­deutscher Regie mit milden Urteilen davon oder entgingen der Strafverfolgung ganz“, stellt Steinbacher fest. Im ersten Frankfurter Auschwitz-Prozess ergingen 1965 gegen 17 Angeklagte Freiheitsstrafen, drei wurden wegen mangelnder Beweise freigesprochen. Bis 1981 fanden weitere Verfahren statt. Am 15. Juli 2015 wurde der frühere SS-Mann und sogenannte „Buchhalter von Auschwitz“ Oskar Gröning als letzter Täter zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Er starb 96-jährig, ohne seine Haft antreten zu müssen.
Informationen aus: Sybille Steinbacher „Auschwitz. Geschichte und Nachgeschichte“ (C.H.Beck Wissen); 128 Seiten
https://www.rnd.de/


Die Ermittlung
Frankfurter Auschwitzprozesse als "Dokumentarisches Theater"

20.01.2025 Lesedauer: 1 Min
teleschau - Jonas Decker
Die Ermittlung
Foto: Hans-Joachim Pfeiffer/ARTE
Vier schwer verdauliche Stunden: ARTE zeigt "Die Ermittlung" in ungekürzter Fassung als TV-Premiere. Der Film über die Frankfurter Auschwitzprozesse, der 2024 auch im Kino lief, basiert auf dem bekannten gleichnamigen Theaterstück von Peter Weiss aus dem Jahr 1965.
Mag sein, dass manche bei diesem Film nicht bis zum Ende durchhalten. Und das liegt nicht an der Spielzeit von insgesamt vier Stunden. Von 1963 bis 1965 fanden die ersten Frankfurter Auschwitzprozesse statt, bereits im Jahr 1965 brachte Peter Weiss im Rahmen einer breit angelegten Ring-Aufführung (unter anderem in London) sein berühmtes Theaterstück "Die Ermittlung" auf die Bühne, das auf Protokollen der Prozesse basierte. Sieben Jahrzehnte später hat Regisseur RP Kahl einen Film daraus gemacht.
Ein dunkler Raum, eine Frau berichtet: "Der Offizier, der uns einteilte, war sehr freundlich. Ich fragte ihn, wohin denn die anderen gingen. Und er antwortete: 'Die gehen jetzt nur baden." Alleine diese zehn Sekunden lassen schaudern, und doch ist es nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was RP Kahl da mit seinen Kameras eingefangen hat. Ein Richter, ein Staatsanwalt, ein Verteidiger, 18 Angeklagte, insgesamt 39 Zeugenaussagen, und immer wieder geht es um das eigentlich unbeschreibliche Grauen von Auschwitz.
Bruch mit modernen Filmkonventionen
"Dokumentarisches Theater", so nennt sich der Stil, mit dem Peter Weiss seinerzeit arbeitete. RP Kahl blieb bei seiner Inszenierung, die 2024 in einigen Kinos lief, dicht dran an diesem Konzept und bricht so auch klar mit den Konventionen des modernen Films. Seine "Ermittlung", umgesetzt mit Promi-Schauspielern wie Tom Wlaschiha, Clemens Schick und Christiane Paul, setzt auf eine minimalistisch-reduzierte Ausstattung und wirkt in vielen Momenten eher wie ein Theaterstück als wie ein Film. Zur besonderen Wirkung trägt auch der bewusst nüchterne und doch immer wieder erschütternde Vortrag der Darstellerinnen und Darsteller bei, wenn sie als Zeugen ihre Erfahrungen und Erlebnisse schildern. "Am Ende der Rampe war der Himmel rot gefärbt. Der Rauch roch süßlich und versengt." Am Set soll es im Rahmen der fünftägigen Dreharbeiten immer wieder kleine Zusammenbrüche gegeben haben.
ARTE zeigt "Die Ermittlung" genau 80 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz (27. Januar 1945) als Free-TV-Pemiere. Nach mehreren Dokumentationen und Filmen im Januar schließt RP Kahls viel gelobte Inszenierung einen entsprechenden Themenschwerpunkt bei dem öffentlich-rechtlichen Kultursender ab. In der ARD Mediathek steht "Die Ermittlung" als serielles Format in elf Episoden ebenfalls ab Montag, 27. Januar, zum Abruf bereit.
Die Ermittlung - Mo. 27.01. - ARTE: 21.45 Uhr
https://www.infranken.de/


60 Jahre Auschwitzprozess

29.05.2024 ∙ Doku Geschichte ∙ 3sat
Video verfügbar:
bis 28.05.2026 ∙ 23:59 Uhr
Im Dezember 1963 trafen die ersten Augenzeugen der Verbrechen von Auschwitz in Frankfurt ein um auszusagen - im Angesicht der Täter und im Land der Täter.
Bild: dpa
https://www.ardmediathek.de/


Auschwitz vor Gericht

07.12.2023 ∙ Dokus & Reportagen ∙ hr
Video verfügbar:
bis 01.12.2025 ∙ 13:22 Uhr
UT
Kameramann von hinten mit Kamera in der Hand.
Am 20. Dezember 1963 begann in Frankfurt das bedeutendste und größte Gerichtsverfahren der deutschen Rechtsgeschichte. 700 Seiten umfasste die in über fünf Jahren erarbeitete Anklageschrift. Sie richtete sich gegen 21 Angehörige der Waffen-SS, die alle zum Personal des Konzentrationslagers Auschwitz gehört hatten und sich wegen Mordes "in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen" verantworten mussten.
Bild: picture-alliance/dpa
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phoenix history
60 Jahre Auschwitz-Prozess

Film von Maren Adler, hr 2023
Tor des Konzentrationslagers Auschwitz
Das Konzentrationslager AuschwitzQuelle: reuters
Im Dezember 1963 trafen die ersten Augenzeugen der Verbrechen von Auschwitz in Frankfurt ein, um im Prozess ihre Aussagen zu machen – im Angesicht der Täter und im Land der Täter. Eine enorme Belastung. Damit wollte das Gericht die ganze Wahrheit der Verbrechen der Nationalsozialisten in Auschwitz ans Licht bringen und die Deutschen mit ihrer Vergangenheit konfrontieren.
Dank vieler ehemaliger KZ-Häftlinge, die bereit waren, als Zeugen auszusagen und ihr erlebtes Leid zu schildern, wurde erstmals das ganze Ausmaß des Grauens in Auschwitz dokumentiert. Doch wie kam es zu diesem Prozess? Fast zwei Jahrzehnte nach Kriegsende verortete er sich in einer bundesrepublikanischen Gesellschaft, die eigentlich vergessen wollte.
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Juristische Aufarbeitung nach 1949

In der 1949 gegründeten Bundesrepublik fand eine politische und gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit zunächst nur sehr begrenzt statt. Die Gerichte reagierten auf die Versuche der Aufklärung von NS-Verbrechen mit zahllosen Verfahrenseinstellungen, Freisprüchen und einer milden Urteilspraxis. Daran konnte auch das Bemühen einzelner Strafermittler, Staatsanwaltschaften und Gerichte um eine konsequente Strafverfolgung nichts ändern. Das Erbe der Nürnberger Prozesse wurde zum Teil schroff abgelehnt.
Einen Wendepunkt leitete der Ulmer Einsatzgruppenprozess im Jahr 1958 ein, der auf ein größeres öffentliches Interesse stieß und noch im selben Jahr zur Einrichtung der "Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen" führte. Damit wurde erstmals die Voraussetzung für eine systematische Strafverfolgung von NS-Tätern in der Bundesrepublik Deutschland geschaffen.
Der 1961 in Israel geführte Prozess gegen Adolf Eichmann, der im Reichssicherheitshauptamt als zentrale Figur die Judendeportationen gesteuert hatte, erregte auch in Deutschland Aufsehen. Aber erst der Frankfurter Auschwitzprozess, maßgeblich vorangetrieben durch den hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, konfrontierte zwischen 1963 und 1965 die Öffentlichkeit konkret mit dem nationalsozialistischen Judenmord. Dennoch bot der Prozess, der lediglich zur Verurteilung von 17 SS-Angehörigen führte, keine moralisch befriedigende Antwort auf Auschwitz.
Gleiches galt für den aufwendigsten deutschen NS-Strafprozess, der zwischen 1975 und 1981 in Düsseldorf zum Konzentrations- und Vernichtungslager Majdanek stattfand. Über 30 Jahre nach den Verbrechen war ein Tathergang im Einzelfall kaum noch rekonstruierbar. Der eigentliche Wert dieser großen NS-Strafprozesse lag somit nicht in der Verurteilung von Tätern, sondern sie zwangen die deutsche Nachkriegsgesellschaft zu einer Auseinandersetzung mit ihrer verdrängten Vergangenheit.
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Als die Täter von Auschwitz in Frankfurt vor Gericht kamen

20.12.2023, 7:38 Uhr Quelle: dpa
Hinweis
ZEIT ONLINE hat diese Meldung redaktionell nicht bearbeitet. Sie wurde automatisch von der Deutschen Presse-Agentur (dpa) übernommen.
Nationalsozialismus: Der erste Auschwitz-Prozess im Plenarsaal der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung wird eröffnet. In der ersten Reihe sitzt der Angeklagte Victor Capesius (mit dunkler Brille), hinter ihm steht der Angeklagte Oswald Kaduk. (zu dpa: «Als die Täter von Auschwitz in Frankfurt vor Gericht kamen»)
Nach dem Zweiten Weltkrieg war Robert Mulka, Stellvertreter von Auschwitz-Lagerkommandant Rudolf Höß, fast nahtlos zurück in ein bürgerliches Leben geschlüpft. Kurze Zeit saß er in Haft, dann galt der ehemalige SS-Hauptsturmführer als «entnazifiziert».
Bereits 1948 arbeitete er als selbstständiger Kaufmann in Hamburg und kam zu Wohlstand. «Er fürchtete ebenso wie die anderen Angeklagten im späteren Auschwitz-Prozess wohl keine Konsequenzen mehr», berichtet die Direktorin des Fritz Bauer Instituts in Frankfurt am Main, Sybille Steinbacher.
Doch über 18 Jahre nach dem Kriegsende 1945 holte ihn seine Vergangenheit ein. Am 20. Dezember 1963 - also am Mittwoch vor 60 Jahren - begann im Frankfurter Römer der erste Auschwitz-Prozess. Angeklagt waren Mulka und 22 weitere Männer.
Der bis dahin größte und längste Mordprozess
Dies sei der bis dahin größte und längste Mordprozess in der deutschen Rechtsgeschichte gewesen, erklärt Steinbacher. «Er gab den entscheidenden Anstoß für die politische und gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der NS-Zeit.» Im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz ermordeten die Nationalsozialisten mindestens 1,1 Millionen Menschen, meist jüdische Häftlinge. Sie starben in den Gaskammern oder an den Folgen von Zwangsarbeit, Hunger, Krankheiten und Misshandlungen.
Initiiert hatte die Prozesse der Frankfurter Staatsanwalt Fritz Bauer, später Namensgeber für das Forschungsinstitut. Die Ermittlungen zu dem Prozess dauerten fünf Jahre, die Anklage gegen 24 Männer umfasste exakt 700 Seiten. Bis dahin hatten alle Beschuldigten unauffällig in der Mitte der bürgerlichen Gesellschaft gelebt, wie sich aus dem Buch «Auschwitz vor Gericht» ergibt.
So arbeitete zum Beispiel Wilhelm Boger, der in Auschwitz Häftlinge zu Tode geprügelt hatte, bis zu seiner Festnahme als kaufmännischer Angestellter. Der Krankenpfleger Oswald Kaduk hatte in Auschwitz als einer der grausamsten SS-Männer gegolten. Der Apotheker Victor Capesius hatte bestimmt, wer von den neuen Häftlingen noch arbeitsfähig war und wer sofort in der Gaskammer sterben musste.
Steinmeier bezeichnete Bauer als eine «Schlüsselfigur»
«Die Vorgabe von Fritz Bauer war es gewesen, bei den Angeklagten einen Querschnitt durch das ganze Lager abzubilden», erinnert sich einer der damaligen Staatsanwälte im Prozess, Gerhard Wiese, heute 95 Jahre alt. Der mittlerweile viel geehrte Bauer war damals hessischer Generalstaatsanwalt. Ohne das Engagement des in der NS-Zeit verfolgten Juden hätte es den Auschwitz-Prozess in Frankfurt nicht gegeben. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bezeichnete Bauer vor einigen Jahren als eine «Schlüsselfigur» der jungen Bundesrepublik. Mit dem Auschwitz-Prozess habe er eine «Wegmarke» gesetzt und damit die Rückkehr des Landes in die Weltgemeinschaft mit ermöglicht.
Über 200 Auschwitz-Überlebende sagten in dem historischen Prozess aus, in der deutschen Bevölkerung stießen die Verhandlungen auf großes Interesse. «Während der 183 Prozesstage kamen über 20.000 Besucher, es wurde in den Zeitungen groß berichtet», sagt Steinbacher. Dass sie in Auschwitz gewesen waren, konnte keiner der Angeklagten bestreiten. Doch eine Verantwortung oder gar Schuld stritten sie ab. Sie hätten nur Befehle befolgt, hieß es seitens der Anklagebank. Bauer sagte nach dem Prozess in einer Diskussionsrunde, es sei kein «menschliches Wort» der Angeklagten gefallen.
Ein Problem der Ankläger bei dem Prozess war das bis in die 2010er Jahre gültige Rechtsprinzip, dass dem Angeklagten eine konkrete Tat nachgewiesen werden muss. Für eine Verurteilung wenigstens wegen Beihilfe reichte es nicht, wenn er Teil der Tötungsmaschinerie gewesen war. Und so wurden zum Abschluss des Auschwitz-Prozesses im August 1965 sogar drei Freisprüche verkündet. Nur sechs der Angeklagten wurden wegen Mordes zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt, darunter Boger und Kaduk. Mulka und Capesius erhielten mehrjährige Haftstrafen wegen Beihilfe.
© dpa-infocom, dpa:231219-99-346533/4
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Nationalsozialismus
Als die Täter von Auschwitz in Frankfurt vor Gericht kamen

Frankfurt/Main / Lesedauer: 3 min
Der erste Auschwitz-Prozess im Plenarsaal der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung wird eröffnet. In der ersten Reihe sitzt der Angeklagte Victor Capesius (mit dunkler Brille), hinter ihm steht der Angeklagte Oswald Kaduk. (zu dpa: «Als die Täter von Auschwitz in Frankfurt vor Gericht kamen») (Foto: Roland Witschel/dpa)
Am 20. Dezember 1963 beginnt in Frankfurt am Main der erste Prozess in der Bundesrepublik um den Massenmord in Auschwitz. Das Verfahren gilt als historisch. Wie kam es dazu? Ein Blick in die Geschichte.
https://www.schwaebische.de/


Der Dokumentarfilm "Fritz Bauers Erbe – Gerechtigkeit verjährt nicht"

Stand: 24.01.2023, 14:48 Uhr
Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs finden derzeit die wahrscheinlich letzten Gerichtsverfahren gegen NS-Verbrecher statt. Wie kam es dazu, dass ehemalige SS-Wachleute, KZ-Sekretärinnen und -Buchhalter so viele Jahre unbehelligt blieben?
Lange hatte die deutsche Justiz den sogenannten "Einzeltatnachweis" verlangt, der gerade bei den Tausenden Mittätern schwer zu erbringen ist. Dabei hatte Generalstaatsanwalt Fritz Bauer schon im Frankfurter Auschwitz-Prozess 1963 gezeigt, dass es möglich ist, auch die kleineren Rädchen im Getriebe der Mordmaschinerie vor Gericht zu bringen. Der Dokumentarfilm "Fritz Bauers Erbe – Gerechtigkeit verjährt nicht" zeigt anhand der jüngsten Prozesse zum "KZ Stutthof", wie sich diese Rechtsauffassung in den letzten Jahren etablieren konnte. Bewegende Zeitzeugenberichte von Überlebenden verdeutlichen, dass die Gerichtsverfahren nicht nur eine späte Genugtuung für die Opfer, sondern auch eine Mahnung für die Zukunft sind.
"Fritz Bauers Erbe" ist im Rahmen des "Stranger than Fiction"-Festivals am 27. Januar in Duisburg, am 28. Januar in Köln, am 30. Januar und 05. Februar in Dortmund, am 31 Januar. in Brühl und Bochum am 05. und 07. Februar in Essen zu sehen. Der Kinostart ist am 02. Februar.
Autor des TV-Beitrages: Rayk Wieland
https://www1.wdr.de/

Fritz Bauers Erbe - Gerechtigkeit verjährt nicht
Ein Film von Sabine Lamby, Cornelia Partmann und Isabel Gathof

Der systematische Massenmord in den Konzentrationslagern des NS-Regimes fand nicht durch einzelne, wenige Täter statt, sondern nur durch die Unterstützung von tausenden Mittätern. Lange konnte die deutsche Justiz dieser historischen Tatsache nicht gerecht werden. Durch Generalstaatsanwalt Fritz Bauer wurden bei den Frankfurter Auschwitz Prozessen 1963 zum ersten Mal Angeklagte für Beihilfe zum Mord vor ein deutsches Gericht gebracht. Doch schon damals kam es, trotz umfassender Erkenntnisse, nicht zu einer Prozessflut – im Gegenteil: die Strafverfolgung von NS-Verbrechern nahm sogar ab. Rund 60 Jahre später findet Fritz Bauers Erbe nun Anwendung.
Der Dokumentarfilm FRITZ BAUERS ERBE – GERECHTIGKEIT VERJÄHRT NICHT zeigt anhand der jüngsten NS-Prozesse wie sich Fritz Bauers Ansatz als neues Prinzip der Rechtsauffassung in Deutschland etablieren konnte. Mit bewegenden und aufrüttelnden Zeitzeugenberichten von Überlebenden, entfaltet der Film eine faszinierende Geschichte darüber, wie die Gerechtigkeit ihren Weg in die deutschen Gerichte fand. Außerdem veranschaulicht er die wegbereitende Bedeutung der heutigen Urteile als Mahnung für die Zukunft.
https://www.realfictionfilme.de/


Preview „Fritz Bauers Erbe - Gerechtigkeit verjährt nicht“, 30.01.2023

22.01.2023

Am 27.01.2023 jährt sich zum 78. Mal die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz
Der 27. Januar ist der gesetzliche Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Seit einigen Jahren erinnert die Evangelische Kirchen in Solingen zu diesem Anlass gemeinsam mit dem Verein „Bildungs- und Gedenkstätte Max-Leven-Zentrum Solingen e.V.“ an das Leiden der Opfer. In diesem Jahr wird darum am Montag, 30. Januar 2023 im Kulturzentrum Cobra, Merscheider Str. 77-79, 42699 Solingen, der Dokumentarfilm „Fritz Bauers Erbe – Gerechtigkeit verjährt nicht“ gezeigt. Die Veranstaltung beginnt um 19 Uhr. Im Anschluss sprechen Regisseurin Isabel Gathof, Oberstaatsanwalt Andreas Brendel, die Vorsitzende des Solinger Max-Leven-Zentrums Daniela Tobias und Superintendentin Dr. Ilka Werner über die juristische Aufarbeitung von NS-Verbrechen.
Lange kaum Strafverfolgung von NS-Mittätern
Der Dokumentarfilm zeigt den schwierigen Weg der rechtlichen Aufarbeitung des systematischen Massenmords in den Konzentrationslagern des NS-Regimes bis heute. 1963 war der Frankfurter Generalstaatsanwalt Fritz Bauer der erste Jurist, der auch die Menschen, die in den Verwaltungen und Institutionen am Massenmord der Shoah mitgewirkt hatten, wegen Beihilfe zum Mord vor einem deutschen Gericht anklagte. Doch trotz umfassender Erkenntnisse kam es damals nicht zu vielen weiteren Prozessen. Im Gegenteil: Die Strafverfolgung von NS-Verbrechern nahm in den Folgejahren sogar ab. Rund 60 Jahre später findet
Fritz Bauers Erbe nun Anwendung.
Der Dokumentarfilm „Fritz Bauers Erbe – Gerechtigkeit verjährt nicht“ zeigt anhand der jüngsten NS-Prozesse wie sich Fritz Bauers Ansatz doch noch als neues Prinzip der Rechtsauffassung in Deutschland etablieren konnte. Mit bewegenden Zeitzeugenberichten von Überlebenden entfaltet der Film eine faszinierende Geschichte darüber, wie die Gerechtigkeit ihren Weg in die deutschen Gerichte fand. Außerdem veranschaulicht er die Bedeutung der heutigen Urteile als Mahnung für die Zukunft.
Herzliche Einladung
Montag, 30. Januar 2023, Beginn: 19.00 Uhr
„Fritz Bauers Erbe – Gerechtigkeit verjährt nicht“
Film und Podiumsgespräch
Kulturzentrum Cobra, Merscheider Str. 77-79, 42699 Solingen
Eintritt frei.
Eine gemeinsame Veranstaltung des Evangelischen Kirchenkreises Solingen mit dem Max-Leven-Zentrum Solingen e.V. und dem Kulturzentrum Cobra.
Podiumsgespräch im Anschluss
Im Podiumsgespräch im Anschluss wird es dann auch über die juristische Aufarbeitung von Verbrechen gehen, die in Solingen geschahen.
Der Film „Fritz Bauers Erbe – Gerechtigkeit verjährt nicht“ kommt im Februar bundesweit in ausgewählte Kinos und wird in der Cobra vorab gezeigt. Mehr zum Film gibt es hier.
Die Veranstaltung wird durch das Bundesprogramm „Demokratie leben“ des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.
https://rupelrath.de/


Fritz Bauers Erbe – Gerechtigkeit verjährt nicht

Deutschland 2021 · 98 Minuten · FSK: ab 12
Regie: Sabine Lamby, Cornelia Partmann, Jens Schanze
Drehbuch: Isabel Gathof, Cornelia Partmann, Sabine Lamby
Kamera: Nicolas Mussell
Schnitt: Martin Hofmann
»Im November 2018 steht der 95-jährige Johann R. wegen Beihilfe zum Mord in Hunderten Fällen vor Gericht. Im Konzen­tra­ti­ons­lager Stutthof soll er als SS-Mann Teil der Lager­auf­sicht gewesen sein. Wieso sind so viele Jahre bis zum Prozess­be­ginn verstri­chen? Was bedeutet der Prozess für Über­le­bende der Shoah, für die deutsche Recht­spre­chung und die Aufar­bei­tung der deutschen Geschichte? Der Doku­men­tar­film Fritz Bauers Erbe – Gerech­tig­keit verjährt nicht beleuchtet den Prozess aus der Perspek­tive der Frank­furter Ausschwitz­pro­zesse, die 1963 – vor fast 60 Jahren – nach maßgeb­li­chem Einsatz des damaligen hessi­schen Gene­ral­staats­an­walts Fritz Bauer begannen.« (15. LICHTER Filmfest Frankfurt Inter­na­tional)
https://www.artechock.de/


NAZI-VERBRECHEN
Von Auschwitz nach Geppersdorf: Ein unbekannter Todesmarsch

Rembert Boese war ein Baby, als KZ-Wächter eine lange Kolonne von Häftlingen an dem Haus im schlesischen Glatz vorbei trieben, in dem er mit seiner Familie wohnte. Der Deutsche will, dass die Opfer ein Denkmal erhalten.
18.02.2021
"1994 erzählte mir meine Tante, Ende Januar 1945 sei eine Häftlings-Kolonne unsere Straße entlang marschiert. Beim Anblick der ausgemergelten Gefangenen sei sie von Angst überwältigt worden: Was wird mit uns passieren, wenn der Krieg zu Ende ist?", erinnert sich Rembert Boese aus Hirschberg an der Bergstraße im Norden Baden-Württembergs.
Boese wurde vor 77 Jahren 700 Kilometer östlich von seinem heutigen Wohnort geboren, in Glatz, das damals noch zu Deutschland gehörte. 1945, dem Jahr nach seiner Geburt, mussten er und seine Familie ihre Heimat in Schlesien verlassen: Die Region fiel an Polen, aus Glatz wurde Kłodzko. Die Boeses landeten in Westdeutschland. "Erst haben wir fünf Jahre in Niederbayern gelebt, dann sind wir nach Darmstadt umgezogen," erzählt Rembert Boese.
Ein grauhaariger Mann mit Brille, kariertem Hemd, grauer Hose und braune Schuhen und eine blonde Frau in einem schulterfreien Shirt, buntem Rock und weißen Schuhe, die einen Strohhut in der Hand hält, stehen vor dem Eingang eines Hauses aus der Gründezeit
Rembert Boese und seine Frau Ingrid Boese-Opiela vor dem Haus in Kłodzko (Glatz), wo Rembert bis 1945 wohnte
In Glatz hatten die Boeses im Erdgeschoss eines Mietshauses in der Luisenstraße gewohnt, die heute Uliza Wandy heißt. Vom Fenster der Wohnung sieht man links ein großes Gebäude aus rotem Backstein: die ehemalige Moltke-Kaserne, wo sich am Ende des Krieges Finanz- und Zollamt befanden.
In diesem Gebäude und den umliegenden Baracken verbrachten die Gefangenen die Nacht vom 29. auf den 30. Januar 1945 sowie den nächsten Tag und die nächste Nacht. Am Morgen des 31. Januar wurden sie weiter nach Frankenstein getrieben, dem heutigen Ząbkowice.
Besuche in Auschwitz und Yad Vashem
2007 reisten Rembert Boese und seine Frau Ingrid Boese-Opiela für zwei Wochen nach Israel. In Jerusalem besuchten sie die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. "Für mich als Deutsche war es selbstverständlich, dass man diesen Ort sehen musste", betont Ingrid Boese-Opiela.
Man sieht einen Berg altmodische, verrostete Nickelbrillen
Immer wieder ein Schock: Die Brillen ermordeter Häftlinge in der Gedenkstätte Auschwitz
Der Besuch war nicht die erste Begegnung der beiden mit dem Holocaust. Bereits 1984 hatten sie die Gedenkstätte Auschwitz im polnischen Oświęcim besucht, sahen sowohl das KZ-Stammlager Auschwitz I als auch Auschwitz II, das Vernichtungslager Birkenau. "Ich habe vorher viel darüber gelesen, aber es war trotzdem ein Schock. Diese Berge von Brillen, Haaren... Die unvorstellbare Menge von Menschen, die dort gestorben sind... Die Ungeheuerlichkeit von Birkenau."
Die Karte der Todesmärsche
"In Yad Vashem gibt es einen Pavillon, der den sogenannten Todesmärschen gewidmet ist", erinnert sich Rembert Boese. So nannten die Gefangenen selbst die Kolonnen, in denen die deutschen Bewacher in den letzten Monaten am Ende des Krieges KZ-Häftlinge nach Westen trieben, während im Osten die Sowjetarmee immer weiter vorrückte. Ziel war, den Siegern keine Zeugen der Nazi-Verbrechen zu hinterlassen. Deshalb wurden Häftlinge, die keine Kraft hatten, weiter zu marschieren, getötet und am Straßenrand liegen gelassen. Die Todesmärsche aus Auschwitz begannen im Januar 1945. Einer ging in Richtung Gleiwitz (Gliwice).
Infografik Karte Todesmarsch Auschwitz zu Geppersdorf DE
"Im Pavillon in Yad Vashem befindet sich eine Karte, auf der eine Linie in Auschwitz beginnt und entlang der heutigen polnisch-tschechischen Grenze nach Glatz führt", erinnert sich Rembert. "Als ich sie sah, war ich schockiert: Ich verstand, dass die Häftlinge, die meine Tante Ende Januar 1945 von unserem Haus aus beobachtet hatte, keine gewöhnlichen Gefangenen waren. Der Zug gehörte zu den Todesmärschen aus Auschwitz."
Desinteresse bei Polen und Deutschen
Im Jahr 2014 war Boese mit einer Delegation aus der hessischen Partnerstadt Bensheim zu Besuch in seinem Geburtsort Kłodzko. "Dort habe ich gemerkt, dass sich weder die Polen, die uns beherbergen, noch unsere polnischen Führer oder meine deutschen Kollegen um die Geschichte der Stadt vor 1945 kümmerten. Und ich beschloss: Ich werde ihnen bei nächster Gelegenheit einen Vortrag über den Todesmarsch halten."
Er rief einen Experten für jüngere Geschichte Schlesiens an, den Historiker Arno Herzig. Der emeritierte Professor an der Universität Hamburg wusste nichts über den Todesmarsch in Glatz. "Aber er ermutigte mich, mich um das Thema zu kümmern", sagt Boese.
Ein grauhaariger Mann mit Brille und kariertem Hemd und eine blonde Frau in einem schulterfreien, schwarzen Shirt stehen vor einer grün-gelben Stellwand, auf schwarz-weiße Fotos und Texte auf Englisch, Tschechisch, Deutsch und Polnisch zu erkennen sind
Ingrid und Rembert Boese im August 2020 in Kłodzko bei einer Freiluftausstellung zur Vertreibung der Deutschen 1945
Aussagen ehemaliger Häftlinge
Boese machte sich an die Arbeit. In den "Arolsen Archives" , einem Zentrum für Dokumentation, Information und Forschung über die nationalsozialistische Verfolgung, NS-Zwangsarbeit sowie den Holocaust, das die Alliierten vor 70 Jahren in der nordhessischen Stadt Bad Arolsen eingerichtet haben, fand er Aussagen ehemaliger Häftlinge, die den Todesmarsch von Auschwitz, der über Glatz nach Geppersdorf (seit 1945 Milęcice) führte, überlebt hatten.
"Die Route des Todesmarsches verlief von Birkenau über Gleiwitz (Gliwice), Ratibor (Racibórz), Neustadt (Prudnik), Neisse (Nysa) nach Glatz (Kłodzko). Und weiter durch Frankenstein (Ząbkowice), Langenbielau (Bielawa), Waldenburg (Wałbrzych), Hirschberg im Riesengebirge (Jelenia Góra) nach Geppersdorf (Milęcice) in der Nähe von Greiffenberg (Gryfów Śląski)", erinnert sich Boese. Dort lag das sogenannte Geppersdorfer Lager, ein Nebenlager des KZ Groß-Rosen (heute Rogoźnica, damals in der Gemeinde Striegau, die seit 1945 Strzegom heißt).
Von Birkenau nach Geppersdorf
"Am 18.1.1945 verließen wir, etwa 3000 Gefangene, Auschwitz-Birkenau in Richtung Gleiwitz. Die meisten von uns waren Juden, teilweise aus Frankreich, Polen, Deutschland, aber vor allem aus Ungarn," berichtete nach Kriegsende einer der Überlebenden den Beamten in Arolsen. In Mikołów (Nikolai) wurde denjenigen, die nicht mithalten konnten, gesagt, sie sollten in eine Seitenstraße abbiegen. Das waren 300 bis 400 Menschen. "Wir haben später keinen von ihnen mehr gesehen, obwohl sie sich uns hinter Gleiwitz wieder hätten anschließen sollen. Ob sie erschossen wurden, wie später erzählt wurde, weiß ich nicht."
Blick von unten in eine Art runde Kuppel, an deren Wänden schwarz-weiße Fotos mit Gesichtern von Menschen darauf hängen
Yad Vashem: Blick in die Kuppel der "Halle der Namen", an deren Wänden Fotos Holocaust-Opfern angebracht sind
26 Stunden und 50 Kilometer, nachdem sie Birkenau verlassen hatten, erreichte die Prozession Gleiwitz (Gliwice), berichtete der Überlebende weiter. Die Gefangenen des nächsten Transports, der am Abend am dortigen Lager angekommen seien, hätten nicht mehr in die Unterkünfte gepasst. Am Morgen hätten ihre gefrorenen Leichen auf dem Gelände gelegen.
280 von 4500 kamen an
"Am 21. Januar mussten wir mit dem Zug weiterfahren. 4500 Gefangene wurden in offene Waggons verladen, in die jeweils 100 bis 130 Menschen gepresst wurden", so der Überlebende. 30 Stunden hätten sie auf die Abfahrt gewartet, bei Temperaturen von 15 bis 20 Grad unter Null. Dann, nach nur 15 Kilometern, habe der Zug gestoppt. Den Häftlingen wurde befohlen, die Waggons sofort zu verlassen. "Wem von der Kälte die Glieder steif geworden waren, so dass er den Wagen nicht schnell genug verlassen konnte, der wurde erschossen."
In Ratibor (Racibórz) kamen 1500 Gefangene an. Nach Glatz (Kłodzko) waren es noch 1400, nach Langenbielau (Bielawa) 1100, nach Waldenburg (Wałbrzych) 750, nach Hirschberg (Jelenia Góra) 400. In Geppersdorf (Milęcice) lebten noch 280.
Die Opfer von Glatz
Rembert Boese glaubt, dass nicht alle, die das Ziel des Todesmarsches nicht erreicht haben, auf der Route des Todesmarsches nach Geppersdorf gestorben sind. "Einige wurden auf andere Kommandos übertragen. Offenbar auch in Glatz."
Nach Zeugenaussagen, die Boese fand, kamen in seiner Geburtsstadt 15 Gefangene ums Leben. "Ein Augenzeuge hat mir genau beschrieben, wie Arbeiter ihre Leichen am Tag nach dem Abmarsch der Kolonne abtransportierten. Andere Quellen sagen, dass die Gefangenen aus diesem Todesmarsch bis zum 8. Mai in der Glatzer Kaserne bzw. dem Finanz- und Zollamt gehalten wurden", fügt er hinzu. Am nächsten Tag, dem 9. Mai 1945, kapitulierte die Stadt kampflos. Sowjetsoldaten zogen in Glatz ein.
Eisenbahnschienen führen zu einem roten Backsteingebäude,in dessen Mitte ein Trum steht, der eine Öffnung hat, durch die die Schienen weiter verlaufen. Neben die Schienen liegen Schneereste auf dem Rasen, links im Bild sind geparkte Autor zu sehen
Das "Todestor" im ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz II-Birkenau am 23. Januar 2021
Der Traum vom Denkmal
"Hinter der Kolonne der Gefangenen fuhr ein Bauer mit einem Pferdegespann, der die Leichen der Toten oder Erschossenen aufsammelte", sagt Rembert Boese. "Sie wurden dann in Massengräbern verscharrt. Auch auf dem jüdischen Friedhof in Kłodzko gibt es ein solches Grab. Aber hier weiß niemand, wer dort begraben ist. Und ich bin mir sicher, dass dort diejenigen begraben liegen, die in der ehemaligen Kaserne ums Leben kamen".
Ein ähnliches Grab fand Boese auf der tschechischen Seite der Grenze, auf dem Friedhof in Bélej Vod (Weißwasser) in der Nähe von Javorník (Jauernig). Mit dem Unterschied, dass dort auf dem schwarzen Grabstein folgende Worte zu lesen sind: "Gemeinsames Grab von 13 unbekannten Opfern des Nationalsozialismus. Politische Häftlinge des Konzentrationslagers Birkenau, die umgekommen sind im leidvollen Todesmarsch durch das Land von Jauernig/Javorník im Januar 1945."
Seinen Vortrag über den Todesmarsch von Auschwitz nach Geppersdorf hat Rembert Boese längst gehalten. Aber er will noch mehr tun. "Ich träume davon, dass eine solche Tafel zum Gedenken an die Opfer auch in Kłodzko aufgestellt wird", sagt der 77-Jährige. "An dem Gebäude der ehemaligen Kaserne, wo sich Finanz- und Zollamt befanden. Und am besten gleich noch eins am Massengrab auf dem jüdischen Friedhof."
Datum 18.02.2021
Autorin/Autor Aureliusz M. Pedziwol
https://www.dw.com/de/


75. Jahrestag der Auschwitz-Befreiung
Die Justiz schonte oft die Täter

04:36 Minuten
Ein Hinweis von Matthias Buth · 27.01.2020
Nur wenige Täter wurden für den Massenmord in Auschwitz zur Verantwortung gezogen. Zahlreiche Mithelfer kamen glimpflich oder mit Freispruch davon. Politik und Justiz haben versagt, meint der Jurist und Lyriker Matthias Buth.
Heute am 27. Januar 2020 – im Beethoven- und Hölderlin-Jahr – sprechen sie wieder zu uns: alle sechs Millionen, die aufgegangen sind im Rauch der Verbrennungsöfen von Auschwitz und in den anderen KZs in Europa. Alle Ermordeten sind aufgebrannt in die Gedächtnishaut der Deutschen, jetzt und immer.
Die Fahnen klirren im Wind. Welche umarmenden Gedichte und welch zärtliche Musik sind nie geschrieben und komponiert worden! Wie sehr würden sich Beethoven und Hölderlin schämen, wüssten sie, was unsere Väter und Großväter, die Mütter und Großmütter taten und was sie unterließen und wie viele Enkel und Urenkel immer noch wegsehen, nicht wahrhaben wollen, verschweigen und verdrehen, was in den meisten Familien bleiben wird: das Singen und Klagen, das Bitten und Flehen unserer Brüder und Schwestern, die nicht sterben wollen, die immer noch nicht sterben wollen, die bei uns bleiben.
Sie hören uns zu.
Geprägt von Schlussstrichmentalität
Über 20.000 Personen der SS waren in den KZs als Wachpersonal eingesetzt. Und es gab in Europa mit allen Außenlagern 1634 KZs. Eine unvorstellbare Anzahl. Seit den Nürnberger Prozessen vor Gründung der Bundesrepublik in den Jahren 1946 bis 1949, wo die „Hauptkriegsverbrecher“ vor Gericht standen, prägte uns Deutsche die Schlussstrichmentalität.
Die Rechtsprechung und Strafrechtskommentarwerke halfen mit. Der Bundesgerichtshof vertrat nämlich bis vor fünf Jahren die sogenannte Animus-Theorie, wonach Täter der Massenmorde nur diejenigen sein konnten, welche die Tat als eigene gewollt hätten. Damit konnten sich die meisten freistellen und die eigene Tat dem höher gestellten in der SS-Hierarchie überantworten. Man war dann allenfalls Gehilfe der Mordtaten.
So blieb es sieben Jahrzehnte.
Die dunkle Bilanz der Justiz
Dieses Verhalten der Strafrechtspflege macht das Desaster bei der „Aufarbeitung“ der NS-Morde deutlich. Nachdem nun fast alle Täter verstorben sind, und die allerletzten Prozesse gegen KZ-Wächter geführt wurden und werden, hatte der Bundesgerichtshof ein Einsehen und hat die Animus-Theorie aufgegeben und erkennt zurecht, dass maßgeblich für den Mittäter in den Todesfabriken das Erkennen und Handeln im Rahmen des staatlichen Gesamtauftrages der KZs war, nämlich die planmäßige Ermordung von Millionen Menschen. War dies gegeben, war der Tatbeitrag Mord.
Die Prozesse „Demjanjuk“ und „Gröning“ gaben die Wende. Zu spät. Viel zu spät.
Die „kalte Amnesie“ der Politik
Diese Bilanz der Justiz wird noch dunkler mit Blick auf den ehemaligen NS-Staatsanwalt Eduard Dreher, der es als leitender Beamter im Bundesjustizministerium schaffte, eine Vielzahl der Gehilfen an den Massenmorden straffrei zu bekommen – durch das Verfahrenshindernis der Verjährung, das er 1964 geschickt in das Einführungsgesetz zum Ordnungswidrigkeitengesetz einbaute.
Nicht verständlich bleibt jedoch, dass der Deutsche Bundestag das mit sich hat machen lassen und auch zu einem späteren Zeitpunkt diesen Skandal der „kalten Amnestie“ nicht abgestellt hat.
Die Toten mahnen
Und was bleibt nun nach allem? Verzweiflung und Abscheu?
Nein. Deutschland ist ein Bürgerland, eines, das auch Geist, Kraft und Mut hat. Staatsbürger sind wir alle. Die Millionen von Auschwitz bleiben uns nahe, wie alle, die in Rauch aufgegangen sind, und die zu uns sprechen wollen. Hören wir ihnen endlich zu!
Matthias Buth wurde 1951 in Wuppertal geboren. Er ist Lyriker und Publizist und veröffentlichte zahlreiche Prosa- und Gedichtbände, 2019 die Sammlung mit neuer Lyrik „Weiß ist das Leopardenfell des Himmels“, der sich im Frühjahr das Rumänien-Buch „Der Schnee stellt seine Leiter an die Ringmauer“ anschließen wird. Der promovierte Jurist war bis Ende 2016 Justiziar im Kanzleramt bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und ist nunmehr Rechtsanwalt.
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Vor 50 Jahren gestorben
Fritz Bauer – Mut zum Widerspruch

Die Schaffung eines demokratischen Gewissens war das übergeordnete Ziel von Fritz Bauer. Durch die von ihm mit-initiierten Auschwitz-Prozesse sollten die moralischen Grundlagen dafür in der Bundesrepublik gestärkt werden. Am 1. Juli 1968 wurde der damalige Generalstaatsanwalt tot in seiner Wohnung aufgefunden.
Von Bernd Ulrich | 01.07.2018
Generalstaatsanwalt Fritz Bauer im Jahr 1961 (picture-alliance / dpa / Goettert)
Noch am Abend des 29. Juni 1968 war Generalstaatsanwalt Dr. Fritz Bauer in seine Frankfurter Wohnung zurückgekehrt. Sein Freund und Kollege Heinz Meyer-Velde, damals Ministerialrat im hessischen Justizministerium, erinnert sich:
„Er war zurückgekommen an einem ganz heißen Tag, es war Juni. Aus Karlsruhe, da hatte er einen Vortrag gehalten, wenn ich mich recht erinnere, vor dem Bundesverfassungsgericht. Und das setzt natürlich einem Menschen, der kreislaufbelastet ist und Bronchitis hat, ziemlich zu.“
Vermutlich in der Nacht vom 30. Juni auf den 1. Juli 1968 starb Fritz Bauer. Er hatte versucht, so Meyer-Velde, durch ein Bad Abkühlung zu erlangen:
„Und ich vermute, er hat sich in kaltes Wasser gesetzt. Und das war vielleicht nicht gut. Denn in der Nacht ist er dann gestorben. Und erst, na, das war erst am Montagmorgen, als die Putzfrau kam und sein Fahrer. Ich weiß nicht, wer zuerst da war.“
Viele Gerüchte um seinen Tod
Fritz Bauer starb – gut zwei Wochen vor seinem 65. Geburtstag – eines natürlichen Todes, auch wenn die Gerüchte zunächst nicht verstummen wollten. Bedrohungen des Juristen gab es nämlich genug. Sie kamen auch aus seinem nächsten Umfeld, nicht zuletzt nach 1956, dem Jahr seiner Ernennung zum Generalstaatsanwalt des Landes Hessen.
Kein Wunder angesichts der vielen tief in das verbrecherische NS-System verstrickten und einst tatkräftig das Unrecht befördernden bundesdeutschen Juristen. Überliefert ist die bittere Erkenntnis Bauers, er betrete „feindliches Ausland „, wenn er sein Dienstzimmer verlasse. Die Juristin und Vertraute Ilse Staff:
„Also, ich hab das selbst erlebt, da stellte sich bei einem Oberlandesgerichtsrat raus, er war eben Kriegsrichter gewesen, und da waren Akten aufgetaucht, bei dem anderen stellte sich das raus, da waren ja viele Dinge verheimlicht worden und – das waren zwei Welten, die auseinander klafften: Eine Widerstandswelt und eine Mit-Täterwelt.“
Trotz Anfeindungen blieb er in der Bundesrepublik
Fritz Bauer gehörte zu dieser Widerstandswelt, und die Anfeindungen begleiteten ihn seit der Rückkehr aus dem Exil. Die Schmähungen steigerten sich noch, nachdem es ihm gegen starke Widerstände gelungen war, im Jahre 1963 die Frankfurter Auschwitzprozesse gegen einstige Bewacher des Vernichtungslagers auf den Weg zu bringen. Heinz Meyer-Velde:
„Und vor allen Dingen, dass der Auschwitz-Prozess ihm so sehr zugesetzt hat, weil er ja dann während des Prozesses und auch nach dem Prozess – das habe ich persönlich oft miterlebt – dann ging nachts mitunter das Telefon, und Fritz Bauer legte dann nach einigen Augenblicken den Hörer wieder auf und schwieg – und wir wussten, was da gesprochen wurde.“
Offenbar waren die Anfeindungen so bedrängend, dass Fritz Bauer immer wieder daran dachte, die Bundesrepublik zu verlassen. Doch er blieb – und drängte so konsequent wie seiner Zeit weit voraus immer wieder auf Reformen des Strafvollzugs und des Strafrechts. Es lohnt ihm zuzuhören, wenn er in einem Interview vom 12. Februar 1960 über die notwendige Ablehnung des Vergeltungsgedankens im Strafrecht spricht. Der Vergeltung zum Recht zu verhelfen hieße:
„Wir stürzen uns von dem Vernünftigen in das Unvernünftige. Wir schädigen uns selber. Deswegen bleibt immer nur die Aufgabe, für ein Strafrecht das zu tun, was wir mit gutem Gewissen unter Wahrung der Menschenrechte, aber auch aus dem entscheidenden Gesichtspunkt eines Gesellschaftsschutzes zu tun haben und tun müssen.“
Der Mut zum Widerspruch
Auch die Auschwitzprozesse erfüllten in ihrer Durchführung und in ihren Ergebnissen ein tieferes Anliegen Bauers:
„Wenn etwas befohlen wird, sei es Gesetz oder Befehl, was rechtswidrig ist, was also im Widerspruch steht mit den Zehn Geboten, dann musst Du ‚Nein‘ sagen! Es bedarf Mut und Courage in jeder Richtung gegenüber dem äußeren Feind. Man hat völlig übersehen, dass die Zivilcourage, der Mut vor dem Feind im eigenen Volk genauso groß, wahrscheinlich größer ist – und nicht weniger verlangt wird. Dass es ehrenhaft ist, dass es Pflicht des Einzelnen ist, auch in seinem eigenen Staat für das Recht zu sorgen. Und deswegen ist das A und O dieser Prozesse zu sagen: Ihr hättet ‚Nein‘ sagen müssen!“
Die Freiheit zum Widerspruch, der Mut zum Ungehorsam gegenüber verbrecherischen Befehlen – das hatte es einst in Deutschland gegeben. Die geistigen und moralischen Grundlagen dafür auch in der Bundesrepublik wiederherzustellen, gehörte zu den Zielen Fritz Bauers. Er blieb Zeit seines Lebens skeptisch, ob es gelingen könnte.
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Auschwitz-Prozess
Renaissance der Auseinandersetzung mit Fritz Bauer

Die erstaunliche Konjunktur von Fritz Bauer 50 Jahre nach dem Auschwitz-Prozess überrasche ihn nicht, sagte Micha Brumlik, Erziehungswissenschaftler und Publizist, im DLF. Mit wachsendem Abstand werde einem die Größe dieses Menschen erst wirklich bewusst. Durch sein Drängen und Insistieren musste sich die Gesellschaft der BRD mit den NS-Verbrechen auseinandersetzen.
Micha Brumlik im Gespräch mit Kathrin Hondl | 27.09.2015
Micha Brumlik, ehemaliger Leiter des Fritz-Bauer-Instituts, spricht gestikulierend in ein Mikrofon.
Micha Brumlik, ehemaliger Leiter des Fritz-Bauer-Instituts (imago / IPON)
Faszinierend sei, dass ein einziger Mensch durch seinen eisernen Willen und seine moralische Integrität die Gesellschaft dieses Landes dazu gebracht habe, sich ihrer Geschichte zu stellen, so Brumlik, ehemaliger Leiter des Fritz Bauer Instituts.
Am kommenden Donnerstag läuft der Film „Der Staat gegen Fritz Bauer“ an. Darin geht es um das Zustandekommen des Auschwitz-Prozesses, für das der Hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer gesorgt hatte.
Sie können das Gespräch mit Micha Brumlik mindestens sechs Monate in unserem Audio-Archiv nachhören.
Eine schwarz-weiß Aufnahme von Fritz Bauer aus dem Jahr 1961.
Fritz Bauer verstand die Aufarbeitung der Nazi- Verbrechen als Voraussetzung einer demokratischen Nachkriegsgesellschaft. (picture-alliance/ dpa /Goettert)
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4.1 Prozess gegen Oskar G.


BGH zum Fall Gröning
Was ist das Besondere am Gröning-Beschluss?

Stand: 28.11.2016 19:10 Uhr
Der BGH hat das Urteil gegen den SS-Mann Oskar Gröning wegen Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen bestätigt. ARD-Rechtsexperte  Bräutigam zeigt die Hintergründe auf und erläutert, warum die Entscheidung historische Bedeutung hat.
Was ist das Besondere am heutigen Urteil?
Der Fall Gröning bot dem Bundesgerichtshof die Gelegenheit, nach vielen Jahrzehnten wieder ein höchstrichterliches Urteil zur Frage zu sprechen: Wann kann man jemanden, der als SS-Mann in einem Konzentrations- und Vernichtungslager wie Auschwitz war, wegen "Beihilfe zum Mord" bestrafen? Wegen des hohen Alters von Gröning war das Verfahren ein Wettlauf mit der Zeit. In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg wurden nur wenige SS-Mitglieder, die in Konzentrationslagern Dienst getan hatten, zur Rechenschaft gezogen. Dies hatte verschiedene Gründe. Der Juristische: Die Justiz war für eine "Beihilfe zum Mord" in Auschwitz lange Zeit davon ausgegangen, dass man dem Angeklagten die Beteiligung an konkreten Morden, also an einzelnen Taten nachweisen müsse. Das war bei der immensen Zahl der einzelnen Morde so gut wie unmöglich.2011 leitete das Urteil des Landgerichts München gegen den KZ-Aufseher John Demjanjuk eine Art Trendwende ein. Auch der Dienst als Wachmann in einem KZ könne als Beitrag zur Tötungsmaschinerie juristisch als "Beihilfe" gewertet werden. Demjanjuk starb aber, bevor der BGH sich mit der neuen Linie befassen konnte. Oskar Gröning wurde mit ähnlichen Argumenten vom Landgericht Lüneburg wegen "Beihilfe zum Mord" verurteilt. Gespannt haben viele darauf gewartet, ob das Urteil des Landgerichts Lüneburg rechtskräftig wird, der Fall Gröning das neue Grundsatzurteil werden kann.
Wie wurde NS-Unrecht auch "kleinerer Rädchen" von der Justiz verfolgt?
Insgesamt sind viele NS-Täter in der Nachkriegszeit von der Justiz nicht zur Verantwortung gezogen worden. Zwar bestätigte der BGH in den 60er-Jahren Verurteilungen wegen Beihilfe zum Mord in einigen Vernichtungslagern. Ein wichtiger Schritt war auch die "Auschwitz-Prozesse" am Landgericht Frankfurt ab 1963. Sie hatten das Grauen der Konzentrationslager erstmals so richtig ins öffentliche Bewusstsein der Bundesrepublik gebracht. Aber: Zum Komplex Auschwitz gab es auch viele Freisprüche. Diese betrafen zum Beispiel die Vorwürfe der "Beihilfe zum Mord" von vergleichsweise "kleineren Rädchen" in Auschwitz. Der BGH bestätigte 1969 den Freispruch gegen den Auschwitz-Arzt Willi Schatz. Es könne nicht jeder, der "irgendwie" anlässlich des Vernichtungsprogramms tätig geworden sei, für alles Geschehene verantwortlich gemacht worden, so die Haltung damals. In den folgenden Jahrzehnten wurden sämtliche Ermittlungsverfahren gegen SS-Wachmänner in Auschwitz von den Staatsanwaltschaften eingestellt, auch wenn es um den sogenannten "Rampendienst" ging. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt hatte schon 1978 auch gegen Oskar Gröning und 61 andere ehemalige SS-Männer aus Auschwitz ermittelt. 1985 stellt sie die Ermittlungen gegen Gröning wieder ein. Derselbe Sachverhalt wie heute, aber eine andere juristische Bewertung.
Was wurde Oskar Gröning vorgeworfen?
Oskar Gröning, heute 95 Jahre alt, trat 1940 freiwillig in die Waffen-SS ein und war von 1942 bis 1944 in Auschwitz tätig. Konkret ging es im Fall Gröning um die sogenannte "Ungarn-Aktion" 1944 - die massenhafte Deportation ungarischer Juden vor allem nach Auschwitz. Hier wirft das Gericht ihm Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen vor. Eine von Grönings Aufgaben war der sogenannte "Rampendienst". Die Züge mit den deportierten Menschen endeten in Auschwitz auf einem Nebengleis mit einer Holzrampe. Kurz nach dem Aussteigen kam es dort durch die Lagerärzte zur "Selektion" in "arbeitsfähige" und "nicht arbeitsfähige" Personen. Die "nicht arbeitsfähigen" Personen wurden in der Regel direkt ermordet. Grönings Aufgabe war es - bewaffnet und in Uniform - das Gepäck zu bewachen und Diebstähle zu verhindern. Wörtlich heißt es beim Landgericht Lüneburg: "Durch seine Tätigkeit beim "Rampendienst" half der Angeklagte wissentlich und willentlich dabei, durch die Bewachung des Gepäcks die Arglosigkeit der Deportierten aufrechtzuerhalten und gleichzeitig durch seine uniformierte und bewaffnete Anwesenheit auf der Rampe etwaige Widerstände oder Fluchtgedanken gar nicht erst aufkommen zu lassen und somit die schnelle und reibungslose Durchführung des eigentlichen Tötungsvorgangs in den Gaskammern zu ermöglichen. "Weitere Aufgabe Grönings war es, den deportierten Menschen abgenommene Geld zu sortieren, zu verwahren und nach Berlin zu bringen. Deswegen wurde er auch "Buchhalter von Auschwitz" genannt.
Was hatte das Landgericht Lüneburg entschieden?
Das Landgericht Lüneburg hatte Gröning am 15. Juli 2015 wegen Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen verurteilt. Er habe das insgesamt auf Tötung von Menschen ausgerichtete System von Auschwitz-Birkenau durch seinen "Rampendienst" und die Verwaltung des Geldes unterstützt. Der "Rampendienst" habe die schnelle und reibungslose "Selektion" gewährleistet und die spätere Tötung der Menschen in den Gaskammern erleichtert und beschleunigt. Das Landgericht bewertet die "Ungarn-Aktion", also den Mord an 300.000 Menschen, dann als "einheitliche Tat". Es spaltet den Massenmord also nicht in zahlreiche Einzeltaten auf. Es knüpft damit an die neue Linie aus dem Fall Demjanjuk an.
Was hat der BGH jetzt entschieden?
Der Bundesgerichtshof hat das Lüneburger Urteil bestätigt. Oskar Gröning ist also rechtskräftig wegen Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen zu vier Jahren Haft verurteilt.
Wie begründet der BGH die Entscheidung?
Der Grundgedanke lautet: Auch die "kleineren Rädchen" haben eine zentrale Rolle beim Völkermord an den Juden gespielt. Voraussetzung auch bei der "Ungarn-Aktion" sei ein "organisierter Tötungsapparat" gewesen, der mit eingespielten Abläufen in der Lage war, in kürzester Zeit Tausende Morde zu begehen. Zu diesem Apparat habe insbesondere das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau mit dem dortigen Personal gezählt. Wörtlich heißt es: "Nur weil ihnen eine derart strukturierte und organisierte 'industrielle Tötungsmaschine' mit willigen und gehorsamen Untergebenen zur Verfügung stand, waren die nationalsozialistischen Machthaber überhaupt in der Lage, die 'Ungarn-Aktion' anzuordnen." Gröning sei Teil dieses personellen Apparates und der "Drohkulisse" gewesen. Er sei durch seinen "Rampendienst" in die Organisation der Massentötungen eingebunden gewesen, indem er Widerstand oder Fluchtversuche der ankommenden Menschen verhindern sollte. Außerdem sei er in die Verwertung ihrer Vermögenswerte einbezogen gewesen.
Hat der BGH sich von früheren eigenen Urteilen distanziert?
Nein. Im Urteil von 1969 gegen den Auschwitz-Arzt Willi Schatz sei es um einen anderen Sachverhalt gegangen. Der Beschluss greift die Grundsätze von damals auf und kommt zu dem Schluss, Gröning sei nicht nur "irgendwie" in Auschwitz tätig gewesen. Man habe vielmehr konkrete Handlungen mit Bezug zu den Morden in Auschwitz festgestellt. Eine Analyse der möglichen Unterschiede zwischen den Entscheidungen ist auf die Schnelle noch nicht möglich.
Warum die Höhe der Strafe von vier Jahren?
Auf Mord steht lebenslange Freiheitsstrafe. Bei einer "Beihilfe" zum Mord muss das Gericht laut Gesetz eine mildere Strafe aussprechen. Der Strafrahmen liegt dann zwischen drei und 15 Jahren. Grönings Strafe lautet vier Jahren Haft. Die Argumente dahinter stehen im Lüneburger Urteil, damit hat sich der BGH im Beschluss nicht befasst. Gegen den Angeklagten sprachen laut Landgericht Lüneburg die große Zahl der Opfer, die Verwirklichung zweier Mordmerkmale und die Folgen der Tat für die Hinterbliebenen der Opfer, die bis heute unter dem Verlust ihrer Angehörigen leiden. Zugunsten von Gröning hat das Gericht berücksichtigt: sein Geständnis, seine "schonungslose Offenheit" auch im Vergleich zu anderen NS-Tätern. Gröning hatte erklärt, "in Demut und Reue vor den Opfern zu stehen". Er habe sich unter Anspannung sämtlicher geistiger und körperlicher Kräfte dem Verfahren gestellt. Außerdem muss er aus rechtlichen Gründen zumindest die Chance haben, zu Lebzeiten aus der Haft entlassen zu werden.
Kommt Gröning auf jeden Fall ins Gefängnis?
Das hängt davon ab, ob er haftfähig ist. Das Gesetz bietet grundsätzlich die Möglichkeit, dass ein rechtskräftig verurteilter Straftäter nicht ins Gefängnis muss, wenn sein körperlicher Zustand das nicht zulässt. Bei einem sehr alten Menschen wie Gröning wird seine Verteidiger das sicher intensiv prüfen. Zuständig für eine Entscheidung darüber, ob die Strafvollstreckung aufgeschoben wird, ist die Staatsanwaltschaft vor Ort.
Was soll eine Verurteilung 70 Jahre danach bringen?
Mord verjährt nicht, auch Beihilfe zum Mord nicht. Etwaige "Schlussstriche" sieht unser Rechtssystem für solche Fälle nicht vor. Das ist die Leitlinie, die gerade mit Blick auf die NS-Vergangenheit geschaffen wurde. Im Strafrecht geht es auch darum, den Rechtsfrieden wiederherzustellen. Dafür kann so ein Prozess einen kleinen, aber wichtigen Beitrag leisten. Das haben auch die Vertreter der Opfer im Verfahren immer wieder betont.
Waren die Opfer am Verfahren beteiligt?
Ja. Insgesamt gab es über 60 Nebenkläger, die am Prozess beteiligt waren. Das "Internationale Auschwitz-Komitee" betonte, heute sei ein wichtiger Tag für die Überlebenden in ihrem Verhältnis zu Deutschland. Das Komitee bewertet den Beschluss als wichtiges Signal für künftige Prozesse.
Welche Folgen hat die BGH-Entscheidung für weitere Fälle?
Eine wichtige Rolle bei der Aufklärung von NS-Verbrechen spielt die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg bei Stuttgart. Sie führt die Vorermittlungen und gibt die Verfahren dann an die Staatsanwaltschaften ab. Sie war auch an den Ermittlungen in den Fällen Demjanjuk und Gröning beteiligt. Behördenleiter Jens Rommel betonte gegenüber der ARD-Rechtsredaktion, man werde die Akten auf vergleichbare Fälle von noch lebenden Personen überprüfen. Es wird ein Wettlauf mit der Zeit bleiben.
Tun die Gerichte und Behörden etwas, um die Vergangenheit aufzuarbeiten?
Ja. An vielen Stellen arbeiten Historiker die Versäumnisse der Vergangenheit und die weit verbreitete "Schlussstrich-Mentalität" auf. BGH-Präsidentin Bettina Limperg hat zum Beispiel das Dokumentationszentrum der Sinti und Roma in Heidelberg besucht und ein Symposium am BGH veranstaltet. 1956 hatte der BGH in einem Urteil gesagt, dass Sinti und Roma nicht aus rassistischen Gründen verfolgt worden seien, und eine Entschädigung verweigert. Für diese Rechtsprechung könne man sich nur schämen, sagte Limperg. Und betonte auch, dass viele NS-Richter nicht von der Nachkriegsjustiz nicht zur Verantwortung gezogen worden seien. Das Bundesjustizministerium hat zudem mit seinem "Rosenburg-Projekt" die eigene Vergangenheit aufgearbeitet. Die wissenschaftliche Kommission betonte vor allem die hohe Zahl an Mitarbeitern mit NS-Vergangenheit im Ministerium der Nachkriegszeit.
Gröning
Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 28. November 2016 um 20:00 Uhr.
https://www.tagesschau.de/


Historischer BGH-Entscheid
Wer Auschwitz bewachte, ist schuldig

Der Bundesgerichtshof hat entschieden: Der ehemalige Auschwitz-Wachmann Oskar Gröning wird bestraft, auch wenn er persönlich niemanden umbrachte. Anklagen gegen frühere SS-Männer dürften nun leichter werden.
Von Benjamin Schulz und Ansgar Siemens
28.11.2016, 15.13 Uhr
Oskar Gröning Foto: Axel Heimken/ dpa
Es ist ein historischer Beschluss, den der Bundesgerichtshof (BGH) unter dem Aktenzeichen 3 StR 49/16 veröffentlicht  hat. Auf 16 Seiten geht es um die Themen Verbrechen und Schuld, um eine zentrale Frage, die viele Jahrzehnte in der Bundesrepublik beantwortet schien: Hat sich ein SS-Mann in Auschwitz schuldig gemacht, wenn er Teil der Tötungsmaschine war - ohne selbst direkt an Morden beteiligt gewesen zu sein?
Der BGH musste sich mit dem Fall Oskar Gröning befassen, der im vorigen Jahr weltweit Aufsehen erregte. Der mittlerweile 95-Jährige hatte im KZ Dienst an der Rampe getan, um während der "Ungarn-Aktion" vom 16. Mai bis zum 11. Juli 1944 das Gepäck der ankommenden Juden zu bewachen. Ihm war klar, dass sie vergast werden sollten. Bei der "Ungarn"-Aktion deportierten die Nazis von Mai bis Juli knapp 440.000 ungarische Juden nach Auschwitz, etwa 300.000 wurden vergast.
Vier Jahre Haft für Oskar Gröning
Der als "Buchhalter von Auschwitz" bekannt gewordene Gröning zählte das Geld der Opfer und schickte es nach Berlin. Außerdem war es permanent seine Aufgabe, Widerstand oder Flucht von Deportierten mit der Waffe zu verhindern. Das Landgericht Lüneburg verurteilte ihn im Juli 2015 zu vier Jahren Haft - wegen Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen.
Der BGH hat dieses Urteil bestätigt, damit ist es rechtskräftig. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hatten Ermittler Verfahren in der Regel eingestellt oder gar nicht erst eröffnet, wenn einem SS-Mann konkrete Taten nicht zugerechnet werden konnten. Nun hat der BGH einen Paradigmenwechsel in der Rechtsprechung bekräftigt, der von Opfervertretern lang ersehnt war.
Rechtsanwalt Thomas Walther, der im Gröning-Prozess mehrere Nebenkläger vertrat, sagte SPIEGEL ONLINE, er sei froh. Erstmals sei auch höchstrichterlich festgestellt: "Jeder, der in Auschwitz am Massenmord mitgewirkt hat, ist schuldig." Über Jahrzehnte habe die Justiz "Strafverhinderung" betrieben, sagte Walther. Fortan sei es "juristisch einfacher, ehemalige SS-Männer anzuklagen und zu verurteilen".
Für eine konkrete Tat braucht es Zeugen, die sich erinnern, was nach mehr als 70 Jahren naturgemäß schwierig ist. Der Nachweis hingegen, dass ein Wachmann in Auschwitz war, ist vergleichsweise leicht zu erbringen.
Oberstaatsanwalt Jens Rommel, Leiter der zentralen Stelle der Länder zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg, sprach von einer "ganz wichtigen Entscheidung" des BGH. Es sei nun klar, dass auch der einzelne Wachmann "für die systematische Mordmaschinerie von Auschwitz" mitverantwortlich gewesen sei.
Die neue Linie in der Rechtsprechung fand erstmals große Beachtung im Verfahren gegen John Demjanjuk. Das Landgericht München verurteilte den gebürtigen Ukrainer 2011 wegen Beihilfe zum Mord an mehr als 28.000 Juden im Lager Sobibor - auch wenn ihm eine Beteiligung an einer konkreten Tat nicht nachgewiesen werden konnte.
Rechtskräftig wurde das Urteil nie, weil Demjanjuk starb, bevor der BGH entscheiden konnte. Seither stand ein Votum des obersten deutschen Gerichts in einer vergleichbaren Frage aus. Rommel sagte, seine Behörde wolle nun auch das Wachpersonal anderer Lager überprüfen, sofern dort systematisch gemordet wurde. Dabei gehe es zum Beispiel um Buchenwald und Ravensbrück.
Fälle vor Gericht
Beeinflussen könnte der jüngste Richterspruch auch zwei weitere Verfahren, die bereits vor Gericht verhandelt wurden.
Das Landgericht Detmold verurteilte den früheren Auschwitz-Wachmann Reinhold Hanning im Juni zu fünf Jahren Gefängnis - wegen Beihilfe zum Mord in 170.000 Fällen. Als SS-Unterscharführer habe er zum Funktionieren der Mordmaschinerie beigetragen. Die Verteidiger haben Revision eingelegt.
In Neubrandenburg war im Oktober der Prozess gegen Hubert Z. geplatzt. Der 95-Jährige war Angehöriger des Sanitätsdienstes in Auschwitz-Birkenau, der Vorwurf lautet Beihilfe zum Mord in mindestens 3681 Fällen. Wegen des Gesundheitszustandes des Mannes ist fraglich, ob der Prozess erneut beginnen kann.
Ihren Ursprung hatten die Verfahren stets bei den Ermittlern in Ludwigsburg, die später die Akten an die örtlichen Staatsanwaltschaften weiterreichten.
Ob Oskar Gröning nun wirklich seine Haft antreten muss, ist ungewiss. Wegen der fehlenden Rechtskraft blieb er nach dem Urteil in Freiheit. Nun muss die Staatsanwaltschaft entscheiden, ob er haftfähig ist.
https://www.spiegel.de/


Mord-Beihilfe in 170.000 Fällen
KZ-Wachmann zu fünf Jahren Haft verurteilt

17.06.2016, 14:11 Uhr
Das Landgericht Detmold verurteilt den früheren SS-Wachmann Reinhold Hanning zu fünf Jahren Haft. Das Gericht spricht den 94-Jährigen der Beihilfe zum Mord in mindestens 170.000 Fällen im KZ Auschwitz schuldig.
Für die Beihilfe zum Mord an 170.000 Häftlingen im Konzentrationslager Auschwitz ist ein ehemaliger SS-Mann zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Das Landgericht Detmold sah es als erwiesen an, dass der 94 Jahre alte Reinhold Hanning als Wachmann zum Funktionieren der Mordmaschinerie in Auschwitz beigetragen hat. "Sie waren knapp zweieinhalb Jahre in Auschwitz und haben damit den Massenmord befördert", sagte Richterin Anke Grudda zu Beginn der Urteilsbegründung.
Hanning hatte im Prozess zugegeben, Mitglied der SS-Wachmannschaft gewesen zu sein und vom Massenmord gewusst zu haben. Er war von Anfang 1942 bis Juni 1944 in dem nationalsozialistischen Vernichtungslager eingesetzt. In Auschwitz kamen während des Zweiten Weltkriegs mindestens 1,1 Millionen ums Leben.
Mit dem Strafmaß blieb das Gericht unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die sechs Jahre Haft gefordert hatte. Hannings Verteidiger hatten Freispruch beantragt. Es seien im Prozess keine Beweise für die direkte Beteiligung Hannings an konkreten Taten vorgelegt worden. Er habe zu keinem Zeitpunkt Menschen getötet, geschlagen oder dabei geholfen.
Der 94-Jährige aus Lage im Kreis Lippe hatte den Prozess weitgehend regungslos verfolgt. Überlebende Auschwitz-Häftlinge hatten ihn vergeblich zu einer umfassenden Aussage aufgefordert. In einer persönlichen Erklärung hatte Hanning lediglich gesagt, er bereue zutiefst, "einer verbrecherischen Organisation angehört zu haben".
Hanning ist der zweite ehemalige SS-Angehörige, gegen den in jüngster Zeit ein Urteil wegen Beihilfe zum Mord in Auschwitz ergangen ist. Das Landgericht Lüneburg hatte im Juli 2015 den als "Buchhalter von Auschwitz" bezeichneten Oskar Gröning zu vier Jahren Haft wegen der Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, der Bundesgerichtshof muss noch über eine Revision entscheiden.
Quelle: ntv.de, bdk/dpa/AFP
https://www.n-tv.de/


Nationalsozialismus
"Massenmord befördert": Fünf Jahre für Auschwitz-Wachmann

Detmold (dpa) - Ein früherer Wachmann im Konzentrationslager Auschwitz ist wegen Beihilfe zum Mord in 170 000 Fällen zu fünf Jahren Haft verurteilt worden.
17.06.2016, 14:16 Uhr
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"Massenmord befördert": Fünf Jahre für Auschwitz-Wachmann
Reinhold Hanning wurde zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Foto: Bernd Thissen
dpa
Detmold (dpa) - Ein früherer Wachmann im Konzentrationslager Auschwitz ist wegen Beihilfe zum Mord in 170 000 Fällen zu fünf Jahren Haft verurteilt worden.
Das Landgericht Detmold sah es am Freitag als erwiesen an, dass der heute 94 Jahre alte Reinhold Hanning als SS-Unterscharführer zum Funktionieren der Mordmaschinerie in dem Vernichtungslager beigetragen hat. "Sie waren knapp zweieinhalb Jahre in Auschwitz und haben damit den Massenmord befördert", sagte Richterin Anke Grudda in der Urteilsbegründung.
Hanning nahm das Urteil gefasst entgegen. Er hatte im Prozess zugegeben, den Vernichtungscharakter des Lagers gekannt zu haben und um Entschuldigung gebeten. Hanning war Anfang 1942 nach Auschwitz versetzt worden, angeklagt war nur der Zeitraum von Anfang 1943 bis Mitte 1944. Mindestens 1,1 Millionen Menschen kamen während des Zweiten Weltkriegs in dem KZ ums Leben.
"Wir haben nicht geglaubt, dass das Gericht zu einem Freispruch kommt", sagte sein Verteidiger Andreas Scharmer. Die Verteidigung hatte dennoch einen Freispruch beantragt, die Staatsanwaltschaft eine Haftstrafe von sechs Jahren. Beide Seiten ließen offen, ob sie das Urteil anfechten werden.
Auschwitz-Überlebende, die im Prozess als Nebenkläger auftraten, der Jüdische Weltkongress (WJC) und das Wiesenthal-Zentrum in Jerusalem reagierten mit Erleichterung auf das Urteil. "Er hat die Strafe bekommen, die er verdient", sagte WJC-Präsident Ronald S. Lauder in New York. Für die Opfer und ihre Angehörigen habe die Verurteilung Hannings eine hohe Bedeutung, sagte der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, der "Neuen Westfälischen" (Samstag). Das Urteil könne aber nicht die Jahrzehnte langen Versäumnisse der deutschen Justiz wiedergutmachen, betonte er.
Mehrere Überlebende hatten während des vier Monate andauernden Prozesses von den Gräueltaten in Auschwitz berichtet. Deportierte seien in die Gaskammern geschickt, erschossen oder aufgehängt, Kinder zu brennenden Leichen in Feuergruben geworfen worden.
Hanning ist der zweite ehemalige SS-Angehörige, gegen den in jüngster Zeit ein Urteil wegen Beihilfe zum Mord in Auschwitz erging. Das Landgericht Lüneburg hatte im Juli 2015 den als "Buchhalter von Auschwitz" bezeichneten Oskar Gröning zu vier Jahren Haft verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, der Bundesgerichtshof muss noch über eine Revision entscheiden. Ob überhaupt ein mehr als 90 Jahre alter Verurteilter ins Gefängnis kommt, muss ein gesundheitliches Gutachten klären.
Richterin Grudda kritisierte in ihrer Urteilsbegrünung am Freitag, dass es in Deutschland lange Zeit keine kritische Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus gegeben habe. Lange Zeit wurden Fälle wie Gröning und Hanning nicht verfolgt.
https://www.weser-kurier.de/


Haftfähigkeit bestätigt
KZ-Wächter Gröning muss ins Gefängnis

Ein Amtsarzt hält den 95 Jahre alten früheren KZ-Wachmann für haftfähig. Dies erfuhr der WESER-KURIER von der Staatsanwaltschaft. Auch der Druck auf 30 andere NS-Verbrecher wird größer.
21.04.2017, 19:32 Uhr
Lesedauer: 1 Min
Von Peter Mlodoch
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KZ-Wächter Gröning muss ins Gefängnis
Der Angeklagte Oskar Gröning im Gerichtssaal in Lüneburg bei dem Prozess im Juli 2015.
dpa
Ein Amtsarzt hält den 95 Jahre alten früheren KZ-Wachmann für haftfähig. Dies erfuhr der WESER-KURIER von der Staatsanwaltschaft. Auch der Druck auf 30 andere NS-Verbrecher wird größer.
Der wegen Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen verurteilte frühere KZ-Wachmann Oskar Gröning muss laut Staatsanwaltschaft Hannover möglicherweise in Kürze seine vierjährige Gefängnisstrafe antreten. „Der von uns beauftragte Amtsarzt hat ihm jetzt die grundsätzliche Haftfähigkeit bescheinigt“, sagte Staatsanwältin Kathrin Söfker dem WESER-KURIER. Voraussetzung sei allerdings, dass die medizinische und pflegerische Betreuung des 95-Jährigen in einer Justizvollzugsanstalt gewährleistet sei. Dafür kämen mehrere Standorte in Niedersachsen in Betracht, erklärte Söfker. Zunächst aber erhielten Gröning und sein Verteidiger noch Gelegenheit zur Stellungnahme.
Das Landgericht Lüneburg hatte Gröning am 15. Juli 2015 für seine Beteiligung am Massenmord im Vernichtungslager Auschwitz zu vier Jahren Haft verurteilt. Der Nachweis einer konkreten Tötungshandlung sei dafür nicht erforderlich. Es reiche, dass der frühere SS-Mann durch seine Buchhalter-Tätigkeiten im KZ zum reibungslosen Ablauf der Mordmaschinerie der Nationalsozialisten beigetragen habe. Im vergangenen Herbst bestätigte der Bundesgerichtshof in Karlsruhe das Lüneburger Urteil.
30 neue Ermittlungsverfahren gegen NS-Täter
2016 wurden nach Angaben der „Zentralstelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen“ in Ludwigsburg bundesweit 30 neue Ermittlungsverfahren gegen mutmaßliche Täter eingeleitet. Drei neue Fälle gab es laut Justizministerium in Hannover in Niedersachsen. Alle drei Ermittlungsverfahren sind mittlerweile allerdings abgeschlossen, ohne dass es zu einem Prozess kommt.
So ermittelte die Generalstaatsanwaltschaft Celle nach Hinweis aus Ludwigsburg gegen einen 1925 geborenen Mann aus der Region Hannover. Er soll in einer Wachmannschaft des KZ Stutthof bei Danzig tätig gewesen sein. Der Beschuldigte stritt jedoch ab, der Gesuchte zu sein. Er sei niemals in Stutthof gewesen. Am 8. Dezember 2016 stellte die Celler Behörde das Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachts ein.
https://www.weser-kurier.de/



Der Auschwitz-Prozess von Lüneburg 2015
Die letzten Zeugen

Die 89-jährige Eva Pusztai-Fahidi ist eine der letzten Zeugen, die dem Auschwitz-Prozess in Lüneburg gegen Oskar Gröning beiwohnten. Für die KZ-Überlebende sei die Verhandlung eine mehr als wichtige Erfahrung gewesen, sagt sie. „Ich habe das Gefühl, mir war das Leben noch etwas schuldig – und jetzt hab‘ ich es!“
Von Alexander Budde | 07.01.2016
Eva Pusztai-Fahidi – aufgenommen am 26.1.2015 bei der Auftaktveranstaltung des Gedenkens zum 70. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz. (dpa / picture alliance / Bernd von Jutrczenka)
Lüneburg, Niedersachsen, im April vorigen Jahres: Journalisten und Zuschauer aus aller Welt drängen sich in der Ritterakademie. Das Landgericht hat die geräumige Veranstaltungshalle zum Ort der Verhandlung bestimmt. Schwarze Tücher bedecken Bühne und Richterpult – die Kammer ist erkennbar um ein würdevolles Ambiente bemüht. In ihren verglasten Kabinen lauschen Dolmetscher, sie sollen die folgenden Wortwechsel ins Englische, ins Ungarische, ins Hebräische übersetzen. Hinter der Phalanx ihrer Anwälte sitzen einige der über 70 Nebenkläger: Überlebende von Auschwitz und deren Angehörige.
Éva Pusztai-Fahidi ist aus dem ungarischen Budapest gekommen um Klage zu führen. Die 89-Jährige mit dem schlohweißen Haar bahnt sich eine Gasse durch die Medienmeute, vorbei an Kameraobjektiven und Mikrofonen. Éva Pusztai-Fahidi sagt, sie empfinde an diesem Morgen so etwas wie eine späte Genugtuung.
„Weil ich da bin! Es ist mehr als ein Wunder! Ich hab das Gefühl, mir war das Leben noch etwas schuldig – und jetzt hab ich es!“
Eine Zumutung für die wenigen Überlebenden
Eine Zumutung ist dieser Prozess für die wenigen Überlebenden, die noch die Kraft haben, sich persönlich als Zeugen der Anklage zur Verhandlung einzufinden. Viele sind längst zu gebrechlich, zu krank für die Reise ins norddeutsche Lüneburg. Ein Greis ist auch der Angeklagte.
Gestützt erst auf seinen Rollator, dann auf seinen Strafverteidiger kommt Oskar Gröning herein: schlohweißes Haar, Brille, Strickjacke. Gröning ist der Beihilfe zum Mord an 300.000 ungarischen Juden angeklagt. Gröning, verwitwet, Vater zweier Söhne, hat lange unbehelligt in einem kleinen Dorf in der Lüneburger Heide gelebt.
Kein Leugner
Gröning ist kein Leugner. Er hat nie bestritten, im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau Dienst getan zu haben – auch im Sommer 1944, als 425.00 Juden aus Ungarn dorthin deportiert und die allermeisten binnen weniger Wochen in die Gaskammern getrieben und ermordet wurden. Bei ihrer Ankunft in Eisenbahnzügen mussten die Menschen ihr Gepäck auf der Zugrampe zurücklassen. Gröning bewachte es, im Dienst der sogenannten Häftlingsgeldverwaltung. Die ließ ihre Kommandos in Mänteln, Schuhen, Koffern nach verborgenem Schmuck und kostbaren Devisen suchen.
Gröning führte Buch über das nach Berlin gelieferte Raubgut. Allein bei der sogenannten „Aktion Reinhardt“ wurden für das „Reich“ 2-einhalb Tonnen Zahngold und Devisen im heutigen Wert von 100 Millionen Euro erbeutet. Ein kleines Rädchen nur im Getriebe der Todesfabrik?
Mit dem Heraustreiben der Menschen aus den Waggons habe sein Mandant nichts zu tun gehabt, argumentiert Strafverteidiger Hans Holtermann aus Hannover. Die Opfer auszuplündern, das sei allenfalls ein Nebeneffekt, nicht die eigentliche Absicht der Mordaktion gewesen.
„Herr Gröning hatte eine ganz besondere Aufgabe: Er sollte ausschließlich aufpassen und verhindern, dass aus dem Gepäck etwas gestohlen wird. Er war gerade nicht dafür zuständig, das Verladen des Gepäcks zu beaufsichtigen, die Häftlinge anzutreiben, die dafür zuständig waren, oder dafür zu sorgen, dass die Rampe geräumt wird.“
Beispielloes Versagen der deutschen Nachkriegsjustiz
Tatsächlich brauchten Gehilfen wie Gröning jahrzehntelang keine Nachforschungen fürchten. Nach herrschender Rechtsauffassung konnte kein NS-Verbrecher verurteilt werden, wenn ihm nicht eine persönliche Beteiligung an konkreten Mordtaten nachzuweisen war. Die Nebenklägerin Hedy Bohm lebt heute in Toronto, Kanada. Sie spricht von einem beispiellosen Versagen der deutschen Nachkriegsjustiz:
„Ich verspüre keine Rachegelüste, aber der Schuldspruch ist von größter Bedeutung! Wer heute Verbrechen verübt, muss wissen: Eines Tages wird er sich für seine Taten rechtfertigen müssen.
Niemals wieder darf sich einer darauf berufen, er sei ja nur ein kleines Rädchen im Getriebe gewesen! Ohne Männer wie Gröning, die den Mördern halfen, wäre das Geschehene nicht möglich gewesen.“
71 Jahre nach dem Ende ihrer Leidenszeit suchen Éva Pusztai-Fahidi und Hedy Bohm vor einem deutschen Gericht nach Antworten. Ihre Anwälte Thomas Walther und Cornelius Nestler haben dafür gesorgt, dass es diesen Prozess gibt. Der Kölner Strafrechtsprofessor Nestler sieht das Verfahren grundsätzlich um die Frage kreisen.
„... ob man in Auschwitz mitmachen konnte, ohne sich die Hände schmutzig zu machen. Das ist das, was Herr Gröning ja sagt. Und in vielerlei Hinsicht gebührt ihm auch Respekt! Er ist eben einer von denen, die ihre Anwesenheit in Auschwitz zugegeben haben.“
Der große Auschwitz-Prozess gegen den Hauptangeklagten und stellvertretenen Lagerkommandanten Robert Mulka und Mittäter in den 60er-Jahren: Die Angeklagten leugnen den Massenmord, berufen sich auf lückenhafte Erinnerung und Befehlsnotstand. Vergessen wollen auch die vielen Ex-Nazis, die in Nachkriegsdeutschland einflussreiche Posten in der Justiz bekleiden.
Der damalige Chefankläger Fritz Bauer bewirkt zwar gegen allerhand Widerstand die Verurteilung von 17 der 22 Angeklagten, Mulka muss für 14 Jahre ins Zuchthaus.
Abertausende Ärzte, Fahrer, Buchhalter – Helfershelfer wie Gröning – kommen damals jedoch ungestraft davon. Ein erstes Ermittlungsverfahren gegen Gröning hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main 1985 ohne Begründung eingestellt, bemerkt Cornelius Nestler:
„Die Justiz hat über fünf Jahrzehnte lang versagt, indem sie Verfahren, die sie eigentlich hätte durchführen müssen, nicht durchgeführt hat. Die hat das mit unterschiedlichsten und zum Teil vollkommen unvertretbaren Begründungen eingestellt.
Eine Begründung, die 2005 noch vertreten wurde, war, dass die gesamten SS-Wachmannschaften an der Rampe eigentlich vollkommen überflüssig waren, dass die SS-Wachmannschaften an der Rampe so eine Art Ehrenspalier für die Menschen waren, die in die Gaskammer gegangen sind!“
Erst 2008 mit dem sogenannten Demjanjuk-Prozess kommt wieder Bewegung in die strafrechtliche Verfolgung der inzwischen hochbetagten NS-Verbrecher. Der Wachmann des KZ Sobibor wird zu 5 Jahren Haft wegen Beihilfe zum Mord verurteilt. Rechtskraft erlangt das Urteil nie, weil Demjanjuk noch im laufenden Revisionsverfahren verstirbt.
„Tatsächlich ist es wohl so, dass Demjanjuk so eine Art Türöffner war, ein Türöffner, der so das Nachdenken und auch Initiative auf der Ebene der Justiz für solche Verfahren in Gang gebracht hat. Aber die Rechtsalge war vorher klar und die ist auch hinterher klar!“
Gutachter schildern detailliert wie das KZ Auschwitz auf die Massenvernichtung vorbereitet wurde, 13 Überlebende sagen in Lüneburg als Zeugen der Anklage aus. Die Kammer hört von den unmenschlichen Zuständen schon bei den tagelangen Transporten im Viehwaggon. Nicht immer machte der mittlerweile 94-jährige Gröning den Eindruck, als könne er all dem noch folgen.
In seinen Einlassungen schildert Gröning wie er, der gelernte Bankangestellte und „gläubiger Nationalsozialist“ begeistert der SS beitritt. Gröning will dazu gehören, zur „zackigen Truppe“ wie er sagt. Hitlers Eliteeinheit, die den Massenmord an den europäischen Juden organisiert. 1942, da ist er Anfang 20, wird der SS-Unterscharführer nach Auschwitz kommandiert. Vor Gericht berichtet Gröning von Gräueltaten, die ihm angeblich die Augen öffneten. Vehement habe er fortan auf seine Versetzung zur kämpfenden Truppe gedrungen, führt er aus. Gröning spricht von Verdrängung, von der „Bequemlichkeit des Gehorsams“, zu dem man ihn erzogen habe. Erst am Ende seiner Ausführungen bemerkt er wie beiläufig, moralisch mitschuldig zu sein. Auf eine Geste, die Bitte um Verzeihung, hoffen die weit gereisten Nebenkläger jedoch vergeblich.
„Es ist schwer, sich das anzuhören. Ich sehe einen Mann, der seine Schuld nicht in Gänze ertragen kann. Der sich herausredet, wo es um seine Taten geht und die des Systems. Ich habe ihn nicht sagen hören: „Es tut mir leid. Ich trage Schuld.“ Aber wir haben so lange gewartet. Und in meinen kühnsten Träumen hätte ich mir nicht ausmalen können, einem Wachmann der SS entgegen zu treten, der auf der Rampe gewesen sein könnte, als meine Familie und ich dort ankamen. Dass er der Angeklagte und ich die Zeugin bin!“
Auch Éva Pusztai-Fahidi hört den Greis im Jargon der Nazis von „Versorgung“ sprechen. Und weiß, was er tatsächlich meint. Ihre ganze Familie hat sie binnen Minuten im Gas verloren. Auf der Rampe von Auschwitz war es eine Handbewegung von Lagerarzt Mengele, die über Leben und Tod entschied.
„Mein Zug ist angekommen in der Morgendämmerung. Die Hunde haben draußen gebellt und man hat gebrüllt. Ich weiß nicht, wie mein Vater verschwunden ist. Ich habe keine Ahnung, was war das letzte Wort was ich ihm gesagt hab. Die größte Tragödie meines Lebens ist mir so zugekommen, dass ich überhaupt nichts darüber gewusst habe, was mit mir passiert ist. Dass ich alles verloren habe, meine ganze Familie. Bei dieser kleinen Gebärde. Damals wusste ich auch das nicht, dass ich 49 Familienmitglieder im Holocaust verlieren werde.“
Am Ende eines langen Abends im Ratssaal von Uelzen drängen sie heran: Hedy Bohm mit jungen Leuten ins Gespräch vertieft. Eva Pusztai-Fahidi signiert ihr Buch. „Die Seele der Dinge“ beschreibt den Untergang ihrer Familie. Leben, um davon zu erzählen. Die beiden tun es oft gemeinsam, vor Schulklassen, in Ratssälen und – wenn die Zeit reif ist – auch vor den Schranken des Gerichts.
Am 15. Juli – nach 17 Verhandlungstagen – verkündet die vierte große Strafkammer unter Vorsitz des Richters Franz Kompisch das Urteil: Schuldig der Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen. Vier Jahre Haft für Oskar Gröning, denn der sei nicht einfach nur der Buchhalter, sondern Teil einer Tötungsmaschinerie gewesen.
Einer Struktur, ohne die das Vernichtungslager nicht funktionieren konnte. Grausam und heimtückisch habe Gröning geholfen, den ahnungslosen Menschen auf der Rampe vorzugaukeln, sie bekämen ihr Gepäck zurück und es ginge nur zum Duschen.
Ein salomonisches Urteil
„Auschwitz war eben nicht nur Einzelakte einzelner Täter, sondern Auschwitz war ein System. Und jeder, der an dem System mitgewirkt hat, ist mit dafür verantwortlich.“
Feiert Nebenklage-Anwalt Cornelius Nestler das aus seiner Sicht salomonische Urteil. Doch Gröning und seine Anwälte suchen die Revision. Die Justiz habe die Ermittlungen gegen Gröning erst jahrzehntelang verschleppt, dann frühere Aussagen gegen die einstigen Kameraden nicht angemessen bewertet.
Auch einige Anwälte der Nebenklage fechten das aus ihrer Sicht zu milde Urteil an. Möglicherweise im Frühjahr könnte der Bundesgerichtshof entscheiden. Solange das Urteil nicht rechtskräftig ist, muss Gröning nicht ins Gefängnis.
Für die Überlebenden war der Prozess die wichtigste Erfahrung ihres Lebens, sagt Eva Pusztai-Fahidi. Ein ganzes Menschenleben haben sie darauf warten müssen. Doch von Auschwitz gibt es keine Befreiung:
„Ich sage immer, wir die auf der Rampe zum Leben verurteilt wurden: Auf einmal sind wir dagestanden, kahl geschoren, splitternackt. Alle Auschwitz-Überlebende müssen etwas im Leben mit diesem Trauma anfangen. Wir wollen nicht hassen, einfach aus diesem Grund, weil wir unsere Seele nicht mit dem Hass beflecken wollen. wir haben die Auseinandersetzung entdeckt! Aber verzeihen können wir nicht! Und wollen wir nicht!“
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Richter: Ex-SS-Mann arbeitete freiwillig in Auschwitz

Mehr als eine Stunde lang verliest Richter Kompisch sein Urteil. Eindringlich begründet er seinen Schuldspruch im historischen Prozess um Oskar Gröning, den "Buchhalter von Auschwitz". Ben Knight berichtet aus Lüneburg.
15.07.2015
Oskar Gröning lehnt sich zurück, versteckt sich fast zwischen seinen beiden Verteidigern, als der Vorsitzende Richter Franz Kompisch ihn zu vier Jahren Haft verurteilt. Die Strafe fällt sechs Monate länger aus, als die Staatsanwaltschaft gefordert hatte; zugleich ist sie deutlich milder als die 15 Jahre, die laut Gesetz höchstens möglich gewesen wären.
Ausführlich erläutert Richter Kompisch seine Entscheidung. Er folgt dabei nahezu allen Argumenten der Staatsanwaltschaft: Gröning habe sich in Auschwitz in 300.000 Fällen der Beihilfe zum Mord schuldig gemacht. Gröning, dessen Aufgabe es war, das Geld der ankommenden Lager-Insassen zu "verwalten".
Nebenkläger nicht bei Urteilsverkündung dabei
Der damals Anfang 20-Jährige arbeitete in dem Konzentrationslager außerdem an einer der Bahnrampen. Dort bestand seine Hauptaufgabe darin, das Gepäck der Deportierten zu beaufsichtigen. Doch das mache ihn nicht frei von Schuld, argumentiert der Vorsitzende Richter. "Sich selbst können Sie vormachen, Sie hätten nur auf die Koffer geachtet. Aber Sie haben mitbekommen, was um Sie herum passiert ist und dies durch Ihre Arbeit unterstützt", so die Auffassung Kompischs.
Von den rund ein Dutzend Auschwitz-Überlebenden, die in dem Prozess als Nebenkläger auftraten, ist zur Urteilsverkündung niemand nach Lüneburg gekommen. Das Urteil wurde rund eine Woche früher gefällt als ursprünglich erwartet, weswegen keiner der Überlebenden aus dem fernen Ausland, etwa aus Kanada, anreisen konnte.
Holocaust-Überlebender Leon Schwarzbaum vor dem Landgericht in Lüneburg (Foto: Ben Knight / DW)
Der Holocaust-Überlebende Leon Schwarzbaum vor dem Landgericht in Lüneburg
Dafür hat sich Leon Schwarzbaum, ebenfalls ein Holocaust-Überlebender, kurzfristig aus Berlin auf den Weg nach Lüneburg gemacht. Der Deutschen Welle sagte er vor Beginn der Verhandlung: "Ich war zwei Jahre lang in Auschwitz." Für den 94-Jährigen ist dieser Prozess deshalb besonders wichtig. "Meine ganze Familie wurde ermordet. 30 Personen. Das hier ist der letzte Prozess, der einem SS-Mann aus Auschwitz gemacht wird."
"Es war Ihre Entscheidung"
Kompisch beschreibt in seinem Urteil das Leben Grönings - von seiner Jugendzeit bis hin zu Details seines Dienstes inm Konzentrationslager Auschwitz. Dem Richter geht es darum, deutlich zu machen, dass Gröning willentlich gehandelt habe. Dass er nicht, wie seine Verteidiger argumentierten, von den Nationalsozialisten verführt worden sei. Weder Grönings als konservativ beschriebene Familie, noch der historische Kontext könnten, so der Richter, dessen Schuld mildern. "Es war Ihre Entscheidung", so Kompisch. "Mit Ihren Aussagen hier vor Gericht haben Sie gezeigt, dass Sie damals ein aufgeklärter Mensch waren."
Der Richter geht darauf ein, dass Gröning freiwillig zur SS gegangen sei. Er sei in Auschwitz stationiert worden und dort auch freiwillig geblieben - trotz der Gräueltaten, von denen er gewusst haben müsse. Kompisch argumentiert, dass der Angeklagte auch die Möglichkeit gehabt hätte, sich an die Front versetzen zu lassen, wo Soldaten dringend gebraucht worden seien. "Ich will Sie nicht als Feigling bezeichnen, Herr Gröning, aber Sie haben sich für den leichteren Weg entschieden und sind bei Ihrer Arbeit am Schreibtisch geblieben."
Berufung möglich
Die Verteidigung des 94-Jährigen hatte für dessen Freilassung plädiert, mit der Begründung, die Justiz habe es in der Vergangenheit versäumt, sich diesem Fall rechtzeitig zu widmen. Ermittlungen, die bereits 1978 gegen Gröning aufgenommen worden waren, wurden eingestellt.
Seine Anwälte sahen es zudem als schuldmildernd an, dass Gröning der Justiz dabei geholfen habe, andere Naziverbrechen aufzuklären. Das allerdings sah der Richter anders: Grönings Aussagen hätten nicht wesentlich zur Aufklärung im Zuge anderer Ermittlungen beigetragen, so der Richter.
Nach Prozessende wollten seine Verteidiger nicht kommentieren, wie Gröning das Urteil aufgefasst hat. Sie würden jedoch prüfen, ob sie in Revision gehen, so Hans Holtermann, einer der Verteidiger, zur DW. "Unter anderem würden wir dagegen vorgehen, dass der Richter nicht anerkannt hat, dass Grönings Aussagen zur Aufklärung anderer Fälle beigetragen haben." Und er fügt hinzu: "In unseren Schlussplädoyers haben wir deutlich gemacht, dass wir da völlig anderer Meinung sind."
Gerechtigkeit unmöglich
Auch einige Anwälte der Nebenkläger sind nicht gänzlich zufrieden mit dem Schuldspruch. "Vier Jahre Haft für 300.000 Opfer? Nein, das ist nicht gerecht", sagt Mehmet Daimagüler. Der Anwalt vertritt den aus Ungarn stammenden Nebenkläger György Schwarc.
"Aber weder ich noch mein Mandant haben hier Gerechtigkeit erwartet. Wir sind froh, dass der Prozess grundsätzlich stattgefunden hat und dass mein Klient die Möglichkeit hatte, hier von seinem Schicksal zu berichten. Das ist weitaus wichtiger als das Urteil. Denn wir leben in einer Zeit, in der einige Menschen den Holocaust verleugnen. Besonders hier in Deutschland spielen einige den Holocaust herunter, indem sie beispielsweise auf die Zahl der Opfer auf deutscher Seite aufmerksam machen."
Medizinische Untersuchung soll Klarheit bringen
Von dem Ergebnis einer medizinischen Untersuchung wird es abhängen, ob der sogenannte "Buchhalter von Auschwitz" seine Strafe absitzen muss. Wegen seines hohen Alters und seiner angeschlagenen Gesundheit ist es unwahrscheinlich, dass Gröning ins Gefängnis muss. In jedem Fall muss der Verurteilte die Kosten für den Prozess tragen, inklusive der Kosten, die den Nebenklägern entstanden sind - insgesamt voraussichtlich ein sechsstelliger Betrag.
Datum 15.07.2015
Autorin/Autor Ben Knight / nem
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Nebenklage: "Versagen bei der Verfolgung von NS-Verbrechen"

Im Auschwitz-Prozess von Lüneburg haben Nebenkläger-Anwälte die deutsche Justiz kritisiert und ein höheres Strafmaß gefordert. Der Strafrechtler Nestler sprach von einem jahrzehntelangen Versagen der Justiz.
08.07.2015
Im Prozess gegen den früheren SS-Mann Oskar Gröning vor dem Landgericht Lüneburg sagte der Strafrechtsprofessor Cornelius Nestler in seinem Plädoyer, was er seit Jahren beobachte, sei ein "Trauerspiel". Als Vertreter der Nebenklage erklärte Nestler, es handele sich um eine "Geschichte der Nicht-Verfolgung". Die Mandanten der Nebenklage hätten ihren Anwälten immer wieder die Frage gestellt, warum erst jetzt, 71 Jahre nach den ihm zur Last gelegten Taten, der Prozess gegen Gröning stattfinden konnte.
Nestler: Verweigerungshaltung der Justiz
Gröning hätte auch nach damals geltender Rechtslage schon in den 1970er Jahren angeklagt werden können, sagte Nestler. Die Ermittlungen gegen den ehemaligen SS-Unterscharführer seien aber von der anfangs zuständigen Frankfurter Staatsanwaltschaft mit teils "grotesken" juristischen Argumentationen eingestellt beziehungsweise später nicht wieder aufgenommen worden. Erst die Übernahme des Falls durch die Staatsanwaltschaft in Hannover 2014 habe es eine Wende gegeben, die zum aktuellen Prozess in Lüneburg geführt habe.
"Auschwitz war ein Ort, an dem man nicht mitmachen durfte", schloss Nestler sein Plädoyer. "Herr Gröning hat mitgemacht, und deswegen wird er wegen Beihilfe zum Massenmord verurteilt werden. Viel zu spät, aber nicht zu spät."
Nebenkläger-Vertreter: Strafmaßforderung zu milde
Nebenkläger-Anwalt Christoph Rückel nannte die von der Staatsanwaltschaft geforderten dreieinhalb Jahre Haft "nicht akzeptabel". Die Juristin Suzan Baymak-Winterseel forderte im Namen von zwei Nebenklägern eine Verurteilung wegen "Mordes in Mittäterschaft in 300.000 Fällen". Ein konkretes Strafmaß verlangte sie wie die anderen fünf am Mittwoch zu Wort gekommenen Nebenkläger-Vertreter aber nicht.
Der inzwischen 94-jährige Gröning ist der Beihilfe zum Mord an mindestens 300.000 Juden angeklagt, die von Mai bis Juli 1944 aus Ungarn in das NS-Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort in die Gaskammern getrieben wurden. Gröning wird vorgeworfen, Spuren der Massentötung verwischt zu haben, indem er half, an der Bahnrampe in Auschwitz-Birkenau Gepäck wegzuschaffen.
Der Angeklagte räumte eine "moralische Mitschuld" am Holocaust ein. Durch seine Tätigkeit habe er "dazu beigetragen, dass das Lager Auschwitz funktionierte", hatte Gröning durch seine Anwältin erklären lassen. Eine direkte Beteiligung an den Morden streitet er ab.
Zahlreiche Auschwitz-Überlebende und ihre Nachfahren beteiligen sich als Nebenkläger an dem Prozess gegen Gröning in Lüneburg.
qu/kle (dpa, afp, epd)
Datum 08.07.2015
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"Buchhalter von Auschwitz" gesteht

In einem der letzten großen Auschwitz-Prozesse hat der frühere SS-Mann Oskar Gröning umfangreich seine Mitschuld eingeräumt. Überlebende aus aller Welt waren zum Auftakt des Verfahrens nach Lüneburg angereist.
21.04.2015
"Für mich steht außer Frage, dass ich mich moralisch mitschuldig gemacht habe", erklärte der Angeklagte Oskar Gröning den Richtern. Der mittlerweile 93-Jährige gab zu, unmittelbar nach seiner Ankunft im Konzentrationslager Auschwitz im Jahr 1942 von der Vergasung der Juden erfahren zu haben. "Ich bitte um Vergebung. Über die Frage der strafrechtlichen Schuld müssen Sie entscheiden."
Gröning muss sich wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 300.000 Fällen verantworten. Der gelernte Bankkaufmann und Angehörige der sogenannten Schutzstaffel (SS) wurde im Alter von 21 Jahren nach Auschwitz-Birkenau versetzt. Dort waren SS-Mitglieder unter anderem für die Bewachung, die wirtschaftliche Ausbeutung und Ermordung der Häftlinge zuständig.
Demonstranten vor dem Gerichtssaal in Lüneburg (Foto: dpa)
Demonstranten vor dem Gerichtssaal in Lüneburg
"Buchhalter von Ausschwitz"
Grönings Aufgabe bestand darin, sich um das von neu eingetroffenen Häftlingen zurückgelassene Gepäck zu kümmern und die Koffer nach Geld zu durchsuchen. Die beschlagnahmten Beträge wurden von ihm gezählt und an die SS in Berlin weitergeleitet. Journalisten gaben Gröning deshalb den Namen "Buchhalter von Auschwitz".
Mit seiner Tätigkeit habe er dem NS-Regime wirtschaftliche Vorteile verschafft und das systematische Tötungsgeschehen unterstützt, wirft ihm die zuständige Staatsanwaltschaft Hannover vor. Die Richter beschränken ihre Anklage auf die sogenannte "Ungarn-Aktion" im Sommer 1944, bei der per Bahn rund 425.000 zumeist jüdische Ungarn nach Auschwitz-Birkenau deportiert wurden. Mindestens 300.000 von ihnen sollen dort in den Gaskammern getötet worden sein.
Überlebende in Lüneburg vor Ort
Unter den 60 Nebenklägern sind Holocaust-Überlebende und Angehörige aus verschiedenen Erdteilen. Viele sind trotz ihres hohen Alters nach Lüneburg gekommen, um dem Prozess vor dem Landgericht beiwohnen zu können. Es gehe ihnen um eine späte Gerechtigkeit, nicht um Rache oder eine hohe Strafe, erklärten sie in einer Stellungnahme am Vorabend des Prozessauftakts. Für sie ist jetzt entscheidend, ob der Angeklagte mit seinen bald 94 Jahren bis zum Ende des Prozesses als verhandlungsfähig eingestuft wird.
Urteil für Ende Juli erwartet
Die Staatsanwaltschaft hat 27 Verhandlungstage angesetzt. Das Urteil soll dann Ende Juli fallen. Sollte Gröning verurteilt und für haftfähig erklärt werden, erwartet ihn eine Strafe von mindestens drei Jahren.
Seit 2011 verlangt die Justiz nicht mehr den Nachweis einer direkten Beteiligung an den Morden in den Vernichtungslagern. Seitdem kann auch eine Tätigkeit als Aufseher oder Koch ausreichend für die Annahme von Beihilfe zum Mord sein. Eine unmittelbare Beteiligung an einem konkreten Tötungsdelikt muss nicht mehr nachgewiesen werden.
djo/stu (dpa, epd)
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Wie ein ins Herz gerammtes Messer

Am Dienstag wird vor dem Landgericht Lüneburg der Prozess gegen einen 93-jährigen eröffnet, der SS-Mann im Vernichtungslagers Auschwitz war. Der Anwalt der NS-Opfer und Angehörigen, Thomas Walther, im DW-Interview:
17.04.2015
Deutsche Welle: Herr Walther, gegen den Angeklagten Oskar Gröning wurde bereits 1977 von der Staatsanwaltschaft Frankfurt ein Verfahren eingeleitet, das nach langen Ermittlungen 1985 schließlich eingestellt wurde. Wie kommt es zu dem neuen Verfahren nach so langer Zeit?
Thomas Walther: Die Wende brachte 2011 das Verfahren gegen den ehemaligen KZ-Wächter John Demjanjuk in München. Bis dahin galt eine alte juristische Doktrin, die besagte, dass nur gegen diejenigen Anklage erhoben werden konnte, die nachweislich in irgendeiner Weise eigenhändig und ganz, ganz nah am Tötungsprozess beteiligt waren. Ich konnte im Fall Demjanjuk dazu beitragen, dass nunmehr jede Form einer Unterstützung dieser Todesmaschinerie als eine strafrechtlich relevante Beihilfe zu Mord betrachtet wird. Wir konzentrieren uns dabei nicht auf den gesamten Holocaust, sondern auf die Haupttat, die Deportation von ungarischen Juden nach Auschwitz, von denen 300.000 dort ermordet wurden. Ich muss jetzt nur noch nachweisen, dass der Angeklagte an irgendeiner Stelle dieser Haupttat tätig war.
Warum sollte die Anklage dieses Mal tatsächlich zu einer Verurteilung führen ?
Thomas Walther
"Opfer und Angehörige wollen gehört werden": Thomas Walther, Vertreter von 31 Nebenklägern
Meine Hoffnung ist dadurch begründet, dass die Anklage hervorragend formuliert ist. Außerdem liegen die rechtlichen Fragen derart deutlich auf der Hand, dass ernsthaft kein Jurist daran Zweifel hegt, dass es hier auch zu einem Urteil kommt. Der konkrete Tatvorwurf betrifft zwei Punkte. Zum einen hat Gröning in der Gefangeneneigentumsverwaltung das Geld der Juden eingesammelt, gezählt und nach Berlin gebracht. Und er hatte eine zweite Aufgabe, die sich auf der Rampe abspielte, an der die Züge ankamen. Bevor die nächsten Züge mit Deportierten ankamen, mussten, um die nächsten Selektionsprozesse zu gewährleisten, von den Rampen Koffer, Kleider, Sterbende und Tote aus vorherigen Zügen beseitigt werden. Das war Aufgabe der Einheit von Gröning. Dazu gibt es auch Bestätigungen seiner Vorgesetzten.
In früheren NS-Prozessen leugneten Angeklagte ihre Beteiligung oder versuchten mit juristischen Kniffen einer Verurteilung zu entkommen. Wie verhält sich bisher der 93-Jährige Oskar Gröning ?
Ich bin aufgrund seines bisherigen Verhaltens davon überzeugt, dass Gröning sich mit seinem Verteidiger ganz anders präsentieren wird als Herr Demjanjuk mit seinem damaligen Verteidiger in München. Es liegen überhaupt keine Anzeichen dafür vor, dass da Schauspielkunst im Gerichtssaal erprobt werden muss. Gröning wird möglicherweise eine Gehhilfe benutzen, er ist geistig aber völlig auf der Höhe. Er leugnet auch nicht, in Auschwitz gewesen zu sein. Er leugnet nicht den Holocaust. Die einzige Einwendung ist: Er sieht seinen Anteil daran juristisch nicht als strafrechtliche Beihilfe. Bestimmte Vorgehen auf der Rampe werden minimiert. Er hat zum Beispiel vortragen lassen, dass er nur darauf geachtet habe, dass niemand aus den Gepäckstücken auf der Rampe irgendetwas entwendet.
Die Anklage lautet auf Beihilfe zum Mord an 300.000 Menschen. Wird Gröning seine Schuld anerkennen?
Wie weit seine Einlassung gehen wird und wie weit er auch in einem strafrechtlichen Sinne seine Schuld einräumen wird, weiß ich nicht. Ich rechne damit, dass er doch in einem relevanten Umfang von moralischer Schuld sprechen wird. Das ist aber nicht strafbar. Und dann wird es darauf ankommen, wie sich seine eigene Überzeugung in der Zeit dieses Verfahrens (Anm. der Redaktion: bis Ende Juli) eventuell wandelt und ob er später doch noch zu der Erkenntnis kommen könnte, dass es unter Umständen gar nicht so nachteilig für ihn werden würde, wenn er insgesamt seine Tatbeteiligung und seine strafrechtliche Schuld eingesteht. Wenn das geschieht, ist es ein absolut singulärer Einzelfall. Das ist zuvor noch nie geschehen. (Anmerkung der Redaktion, 21.04.2015: Gröning räumte am ersten Prozesstag eine Mitschuld ein. "Für mich steht außer Frage, dass ich mich moralisch mitschuldig gemacht habe", erklärte er den Richtern. "Ich bitte um Vergebung. Über die Frage der strafrechtlichen Schuld müssen Sie entscheiden." Der mittlerweile 93-Jährige gab zu, unmittelbar nach seiner Ankunft im Konzentrationslager Auschwitz im Jahr 1942 von der Vergasung der Juden erfahren zu haben.)
Sie vertreten 31 der über 60 Nebenkläger. Welche Schicksale mussten sie erleiden?
Ich habe einen Mandanten, der hatte acht, ein anderer, der hatte neun Geschwister gehabt, die alle - ohne Ausnahme - nach der Ankunft in Auschwitz ermordet wurden, genauso wie die jeweiligen Eltern dazu. Dass eine Großfamilie von neun oder zehn Personen innerhalb von zwei Stunden auf einen 14-jährigen Jungen reduziert werden konnte, das ist ein Schicksal.
In einem Fall war der Sohn im Alter von vierzehn Jahren schon mit dem Vater auf der Seite, auf der die Menschen zur Arbeit in das Lager Birkenau geführt wurden. Dann hat sich der Junge unter den Bahnwaggons hindurch geschmuggelt, um bei seiner Mutter zu bleiben. Diese war mit kleineren Geschwistern auf der Seite gewesen, auf der die Menschen zur Vergasung geführt werden sollten. Das war das erste Mal, dass seine Mutter ihn fürchterlich angebrüllt hat, er solle sofort zurück gehen. Du bist ein Mann, geh da rüber. Der Junge ist dann tatsächlich zum Vater zurück. Nur dadurch hat er überlebt.
Ich habe in Kanada Video-Interviews gemacht. Ein 87-Jähriger jüdischer Geschäftsmann, der geschäftlich außerordentlich erfolgreich in seinem Leben war, sitzt mir gegenüber und erzählt davon, dass er jeden Morgen, wenn er aufwacht, das Bild seiner Eltern und seiner Schwester mit 11 Jahren sieht und zwei Minuten später bricht dieser Mann in Tränen aus. Das wiederholt sich dann auch und er erklärt mir, dass kein Tag vergeht, an dem er diesen Verlust und diesen Schmerz und diese Trauer nicht immer wieder wie ein ins Herz gerammtes Messer in sich spürt. Das geht seit 70 Jahren so.
Prozessort in Lüneburg - die Ritterakademie von außen.
Aufgrund großem Medieninteresse am Prozess angemietet: die Ritterakademie in Lüneburg
Was erwarten die Opfer der Gräueltaten von diesem Prozess ?
Die Strafe spielt für die Betroffenen keine oder nur eine untergeordnete Rolle. Die Nebenkläger erwarten, dass vor dem deutschen Gericht ihren ermordeten Angehörigen eine Stimme, ein Gesicht, eine Menschenwürde durch die angemessene Behandlung dieses Teils des Verfahrens zurückgegeben wird. Wichtig ist ihnen, dass das Gericht und die deutsche Justiz ihnen zuhört, dass vielleicht auch ein Dialog mit dem Angeklagten entstehen könnte und dass nach all dieser Zeit eine Antwort der Justiz im Sinne der Gerechtigkeit erfolgt.
Wie erleben Sie die Anteilnahme der Deutschen im Vorfeld dieses Prozesses?
Ich erlebe das durchaus positiv. In dem Sinne, dass Medien und Medienvertreter, nicht nur weil sie die Aufgabe haben, darüber zu berichten, sondern weil sie, wie viele Menschen im Gespräch, echte Empathie und Zuwendung zeigen. Einige Leute fragen sich, was das alles denn noch nach all den Jahren soll. Wenn man dann aber mit ihnen spricht und wenn sie zuhören, ergibt sich doch relativ schnell, dass das doch verstanden wird. Wenn man nicht einfach nur nach einem Schlussstrich fragt, wenn man konkret über diese Vorgänge im KZ spricht, dann erlebe ich kaum ein erkennbares Nicht-Verstehen oder ein Nicht-Akzeptieren. Vor allem junge Leute nehmen großen Anteil, wie meine Gespräche in Schulen und Universitäten gezeigt haben.
Thomas Walther ist Rechtsanwalt in Kempten (Allgäu). Seit 2006 ist er in die Arbeit der Zentralen Stelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg eingebunden und gewann dabei auch viele wichtige Einsichten zur Vorbereitung des anstehenden Prozesses.
Das Gespräch führte Wolfgang Dick.
Datum 17.04.2015
Autorin/Autor Wolfgang Dick
https://www.dw.com/de/




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Angeklagte Nr. 9 - Die "Hyäne von Auschwitz" im Kreuzverhör. Das Protokoll. Erweiterte NEUAUFLAGE: Über 70 historische Dokumente, Handschriften und Fotografien.

Angeklagte Nr. 9 Die "Hyäne von Auschwitz" im Kreuzverhör. Die aktualisierte NEUAUFLAGE, ergänzt mit über 80 Dokumenten, Handschriften und Fotografien! Die KZ-Aufseherin Irma Grese war die jüngste Kriegsverbrecherin, die 1945 im Bergen-Belsen Prozess zum Tode durch den Strang verurteilt wurde. Gerade sie erregte weltweites Aufsehen, weil die ihr zur Last gelegten Verbrechen, die Brutalität und Grausamkeit, ihr Sadismus gegenüber den Häftlingen im krassen Widerspruch zu ihrer Erscheinung standen. Sie hatte viele Namen: "Hyäne von Auschwitz," "Höllenengel" oder "Queen of Belsen." Und ihr Ankläger sagte über sie im Prozess: "Und es gibt keine einzige Grausamkeit, die in diesem Lager stattgefund en hat, für die sie nicht als Verantwortliche bekannt war. Sie nahm regelmäßig an der Selektion für die Gaskammer teil, strafte willkürlich, und als sie nach Belsen kam, fuhr sie genau so fort." In dieser Dokumentation begeben wir uns auf eine Spurensuche in alten Akten und Archiven und beleuchten die 243 Tage des Jahres 1945, von der Befreiung des KZ Bergen-Belsen bis hin zur Hinrichtung der Täter in Hameln. Wir begleiten Grese durch den gesamten Prozess bis an den Galgen, schauen uns die Zeugenaussagen an, lesen, was die Presse schrieb, entdecken wenig bis kaum Bekanntes, korrigieren Irrtümer und tauchen direkt ein in das Geschehen, wenn wir der Befragung und dem Kreuzverhör der Angeklagten Nr. 9 folgen.


ZWEITER WELTKRIEG
AUSCHWITZ 1945
Tausende SS-Täter und wie sie verschwanden

Obwohl die Niederlage absehbar war, hatte die Masse des SS-Personals aus dem Vernichtungslager Auschwitz keine ausgereiften Flucht-Pläne. Viele improvisierten, oft durchaus erfolgreich.
Veröffentlicht am 02.02.2015 |
Von Sven Felix Kellerhoff
Leitender Redakteur Geschichte
Ein erschreckendes Verhältnis: Wenigstens 1,1 Millionen Menschen starben im größten aller nationalsozialistischen Todeslager, dem Komplex rund um die annektierte Stadt Oswiecim, im Dritten Reich Auschwitz genannt. Verantwortlich für ihr oft grausames Ende waren aber insgesamt nur rund 7200 Angehörige der Lagermannschaft. Rein statistisch kam auf jeden SS-Mann (und auf jede der wenigen Frauen aus dem SS-Gefolge) also 152 Morde.
Mitte Januar 1945, als das Lager innerhalb weniger Tage aufgelöst wurde, zählte die Lagerverwaltung immer noch 4487 Mitglieder. Sie bildeten unter anderem den Kommandanturstab, das für Selektionen, Vergasungen und Menschenversuche zuständige Sanitätswesen und vor allem die Wachmannschaften.
„Fall A“: Auflösung der KZ wurde schon 1944 geplant
Obwohl schon seit Sommer 1944 geheime Pläne für eine Auflösung des Lagers vorbereitet worden waren, „Fall A“ genannt, hatten aber nur die allerwenigsten von ihnen eine Flucht vorbereitet. Dabei musste ihnen klar sein, dass die Massenmorde, an denen sie mindestens beteiligt gewesen waren, bestraft werden würden.
Sogar in der Reichshauptstadt wurde zu dieser Zeit ganz offen darüber spekuliert, welch schreckliche Rache die Sieger „wegen der Judenbehandlung“ wohl nehmen würden. Trotzdem hatte kaum jemand aus den mittleren und höheren Funktionen des KZ einen persönlichen „Plan B“.
Rudolf Höß zum Beispiel, erster Kommandant, dann befördert in die zentrale KZ-Verwaltung bei Berlin und im Sommer 1944 als Organisator der apokalyptischen Massenmorde an Ungarns Juden zeitweilig zurückgekehrt, schlug sich Ende April 1945 nach Flensburg durch. Hier teilte SS-Chef Heinrich Himmler seinem Mordorganisator mit, er wolle mit ihm nichts mehr zu tun haben.
Viele SS-Schergen konnten vorerst untertauchen
Rudolf Höß zum Beispiel, erster Kommandant, dann befördert in die zentrale KZ-Verwaltung bei Berlin und im Sommer 1944 als Organisator der apokalyptischen Massenmorde an Ungarns Juden zeitweilig zurückgekehrt, schlug sich Ende April 1945 nach Flensburg durch. Hier teilte SS-Chef Heinrich Himmler seinem Mordorganisator mit, er wolle mit ihm nichts mehr zu tun haben.
Für Höß ein unerwarteter Tiefschlag. Er organisierte sich einen Wehrpass für den Bootsmaat „Fritz Lang“, seine Familie sollte in Dänemark untertauchen. Immerhin hielt das Inkognito zehn Monate, überstand auch die Kriegsgefangenschaft.
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Gelegentlich besuchte Höß sogar seine Familie. Trotz intensiver Fahndung konnte die britische Militärpolizei den wichtigsten Auschwitz-Kommandanten erst am 11. März 1946 enttarnen und festnehmen. Ein gutes Jahr später wurde er in „seinem“ ehemaligen Lager gehenkt.
Ebenso wenig hatten die anderen Kommandanten ihr Untertauchen vorbereitet. Arthur Liebehenschel, 1943/44 verantwortlich für Auschwitz I, verhafteten US-Truppen bald nach Kriegsende; er wurde 1948 in Krakau gehenkt.
Nach Höß’ Beförderung war Fritz Hartjenstein Kommandant von Birkenau geworden. Später in gleicher Funktion im KZ Natzweiler tätig, ließ er sich ohne nennenswerte Gegenwehr festnehmen. Er wurde in Frankreich zum Tode verurteilt, erlag aber vor der Vollstreckung 1954 einem Herzinfarkt.
Josef Kramer wurde noch 1945 hingerichtet
Der letzte eigenständige Kommandant von Birkenau, Josef Kramer, hatte schon vor der Evakuierung von Auschwitz das KZ Bergen-Belsen übernommen; unter seiner Leitung verhungerten hier Zehntausende Menschen.
Wenige Stunden nachdem britische Truppen das Lager bei Celle am Nachmittag des 15. April 1945 befreit hatten, konnte Kramer festgesetzt werden. Anklage, Todesurteil und Hinrichtung am 13. Dezember 1945 folgten.
Etwas länger dauerte es bei Heinrich Schwarz, dem einzigen offiziellen Kommandanten von Auschwitz III. Er hatte Ende Januar 1945 die Verantwortung für die Außenlager des bereits befreiten KZ Natzweiler übernommen. Die französischen Armee verhaftete ihn, er wurde 1947 in Baden-Baden gehenkt.
Richard Baer tauchte auf dem Familiengut Bismarck unter
Von den ehemaligen Kommandanten von Auschwitz lebte nur einer noch Jahre nach Kriegsende in Freiheit: Richard Baer, bis Mitte Januar 1945 zuständig für das Stammlager und Birkenau, übernahm zunächst das KZ Mittelbau im Harz. Als die Amerikaner dieses Lager befreiten, tauchte er mit Papieren auf den falschen Namen „Karl Neumann“ unter.
Doch vorbereitet war auch Baer nicht: Er lebte die kommenden anderthalb Jahrzehnte in einfachsten Verhältnissen als Waldarbeiter auf dem Familiengut der Familie Bismarck bei Hamburg. Ende 1960 wurde er verhaftet und sollte Hauptangeklagter im Frankfurter Auschwitz-Prozess werden. Kurz vor Prozesseröffnung erlag er einer Herzattacke – mit 51 Jahren.
Alliierte ließen Josef Mengele versehentlich wieder frei
Unterhalb der Ebene der Kommandanten gelang es einigen Massenmördern der SS zunächst, mit falschen Papieren zu verschwinden. Etwa dem Adjutanten von Höß, Karl Höcker, oder dem für die Behandlung der Häftlinge zuständigen Franz Johann Hofmann. Beide wurden später verurteilt; Höcker saß insgesamt rund zehn Jahre, Hofmann starb nach 14 Jahren Haft hinter Gittern.
Sogar unter ihren echten Namen untertauchen konnten die Lagerärzte Horst Fischer und Horst Schumann. Als die SED 1965 ihren eigenen Auschwitz-Prozess führen wollte, wurde Fischer, dessen Identität der Stasi schon seit Längerem bekannt war, festgenommen, zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Schumann, der 1951 in Nordrhein-Westfalen enttarnt worden war, flüchtete nach Ägypten und nach Ghana. 1966 wurde er in die Bundesrepublik ausgeliefert und angeklagt. Sehr verständnisvolle Gutachter erklärten ihn 1971 für prozessunfähig, doch Schumann lebte noch bis 1983. Er hatte insgesamt etwa sechs Jahre in Internierung und Untersuchungshaft verbracht.
Die spektakulärste Flucht eines Auschwitz-Täters gelang Josef Mengele. Der berüchtigte Leitende Arzt des „Zigeunerlagers“ von Birkenau hatte bestialische Menschenexperimente vor allem an Zwillingspaaren durchgeführt. Im Frühjahr 1945 wurde er wie beinahe jeder deutsche Mann im wehrfähigen Alter von den Alliierten zuerst interniert, aber rasch wieder freigelassen: Seine wahre Identität war nicht erkannt worden.
Unter falschem Namen in Buenos Aires
Mit manipulierten Papieren schlug sich Mengele in seine Heimatstadt Günzburg durch, wo er einige Wochen im Wald verbrachte. Es folgten fast drei Jahre als Knecht auf einem einsamen Hof in Oberbayern. Dann verzichtete er formal auf sein Erbe und flüchtete über Seilschaften von NS-Sympathisanten nach Genua, von hier aus weiter nach Südamerika. In Argentinien lebte er, unter falschem Namen und finanziert von seiner Familie, in Buenos Aires. Hier lernte er auch Adolf Eichmann kennen. Sogar einen Pass unter seinem echten Namen bekam Mengele.
Anfang 1959 erwirkten Freiburger Staatsanwälte einen Haftbefehl, und Mengele floh nach Paraguay, wechselte dann nach Brasilien. Nun nannte er sich „Peter Hochbichler“, später „Wolfgang Gerhard“. 1979 ertrank er kurz vor seinem 68. Geburtstag; seine Identität wurde 1985 aufgedeckt und später durch einen DNA-Test bestätigt.
Auch Josef Mengele hatte seine Flucht nicht langfristig vorbereitet. Im Gegenteil musste er im Frühjahr 1945 improvisieren, obwohl die Niederlage längst absehbar gewesen war.
Aus der Führungsebene von Auschwitz sind nur zwei Männer bekannt, die erfolgreich und dauerhaft untertauchen konnten: Hans Schurz, dem Chef der Lager-Gestapo, gelang die Flucht aus britischer Internierung; er wurde nie wieder gesehen.
Der Landarzt, der 1962 verschwand
Zunächst unter falschem Namen lebte Hans-Wilhelm König, ein weiterer Lagerarzt. Seine Frau wanderte nach Schweden aus; ihren Mann hatte sie für tot erklären lassen. König lebte und praktizierte bis 1962 als „Dr. Ernst Peltz“ als Landarzt. 1962 flog er auf und verschwand, möglicherweise nach Schweden. Jedenfalls verlor sich seine Spur.
70 Jahre später leben von den einst 7200 Auschwitz-Tätern nur noch wenige Dutzend; gegen sie ermitteln immer noch deutsche Staatsanwaltschaften. Verurteilt wurden insgesamt etwas über 700, oft auch wegen Verbrechen in anderen KZ. Mindestens 1500 dürften noch während des Krieges gefallen sein.
Doch das bedeutet auch: Mehrere Tausend Täter sind nie für ihre Mitwirkung in der größten NS-Mordfabrik bestraft worden. Jedenfalls nicht auf dieser Welt.
https://www.welt.de/


Der «Wilhelm Tell von Auschwitz»

25/07/2022
Neue Zürcher Zeitung. Ende Juli 1989 endete die Flucht des berüchtigten SS-Mannes und KZ-Aufsehers Gottfried Weise – im Berner Oberland. Der Fall ist ein beklemmendes Beispiel für die juristische Aufarbeitung von Nazi-Verbrechen. Ein Blick zurück.
Für die Ärzte im Regionalspital Thun ist es zunächst reine Routine. Ein 68-jähriger Deutscher, der einen Schlaganfall erlitten hat, meldet sich am 13. Juli 1989 am Empfang. Er heisse Gerhard Sieber und benötige dringend Pflege. Sofort wird er behandelt, die Formalitäten können warten. Doch als sich das Personal Tage später darum kümmert, wird es stutzig: Immer mehr Ungereimtheiten tauchen auf – der Name des Patienten, der keinen Pass vorweisen kann, seine Adresse, seine Krankenkasse. Irgendetwas stimmt hier nicht.
Als der Deutsche auch noch damit prahlt, er werde in seiner Heimat steckbrieflich gesucht, wird die Spitalleitung aktiv. Sie meldet den Fall der Berner Kantonspolizei, die wiederum das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement einschaltet. Dieses erkundigt sich schliesslich bei den deutschen Behörden – und siehe da: Gerhard Sieber heisst in Wirklichkeit Gottfried Weise, ist wegen mehrfachen Mordes verurteilt, aber untergetaucht und international zur Fahndung ausgeschrieben. Am 26. Juli wird er im Spital in Thun festgenommen.
Der Fall macht grosse Schlagzeilen. Weise gelte als «einer der übelsten heute noch lebenden Nazi-Schergen», schreibt der «Blick» auf seiner Titelseite. Tatsächlich war der nun unverhofft im Berner Oberland geschnappte Pensionär einst ein berüchtigter SS-Mann und KZ-Aufseher, der von den Lagerhäftlingen wegen seiner Brutalität gefürchtet war. Spitzname: «Wilhelm Tell von Auschwitz».
Vom Krieg ins KZ
Die Biografie des 1921 geborenen Weise enthüllt die Musterkarriere eines nationalsozialistischen Überzeugungstäters. In bürgerlichen Verhältnissen in Sachsen aufgewachsen, absolviert er im «Dritten Reich» eine Maurerlehre sowie eine Handels- und Bauschule. Parallel dazu wird er zu einem «neuen Menschen» im Sinne des «Führers» erzogen. Weise ist Mitglied der Hitlerjugend, 1938 tritt er mit 17 Jahren in die SS ein, zwei Jahre später in die Waffen-SS. Er kämpft im Zweiten Weltkrieg an der Ostfront, wird im Herbst 1941 am Kopf verletzt und verliert das linke Auge. Darauf übernimmt er – inzwischen zum SS-Unterscharführer befördert – im Terrorregime der Nazis neue Aufgaben, etwa im Wachbataillon im KZ Sachsenhausen und ab Ende Mai 1944 im Vernichtungslager Auschwitz.
Am 3. Mai 1945, wenige Tage vor Kriegsende, wird Weise von amerikanischen Streitkräften festgenommen. Um sich bei der Verhaftung als fürsorglicher SS-Mann zu präsentieren, trägt er eine gehbehinderte KZ-Insassin über ein Feld. In Kriegsgefangenschaft beschönigt er seinen Lebenslauf: «Nur dem glücklichen Umstand, dass ich wachdienstunfähig war», verdanke er es, dass er in Auschwitz lediglich als «Kassenhilfsbuchführer» tätig gewesen sei. Sein Vater bittet die Alliierten brieflich um Nachsicht: «Diese Jugend hat den Nazi- und Satansgiftgeist eingehaucht bekommen.»
Im April 1948 wird Weise als «Mitläufer» eingestuft und kommt mit einer «Geldsühne» von 50 Mark davon. Er lässt sich als Bautechniker weiterbilden und findet Arbeit bei einer Bauunternehmung im rheinischen Solingen, wo er als unbescholtener und unauffälliger Bürger lebt, samt Ehefrau und Sohn. Doch seine Vergangenheit holt ihn ein.
Als Anfang der 1960er Jahre in Frankfurt am Main der erste grosse Auschwitz-Prozess stattfindet, kommt auch Weises Name zur Sprache. Der Staatsanwaltschaft reichen die Aussagen eines Zeugen aber nicht aus, um Anklage zu erheben. Erst 1982 kommen die Ermittlungen aufgrund neuer Aussagen wieder in Gang. Im Oktober 1986 beginnt dann vor dem Landgericht in Wuppertal der juristische Showdown.
«Dort sitzt er, immer lächelt er»
Der Wuppertaler Auschwitz-Prozess dauert 16 Monate und macht deutlich, wie schwierig die Beweisführung ist – über 40 Jahre nach den verübten Greueltaten im Konzentrationslager. Es gibt keine sterblichen Überreste der Opfer, geschweige denn Obduktionsberichte. Nicht einmal ihre Identität ist bekannt, schon die zeitliche Eingrenzung eine Herausforderung. In der Anklage heisst es dann zum Beispiel: «an einem nicht näher bestimmten Tag im Juni/Juli 1944». Kommt hinzu, dass die am Prozess aussagenden ehemaligen SS-Männer noch einmal ihren Korpsgeist demonstrieren: Sie zeigen sich zwar gesprächig, aber wenn es um den Beschuldigten Gottfried Weise geht, mögen sie sich plötzlich an nichts mehr erinnern.
Die Anklage muss sich vor allem auf die Aussagen ehemaliger Häftlinge stützen. Die Schilderungen der Zeuginnen und Zeugen, die zum Teil gar nicht in Deutschland vor Gericht aussagen wollten, haben es in sich: Der Horror, den sie erlebten, lässt sich kaum in Worte fassen. Gottfried Weise wird als «Bestie», als «teuflischer Peiniger» beschrieben. Der Angeklagte hingegen erklärt zu Prozessbeginn, er habe «keine Abneigung gegen Häftlinge» gehabt und sie nur in Einzelfällen geschlagen, «um ihnen härtere Strafen zu ersparen». Von seiner Dienstpistole habe er nie Gebrauch gemacht. Danach lehnt er sich zurück und verweigert jede weitere Aussage.
Schnell wird klar, dass Weise in Auschwitz nicht «Kassenhilfsbuchführer» gewesen ist, wie er einst behauptete. Er war in den sogenannten Effektenlagern tätig. Dort mussten die im Kommando «Kanada» eingeteilten Häftlinge die Habseligkeiten der in Viehwaggons im KZ eintreffenden Neuankömmlinge «abfertigen», sprich: auseinandernehmen und sortieren. Unter Aufsicht des SS-Mannes Weise.
Gemäss Anklage waren die Häftlinge für ihn «Staatsfeinde, die keinerlei Milde verdienten und die es auszurotten galt». Von «grenzenlosem Sadismus» ist die Rede. Weise beschimpfte, erniedrigte und misshandelte, er schlug mit dem Spazierstock so hart zu, bis dieser brach, er knüppelte männliche und weibliche Häftlinge, bis sie sich nicht mehr regten. Einer Schwangeren trat er mit den schweren Stiefeln gegen den Bauch. Zu seiner Belustigung liess er «Sportübungen» durchführen: Die bereits entkräfteten Lagerinsassen mussten auf sein Kommando hin abwechselnd «kriechen, hüpfen, spurten, robben». Mehrere Fälle werden geschildert, in denen der Aufseher Weise Häftlinge erschoss, weil ihm ihr Tun missfiel.
Die Insassen nannten ihn wegen seines verletzten Auges den «Blinden» oder den «Einäugigen». Aber eben auch «Wilhelm Tell von Auschwitz» – wegen seiner «Schiessübungen».
Am Prozess werden zwei Fälle prominent verhandelt. Im ersten geht es um einen sechs- bis zehnjährigen Jungen, der frisch im Lager eingetroffen war und weinend bei einer Baracke stand. Weise ging laut Zeugenaussagen auf ihn zu, stellte ihm drei leere Konservendosen auf den Kopf und die Schultern. Das Kind, starr vor Schreck, liess die Schüsse aus wenigen Metern Entfernung über sich ergehen. Als der SS-Mann die Lust an diesem «Spiel» verlor, schoss er dem Jungen mitten ins Gesicht. Der zweite Fall betrifft ein 17 bis 18 Jahre altes Mädchen, dem Weise ebenfalls mehrfach eine Blechdose vom Kopf schoss – bis er ins Gesicht zielte.
Gross ist das Unbehagen einiger Zeugen, wieder im gleichen Raum mit dem ehemaligen Aufseher zu sein. Ein Mann sagt: «Ich lebe es immer mit, wenn ich erzähle. Ich leide noch heute darunter.» Eine Frau zeigt mit dem Finger auf Weise: «Dort sitzt er, immer lächelt er, auch dort lächelte er.»
Im Chalet in Faulensee
Im Januar 1988 verurteilt das Landgericht Wuppertal Gottfried Weise wegen fünffachen Mords zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe. Doch dieser beantragt Revision, bleibt sogar gegen 300 000 Mark Kaution auf freiem Fuss, da das Urteil noch nicht rechtskräftig ist und die Richter keine Fluchtgefahr sehen. Rechtsextreme Kreise unterstützen ihn, eine Verteidigungsschrift erscheint: «Der Fall Weise – ein ‹Lebenslänglicher› fordert Gerechtigkeit». Im April 1989 bestätigt schliesslich der Bundesgerichtshof die lebenslange Strafe in drei Mordfällen. Auf undurchsichtige Art erhält Weise dieses letztinstanzliche Urteil früher zugestellt als die Vollzugsbeamten. Er nutzt den Vorsprung, um unterzutauchen.
Auf welchen Wegen der Deutsche in die Schweiz gelangt, ist nicht bekannt. Tatsache ist, dass er sich bis zu seinem Schlaganfall im Ferienort Faulensee am Thunersee aufhält. Er kommt bei einem Bauer unter, logiert in einer Einzimmerwohnung in dessen Chalet, gibt sich als netter Pensionär, der auch einmal kleine Arbeiten auf dem Hof ausführt. Während dreier Monate bleibt er dort unentdeckt – weder eine deutsche Sonderkommission kommt ihm auf die Spur, noch helfen die TV-Sendung «Aktenzeichen XY» und die Belohnung von 10 000 Mark für sachdienliche Hinweise.
Nach seiner Festnahme im Spital wollen die Schweizer Behörden den verurteilten NS-Verbrecher so schnell wie möglich loswerden. Zu ihrem Glück erklärt sich Weise bereit, freiwillig nach Deutschland auszureisen – sonst hätte der Gesamtbundesrat über die Auslieferung befinden müssen. Schon am 28. Juli 1989 hebt der Helikopter des deutschen Bundesgrenzschutzes mit Weise an Bord vom Flugplatz Bern ab.
Gerätselt wird derweil noch, ob der Deutsche in der Schweiz Unterstützer gehabt habe. Die Bundesanwaltschaft kommt später zu dem Schluss, dass Weise keine Kontakte zu rechtsextremen Gruppen in der Schweiz unterhalten hat. Der Lausanner Holocaustleugner Gaston-Armand Amaudruz bedauert in seinem Rassistenblatt «Courrier du Continent»: «Wir kennen Gottfried Weise nicht. Aber mit Vergnügen hätten wir ihn beherbergt, um ihn vor der Auslieferung zu bewahren.»
Gottfried Weise sitzt fortan in Bochum hinter Gittern. Aber bereits 1997 wird seine Strafe vom Justizminister Nordrhein-Westfalens «aus humanitären Gründen» ausgesetzt. Der damalige Ministerpräsident Johannes Rau spricht eine «Haftverschonung auf dem Gnadenweg» aus. Das führt zu Protesten, worauf die Behörden immerhin die «Kriegsopferrente» streichen, die der Nazi-Scherge wegen seiner Verletzung an der Ostfront während Jahrzehnten erhalten hat. Im Jahr 2000 stirbt Weise an seinem Wohnort in Solingen.
https://www.antifa.ch/

Auschwitz: Letzte KZ-Helfer kommen vor Gericht

Stand: 15.04.2016 17:26 Uhr  | Archiv
von Oliver Diedrich, NDR.de
Am 27. Januar 1945 nahmen Soldaten der Sowjetarmee das NS-Konzentrationslager Auschwitz ein und befreiten die überlebenden Gefangenen. Der Tag wird international als Holocaust-Gedenktag begangen. Doch auch 71 Jahre nach der Auschwitz-Befreiung ist die juristische Aufarbeitung des Massenmordes an Juden, Sinti und Roma, Kriegsgefangenen und anderen Nazi-Opfern nicht bewältigt. Die letzten noch lebenden mutmaßlichen Helfer der SS sollen zur Rechenschaft gezogen werden. Allein in Norddeutschland geht es zurzeit um drei Fälle im Zusammenhang mit den Auschwitz-Verbrechen. In dem Lager im ehemals besetzten Polen hatten die Nazis mindestens 1,1 Millionen Menschen ermordet.
In Schleswig-Holstein geht es aktuell um den Fall einer inzwischen 92-jährigen Frau aus Neumünster. Sie soll von Ende April bis Anfang Juli 1944 als Funkerin der Kommandantur in Auschwitz beim Juden-Mord geholfen haben. Sie war zur Tatzeit noch Heranwachsende, daher ist für den möglichen Prozess die Jugendkammer zuständig. Nun teilte das Kieler Landgericht mit, dass das Hauptverfahren gegen Helma M. vorerst nicht eröffnet werde. Ein Gutachter sei zu dem Ergebnis gekommen, dass sie vorläufig nicht verhandlungsfähig sei. Frühestens nach drei Monaten könne die Seniorin erneut untersucht werden, "um zu klären, ob der Zustand dauerhaft oder vorübergehend ist", sagte eine Gerichtssprecherin. Die Kammer werde nun über das weitere Vorgehen entscheiden.
Prozesse gegen mutmaßliche SS-Helfer häufen sich
"Weigerung hätte keine großen Nachteile gebracht"
71 Jahre nach der Auschwitz-Befreiung stehen die letzten mutmaßlichen NS-Helfer vor Gericht. Chef-Ermittler Jens Rommel erklärt, warum sich nun auch Gehilfen verantworten müssen.
Die Generalstaatsanwaltschaft in Schleswig geht davon aus, dass es einen hinreichenden Tatverdacht gegen Helma M. wegen Beihilfe zum Mord gibt. Sie selbst sagte in einer früheren Vernehmung: "Ich hatte niemals Gelegenheit, das mindeste Verbrechen zu begehen, denn ich habe nur am Funkgerät gesessen", wie die "tageszeitung" zitierte. Prozesse gegen SS-Helfer, denen wohl keine direkte Beteiligung an Mordfällen nachgewiesen werden kann, sondern lediglich eine allgemeine Beteiligung am "Mordsystem Auschwitz", häufen sich zurzeit. Früher hätte es in solchen Fällen wenig Aussicht auf eine Verurteilung gegeben. Doch die Rechtsprechung hat sich geändert, wie Oberstaatsanwalt Jens Rommel von der Zentralen Stelle zur Aufarbeitung der NS-Verbrechen NDR.de sagte: "Seit dem Prozess gegen John Demjanjuk wird der Beitrag der Gehilfen anders gewertet."
Diese neue Auffassung sei zuletzt vom Landgericht Lüneburg im Fall Gröning bestätigt worden, so Rommel: "Dort wurde festgestellt, dass jede Handlung eines Gehilfen, die die Gesamttat erleichtert, für eine Verurteilung wegen Beihilfe ausreichend ist." Beim Landgericht Kiel meldeten sich für die mögliche Eröffnung der Hauptverhandlung gegen Helma M. bereits mehrere potenzielle Nebenkläger - Überlebende oder Angehörige von Opfern des Lagers Auschwitz.
Neubrandenburg: Früherer SS-Sanitäter angeklagt
Im zweiten norddeutschen Fall geht es um den 95-jährigen Hubert Z. aus Mecklenburg-Vorpommern. Er war SS-Sanitäter in Auschwitz. Ein Prozess gegen ihn wegen Beihilfe zum Mord in 3.681 Fällen sollte Ende Februar vor dem Landgericht Neubrandenburg beginnen. Der Start musste aber verschoben werden, weil der Beschuldigte wegen gesundheitlicher Probleme nicht verhandlungsfähig war. Er soll 1944 einen Monat lang in der SS-Sanitätsdienststaffel Auschwitz-Birkenau als Unterscharführer tätig gewesen sein. Laut Anklage der Staatsanwaltschaft Schwerin wusste er, dass es sich um ein Vernichtungslager handelte. Er sei als Sanitäter dabei gewesen, als mindestens 14 Züge mit Deportierten ankamen. Unter ihnen soll auch Anne Frank gewesen sein, Verfasserin der bekannten Tagebücher, die später im KZ Bergen-Belsen starb.
Auschwitz - Geschichte einer Todesfabrik
Von 1940 bis 1945 sterben in Auschwitz mindestens 1,1 Millionen Menschen. Hunderttausende ermorden die Nazis mit Giftgas. Andere werden erschossen, zu Tode gefoltert oder sie verhungern.
Prozess gegen Hubert Z. soll nun Mitte Mai beginnen
Da sich Hubert Z. "in die Lagerorganisation unterstützend" eingefügt habe, habe er an der Vernichtung in Auschwitz-Birkenau mitgewirkt und diese befördert, argumentiert die Staatsanwaltschaft. Die Verteidigung bestreitet dies.
Inzwischen teilte das Landgericht Neubrandenburg mit, dass der Prozess gegen Hubert Z. am 17. Mai neu angesetzt sei. Bis dahin soll die gerichtlich angeordnete Untersuchung des 95-Jährigen abgeschlossen sein. Von dem Ergebnis der umfassenden medizinischen Untersuchung hängt laut Gericht der weitere Prozessverlauf ab.
Auch Verfahren in Neubrandenburg umstritten
Auch im Fall Hubert Z. war eine Anklage lange umstritten. Die Schweriner Staatsanwaltschaft hatte im Oktober 2013 von Rommels Behörde Hinweise auf die Vergangenheit des Mannes erhalten. Mitte 2015 hatte das Landgericht Neubrandenburg noch von der Eröffnung eines Verfahrens abgesehen. Der Mann sei an Altersdemenz erkrankt, die bei ihm zu starken kognitiven Einschränkungen führe. Dagegen hatte die Generalstaatsanwaltschaft jedoch Rechtsmittel eingelegt und sich schließlich durchgesetzt.
Hubert Z. war 1948 bereits von einem polnischen Gericht wegen seiner SS-Zugehörigkeit zu mehr als drei Jahren Haft verurteilt worden, die er auch verbüßte. Danach kehrte er in den damaligen DDR-Bezirk Neubrandenburg zurück. Er arbeitete dort in der Landwirtschaft. Im Zuge der neuen Ermittlungen kam Hubert Z. im Frühjahr 2014 für drei Wochen in Untersuchungshaft. Er wurde aber aus gesundheitlichen Gründen und mangels Fluchtgefahr wieder freigelassen.
"System funktionierte nur, weil viele ihren Beitrag leisteten"
Aus Sicht des Leiters der Zentralen Stelle zur Aufarbeitung der NS-Verbrechen wäre eine Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord sowohl im Fall Helma M. wie auch im Fall Hubert Z. nicht ausgeschlossen: Die Beschuldigten seien zwar sicherlich keine Haupttäter gewesen. "Aber die Nazi-Verbrechen waren 'arbeitsteilig' organisiert. Und sie haben nur funktioniert, weil viele Personen beteiligt waren und ihren - wenn auch vielleicht kleinen - Beitrag geleistet haben."
Einspruch gegen Haftstrafe für Oskar Gröning
Weltweit Schlagzeilen machte bereits im vergangenen Jahr der Fall des früheren SS-Mannes Oskar Gröning. Er musste sich in Lüneburg wegen seines Einsatzes in Auschwitz in den 1940er-Jahren verantworten. Das Landgericht wies Gröning eine zumindest indirekte Beteiligung an der Ermordung von 300.000 ungarischen Juden nach und verurteilte den 94-Jährigen zu vier Jahren Haft. Doch sowohl Gröning als auch mehrere Nebenkläger legten dagegen Einspruch ein. Vertreter von Auschwitz-Opfern fordern eine Verurteilung wegen Mordes und nicht nur wegen Beihilfe. Die Anwälte Grönings wollen dagegen ein milderes Urteil erreichen.
Revisionsverfahren gegen 94-Jährigen verzögert sich
Gröning hatte im Lüneburger Prozess detailliert über seine Rolle in Auschwitz ausgesagt und eine "moralische Mitschuld" für den Massenmord eingeräumt. Bis zur Rechtskraft des Urteils bleibt Gröning auf freiem Fuß. Aber auch wenn der Bundesgerichtshof die Haftstrafe bestätigt, könnte Gröning aus gesundheitlichen Gründen vom Strafantritt befreit werden.
Im Januar wurde bekannt, dass sich die geplante Revision vor dem Bundesgerichtshof wegen eines Formfehlers verzögert. Chef-Ermittler Rommel sagte NDR.de damals, er erwarte eine Entscheidung des BGH bis Mitte des Jahres. Von dem Urteil hänge auch ab, wie viele Prozesse gegen weitere mutmaßliche NS-Helfer noch geführt werden könnten.
https://www.ndr.de/


Angeklagter im Auschwitz-Prozess: "Es tut mir aufrichtig leid"

In einem der wohl letzten Auschwitz-Prozesse in Deutschland hat der ehemalige SS-Mann Reinhold Hanning (94) überraschend eine persönliche Erklärung abgegeben. Von Florian Nusch, Detmold.
29.04.2016
Als Reinhold Hanning im Rollstuhl in den Gerichtssaal geschoben wird, ist sein Blick gesenkt, so wie an allen Verhandlungstagen zuvor. Offenbar möchte er jeden Augenkontakt vermeiden – vor allem mit den Auschwitz-Überlebenden, die in dem Prozess als Nebenkläger auftreten. Verantworten muss sich Hanning für Beihilfe zu mindestens 170.000-fachem Mord in dem Vernichtungslager. Seit Prozessbeginn im Februar hatte Hanning auch jede persönliche Einlassung vermieden und nur seine Anwälte sprechen lassen. Kaum einer hatte deshalb erwartet, an diesem Verhandlungstag erstmals Hannings Stimme zu hören.
Auch Leon Schwarzbaum nicht. Der heute ebenfalls 94-Jährige hat die Gräuel von Auschwitz überlebt - als Einziger seiner Familie. 35 Angehörige, darunter Mutter und Vater, wurden in dem Vernichtungslager ermordet. Seine persönliche Leidensgeschichte erzählt Schwarzbaum seit einigen Jahren immer wieder auch in Schulen. "Aber ich will, dass endlich auch die andere Seite sagt, was sie damals in Auschwitz getan hat."
Warten auf die Beichte
Hannings Anwälte hatten für den 13. Verhandlungstag eine Erklärung ihres Mandanten angekündigt. Deswegen ist der Gerichtssaal an diesem Freitag bis auf den letzten Platz gefüllt; nach der Prozesseröffnung im Februar hatte das Interesse zwischenzeitlich stark nachgelassen. Allerdings, so erklärten die Anwälte, falle es ihrem Mandanten schwer, sich zu konzentrieren und spontan auf Fragen zu antworten. Deshalb werde man einen persönlichen Bericht über Hannings Jugend und seinen Einsatz in Auschwitz verlesen.
Darin räumt der Angeklagte ein, von den Massenmorden gewusst zu haben. "Auschwitz war ein Albtraum. Ich wünschte, nie dagewesen zu sein." Gleichzeitig betont Hanning, dass er dem Dienst in Auschwitz nicht habe entgehen können. Seine Stiefmutter habe ihn gedrängt, zur SS zu gehen. Im September 1941 sei er dann bei einem Fronteinsatz verwundet und zum "Innendienst nach Auschwitz" versetzt worden. Zweimal habe er sich dort wegbeworben – erfolglos. Als Mitglied des Wachbataillons sei es seine Aufgabe gewesen, sicherzustellen dass kein Häftling flieht. "Wenn ich mich richtig erinnern kann, ließ man auch keinen Zweifel daran, dass – sollte man sich weigern – Schlimmeres zu befürchten hatte."
Wahrheit oder Kalkül
Obwohl die Erklärung in der Ich-Form verfasst ist, machen sich nach der Verlesung viele im Saal Gedanken über die tatsächliche Urheberschaft. "Das sind ja seine Anwälte", meint Leon Schwarzbaum. "Das ist alles schöngeredet. Er hat nur die harmlosen Sachen erzählt. Hat er die Misshandlungen nicht gesehen?"
Hanning berichtet, er habe nie Dienst an der "Judenrampe" tun müssen, dort, wo die Selektionen stattfanden. Die Gleise nach Birkenau, den Vernichtungsteil des Lagers, habe er sich nur einmal in seiner Freizeit angeschaut. Ansonsten habe er alles getan, bloß nicht in Birkenau eingesetzt zu werden. Mit anderen Worten: Er wusste Bescheid über die massenhaften Tötungen, daran beteiligt aber sei er nie gewesen.
Überraschung im Gerichtssaal
23 Seiten ist Hannings "persönliche Erklärung" lang. Als sein Anwalt den Vortrag beendet, glauben die meisten bereits, dass der Verhandlungstag damit schon wieder beendet ist. Länger als zwei Stunden darf Reinhold Hanning aufgrund seines hohen Alters und Gesundheitszustandes nicht vernommen werden. Aber dann gibt es für die meisten im Saal doch noch eine Überraschung. Von einem Blatt Papier liest der 94-jährige Angeklagte selbst eine Entschuldigung ab und bricht damit sein monatelanges Schweigen: "Ich bereue zutiefst, einer verbrecherischen Organisation angehört zu haben, die für den Tod vieler Menschen verantwortlich ist. Ich schäme mich dafür, dass ich Unrecht sehenden Auges habe geschehen lassen. Ich entschuldige mich in aller Form. Es tut mir aufrichtig leid." Für Leon Schwarzbaum ist das trotzdem zu wenig. "Ich akzeptiere, dass er sich entschuldigt hat. Aber er hätte noch mehr sagen müssen. Dass er 35 Personen meiner Familie umgebracht hat, gibt es dafür eine Entschuldigung?"
Konnte man als SS-Mann in Auschwitz sein, ohne am hunderttausendfachen Mord zumindest mitschuldig zu werden? Ende Mai soll im Detmolder Prozess das Urteil fallen.
https://www.dw.com/de/




Skandalöse Milde für Nazi-Verbrecher

Erstellt: 10.06.2015 Aktualisiert: 08.01.2019, 16:36 Uhr
Von: Christian Bommarius
Aus Anlass des Prozesses gegen Oskar Gröning: Über das historische Versagen der deutschen Justiz bei der Aufarbeitung der NS-Verbrechen.
Das Verfahren gegen den ehemaligen SS-Mann Oskar Gröning wegen Beihilfe zum Mord an 300.000 ungarischen Juden im Konzentrationslager Auschwitz ist nicht nur einer der letzten NS-Prozesse. Zugleich ist er eine der letzten Gelegenheiten der deutschen Justiz, für ihr historisches Versagen bei der juristischen Aufarbeitung der NS-Verbrechen Abbitte zu leisten. Der Prozess findet vor dem Schwurgericht in Lüneburg statt, ein in diesem Zusammenhang symbolträchtiger Ort. Hier wurden vor 70 Jahren am 17. November 1945 im Bergen-Belsen-Prozess die ersten NS-Verbrecher in den westlichen Besatzungszonen verurteilt, von einem britischen Militärgericht.
Wenige Monate nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs waren alle deutschen Gerichte geschlossen. Seit dem Sommer galt die Anordnung der Siegermächte, dass beim Wiederaufbau der Verwaltung und der Justiz keine ehemaligen NSDAP-Mitglieder mitwirken dürften, eine Weisung mit zunächst weitreichenden Folgen: In Bremen durften nur zwei Richter in den Dienst zurückkehren, in Westfalen waren 93 Prozent der Richter Mitglied der NSDAP gewesen. So lag die Aburteilung der NS-Verbrecher in der ersten Zeit ausschließlich in Händen der Siegermächte.
Der Bergen-Belsen-Prozess war der Auftakt gewesen, es folgte der erste von insgesamt 13 Nürnberger Prozessen gegen die Führungseliten des NS-Staats, der im November 1945 begann. Als Hauptkriegsverbrecher mussten sich unter anderem Ex-Reichsmarschall Hermann Göring, NS-Reichsaußenminister Joachim Ribbentrop und Ernst Kaltenbrunner, Chef des Reichssicherheitshauptamts, vor dem Internationalen Militärgerichtshof verantworten. Wegen des Führens eines Angriffskrieges und Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurden zwölf der 24 Angeklagten zum Tode verurteilt, sieben Angeklagte erhielten langjährige oder lebenslange Haftstrafen, drei wurden freigesprochen. In den zwölf Nürnberger Nachfolgeprozessen stellten die Amerikaner außerdem 177 ausgewählte Repräsentanten jener gesellschaftlicher Eliten vor Gericht, die zu den tragenden Säulen der nationalsozialistischen Verfolgungspolitik geworden waren: Militärs, Industrielle, Mediziner, hohe Verwaltungsbeamte und nicht zuletzt Juristen.
Spätestens während des Nürnberger Juristen-Prozesses von Februar bis Dezember 1947 gegen 16 hohe Justizbeamte und Richter zeigte sich, dass die Bereitschaft der bundesdeutschen Justiz, den eigenen Anteil an den Verbrechen des NS-Staats anzuerkennen, kaum vorhanden war. Der nordrhein-westfälische Justizminister Artur Sträter (CDU) sprach der Zunft aus der Seele, als er die Rolle der Richter im Dritten Reich mit den Worten beschrieb: „Der deutsche Richter in seiner Gesamtheit ist im Dritten Reich intakt geblieben, er hat nicht vor Hitler kapituliert.“
Das war eine gute Nachricht für all die NS-Richter und -Staatsanwälte, die inzwischen in den westdeutschen Justizdienst zurückgekehrt waren. Nicht nur das Heraufziehen des Kalten Krieges hatte die Bereitschaft der westlichen Siegermächte begünstigt, selbst ehemals fanatischen Nationalsozialisten ein Comeback zu ermöglichen – nicht weniger war es die Einsicht, anderenfalls wegen Personalmangels den Zusammenbruch der Justiz zu riskieren. So konnten die neu aufgebauten deutschen Justizverwaltungen das sogenannte Huckepack-Verfahren durchsetzen: Für jeden nicht belasteten Richter durfte ein belasteter eingestellt werden. Im Juni 1946 entfiel selbst diese Einschränkung. Die Siegermächte änderten ihre Richtlinien soweit, dass alle früheren Juristen, die das Entnazifizierungsverfahren durchlaufen hatten, in den Dienst zurückkehren konnten. 1954 betrug der Anteil der schon im Dritten Reich tätigen Juristen bei den Amtsgerichten 74 Prozent, bei den Landgerichten 68 Prozent, 88 Prozent bei den Oberlandesgerichten und 75 Prozent beim Bundesgerichtshof. Das blieb für die Rechtsprechung nicht ohne Folgen. Erstens bescheinigte sich die westdeutsche Justiz, dass es NS-Justizunrecht de facto kaum gegeben habe. In den insgesamt 15 Strafverfahren gegen belastete Juristen wurden sieben Angeklagte rechtskräftig verurteilt, davon nur zwei Berufsrichter.
Die rechtliche Konstruktion, auf der die Freisprüche basierten, bildete eine eigenwillige Auslegung des Rechtsbeugungsparagraphen. An Stelle des bedingten Vorsatzes, der bei allen anderen NS-Tätern zur Verurteilung ausreichte, musste den Richtern der direkte Vorsatz zum Verbrechen nachgewiesen werden. Das erwies sich als unmöglich. Denn sobald ein belasteter Jurist erklärte, als überzeugter Nationalsozialist habe er sein Handeln für rechtens gehalten, konnte er mit Straffreiheit rechnen. Zweitens war die Justiz durchaus bereit, die Milde, die sie sich selbst gewährte, auch anderen nicht zu verweigern. Zwar fanden in den ersten Nachkriegsjahren etliche Strafverfahren meist wegen mittelschwerer Delikte statt, aber in der Regel aufgrund privater Anzeigen. Als diese Anfang der 50er-Jahre zurückgingen, war es auch mit dem Verfolgungseifer der Justizbehörden vorbei. Ermuntert wurden sie darin vom Gesetzgeber, der mit zwei Straffreiheitsgesetzen von 1949 und 1954 Zehntausende NS-Gewaltverbrechen der Strafverfolgung entzog und die Justiz damit in ihrer Untätigkeit nachhaltig unterstützte: Die Zahl neuer Ermittlungsverfahren sank von mehr als 4500 im Jahr 1948 auf 183 sechs Jahre später.
https://www.fr.de/

 

FRANKFURTER AUSCHWITZPROZESS
: Der Richter auf der Anklagebank der Geschichte

VON ALEXANDER HANEKE-AKTUALISIERT AM 01.04.2019-14:30
Am fünfundachtzigsten Verhandlungstag gab es so einen Moment. Nathan Jakubowitz, einstmals Lagerfriseur in Auschwitz, saß in dem riesigen Gerichtssaal und berichtete, wie er im Krankenblock des Lagers die leblosen Körper in den Leichenkeller bringen musste. Ob die Menschen schon tot gewesen seien, wurde er gefragt. „Die waren schon tot“, sagte Jakubowitz in sanftem Ton. Dann aber ruderte der ältere Herr doch zurück: „Vielleicht haben sie noch ein bisschen geatmet.“
Alexander Haneke
Redakteur in der Politik.
Folgen
Da brach die Erschütterung aus dem Richter heraus, und er schalt den Zeugen: „Aber solange ein Mensch atmet, bringt man ihn doch nicht in den Leichenkeller!“ Er als Häftling hätte doch versuchen müssen, die Menschen am Leben zu halten. „Das Leben dieser Leute war doch genauso kostbar wie Ihr Leben!“ Der Name des Vorsitzenden Richters: Hans Hofmeyer....
https://www.faz.net/


Detmolder Auschwitz-Prozess
Fünf Jahre Haft für früheren SS-Wachmann

Das Landgericht Detmold hat den früheren SS-Wachmann im Konzentrationslager Auschwitz, Reinhold Hanning, zu fünf Jahren Haft verurteilt. Das Gericht sprach den 94-Jährigen der Beihilfe zum Mord in mindestens 170.000 Fällen schuldig.
17.06.2016
Das Verfahren gegen Hanning gilt als einer der letzten großen NS-Prozesse in Deutschland. In einer 23-seitigen Erklärung, die sein Anwalt verlas, hatte der Angeklagte eingeräumt, von den Massenmorden gewusst zu haben. Im Prozess hatten elf Überlebende als Zeugen ausgesagt. Sie gehörten zu den insgesamt 57 Nebenklägern. Gehört wurden zudem Historiker, Mediziner, Ermittler und ein weiterer SS-Wachmann. Dafür waren 19 Verhandlungstage angesetzt worden. Heute, am 20. Tag, wurde das Urteil verkündet.
Jüdischer Weltkongress: Gerechte Strafe
Der Jüdische Weltkongress (WJC) hat das Urteil gegen Hanning begrüßt. „Er hat die Strafe bekommen, die er verdient“, sagte WJC-Präsident Ronald S. Lauder am Freitag in New York. Hanning sei Teil der unbarmherzigen Tötungsmaschinerie gewesen. Er habe ein spätes, aber faires Verfahren bekommen, das mit einem deutlichen Urteil abschließe. „Ohne die aktive Hilfe von Menschen wie ihm wäre Auschwitz nicht möglich gewesen“, so Lauder. Der WJC mit Sitz in New York hat es sich zur Aufgabe gemacht, die nicht in Israel lebenden Juden politisch zu vertreten.
Im Juli 2015 wurde der als „Buchhalter von Auschwitz“ bezeichnete Oskar Gröning zu vier Jahren Haft wegen Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, der Bundesgerichtshof muss noch über eine Revision entscheiden.
(vic/tgs)
https://www.deutschlandfunk.de/


Auschwitz-Prozess eingestellt: Recht gebeugt?

Sendedatum: 16.01.2018 21:15 Uhr  | Archiv
von Tom Fugmann
Der Prozess endete mit einem Eklat: Nach mehreren Befangenheitsanträgen wurden drei Richter in Neubrandenburg ausgetauscht. Seit Beginn des Prozesses im Februar 2015, wurden Entscheidungen der Richter in Neubrandenburg immer wieder angezweifelt: Zunächst wollten die Richter das Verfahren nicht eröffnen, mussten erst durch eine höhere Instanz dazu aufgefordert werden. Die Richter hielten dann daran fest, dass der Angeklagte aufgrund seines hohen Alters nicht verhandlungsfähig sei, obwohl medizinische Gutachten zu anderen Ergebnissen kamen. Trotz anderslautender Entscheidungen einer übergeordneten Instanz wurden auch die Auschwitz-Überlebenden Walter und William Plywaski als Nebenkläger nicht zugelassen.
Verfahren nach zwei Jahren eingestellt
Die Richter schienen nicht willens, den Prozess gegen Z. führen zu wollen, so die Staatsanwaltschaft Schwerin. Das bedeutete konkret: Es wurden keine Zeugen gehört oder Beweise aufgenommen, die die Schuld des Angeklagten hätten belegen können. In den zweieinhalb Jahren Verfahrensdauer wurde an nur vier Tagen verhandelt. Staatsanwaltschaft und Nebenklage warfen dem Gericht vor, das Verfahren absichtlich in die Länge zu ziehen.
Das Verfahren gegen Hubert Z. kann nun aber trotzdem nicht weitergeführt werden. Der Angeklagte leidet unter fortschreitender Demenz. Nach zwei Jahren musste das Verfahren deshalb eingestellt werden. Der Anwalt von Hubert Z. erklärt im Interview mit Panorama 3, dass er Entschädigungen für den Angeklagten fordern werde. Für den ehemaligen Auschwitz-Häftling Walter Plywaski ist dies eine schwer erträgliche Vorstellung: "Das verschlimmert den Schmerz noch".
Keine Anhörung eines Historikers
Dem Angeklagten wurde in dem Prozess Beihilfe zum Mord in mindestens 3.681 Fällen vorgeworfen. Im August und September 1944 war er als Sanitätsdienstgrad im KZ Auschwitz-Birkenau tätig. In diesem Zeitraum kamen laut Anklage mehrere Züge mit Häftlingen an, die in den Gaskammern umgebracht wurden. Der Historiker Stefan Hördler sollte als Spezialist für das Personal in Konzentrations- und Vernichtungslagern vor Gericht gehört werden. Durch die Einstellung des Verfahrens kam es nicht dazu.
Sanitätsdienstgrade waren in den Holocaust involviert, erklärt der Historiker Stefan Hördler gegenüber "Panorama 3". Sie wurden im Umgang mit Zyklon B geschult, welches in Auschwitz-Birkenau bei der massenhaften Vergasung von Häftlingen benutzt wurde. Der Anwalt des Angeklagten erklärt auf Anfrage, dass diese Erkenntnisse seinen Mandanten nicht betreffen würden. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft weist er zurück: "In Bezug auf die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft ist mein Mandant unschuldig".
Richter folgten neuer Rechtsauslegung nicht
Die Staatsanwaltschaft Schwerin hatte wegen einer geänderten Rechtsauslegung den Prozess gegen Z. angestrengt. Seit der Verurteilung des Vernichtungslagerwachmanns John Demjanjuk durch das Landgericht München 2011 gilt nicht mehr, dass einem Beschuldigten eines NS-Verfahrens eine konkrete Beteiligung an einer konkreten Tötungshandlung in einem Vernichtungslager nachzuweisen ist. Die Richter in Neubrandenburg folgten dieser neuen Rechtsauslegung nicht.
Walter Plywaskis Anwalt hat nun die Berufsrichter wegen Rechtsbeugung angezeigt. Ein einmaliger Vorgang - noch nie wurden Richter in einem Holocaust-Prozess beschuldigt, das Recht gebrochen zu haben. Zu den Vorwürfen, die Richter hätten den Prozess verschleppt und damit eine Verurteilung des ehemaligen SS-Mannes verhindert, wollen die drei Richter keine Stellung nehmen. Die Staatsanwaltschaft Stralsund ermittelt und prüft, ob sie ein Verfahren gegen die drei Richter eröffnet.
https://www.ndr.de/


Auf ein Wort des Bedauerns wartete Richter Perseke vergebens

Erstellt: 20.12.2003Aktualisiert: 04.02.2019, 19:03 Uhr
Der Auschwitz-Prozess, vor 40 Jahren in Frankfurt am Main eröffnet, markiert eine Zäsur: Die Deutschen wurden erstmals mit den NS-Verbrechen konfrontiert.
Von Matthias Arning
An den Herrn aus Berlin kann sich Christian Raabe noch gut erinnern. Den Sturmbannführer der SS, Jahrgang 1909, habe man damals in Berlin losgeschickt, um "die Vorgänge" in Auschwitz zu klären. Es ging um Unterschlagungen, weiß Rechtsanwalt Raabe über die Aussagen des Zeugen Konrad Morgen zu berichten, der bis Ende 1944 für die Untersuchung von Korruptionsfällen in Konzentrationslagern zuständig war.
Nach 1945 arbeitete Morgen in Frankfurt als Rechtsanwalt. Raabe lernte seinen Kollegen vor Gericht kennen. In einem Verfahren, das der junge Raabe als Vertreter der Nebenklage bestritt: Das Gericht vernahm Morgen als Zeugen im Frankfurter Auschwitz-Prozess.
Ein Verfahren, das zum ersten Mal nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs tief in die deutsche Öffentlichkeit hineinwirkte. Der Auschwitz-Prozess, nach jahrelangen Vorbereitungen auf Betreiben des hessischen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer zu Stande gekommen und am 20. Dezember 1963 eröffnet, markiert eine Zäsur. Denn eigentlich musste seit Mitte der 50er Jahre in Deutschland niemand mehr fürchten, im Zusammenhang mit nationalsozialistischen Verbrechen belangt zu werden. Und das Interesse an Verfahren wie dem Prozess "Wollheim gegen IG Farben", den Rechtsanwalt Henry Ormond gegen den Konzern wegen Zwangsarbeit anstrengte, hielt sich in Grenzen.
In der Kanzlei Ormonds bereitete Raabe die Nebenklage für das "Verfahren gegen Mulka und andere", den Auschwitz-Prozess, mit vor. Damals "konnte die Öffentlichkeit zum ersten Mal zur Kenntnis nehmen, dass Millionen Menschen im Namen des Staates umgebracht worden sind". Sagt Raabe heute. In einer Gesprächsrunde, die das Fritz Bauer Institut mit Prozessbeteiligten zusammengebracht hat.
Damals lüftete sich für viele ein wenig der Eiserne Vorhang, hinter dem Auschwitz gleich nach 1945 verschwunden war. "Die Dinge, die mich erwarteten", berichtet Gerhard Wiese, "waren mir damals unbekannt." Wiese gehörte im Auschwitz-Prozess zu den Staatsanwälten. Im Herbst 1962, erzählt er, habe er, 34 Jahre alt, von Bauer die Aufgabe bekommen, "die Anklage zu erstellen". Auf der Basis dieser Unterlagen für das Verfahren mit 22 Angeklagten, 360 Zeugen und acht Sachverständigen "konnte man sich kaum vorstellen, wie das alles abgelaufen ist". Das aber habe sich schlagartig geändert - mit den Aussagen der ersten Zeugen.
Er persönlich, berichtet Josef Perseke, sei "erschüttert gewesen über das, was er im Prozess gehört hat". Perseke gehörte zu den Richtern in dem Verfahren, das nach 183 Verhandlungstagen in 20 Monaten zu Ende ging. In dieser Zeit, das beunruhigt Perseke noch heute, habe er von den Angeklagten "kein Wort des Bedauerns gehört".
Im Rückblick sei für ihn das Verfahren auch "ein Prozess der Selbstaufklärung", sagt Perseke. Dafür, setzt Micha Brumlik als Leiter des Fritz Bauer Instituts hinzu, "ist die Feststellung der Tatsachen, wie es denn gewesen ist, unerlässlich". Wie es denn mit Morgen, dem früheren SS-Mann im Zeugenstand, gewesen ist, fällt nach Stunden Ex-Verteidiger Eugen Gerhardt wieder ein. Morgen habe nicht irgendwelche "Vorgänge" untersuchen sollen. Vielmehr habe Berlin ihn nach Auschwitz geschickt, um Geschäfte zu unterbinden, die SS-Leute auf eigene Rechnung machten - mit dem Zahngold ermordeter Juden.
https://www.fr.de/


Auschwitzprozesse

Die Auschwitzprozesse waren die ab 1963 in der Bundesrepublik Deutschland geführten Gerichtsverfahren zur juristischen Aufarbeitung des Holocausts, insbesondere der NS-Verbrechen im KZ Auschwitz. Angeklagt waren Angehörige der SS-Wachmannschaften in diesem größten aller nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslager. Während der deutschen Besetzung Polens im Zweiten Weltkrieg waren dort zwischen 1940 und 1945 mehr als eine Million Menschen – vor allem Juden – aus ganz Europa ermordet worden.
In den Nachkriegsjahren wurde eine strafrechtliche Aufarbeitung in der Bundesrepublik zunächst durch den Streit darüber blockiert, welches Recht hierbei angewandt werden konnte. Es wurde schließlich auf Grundlage jener Teile des zivilen Strafgesetzbuchs und der Strafprozessordnung verhandelt, welche sowohl in der Zeit, in der die Verbrechen stattfanden, als auch nun in der Bundesrepublik gültig waren. So konnten lediglich Täter verurteilt werden, denen sich eine Mordbeteiligung unmittelbar nachweisen ließ. Dies war nach der nunmehr vergangenen Zeit und der von vornherein mitgeplanten Vermeidung und Vernichtung von Beweisen und Zeugen oft nicht mehr möglich. [...]
Infolge einer veränderten Rechtsauffassung kam es seit 2015 in Deutschland zu mehreren erstinstanzlichen Prozessen gegen frühere SS-Männer im Konzentrationslager Auschwitz, denen keine konkrete Mordtat nachzuweisen war. Verhandelt wurde daher ihre Beihilfe und ihr Tatanteil an dem Massenmord.
https://de.wikipedia.org/wiki/Auschwitzprozesse


Vor 55 Jahren: Urteil im Frankfurter Auschwitz-Prozess

14.08.2020
Am 19. und 20. August 1965 wurden die Urteile im Frankfurter Auschwitz-Prozess verkündet. Es war das Ende des bis dahin wichtigsten Verfahrens gegen NS-Verbrecher vor einem deutschen Gericht. Der Prozess prägte die Debatte um die deutsche Auseinandersetzung mit der Nazi-Vergangenheit nachhaltig.
In den ersten Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs waren es die Alliierten, die die Hauptkriegsverbrecher des NS-Regimes strafrechtlich verfolgten. Vor dem Internationalen Militärgerichtshof fanden von 1945 bis 1949 die Interner Link:Nürnberger Prozesse statt, die den Interner Link:Auftakt eines langen Weges der Aufarbeitung bildeten. Ab 1950 erlaubte das Gesetz Nummer 13 des Rats der Alliierten Hohen Kommission auch deutschen Gerichten eine uneingeschränkte Strafverfolgung von nationalsozialistischen Gewalttaten. Erst im Jahr 1963 begann das Strafverfahren über Verbrechen, die im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz begangen wurden: der Frankfurter Auschwitz-Prozess.
Periode des Schweigens
Bis 1958 wurde jedoch nur gegen wenige Täter ermittelt. Ein Grund dafür war das gesamtgesellschaftliche Klima in den frühen Jahren der Bundesrepublik: Durch Entnazifizierungsverfahren sollten zwar alle ehemaligen Nazis aus Positionen des öffentlichen Lebens und der Wirtschaft entfernt werden. Diese Verfahren blieben jedoch oft oberflächlich. Ab 1951 wurden viele Staatsbedienstete aus der NS-Zeit Externer Link:wieder eingegliedert. Auch einige Verurteilte aus den Interner Link:Hauptkriegsverbrecherprozessen wurden in den 1950er-Jahren begnadigt. Bundeskanzler Konrad Adenauer forderte gar eine Interner Link:generelle Amnestie für Strafen, die von Gerichten der Alliierten verhängt wurden. Der weit verbreitete Wunsch nach einem "Schlussstrich" unter die Nazi-Verbrechen sowie der anlaufende Wiederaufbau des Landes trugen in der Adenauer-Ära zu einer "Periode des Schweigens" über die NS-Gräuel bei. Die meisten Deutschen fühlten sich damals als Kriegsopfer.
Ulmer Prozess 1958
Das änderte sich erst mit dem Externer Link:Ulmer Prozess von 1958. Hauptangeklagter war Bernhard Fischer-Schweder, der Kommandeur des Einsatzkommandos Tilsit, das 1941 im litauischen Memel (heute: Klaipėda) mehrere tausend Jüdinnen und Juden ermordet hatte. Dem Gericht gelang es, ihm und neun weiteren Angeklagten die Beteiligung an insgesamt 5.502 Morden nachzuweisen. Es war der erste Prozess vor einem deutschen Gericht, in dem Massenmorde verhandelt wurden. Er machte öffentlichkeitswirksam deutlich, dass NS-Verbrecher unbestraft in Deutschland lebten und arbeiteten.
Zwei Monate nach dem Urteil, im November 1958, gründeten die Justizminister der Bundesländer die Externer Link:Zentrale Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg. Ihre Aufgabe ist es bis heute, auf der Grundlage systematischer Quellenauswertung Vorermittlungen zu führen, die sie an die zuständigen Staatsanwaltschaften übergibt.
Hermann Langbein und Fritz Bauer
Mord oder "Befehlsnotstand"?
Ein Problem bei der juristischen Aufarbeitung der NS-Verbrechen war die Diskrepanz zwischen dem Ausmaß des organisierten Massenmordes an europäischen Juden und einem Mordparagrafen, der für eine Verurteilung individuelle Tatnachweise voraussetzt. Das bedeutet: Täter konnten nur dann verurteilt werden, wenn ihnen eine direkte Beteiligung an Morden nachgewiesen werden konnte, was einschließt, dass die Tat ohne Befehl und aus niederen Motiven wie zum Beispiel Rassenhass begangen wurde. Dem stand entgegen, dass sich Täter oft auf den so genannten "Befehlsnotstand" beriefen und bekundeten, dass ihnen bei Unterlassung ihrer Taten Gefahr für Leib und Leben gedroht hätte. Als besonders schwierig erwies sich, in dem quasi-industriell aufgebauten Mordkomplex des Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz einer einzelnen Person die Hauptverantwortung für eine einzelne Tat nachzuweisen.
Auschwitz – Symbol für den Holocaust
Die Anhörungen
Der Frankfurter Auschwitz-Prozess begann am 20. Dezember 1963. Externer Link:Insgesamt sollten 24 Männer wegen NS-Verbrechen im Kontext des Konzentrationslagers Auschwitz angeklagt werden. Richard Baer, der letzte Kommandant von Auschwitz, starb ein halbes Jahr vor Prozessbeginn, ein weiterer Mann schied krankheitsbedingt aus dem Verfahren aus. Hauptangeklagter war Robert Mulka, der Adjutant des früheren Lagerkommandanten Rudolf Höß. Der Prozess hieß offiziell "Strafsache gegen Mulka u.a.". Neben Mulka standen unter anderem drei Lagerärzte und Mitglieder der SS-Wachmannschaften vor Gericht.
Angehört wurden insgesamt 359 Zeugen aus 19 Ländern. Etwa zwei Drittel von ihnen waren ehemalige Interner Link:KZ-Häftlinge. Für sie waren die Aussagen oft besonders belastend – nicht nur, weil sie traumatische Erlebnisse schildern mussten, sondern auch, weil ihre Erinnerungen zum Teil von den Verteidigern und Richtern infrage gestellt wurden. Sie berichteten von Foltermethoden, "Selektionen", Tötungen und Misshandlungen durch Ärzte. Diese Aussagen sorgten auch international für großes Aufsehen.
Die Angeklagten ihrerseits leugneten die Existenz der Verbrechen in Auschwitz oft nicht. Sie gaben jedoch häufig an, Erinnerungslücken zu haben, oder bestritten, persönlich an diesen Taten beteiligt gewesen zu sein. Außerdem beteuerten sie, auf Befehl gehandelt zu haben. Interner Link:Scham oder Reue für die Taten zeigten sie nicht.
Urteile lösen Debatte aus
Am 19. und 20. August 1965 wurden Externer Link:die Urteile verkündet. Sechs Angeklagte wurden zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt, darunter Josef Klehr, der Leiter des SS-Desinfektionskommandos in Auschwitz, dem 475 Morde und gemeinschaftliche Beihilfe zum gemeinschaftlichen Mord in mindestens sechs Fällen zur Last gelegt wurden. Auch Emil Bednarek, der als sogenannter Funktionshäftling von der SS in Auschwitz eingesetzt worden war und dem 14 Morde nachgewiesen werden konnten, erhielt eine lebenslange Freiheitsstrafe. Er wurde jedoch 1975 begnadigt. Robert Mulka selbst bekam wegen gemeinschaftlicher Beihilfe zum gemeinschaftlichen Mord in mindestens vier Fällen und an mindestens je 750 Menschen eine 14-jährige Freiheitsstrafe, die er jedoch nie antrat: Ihm wurde noch vor Rechtskraft des Urteils im Jahr 1968 Haftverschonung gewährt. Mulka starb 1969. Drei weitere Angeklagte wurden freigesprochen.
Insgesamt wurden die Urteile oft als zu milde empfunden. Auch Interner Link:Fritz Bauer zeigte sich enttäuscht. Die Prozesse halfen jedoch, Debatten in Gang zu bringen, die den Umgang mit NS-Verbrechen in den folgenden Jahren und Jahrzehnten bestimmten. Mehr Menschen wurde bewusst, Interner Link:dass es keinen "Schlussstrich" unter nationalsozialistische Verbrechen geben konnte. Parallel zum Prozess debattierte der Bundestag darüber, Interner Link:die Verjährungsfrist von Mord aufzuheben, was 1979 beschlossen wurde – auch, weil dadurch Nazi-Verbrechen weiterverfolgt werden konnten.
Wende durch den Demjanjuk-Prozess 2011
Die Rechtsauffassung, dass nur jene Nazi-Täter zur Verantwortung gezogen werden können, denen eine persönliche Beteiligung an Morden nachgewiesen werden konnte, änderte sich dagegen nur allmählich. Beihilfe zum Mord und Mord sind die einzigen Verbrechen aus der Nazi-Zeit, die noch nicht verjährt sind. Gleichzeitig galten aber beispielsweise SS-Wachen, die mit ihren Taten einen Anteil daran hatten, dass Morde geschehen konnten, im juristischen Sinne nicht als Beihelfer.
Das änderte sich mit dem Prozess gegen den in der Ukraine geborenen SS-Wachmann John Demjanjuk, der 2011 wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 28.060 Fällen im Interner Link:Vernichtungslager Sobibor zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde. Demjanjuk starb 2012, bevor das Urteil rechtskräftig wurde. Ab 2011 wurde es möglich, auch jene Mittäter zur Verantwortung zu ziehen, die ihren Anteil daran hatten, dass die Mordmaschine der Nationalsozialisten funktionieren konnte. Deswegen gibt es auch immer noch Prozesse gegen NS-Täter: Ein 93-jähriger ehemaliger SS-Wachmann im KZ Stutthof wurde beispielsweise Ende Juli 2020 zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt.
https://www.bpb.de/


Auschwitz-Wachmann verurteilt
:Das kleine Rädchen

17. 6. 2016 - Der Auschwitz-Wachmann Reinhold Hanning wird zu fünf Jahren Haft verurteilt. Umfassend geht die Richterin auf die Schrecken des Lagers ein.
DETMOLD taz | Der 95-jährige Auschwitz-Überlebende Leon Schwarzbaum sitzt am Freitag in der ersten Reihe des Detmolder Landgerichts, neben sich drei weitere Menschen, die die Hölle des Vernichtungslagers überstanden haben. „Ich erwarte, dass der Angeklagte verurteilt wird“, sagt er, und weiter: „Es ist aber nicht wichtig, dass er ins Gefängnis kommt.“
Einige Minuten später verkündet Richterin Anke Grudda dieses Urteil über Reinhold Hanning, 94 Jahre alt und von 1943 bis 1944 SS-Wachmann in Auschwitz. Es lautet auf fünf Jahre Freiheitsentzug wegen Beihilfe zum Mord. Hanning nimmt das Urteil scheinbar unbewegt zur Kenntnis. Bei der Begründung hält er entgegen seinen Gepflogenheiten an diesem 20. und letzten Verhandlungstag den Kopf gehoben.
Hanning habe durch seine Tätigkeit in Auschwitz den „Massenmord gefördert“, sagt Grudda. Sie geht auf die Befehlshierarchie in dem Lager ein, wo bis zu 7.000 SS-Männer eingesetzt wurden, und spricht den Angeklagten direkt an: „Eines der kleinen Rädchen“, die das Unfassbare möglich gemacht hätten, „waren Sie“. Allerdings wirft sie Hanning zugleich vor, zu einer Kerntruppe unter den Wachmannschaften gehört zu haben, in der der Angeklagte eine „hervorgehobene Stellung in der KZ-Hierarchie“ eingenommen habe. Grudda hält Hanning vor, er habe „Kenntnis von dem Vernichtungsgeschehen“ gehabt und er hätte sich, „wenn Sie es gewollt hätten, zur Front melden können“.
Als strafmildernd bewertet das Gericht Hannings Geständnis, seine Entschuldigung sowie sein junges Alter zur Tatzeit ebenso wie sein hohes Alter zum Zeitpunkt des Urteils. Richterin Grudda sagt aber auch angesichts der Dimension des Massenmordes in Auschwitz mit mindestens 1,1 Millionen Todesopfern: „Eine gerechte Strafe überfordert jedes Gericht.“
Die Urteilsbegründung geht ausführlich auf die Grausamkeiten in Auschwitz ein. Das Verhungernlassen habe ebenso zum Alltag gehört wie das Erschießen von Gefangenen. „Sie haben zweieinhalb Jahre zugesehen, wie Menschen vor Ihren Augen verhungerten“, sagt die Richterin Hanning zugewandt.
Möglichkeiten für weitere Verfahren
Die Bewertung dieses Verhaltens als Beihilfe zum Mord ist in einem deutschen Strafprozess neu. Sie könnte zu weiteren Prozessen gegen NS-Täter führen. Die jüngsten Verfahren waren davon ausgegangen, dass wegen Beihilfe zum Mord nur verurteilt werden kann, wer in einem Vernichtungslager tätig war, weil nur dort alle Insassen planmäßig ermordet wurden. Das Hanning-Urteil aber eröffnet Möglichkeiten zu Verfahren auch gegen KZ-Wärter, denn auch in KZs starben die Gefangenen in großer Zahl infolge der Haftbedingungen.
RICHTERIN ANKE GUNDA
„Sie hatten Kenntnis vom Vernichtungsgeschehen. Wenn Sie es gewollt hätten, hätten sie sich zur Front melden können“
Ungewöhnlich deutlich ging die Richterin auf das Versagen der bundesdeutschen Justiz nach dem Krieg ein. Damals hätten sich Politik, Justiz und Gesellschaft nicht mit den Geschehnissen beschäftigen wollen, sagte sie. „Statt als Täter sahen sich die Deutschen als Opfer.“ Es sei das Mindeste, was die Justiz den Überlebenden schuldig sei, die Täter zu verfolgen.
Die Staatsanwaltschaft hatte für Hanning sechs Jahre Haft verlangt, die Verteidigung auf Freispruch plädiert. Sie will in jedem Fall Rechtsmittel einlegen und eine Revision prüfen. Ob Hanning tatsächlich die Haft antreten muss, ist noch offen.
Und Leon Schwarzbaum, der Auschwitz-Überlebende? Er nennt das Urteil „gerecht“.
Seit Jahren war bei Auschwitz-­Prozessen immer wieder die Rede davon, das jeweilige Verfahren könnte das „allerletzte“ gewesen sein. Mit dem Detmolder Prozess könnte nun tatsächlich der Schlusspunkt erreicht sein. Einem weiteren Verfahren in Neubrandenburg droht die Einstellung, das Landgericht Kiel musste die Verhandlungsunfähigkeit der Angeklagten zur Kenntnis nehmen. Und in Hanau starb der angeklagte ehemalige SS-Wachmann nur wenige Tage vor Prozessbeginn. Das biologisch bedingte Ende der NS-Prozesse infolge des Alters der Verantwortlichen naht.
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Prozess gegen früheren SS-Sanitäter von Auschwitz wird eingestellt

Er ist 96 Jahre alt und soll in 3681 Fällen Beihilfe zum Mord geleistet haben. Verurteilt wird er nicht mehr, denn Hubert Z. kann dem Prozess nicht mehr folgen. Da ist sich nun auch die Anklagebehörde sicher.
Datum 31.08.2017
Der Neubrandenburger NS-Prozess steht vor dem Ende: Die Staatsanwaltschaft hat die Einstellung des Verfahrens am Landgericht gegen den früheren SS-Sanitäter Hubert Z. beantragt. Der 96-Jährige sei wegen Demenz verhandlungsunfähig, erklärte ein Sprecher der Anklagebehörde in Schwerin. Die Demenz-Erkrankung des Mannes habe einen Grad erreicht, der es ihm nicht mehr erlaube, seine Interessen wahrzunehmen und Prozesserklärungen "in verständiger und verständlicher Weise" entgegenzunehmen oder abzugeben.
Mehrere Sachverständige befragt
Der Sprecher der Staatsanwaltschaft in Mecklenburg-Vorpommern verwies zur Begründung außerdem auf ein psychiatrisches Gutachten vom März sowie auf im Juli eingeholte Stellungnahmen von Sachverständigen auf Antrag der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger.
Hubert Z. wird beschuldigt, Beihilfe zum Mord in 3681 Fällen geleistet zu haben. Er war 1944 einen Monat im KZ Auschwitz-Birkenau als SS-Sanitäter tätig, nach Angaben seiner Verteidigung - zu der auch der frühere DDR-Innenminister Peter-Michael Diestel zählt - in der Betreuung von KZ-Personal. In der Zeit wurden mindestens 3681 Menschen aus Deportationszügen unmittelbar in Gaskammern umgebracht. Die Anklage wirft dem Mann vor, sich in die Lagerorganisation eingefügt und so die Vernichtung von Leben ermöglicht zu haben.
Der Prozess hatte im November 2015 begonnen. Schon damals war eine Demenz bei dem Angeklagten festgestellt worden, jedoch galt er damals noch als eingeschränkt verhandlungsfähig. Inhaltlich wurde in dem Verfahren bisher nicht beraten. Mehrere Richter sind wegen Befangenheit abgelehnt worden. So zeigte der Anwalt zweier Nebenkläger Richter sogar wegen Rechtsbeugung an, weil sie seiner Meinung nach die Rechte seiner Mandanten missachteten. Bei den Mandanten handelte es sich um die Söhne einer in Auschwitz ermordeten Frau.
ml/stu (dpa, afp)
https://www.dw.com/

Auschwitz-Fall in Neubrandenburg
:Richter im NS-Prozess befangen

25. 06. 2017 -
Drei Neubrandenburger Richter müssen im Verfahren gegen einen SS-Mann gehen. Weil sie voreingenommen gegenüber einem Überlebenden waren.

BERLIN taz | Erstmals in der bundesdeutschen Rechtsgeschichte wird einem kompletten Schwurgericht in einem Auschwitz-Fall das Verfahren entzogen. Im Prozess gegen den früheren SS-Sanitäter Hubert Z. vor dem Neubrandenburger Landgericht wurden am Freitag der Vorsitzende Richter Klaus Kabisch sowie die Richter Brinkmann und Elfers wegen Befangenheit abgelehnt.
Das Internationale Auschwitz-­Komitee begrüßte die Entscheidung. „Von Anbeginn war das aggressive Desinteresse des Vorsitzenden Richters am Schicksal und den Erinnerungen der Überleben deutlich spürbar“, heißt es in einer Erklärung.
Das Verfahren gegen den heute 96-jährigen Z., der im Sommer 1944 mehrere Monate in Auschwitz andere SS-Männer gesundheitlich betreut haben soll, ruht schon seit Monaten. In seltener Einigkeit hatten Staatsanwaltschaft und die Vertreter der Nebenklage mehrfach eine Ablösung der Richter beantragt, denen Prozessbeobachter vorgeworfen hatten, eine Einstellung des Verfahrens vorzubereiten. Zudem zeigten Nebenkläger-Anwälte die Richter wegen Rechtsbeugung an. Einer Petition für eine Neueröffnung des Verfahrens schlossen sich über 38.000 Unterzeichner an.
Erfolg hatte nun der Nebenkläger Walter Plywasky, der als Kind nach Auschwitz verschleppt worden war und dessen Mutter dort ermordet wurde. Zweimal hatte Richter Kabisch Plywaskys Berechtigung zur Nebenklage mit der gleichen Begründung verneint, zweimal war seine Entscheidung vom Oberlandesgericht Rostock korrigiert worden. Der zweite Versuch, den Überlebenden auszuschließen, wurde nun nach Angaben des Nebenklage-Vertreters Thomas Walther auf Antrag der Nebenkläger und der Staatsanwaltschaft als rechtswidrig bezeichnet.
Prozessbeginn musste vom OLG verfügt werden
Die 60. Schwurgerichtskammer entschied, dass Kabischs Versuche, Plywasky von der Verhandlung auszuschließen, bei dem Nebenkläger „zwangsläufig der Eindruck ergeben“ hätten, das Gericht sei ihm gegenüber nicht unvoreingenommen gewesen, zitiert die Süddeutsche Zeitung aus der Begründung. Die Vertretungsrichter bemängelten ferner die „herabwürdigende Kritik“ der Richter gegenüber Plywaskys Anwalt, dem Kabisch eine „narzisstisch bedingte Dummheit“ unterstellt hatte.
Der Auschwitz-Prozess hatte im März 2016 gegen den Willen des Gerichts begonnen, das die Eröffnung des Hauptverfahrens verneint hatte. Erst eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Rostock zwang die Neubrandenburger Richter zu dem Prozess, in dem fortan in den wenigen Verhandlungstagen die Gebrechen des Angeklagten im Mittelpunkt standen.
Der Auschwitz-Prozess hatte im März 2016 gegen den Willen des Gerichts begonnen.
Hubert Z. wird zur Last gelegt, durch seine Tätigkeit als SS-Sanitäter dazu beigetragen zu haben, dass die SS-Männer in dem Vernichtungslager handlungsfähig waren. Diese waren auch mit dem Einwurf des Giftgases Zyklon B in die Gaskammern betraut. Weil im fraglichen Zeitraum 14 Züge mit jüdischen Häftlingen in Auschwitz eintrafen, ist Z. wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 3.681 Fällen angeklagt.
Ob der Prozess nun endlich in Gang kommt, steht dahin. Ein Gutachten vom Mai attestiert Z. Verhandlungsunfähigkeit. Sollte ein weiteres Gutachten nicht zu einer gegenteiligen Einschätzung kommen, müsste das Verfahren wohl eingestellt werden – 54 Jahre, nachdem die DDR-Staatssicherheit erste Hinweise auf Z. hatte, diesen aber nicht nachgegangen war.
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JUSTIZSKANDAL IN MECKLENBURG-VORPOMMERN
Neubrandenburger NS-Verfahren: Drei Richter für befangen erklärt

Das Landgericht Neubrandenburg hat die Richter, die mit dem Verfahren gegen einen früheren SS-Sanitäter des KZ Auschwitz befasst sind, für befangen erklärt. Das Internationale Auschwitz Komitee begrüßte die Entscheidung.
Datum 24.06.2017
Der 96 Jahre alte Angeklagte mit seinen Wahlverteidigern Peter-Michael Diestel (Mitte) und Hannes Barck im Gerichtssaal
Es seien inzwischen andere Richter für die Kammer benannt worden, sagte ein Gerichtssprecher. Eine Begründung liegt bislang offiziell nicht vor. Die Befangenheitsanträge hatten Ankläger und Nebenkläger gestellt.
Laut "Süddeutscher Zeitung", WDR und NDR heißt es in dem Gerichtsbeschluss: Weil der Vorsitzende Richter und seine Kollegen wiederholt versucht hätten, einem Nebenkläger und NS-Opfer die Teilnahme an der Verhandlung zu verwehren, "muss sich bei dem Nebenkläger nahezu zwangsläufig der Eindruck ergeben", die Richter seien ihm gegenüber nicht unvoreingenommen gewesen, "als sie beschlossen haben, ihn aus dem Verfahren auszuschließen".
Beihilfe zum Mord
Der Prozess gegen den 96 Jahre alten SS-Sanitäter aus der Nähe von Neubrandenburg wurde Ende 2016 ausgesetzt. Dem Angeklagten wird Beihilfe zum Mord in mindestens 3681 Fällen vorgeworfen.
Das Internationale Auschwitz Komitee nahm die die Entscheidung des Gerichts positiv auf. "Von Anbeginn des Prozesses an war das aggressive Desinteresse des Vorsitzenden Richters am Schicksal und den Erinnerungen der Überlebenden deutlich spürbar", teilte das Komitee mit. "Die schleppende Verhandlungsführung des Gerichts hat für diesen Prozess einen Scherbenhaufen hinterlassen, der in den Annalen der deutschen Justiz als weiteres negatives Beispiel der missglückten Aufarbeitung der NS-Verbrechen zu Buche schlagen wird." Die Überlebenden seien dankbar, dass Vertretungsrichter der Kammer die Würde des Gerichts wiederhergestellt hätten.
Bis zu 15 Jahre Haft möglich
In dem Prozess geht es um den Angeklagten Hubert Z., der als SS-Sanitäter im Sommer 1944 mehrere Wochen im KZ Auschwitz-Birkenau gearbeitet haben soll. Ihm wird zur Last gelegt, von Mitte August bis Mitte September 1944 durch seine Tätigkeit dazu beigetragen zu haben, dass die SS-Leute im KZ handlungsfähig waren und die Massenvernichtung von Deportierten ausführen konnten. In dem fraglichen Zeitraum kamen laut Anklage 14 Züge mit Häftlingen an, die in den Gaskammern umgebracht wurden. Im Fall einer Verurteilung drohen Hubert Z. drei bis 15 Jahre Haft.
Psychiatrische Gutachter hatten den Angeklagten als "nicht verhandlungsfähig" eingeschätzt. Der Mann sei wegen fortschreitender Demenz nicht mehr in der Lage, seine Interessen vernünftig wahrzunehmen oder die Verteidigung angemessen zu führen.
Nebenkläger aus den USA
Die Nebenkläger, Walter Plywaski (87) und William Plywaski (86) aus Boulder/USA, hatten 1944 mit 14 beziehungsweise 15 Jahren ihre Mutter in der Gaskammer des Vernichtungslagers verloren. Das Neubrandenburger Gericht hatte ihnen zweimal die Berechtigung zur Nebenklage abgesprochen. Beide Male hatten höhere Instanzen diesen Beschluss widerrufen, zuletzt Anfang März 2017. Ende März hatten Auschwitz-Überlebende dem Gericht in einem Offenen Brief vorgeworfen, den Prozess verhindern oder sabotieren zu wollen.
cgn/stu (dpa, epd)
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Petition der Woche
:Ein Richter unter Verdacht

09. 04. 2017 -
Der Prozess gegen einen 96-jährigen SS-Sanitäter zieht sich seit zwei Jahren hin. Ist der Richter befangen? Ein offener Brief kritisiert seine Praxis.
Richter sind unabhängig, und das ist auch gut so. Was wäre das auch für eine Justiz, wenn diese von oben gegängelt werden könnte? Tatsächlich kann ein Richter ein ihm anvertrautes Verfahren nach seinem Ermessensspielraum gestalten, solange er oder sie die Strafprozessordnung und die Gesetze achtet.
Es muss deshalb schon so einiges geschehen, bevor international renommierte Historiker, der Leiter einer Gedenkstätte und KZ-Überlebende zum Instrument eines offenen Briefes greifen, der sich gegen das Verhalten einer bestimmten Kammer richtet und der als Onlinepetition innerhalb von wenigen Tagen bereits von über 700 Menschen unterzeichnet worden ist.
Im Fall des Verfahrens gegen den ehemaligen SS-Sanitäter Hubert Zafke, angeklagt wegen Beihilfe zum Mord in mehr als 3.000 Fällen im Vernichtungslager Auschwitz, ist das leider der Fall.
Die Liste der Seltsamkeiten in diesem Verfahren ist überlang, und so manches erinnert dabei an unselige Zeiten der Nichtrechtsprechung gegen NS-Straftäter in der Bundesrepublik in den 1950er Jahren. Denn das höchste Ziel der zuständigen Kammer des Landgerichts Neubrandenburg scheint darin zu bestehen, dieses Verfahren eben nicht zu führen, sondern es so rasch wie möglich einzustellen.
Die Verweigerungshaltung des Richters
Das begann schon vor mehr als zwei Jahren, als das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnte, weil der Angeklagte verhandlungsunfähig sei – diese Weisheit beruhte auf einem Gutachten der Verteidigung, während andere Hinweise unbeachtet blieben. Bald darauf von übergeordneter Instanz zum Prozess gezwungen, setzte Richter Kabisch diese Taktik fort. Alle bisherigen Verhandlungstage waren dem Gesundheitszustand Zafkes gewidmet. Nun lässt sich einwenden, dass das bei einem 96-Jährigen auch geboten erscheinen könnte. Doch ein anderer Gutachter, der die Auffassung vertrat, dass der Angeklagte sehr wohl, wenn auch eingeschränkt verhandlungsfähig sei, durfte vor Gericht nicht einmal sein Gutachten vortragen.
Ein Eintritt in die Beweisaufnahme fehlt bis heute. Stattdessen verwandte das Gericht viel Zeit und Energie, um Auschwitz-Überlebenden das Recht auf eine Nebenklage zu entziehen. Gleich dreimal beschloss man das in Neubrandenburg, dreimal las das Oberlandesgericht ihnen deshalb die Leviten und ließ den Nebenkläger wieder zu.
Fast überflüssig scheint es da noch zu erwähnen, dass dieses Landgericht einem Anwalt die Kostenübernahme für eine Reise zu seinem in den USA lebenden Mandanten, einem Auschwitz-Überlebenden, verweigerte. Sollte man noch hinzufügen, das Richter Kabisch dem Angeklagten – höchst ungewöhnlich – einen Privatbesuch abstattete? Wundert es noch, das schließlich Nebenkläger und die Staatsanwaltschaft voller Verzweiflung gemeinsam einen Befangenheitsantrag gegen das Gericht stellten? Ist jemand überrascht, dass dieser Antrag nicht nur abgelehnt wurde, sondern dass es die Neubrandenburger Justiz verstand, darüber so viel Zeit verstreichen zu lassen, dass der Prozess platzte und nun von vorne beginnen muss, was – wie könnte es anders sein – auf sich warten lässt, weil seit Monaten eine Entscheidung des Gerichts über die Verhandlungsfähigkeit Hubert Zafkes aussteht?
„Es ist Ihnen offenbar nicht klar, dass Sie in der internationalen Öffentlichkeit den Eindruck erwecken, dass Sie das Verfahren aus politischen oder anderen Gründen unbedingt verhindern oder sabotieren wollen“, schreiben Roman Guski, der beim Landesjugendring Brandenburg arbeitet, und Constanze Jaiser von der Agentur für Bildung in ihrem offenen Brief. „Wir rufen dazu auf, dafür zu sorgen, dass endlich und unverzüglich verhandelt wird. Die Hoffnung, dass in diesem Verfahren noch ein Urteil gesprochen wird und den Opfern und ihren Angehörigen damit ein Stück weit Gerechtigkeit zuteil wird, geben wir nicht auf.“
Es steht dahin, ob sich das Landgericht von der Petition beeindrucken lässt. Es ist zu befürchten, dass der Richter damit das tut, was er als unabhängiger Richter tun darf – sie unbeachtet zu den Akten legen. Doch weise wäre das im Sinne des Umgangs der deutschen Justiz mit NS-Verbrechen gewiss nicht.
Korrektur: In einer früheren Fassung dieses Textes stand, dass Roman Guski „an der Uni Heidelberg“ lehrt. Hier lag eine Verwechslung vor. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.
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Auschwitz-Prozess in Neubrandenburg
:Befangenheit des Gerichts abgelehnt

4. 12. 2016 -
Dem Richter Klaus Kabisch war vorgeworfen worden, eine Einstellung des Verfahrens voranzutreiben. Er darf so weitermachen.
BERLIN taz |Das Landgericht Neubrandenburg hat sechs Befangenheitsanträge der Nebenkläger und der Schweriner Staatsanwaltschaft gegen den Vorsitzenden und weitere Richter im Prozess gegen den ehemaligen SS-Sanitäter Hubert Zafke abgelehnt. Das erklärte ein Sprecher des Landgerichts am Freitag. Dem Vorsitzenden Richter Klaus Kabisch war vorgeworfen worden, mit seiner parteiischen Prozessführung eine Einstellung des Verfahrens voranzutreiben. Zudem habe er den Angeklagten zu Hause besucht und dies anschließend nicht zu Protokoll gegeben.
Die Begründung der Ablehnung ist nicht bekannt. Laut Pressemitteilung allerdings sei es bei der Entscheidung nicht maßgeblich, „ob der Abgelehnte tatsächlich parteiisch oder voreingenommen ist“. Maßgeblich sei vielmehr, „ob der vernünftige Prozessbeteiligte bei ruhiger Prüfung der Sachlage Gründe hat, die ein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters rechtfertigen“.
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Die 60. Strafkammer des Landgerichts beruft sich dabei auf den Paragrafen 27 der Strafprozessordnung, der allerdings lediglich regelt, welche Kammer über einen Ablehnungsantrag zu urteilen hat. Der Vertreter der Nebenklage, Thomas Walther, kritisierte, dass er von der Ablehnung der Befangenheitsanträge aus den Medien erfahren habe.
Das Verfahren gegen Zafke war wegen nicht eingehaltenen Fristen bei der Klärung der Befangenheit geplatzt. Es muss nun von vorne beginnen. Einen neuen Termin nannte das Landgericht Neubrandenburg nicht.
Zafke wird Beihilfe zum Mord in mindestens 3.581 Fällen vorgeworfen. Der heute 96-Jährige Angeklagte war 1944 einige Wochen lang im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz als SS-Sanitäter eingesetzt gewesen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, mit seinem Dienst den reibungslosen Ablauf in der Mordfabrik sichergestellt zu haben.
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Noch einmal Auschwitz: Der Fall Hubert Z.

Sie waren nur mittelbar beteiligt, werden aber nun doch zur Rechenschaft gezogen: alte Männer, die in Konzentrationslagern Dienst taten. Und das nicht nur an der Rampe. Zum Beispiel der 95-jährige Hubert Z.
Datum 12.09.2016
Autorin/Autor Volker Wagener
Alles war vorbereitet: der große Saal im Landgericht Neubrandenburg war bis auf den letzten Platz besetzt. Extra für diesen einen Prozess war die Kapazität des Gerichtssaals durch Mauer-Durchbrüche vergrößert worden. Nicht genug: Eine zusätzliche Sicherheitsschleuse und ein Extraraum für die Medienvertreter waren erstellt. Journalisten aus Amerika und Israel hatten sich angekündigt. Ende Februar sollte das Verfahren gegen Hubert Z. beginnen, doch genau er, der Angeklagte, fehlte. Seine Gesundheit lasse ein Erschienen nicht zu, bestätigte damals eine Notärztin - zu hoher Blutdruck.
Verantwortung tragen trotz Alter und Krankheit
Am 17. Mai nimmt das Gericht einen neuen Anlauf, die Rolle des Hubert Z. als Sanitäter in Auschwitz zu durchleuchten. Die Frage, ob er verhandlungsfähig ist, bleibt. Ein Dilemma in allen späten NS-Prozessen, in denen sich über 90-Jährige nach mehr als 70 Jahren für ihr Handeln verantworten müssen. Jahrzehntelang hatte sich die deutsche Justiz für die, die nicht selbst an Tötungen in Konzentrationslagern beteiligt waren, nicht interessiert. Wieder wird der Prozess vertagt.
Im nächsten Versuch kann nun verhandelt werden. Der betagte Beschuldigte erscheint an diesem Montag (12.09.2016) vor Gericht im Rollstuhl. Kurz vor Prozessbeginn wurde er noch einmal amtsärztlich untersucht.
Hunderte potentieller Angeklagter sind inzwischen gestorben, ohne dass sie juristisch belangt worden wären. Einigen wenigen letzten Überlebenden der Tätergeneration wird nun spät der Prozess gemacht. Das Versagen der Justiz gilt längst als "zweite Schuld" der Deutschen. Von 6500 SS-Wachmännern in Auschwitz wurden bislang 49 verurteilt. Zum Vergleich: Polnische Gerichte urteilten in knapp 700 Fällen. Allein in Auschwitz waren 1,1 Millionen Juden, sowie Zehntausende nichtjüdische Polen, sowjetische Kriegsgefangene, Sinti und Roma umgebracht worden.
Hubert Z., SS-Mitglied, Sanitäter und Landwirt
Das Verfahren gegen Hubert Z. ist ein besonderes, denn der Angeklagte hatte schon vier Jahre in einem DDR-Gefängnis wegen seiner Tätigkeit als SS-Mann in Auschwitz verbüßt. Im Lager war er Sanitäter, nach seiner Haftentlassung arbeitete er in der Landwirtschaft. Er war 20, als er sich zur Waffen-SS meldete. Weil er der letzte überlebende Sohn seiner Familie war, musste er nach einem Fronteinsatz nicht mehr zu seiner kämpfenden Einheit zurück. Stattdessen wurde er als Angehöriger der SS-Sanitätsstaffel nach Auschwitz abkommandiert. Dort will er keinerlei Kontakt mit Gefangenen gehabt haben, gibt er in den Vernehmungen an. Behandelt habe er nur SS-Angehörige.
Deutschland Oskar Gröning und Eva Kor (Quelle: Foto: Markus Goldbach/dpa)
Ungewöhnlich: Die Holocaust-Überlebende Eva Kor versöhnt sich am 23. April 2015 mit dem SS-Mann Oskar Gröning
Über das Schicksal der Gefangenen war er sich gleichwohl im Klaren: "Natürlich wusste jeder, was da passiert." Huber Z. muss sich für die Toten vom 15. August bis zum 14. September 1944 verantworten. Die Anklage geht von mindestens 3681 Ermordeten aus, die mit insgesamt 14 Deportationszügen in das Lager gebracht worden waren.
Die Geschichte um diesen Prozess begann schon vor zwei Jahren, als Hubert Z. verhaftet wurde. Am 19. Februar 2014 schlugen Ermittler in elf Bundesländern gleichzeitig zu und durchsuchten Wohnungen von 24 Männern und sechs Frauen, die verdächtig waren, ehemalige Wachleute in Auschwitz gewesen zu sein. Die "Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen" hatte die Justiz mit Hinweisen versehen. Unter den Festgenommenen war auch Hubert Z.
Deutschland Neubrandenburg SS-Prozess Anwälte ((c) picture-alliance/dpa/B. Wüstneck)
Prominenter Verteidiger: Peter-Micheal Diestel (links), letzter DDR-Innenminister, vertritt Hubert Z. Rchts der zweite Verteidiger Hannes Barck
Drei Wochen saß er in Untersuchungshaft. Im Februar 2014 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den damals 93-Jährigen wegen Beihilfe zum Mord in mehreren Tausend Fällen. Er soll zum Funktionieren der Tötungsmaschinerie in Auschwitz mit beigetragen haben. Zunächst lehnte das Gericht ein Verfahren gegen den Greis aus gesundheitlichen Gründen ab. Erst eine Beschwerde der Staatsanwaltschaft Rostock macht den Prozess jetzt möglich.
Emotionen schon vor dem ersten Prozesstag
Schon im Vorfeld des Neubrandenburger Auschwitz-Prozesses sorgte das Gericht für bundesweite Schlagzeilen, als es einen Nebenkläger nicht zuließ. Der Auschwitz-Überlebende hatte angegeben, dass er und seine Familie mit einem Zug in Auschwitz angekommen waren. Ein Zug, der nicht auf der Liste der insgesamt 14 Deportationszüge steht, die Gegenstand des Verfahrens gegen Hubert Z. sind. Auch hier musste erst eine höhere juristische Instanz intervenieren, um den Nebenkläger zu zulassen.
Und auch Staatsanwaltschaft und Verteidigung lieferten sich emotionsgeladene, öffentliche Scharmützel. Peter-Michael Diestel, der letzte DDR-Innenminister und einer von drei Verteidigern von Z., hatte gesagt, der Prozess sei ein Todesurteil für seinen Mandanten. Die Auschwitz-Überlebenden waren empört. Und auch die Staatsanwaltschaft war nicht zimperlich. Sie unterstellte Z. blutdrucksteigernde Mittel einzunehmen, um für prozessunfähig erklärt zu werden.
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Vor 15 Jahren: Auschwitz-Mörder flieht nach Justiz-Panne

Stichtag
20. April 2004 - 
Die einen halten den Vorgang im Nachhinein für eine Panne in der juristischen Routine, andere sehen darin einen Skandal:
Der Bundesgerichtshof lehnt die Revision eines Mordprozesses ab. Das Urteil - lebenslänglich - ist rechtskräftig und geht per Post an den Angeklagten und die Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft muss das Schreiben intern weiterleiten und die Polizei anweisen. Das braucht einige Zeit. Der Angeklagte dagegen empfängt die Post zu Hause in Solingen, weil ihm das Oberlandesgericht Düsseldorf während des Prozesses Haftverschonung gewährte. Eine Kaution und die Abgabe der Papiere genügten bei einem älteren Herrn "mit intaktem sozialen Umfeld" gegen die Fluchtgefahr. Jetzt setzt sich der ältere Herr mit Frau und erwachsenem Sohn in seinen Wagen und ins Ausland ab. Die Polizei kommt, wie später rekonstruiert wird, genau eine halbe Stunde zu spät.
"Die Vollstreckung geht uns nichts an", erklärt ein Sprecher des BGH. Was einen Staatsanwalt zu dem Kommentar veranlasst: "Man hat die Sache behandelt wie bei einem Eierdieb."
Die Posse ereignet sich am 20. April 1989, einem Tag nicht ohne Symbolwert. Denn der Flüchtige ist wegen mehrfachen Mordes im KZ Auschwitz verurteilt. Den SS-Unterscharführer haben ehemalige Häftlinge nicht vergessen können. Sie nannten ihn "Den Blinden", seines Glasauges wegen. Im Prozess erhält er den Beinamen "Wilhelm Tell von Auschwitz", weil Zeugen berichten, wie er Häftlingen Konservendosen auf Schultern und Kopf stellte und darauf schoss, bis er die Opfer selbst traf. Einmal ist es ein acht Jahre alter Junge, einmal ein 17-jähriges Mädchen.
Zwei Monate bleibt der 68-Jährige verschwunden, bis er sein Chalet am Thunersee in der Schweiz für einen Krankenhausaufenthalt verlassen muss. Er wird verhaftet und in ein Justizkrankenhaus im Bergischen Land gebracht. Dort bleibt er bis zu seiner vorzeitigen Haftentlassung im Juli 1997.
Stand: 20.04.04
https://www1.wdr.de/


NS-Verbrechen: KZ-Wächter von Auschwitz wegen Beihilfe zum Mord angeklagt

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart erhebt Anklage gegen einen früheren SS-Wachmann. Hans Lipschis soll in mehreren Tausend Fällen Beihilfe zum Mord geleistet haben.
Von dpa und Reuters
26. September 2013, 16:16 UhrQuelle: ZEIT ONLINE, dpa, Reuters, 
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat gegen einen 93 Jahre alten ehemaligen SS-Wachmann des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz Anklage erhoben. Der Vorwurf gegen den mutmaßlichen Nazi-Verbrecher lautet auf Beihilfe zum Mord in mehr als 10.000 Fällen, wie die Behörde mitteilte. Zuständig ist das Landgericht Ellwangen , da der Mann zuletzt im baden-württembergischen Ostalbkreis lebte. Seit Mai sitzt er in Untersuchungshaft. Zu den Vorwürfen hat er sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft bisher nicht geäußert.
Bei dem Beschuldigten handelt es sich um den gebürtigen Litauer Hans Lipschis . Laut Staatsanwaltschaft lebte der Mann nach Kriegsende zunächst in Norddeutschland, wanderte 1956 aber in die US-amerikanische Stadt Chicago aus. "Nachdem dort Anfang der achtziger Jahre bekannt geworden war, dass der Angeschuldigte entgegen seinen Angaben im Einbürgerungsverfahren als SS-Mitglied zur Lagermannschaft von Auschwitz gehörte, wurde ihm in einem Ausbürgerungsverfahren die amerikanische Staatsbürgerschaft aberkannt", hieß es. Ende 1982 wurde er aus den USA ausgewiesen, lebte seither in Baden-Württemberg .
Laut Anklage hatte der Mann in der Zeit zwischen 1941 und 1943 Wachbereitschaft im Konzentrationslager Auschwitz. Durch seine Tätigkeit habe er "den Lagerbetrieb und damit die Vernichtungsaktionen unterstützt", hieß es. Während seiner Wachzeit seien in Auschwitz zwölf Transporte mit Tausenden Gefangenen angekommen. In vielen Fällen seien nicht arbeitsfähige Menschen sofort aussortiert und in den Gaskammern getötet worden. Beim Simon-Wiesenthal-Zentrum stand er auf der Liste der zehn meistgesuchten Kriegsverbrecher.
https://www.zeit.de/


Hatten SS-Mitglieder damals wirklich „keine Wahl“?

Das Urteil gegen den „Buchhalter von Auschwitz“ wird in den sozialen Medien intensiv diskutiert.
Hatte Oskar Gröning eine Wahl, der Arbeit im KZ zu entgehen – oder musste er Befehle ausführen?
Veröffentlicht am 15.07.2015 |
Von Sven Felix Kellerhoff
Leitender Redakteur Geschichte
Prozess in Lüneburg: Der frühere SS-Mann Oskar Gröning wurde zu vier Jahren Haft verurteilt. Der 94-Jährige habe sich bei 300.000 Verbrechen im Konzentrationslager Auschwitz mitschuldig gemacht.
Quelle: N24
Vier Jahre Haft: Zu dieser Strafe hat das Landgericht Lüneburg den 94-jährigen Oskar Gröning verurteilt, der von 1942 bis 1944 als SS-Mann im KZ und Vernichtungslager Auschwitz tätig war. In der mündlichen Urteilsbegründung warf der Vorsitzende Richter Franz Kompisch dem Angeklagten vor: „Es war Ihre Entscheidung, dorthin zu gehen, Sie wollten es!“
Diese Feststellung sorgt für Erregung in verschiedenen sozialen Netzwerken. Manche Nutzer schreiben: „Er hatte damals keine Wahl!“ Andere greifen eine gängige Behauptung auf, die jahrzehntelang in fast jedem NS-Prozess angeführt wurde: „Er hat einfach nur Befehle ausgeführt. Damals war das so, und wenn er das nicht gemacht hätte, hätte er die Kugel bekommen.“
Juristisch heißt dieses Argument „Befehlsnotstand“ und bedeutet, dass niemand bestraft werden könne für eine Tat, die er unter der Androhung schwerster Nachteile für die eigene Person begangen habe. Da Befehlsverweigerung zur Todesstrafe oder der Einweisung in ein KZ geführte hätte, könne den Handlangern des Massenmordes kein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten vorgeworfen werden.
Vor allem in Prozessen wegen NS-Verbrechen in den 50er- und frühen 60er-Jahren galt die Annahme eines Befehlsnotstandes als zuverlässiger Schutz vor einer Verurteilung. Nur Exzesstäter waren davon ausgenommen.
Keine Strafen für „Schwächlinge“ oder „Feiglinge“
Doch schon bald nach Gründung der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen in Ludwigsburg, die alle Ermittlungen wegen NS-Verfahren koordinierte, wurde diese Annahme wissenschaftlich überprüft. Eindeutiges Ergebnis: Es gab damals und gibt bis heute keinen einzigen nachweisbaren Fall, in dem einem SS-Mann, der einen Mordbefehl verweigert hatte, selbst Gefahr für Leib und Leben drohte.
Im Gegenteil konnte durch zahlreiche Zeugenaussagen, aber auch durch Dokumente belegt werden, dass Befehlshaber von Mordeinheiten wie dem Hamburger Reserve-Polizeibataillon 101 wiederholt ihren Männer freistellten, sich an Mordaktionen nicht zu beteiligen. Wer sich so entschied, wurde nachweislich nicht bestraft.
Tatsächlich kam es vor, dass solche Männer als „Schwächlinge“ oder „Feiglinge“ geschmäht und aus der Kameradschaft ausgegrenzt wurden. Doch solche relativ milden Nachteile rechtfertigen die Annahme eines Befehlsnotstandes nicht.
Hier erzählen die Überlebenden von Auschwitz
Auschwitz-Birkenau war das größte NS-Vernichtungslager. Mindestens 1,1 Millionen Menschen wurden hier ermordet. 70 Jahre nach der Befreiung erzählen Überlebende von ihrem Schicksal.
Eine andere Kritik, die jetzt am Gröning-Urteil aufkommt, behauptet, man sei zur Waffen-SS eingezogen worden, habe sich also gar nicht dagegen wehren können. Auch dieses Argument ist zu großen Teilen falsch, jedenfalls mit Sicherheit im Fall Gröning.
Bis in den Zweiten Weltkrieg hinein waren die Waffen-SS und ihre verschiedenen Vorstufen, die SS-Totenkopfverbände und andere Gliederungen, Eliteeinheiten, zu denen man sich als Freiwilliger bewarb.
Selbst 1944 hatte männliche Jugendliche noch die Alternative, zu einer Gliederung der Wehrmacht oder eben zur Waffen-SS zu gehen. Ausgerechnet der kürzlich verstorbene Literaturnobelpreisträger Günter Grass berichtete, wie Werber der Waffen-SS in Gymnasialklassen unterwegs waren.
Versetzungsgesuch als möglicher Ausweg
Tatsächlich regelmäßig in die Waffen-SS eingezogen wurden junge „Volksdeutsche“, etwa der Litauer Hans Lipschis, ebenfalls ein SS-Mann in Auschwitz. Doch auch sie hatten immer noch die Wahl, sich an die Front versetzen zu lassen, wenn ihre Einheiten zum KZ-Dienst eingeteilt wurden.
Solche Versetzungsgesuche sind dutzendfach dokumentiert – allerdings machen sie nur wenige Promille der insgesamt als Wachmannschaften in NS-Lagern eingesetzten Männer aus.
Ebenfalls kritisiert wird im Internet, dass Grönings Taten nicht längst verjährt sind. Tatsächlich können mit Ausnahme des Straftatbestandes des Mordes und der Beihilfe zum Mord alle anderen NS-Verbrechen seit 1960 nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden.
Auch Gröning konnte lange nicht zur Rechenschaft gezogen werden, weil die herrschende Meinung der Justiz für eine Verurteilung wegen Mordes oder Beihilfe zum Mord konkrete Beteiligung an Einzeltaten verlangte.
Das änderte sich erst vor wenigen Jahren im Zuge des langjährigen Verfahrens gegen John Demjanjuk, einen ukrainischen Hilfswärter im Vernichtungslager Sobibor. Nach dieser neuen Rechtsauffassung gilt die Anwesenheit in einem Vernichtungslager als Teil der Wachmannschaft als Unterstützung des Massenmordes – also als hinreichend für den Vorwurf der Beihilfe zum Mord.
Nicht ganz falsch ist schließlich die gelegentlich geäußerte Ansicht, dass mit Demjanjuk oder jetzt Gröning kleine Lichter des SS-Apparates bestraft würden, weil man jahrzehntelang die eigentlich Verantwortlichen, die längst alle tot sind, nicht angemessen verfolgt habe. Nur: Rechtfertigen Fehler der Vergangenheit, dass man sie wiederholt?
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Was wurde aus den Tätern des Mordlagers?

Veröffentlicht am 25.01.2020 | 
Von Sven Felix Kellerhoff
Leitender Redakteur Geschichte
Zwischen 7200 und 8500 SS-Leute waren 1940 bis 1945 in Auschwitz eingesetzt. Etwa 6000 überlebten den Krieg, doch nur rund 800 wurden verurteilt. Ein Überblick
Das Zahlenverhältnis ist atemberaubend schrecklich: Wenigstens eine Million Menschen starben 1940 bis 1945 im Komplex Auschwitz, dem größten Konzentrations- und Todeslager des Dritten Reiches. Verantwortlich für ihr oft grausames Ende waren insgesamt jedoch nur rund 8500 Angehörige der Lagermannschaft (nach anderen Angaben sogar nur 7200). Rein statistisch kamen also auf jeden SS-Mann (und auf jede der wenigen Frauen aus dem SS-Gefolge), der jemals hier eingesetzt war, 120 bis 150 Morde.
Mitte Januar 1945 zählte die KZ-Verwaltung noch 4487 SS-Mitglieder. Sie bildeten den Stab der Kommandantur, das für Selektionen, Vergasungen und Menschenversuche zuständige „Sanitätswesen“ und vor allem die Wachmannschaften. Was wurde aus diesen wenigen tausend Tätern von Auschwitz?
Etwa 6000 von ihnen erlebten das Kriegsende am 8. Mai 1945. Ganz genau weiß man das nicht, denn einige hundert blieben in den Endkämpfen vermisst. Von diesen Haupttätern mussten sich seit 1945 nur rund 800 vor Gericht verantworten. Die weitaus meisten davon, etwa 700, wurden in Polen angeklagt und verurteilt.
Darunter waren mit Rudolf Höß und Arthur Liebehenschel zwei der insgesamt sechs Kommandanten; beide erhielten die Todesstrafe und wurden gehenkt, Höß sogar in Auschwitz selbst. Von den übrigen vier Lagerkommandanten des KZ-Komplexes wurden drei andernorts zum Tode verurteilt; zwei von ihnen, Josef Kramer und Heinrich Schwarz, starben durch den Strang und der dritte, Friedrich Hartjenstein, erlitt vor der Vollstreckung in einem Pariser Gefängnis einen tödlichen Herzanfall.
Nur ein früherer Auschwitz-Kommandant, nämlich Richard Baer, konnte untertauchen – als Landarbeiter auf dem Familiengut der Bismarcks im Sachsenwald. Er wurde erst 1960 festgenommen und starb zweieinhalb Jahre später in Untersuchungshaft vor Beginn seines Prozesses in Frankfurt am Main.
Während alle Kommandanten von Auschwitz zur Verantwortung gezogen wurden, gelang es Männern auf den folgenden Ebenen der SS-Hierarchie öfter, mit falschen Papieren unterzutauchen Etwa dem Adjutanten von Höß, Karl Höcker, oder dem für die Häftlinge zuständigen „Schutzhaftlagerführer“ Franz Johann Hofmann. Immerhin wurden beide später verurteilt; Höcker saß rund zehn Jahre hinter Gittern, Hofmann starb nach 14 Jahren Haft. Dagegen konnte der Leiter der Lager-Gestapo Hans Schurz nie verhaftet werden, ebenso der erste Verwaltungsleiter des KZs Max Meyer. Von den Lagerärzten konnte etwa Hans-Wilhelm König untertauchen. Seine Frau wanderte nach Schweden aus; ihren Mann hatte sie für tot erklären lassen. König lebte und praktizierte als „Dr. Ernst Peltz“ als Landarzt. 1962 flog er auf und verschwand, möglicherweise nach Schweden. Jedenfalls verlor sich seine Spur. Ganz offiziell nicht verfolgt wurde Kurt Uhlenbrook – es fehlte an Belastungszeugen. Hans Münch, der wohl als einziger SS-Arzt den mörderischen Dienst an der Rampe von Birkenau verweigert hatte (was für ihn ohne Folgen blieb) und der vielen Häftlingen zu helfen versuchte, wurde freigesprochen.
Unter ihren echten Namen lebten nach 1945 die Lagerärzte Horst Schumann und Horst Fischer, beide an Menschenversuchen und Selektionen beteiligt. Schumann wurde 1951 enttarnt, flüchtete nach Ägypten und Ghana. 1966 wurde er in die Bundesrepublik ausgeliefert und angeklagt, doch wegen angeblicher Verhandlungsunfähigkeit wurde der Prozess 1971 abgebrochen.
Anders Fischer: Als die SED 1965 ihren eigenen Auschwitz-Prozess führen wollte, wurde er festgenommen, zum Tode verurteilt und hingerichtet; der Prozess folgte einem von der Parteiführung genehmigten, im Vorhinein festgelegten „Drehbuch“. Fischers wahre Identität war der Stasi zum Zeitpunkt der Festnahme schon seit mehr als einem Jahr bekannt gewesen.
Die spektakulärste Flucht eines Auschwitz-Täters gelang Josef Mengele. Der berüchtigte Leitende Arzt des „Zigeunerlagers“ von Birkenau hatte bestialische „Experimente“ vor allem an Zwillingspaaren durchgeführt und an der Rampe unzählige Menschen in die Gaskammern geschickt. Im Frühjahr 1945 wurde er wie beinahe jeder deutsche Mann im wehrfähigen Alter zuerst interniert, aber rasch wieder freigelassen: Seine wahre Identität war nicht erkannt worden. Mit manipulierten Papieren schlug er sich in seine Heimatstadt Günzburg durch; es folgten fast drei Jahre als Knecht auf einem Hof in Oberbayern. Dann verzichtete er formal auf sein Erbe und flüchtete über Seilschaften von NS-Sympathisanten nach Genua, von hier aus weiter nach Südamerika. In Argentinien lebte er, finanziert von seiner Familie in Günzburg, in Buenos Aires. Hier lernte er auch Adolf Eichmann kennen. Sogar einen Pass mit seinem echten Namen bekam Mengele.
Anfang 1959 erwirkten Freiburger Staatsanwälte einen Haftbefehl, und Mengele floh nach Paraguay, wechselte dann nach Brasilien. Nun nannte er sich „Peter Hochbichler“, später „Wolfgang Gerhard“. 1979 ertrank er kurz vor seinem 68. Geburtstag; seine Identität wurde 1985 aufgedeckt und später durch einen DNA-Test bestätigt.
Der letzte verurteilte SS-Täter von Auschwitz war Oskar Gröning, auch „Buchhalter des Todes“ genannt, weil er das Eigentum der ermordeten Menschen verwaltete. Kurz vor seinem 94. Geburtstag begann 2015 das Verfahren gegen Gröning; er wurde zu vier Jahren Haft verurteilt, starb aber, bevor er diese antreten musste. Einige angeklagte frühere Auschwitzer SS-Leute wurden wegen Verhandlungsunfähigkeit von der Strafverfolgung verschont, zuletzt Anfang 2019.
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Weser-Kurier: Über das Auschwitz-Urteil schreibt Hans-Ulrich Brandt:

28.11.2016 – 20:14
Weser-Kurier
Bremen (ots)
Für Gerechtigkeit ist es nie zu spät - die Reaktionen auf das Urteil des Bundesgerichtshofs belegen das. Sowohl die als Nebenkläger in diesem Prozess aufgetretenen Überlebenden des KZ- und Vernichtungslagers Auschwitz als auch der Chefaufklärer für NS-Verbrechen, Jens Rommel, sprechen von "großer Erleichterung" und einem Urteil, das "Rechtsgeschichte geschrieben hat". Und in der Tat ist diese Entscheidung ein juristischer Meilenstein. Es revidiert die bisherige deutsche Rechtsprechung zu NS-Straftaten, weil jetzt endlich die Tatsache für eine Verurteilung ausreicht, Teil des perfiden NS-Vernichtungssystems gewesen zu sein, ohne selbst direkt einzelne Taten begangen zu haben. Es setzt außerdem ein klares Zeichen, dass alle, die in Auschwitz und anderswo mitgemacht haben, für diese unbeschreiblichen Verbrechen auch mitverantwortlich und mitschuldig sind. Ja, dieses Urteil kommt spät. Die meisten NS-Täter sind im juristischen Sinne, nicht im ethisch-moralischen, davongekommen. Für die noch lebenden Opfer und ihre Nachkommen besteht nun aber die Chance, wieder Vertrauen zu fassen in die deutsche Justiz. Und für künftige Völkermordprozesse sollte es ein Signal sein.
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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielelfeld) zum Auschwitz-Prozess

12.06.2016 – 21:00
Westfalen-Blatt
Bielefeld (ots)
Überraschend ist die Freispruch-Forderung der Anwälte von Reinhold Hanning nicht. Schließlich hatte auch die Verteidigung in den Prozessen gegen die früheren Nazi-Gehilfen John Demjanjuk (2011) und Oskar Gröning (2015) so plädiert. Verurteilt wurden beide, auch wenn zunächst keines der Urteile rechtskräftig wurde. Demjanjuk starb, bei Gröning steht die Revisionsentscheidung noch aus.
Dass auch die Verteidigung in Detmold zahlreichen Holocaust- Überlebenden ermöglicht hat, ein letztes Mal vor Gericht von ihrem Leid erzählen zu können, ist ihr positiv anzurechnen. Das war keine Selbstverständlichkeit.
Wenn Anwalt Andreas Scharmer das Verfahren in Detmold allerdings als »politischen Schauprozess« bezeichnet, ist das ein Skandal. Politische Schauprozesse jenseits jeder Rechtsstaatlichkeit gab es vor dem Volksgerichtshof der Nazis oder bei den stalinistischen »Säuberungen« in der Sowjetunion der 30-er Jahre. Einen Prozess zur Aufarbeitung der NS-Verbrechen vor einem bundesdeutschen Gericht im Jahr 2016 in diese Reihe zu stellen, ist schlichtweg schäbig.
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phoenix-Themenabend: Der Holocaust vor Gericht - Montag, 23. Mai 2016, ab 20.15 Uhr

20.05.2016 – 13:45
PHOENIX
Bonn (ots)
Anlässlich des in diesen Tagen zu erwartenden Urteils im Detmolder Auschwitz-Prozess gegen den ehemaligen SS-Wachmann Reinhold Hanning, bietet phoenix einen sechsstündigen Themenabend mit einer Sonderausgabe der montäglichen Gesprächssendung "Unter den Linden" aus Israel mit namhaften Zeitzeugen, dem Historien-Spielfilm "Die Akte General" und vertiefenden Dokumentationen zur juristischen Aufarbeitung des Holocaust.
Der Programmschwerpunkt beginnt um 20.15 Uhr mit dem 90-minütigen Fernsehfilm "Die Akte General", der den dramatischen Kampf des hessischen Generalstaatsanwaltes Fritz Bauer, dargestellt durch Ulrich Noethen, gegen die Vertuschung von NS-Verbrechen in der jungen Bundesrepublik plastisch aufzeigt.
Um 22:15 Uhr diskutiert Michaela Kolster in "Unter den Linden vor Ort" aus der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem mit ihren Gästen, Yehuda Bauer und Gabriel Bach unter dem Thema "Wider das Vergessen des Holocaust - Erinnern, Mahnen, Sühnen". Gabriel Bach war der stellvertretende Generalstaatsanwalt im Eichmann-Prozess in Jerusalem 1961/62. Yehuda Bauer ist israelischer Historiker und war viele Jahre Leiter des Forschungsinstituts Yad Vashems.
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AKTUELL DEUTSCHLAND
Anklage fordert im Auschwitz-Prozess sechs Jahre Haft für Ex-Wachmann

Der 94-Jährige habe sich der Beihilfe zum Mord an mindestens 100.000 KZ-Häftlingen schuldig gemacht, so die Staatsanwaltschaft. Dass die Anklage bereits ihr Abschluss-Plädoyer hielt, war so nicht erwartet worden.
20.05.2016
Der angeklagte ehemalige SS-Wachmann Reinhold Hanning habe am Vernichtungszweck des Lagers mitgewirkt, erklärte die Staatsanwaltschaft vor dem Landgericht Detmold. Der Tatbestand der Beihilfe sei erfüllt, weil der Angeklagte durch seinen Wachdienst zu einem Teil der grausamen Tötungsmaschinerie geworden sei, führte Oberstaatsanwalt Andreas Brendel aus. Es habe zur Aufgabe der Wachleute gehört dafür Sorge zu tragen, dass Häftlinge das Lager nicht lebend verließen. Durch das Ableisten seines Dienstes habe sich der ehemalige SS-Mann mit den Zielen seiner Auftraggeber solidarisiert.
Mord an mehr 100.000 Menschen
Hanning soll im Januar 1942 in das Konzentrationslager im damals deutsch besetzten Polen versetzt und dann unter anderem für die Bewachung des Lagers Auschwitz I zuständig gewesen sein. Als Angehöriger der Wachmannschaft war er nach Ansicht der Staatsanwaltschaft an der Tötung mehr als 100.000 Menschen in der Zeit von Januar 1943 bis Juni 1944 beteiligt.
In Auschwitz habe es Massenerschießungen, Hungertod und die massenhafte Vergasung von Häftlingen gegeben, sagte die Staatsanwaltschaft weiter. Insgesamt waren im Vernichtungslager der Nationalsozialisten 1,1 Millionen Menschen umgebracht worden, vor allem Juden. "Wir sind es den Opfern schuldig, die Verbrechen auch heute noch zu verfolgen", so Brendel.
Angeklagter bat um Auschwitz-Opfer um Entschuldigung
Der Angeklagte verfolgte das Plädoyer der Staatsanwaltschaft mit unbewegter Miene. Hanning hatte im Prozess zugegeben, Mitglied der SS-Wachmannschaft in Auschwitz gewesen zu sein und von dem Massenmord gewusst zu haben. Er habe sich jedoch nicht gegen die Einberufung und den Einsatz als Wachmann wehren können, hatte der 94-Jährige in dem Prozess ausgesagt. Er bat die Holocaust-Überlebenden und Angehörigen der Opfer um Entschuldigung. Die Staatsanwaltschaft hingegen betonte, der frühere Wachmann hätte die Möglichkeit gehabt, um eine Versetzung zu bitten, ohne um sein Leben fürchten zu müssen.
Zu dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft war es am Detmolder Landgericht überraschend noch am 15. Verhandlungstag gekommen, nachdem die Kammer einen Befangenheitsantrag aus den Reihen der Nebenkläger zurückgewiesen hatte. Diese hatten sich damit gegen die Entscheidung des Gerichts wehren wollen, einen aus den USA angereisten Lager-Überlebenden nicht als Zeugen zu hören. In der kommenden Woche sollen die Plädoyers der Nebenkläger beginnen. Abschließend ist die Verteidigung an der Reihe.
cw/stu (dpa, epd)
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Aktenzeichen 4 Ks 2/63: Auschwitz-Verbrechen vor Gericht

Mitten in den Wirtschaftswunderjahren mussten sich die Westdeutschen ihrer Vergangenheit stellen: Vor 50 Jahren fielen die Urteile im Frankfurter Auschwitz-Prozess. Eine Zäsur für Opfer, Täter und Öffentlichkeit.
Datum 19.08.2015
Autorin/Autor Volker Wagener
Die Antwort sorgte für Empörung auf den Zuschauerrängen. Wilhelm Boger, zuständig für "Verhöre" bei der Politischen Abteilung in Auschwitz, wurde vom Gericht mit der von ihm erfundenen "Boger-Schaukel" konfrontiert. Dabei wurden dem Opfer unter den angezogenen Beinen die Handgelenke gefesselt, anschließend eine Eisenstange zwischen Hände und Kniekehlen geschoben und die beiden Stangenenden dann auf zwei gegenüber stehende Tische gelegt. Der so Gequälte hing mit dem Kopf nach unten, Gesäß und Geschlechtsteile ungeschützt den brutalen Schlägen ausgesetzt. "Ich habe nicht totgeschlagen", erklärte Boger dem Gericht, "ich habe Befehle ausgeführt."
Wilhelm Boger im Auschwitz-Prozess - Foto: United Archives (Imago)
Angeklagter Boger: "Ich habe nur Befehle ausgeführt!"
Bogers Einlassung war symptomatisch für alle Angeklagten: Von Reue keine Spur. So machte der Frankfurter Auschwitz-Prozess erstmals nach 1945 das ganze Grauen öffentlich.
Auschwitz, Synonym für den Holocaust
Als die Rote Armee am 27. Januar 1945 das Lager nahe Krakau im heutigen Polen erreichte, zählte sie noch rund 7000 Gefangene in dem KZ. Von den zuletzt 60.000 Insassen waren die meisten kurz zuvor von der SS erschossen oder aber auf sogenannte Todesmärsche Richtung Westen getrieben worden. 1,1 Millionen Menschen wurden in den nationalsozialistischen Vernichtungslagern zwischen 1940 und 1945 umgebracht: vergast, totgespritzt, erschossen, erschlagen. Alles fein säuberlich dokumentiert.
Nach dem Krieg waren diese Verbrechen in der bundesdeutschen Öffentlichkeit fast 20 Jahre Tabu. Vor allem für die Justiz. Das Motto lautete: "Das Vergangene soll ruhen!" Der Geist der Adenauer-Ära - also der Regierungszeit des ersten Bundeskanzlers von 1949 bis 1963 - war geprägt von weitverbreiteter Amnesie oder aktivem Entnazifizierungseifer.
Rampe in Auschwitz - Foto: AP
An der Rampe: Neue KZ-Häftlinge erreichen Auschwitz
Dass es den großen Auschwitz-Prozess überhaupt geben konnte, ist dem Zufall geschuldet. Ein Journalist lernte während einer Recherche Ende 1958 einen ehemaligen KZ-Häftling kennen, der während der letzten Kriegsmonate im brennenden Breslau einige vom Feuer schon angekohlte Dokumente aus dem Polizeigericht mitnahm. Diese überließ er dem Journalisten, der sie an den hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer schickte.
Und der erkannte sofort die Brisanz des Zufallsfundes: Unterlagen über Erschießungen in Auschwitz. Samt Namen der Ermordeten, ihrer Mörder und dem vermerkten Grund der Hinrichtung. Unterzeichner war Rudolf Höß, der Lagerkommandant. Und auch die Paraphe von Robert Mulka war klar auszumachen, einem der späteren Angeklagten in Frankfurt. Die Grundlagen für einen Großprozess, für ein Strafverfahren gegen mehrere Personen in verschiedenen Funktionen waren endlich gegeben. Und damit die Möglichkeit, die gesamte Vernichtungsmaschinerie als System erkennbar zu machen.
Fritz Bauer, der Vater des Prozesses
Im April 1959 erklärte der Bundesgerichtshof das Landgericht Frankfurt am Main und Fritz Bauer für alle Auschwitz-Prozesse zuständig. Als Jude und Sozialdemokrat in der NS-Zeit selbst inhaftiert, konnte Bauer sich nach der Haft ins Ausland absetzen.
Fritz Bauer - Foto: Manfred Rehm (dpa)
Der Vater der Auschwitz-Prozesse: Fritz Bauer, hessischer Generalstaatsanwalt
Nach Kriegsende wurde er zum entschlossensten Verfolger von Kriegsverbrechern - nicht aus Rache, sondern um die Vergangenheit dem Verdrängen zu entreißen. Er galt darum weiten Teilen der Politik und Justiz als Nestbeschmutzer. Im Prozess selbst trat er nie in Erscheinung, aber er hatte das Verfahren nach Frankfurt geholt und gab seinen Staatsanwälten als Chef der Anklagebehörde Rückendeckung. Was nicht selbstverständlich war, denn Bauer war einer der wenigen unbelasteten Juristen in der frühen bundesdeutschen Justiz und fühlte sich zu Recht allein auf weiter Flur. "Wenn ich mein Dienstzimmer verlasse", beschrieb er einmal seine Situation, "betrete ich feindliches Ausland!"
Der Frankfurter Prozess konnte auch deshalb 1963 beginnen, weil 1958 die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg eingerichtet worden war. Bis dahin waren Kriegsverbrecher nur unsystematisch und unkoordiniert verfolgt worden. Auch aussagewillige Zeugen zu finden, bereitete der Anklage Sorgen. Viele ehemalige KZ-Insassen, die den Holocaust überlebt hatten, wollten nie wieder einen Fuß auf deutschen Boden setzen. Es dauerte, bis aus jedem Land, aus dem Juden deportiert worden waren, mindestens ein Zeuge überzeugt werden konnte, nach Frankfurt zu kommen.
Zeugnisse des Grauens
Die Prozesseröffnung am 20. Dezember 1963 konfrontierte die Deutschen 18 Jahre nach Kriegsende mit etwas, das viele gar nicht mehr wissen wollten. Es war kurz vor Weihnachten und die wieder wohlgenährten Bürger des Wirtschaftswunderlandes mochten sich nicht mit den Nazi-Verbrechen beschäftigen. Die Frankfurter erledigten ihre Weihnachtseinkäufe, als der Römer, das Rathaus im Stadtzentrum, zum Schauplatz des Jahrhundertprozesses wurde.
Deutschland Auschwitzprozess in Frankfurt am Main Gerichtssaal - Foto: United Archives (Imago)
20. Dezember 1963: Eröffnung des Frankfurter Auschwitz-Prozesses gegen 22 Angeklagte
Dort wurde das Aktenzeichen 4 Ks 2/63, Strafsache gegen Mulka und andere aufgerufen. Robert Mulka, Adjutant des Lagerkommandanten von Auschwitz, war der älteste der 22 Angeklagten und somit Namensgeber des Verfahrens. Verhandelt wurde an insgesamt 183 Tagen, 20 Monate lang. Grundlage des Prozesses: die 700 Seiten dicke Anklageschrift. Dazu übergab die Staatsanwaltschaft dem Gericht 75 Aktenbände. Darunter Totenbücher und die Aufzeichnungen der Kommandantur über den Funkverkehr der Lager. Alles zusammengetragen in fünfjähriger Vorermittlung.
359 Zeugen wurden in Frankfurt gehört, davon 248 ehemalige Auschwitz-Häftlinge. Und das Gericht fuhr nach Polen und nahm das ehemalige Lager Auschwitz in Augenschein. Politisch zu dieser Zeit fast ein Unding, weil Europa in Ost und West geteilt war, doch das Internationale Auschwitz-Komitee machte es möglich und vermittelte bei der Warschauer Regierung. So konnten Aussagen einiger Angeklagter widerlegt werden, die behauptet hatten, von ihrem Büro- oder Arbeitsplatz aus nichts von den Morden mitbekommen zu haben.
Das späte Urteil
Als am 19. August 1965 das Gericht mit der Urteilsverkündung begann, war jeder Besucherstuhl besetzt. Rund 20.000 Prozessbeobachter waren in den zurückliegenden 20 Monaten gekommen. Besonders groß war das Interesse im Ausland. Was der inzwischen verstorbene Jurist, Schriftsteller und Holocaust-Überlebende Ralph Giordano die "zweite Schuld" nannte, das jahrzehntelange Versagen der (west)deutschen Justiz beim juristischen Umgang mit der eigenen Vergangenheit, wurde mit den Frankfurter Auschwitz-Urteilen zumindest etwas korrigiert.
Gleise zum KZ Auschwitz - Foto: Christopher Furlong (Getty Images)
Mit dem Zug in den Tod. Rund 1,1 Millionen Menschen wurden in den Lagern getötet
Gegen die Hauptangeklagten verhängte das Gericht lange, teilweise auch lebenslange Haftstrafen. Und es hielt ausdrücklich fest, dass auch nach nationalsozialistischem Recht die Taten strafbar gewesen waren.
Nach dem Frankfurter Urteil erlahmte der Ermittlungseifer der deutschen Justiz gegenüber NS-Verbrechern wieder merklich. Von 6500 SS-Leuten in Auschwitz wurden ganze 29 verurteilt, hat der Historiker Andreas Eichmüller errechnet. Und: Es dauerte noch 40 Jahre, bis die sogenannte "Auschwitz-Lüge" - die Behauptung, in dem Vernichtungslager seien keine Menschen ermordet worden oder weit weniger, als historisch nachgewiesen - auch strafrechtlich verfolgt wurde. Seit April 2005 gilt dafür der Straftatbestand der Volksverhetzung.
Eine kommentierte Quellenedition hat das Frankfurter Fritz-Bauer-Institut 2013 unter dem Titel "Der Frankfurter Auschwitz-Prozess" herausgegeben.
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Schwäbische Zeitung: "Aufarbeitung bleibt wichtig" - Kommentar zum Auschwitz-Prozess

15.07.2015 – 20:16
Schwäbische Zeitung
Ravensburg (ots)
Der Lüneburger Auschwitz-Prozess zeigt: Die Aufarbeitung der NS-Verbrechen ist auch heute noch dringend nötig. Richter Kompisch hat recht. Die Nazis machten das Töten zur kollektiven Routine, um den Einzelnen zu enthemmen und ihn glauben zu machen, ihn treffe keine persönliche Schuld.
Diese Erkenntnis ist wichtig, weil sie ein Schlaglicht auf den Umgang gar nicht so weniger Deutscher mit dem NS-Unrecht wirft. Die Nazis hätten das Volk "verführt", hört man oft - und kann den Eindruck bekommen, nur Hitler, Himmler und ein paar andere seien Nazis gewesen, der Rest nur fehlgeleitete Mitläufer. Man verschanzt sich hinter dem Kollektiv, das verführt worden sei. Individuelle Schuld wird auch hier verneint.
Dass die Mehrheit den Nazis zumindest kritiklos, wenn nicht sogar begeistert gegenüberstand, fällt unter den Tisch. Die NS-Führung war Teil des Volkes, das zeigt auch deren überwiegend bürgerliche Herkunft. Sie überfiel Deutschland nicht 1933 und unterjochte das wehrlose Land. Es ist gut, dass die Justiz heute durchgreift. Denn die NS-Barbarei wäre ohne "Rädchen im Getriebe" wie Gröning unmöglich gewesen.
Pressekontakt:
Schwäbische Zeitung
Redaktion
Telefon: 0751/2955 1500
redaktion@schwaebische-zeitung.de
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Zustimmung und Kritik an Gröning-Urteil

Vier Jahre Haft wegen Beihilfe zum Massenmord in Auschwitz – das Urteil des Landgerichts Lüneburg gegen den früheren SS-Mann Oskar Gröning ist auf ein geteiltes Echo gestoßen. Kritik gab es vor allem am Strafmaß.
15.07.2015
"Das war sehr wichtig, weil damit ein NS-Täter zur Rechenschaft gezogen wurde", sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster. Für die Opfer und ihre Angehörigen habe die Verurteilung eine hohe Bedeutung. Gleichzeitig betonte Schuster: "Die Versäumnisse der deutschen Justiz, die solche Verfahren jahrzehntelang verschleppt oder verhindert habe, lassen sich damit nicht mehr gutmachen."
"Obwohl verspätet, ist Gerechtigkeit geschehen"
Die nachlässige Verfolgung von KZ-Tätern durch die Nachkriegsjustiz hatte auch der Vorsitzende Richter Franz Kompisch bei seiner Urteilsbegründung kritisiert. Er sprach den 94-Jährigen der Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen für schuldig und ging mit seinem Urteil über das von der Strafanwaltschaft geforderte Strafmaß von dreieinhalb Jahren hinaus. Gründlich, effizient und gnadenlos hätten Menschen wie Gröning zum Funktionieren der Tötungsmaschinerie des Vernichtungslagers beigetragen. Als Rad im Getriebe habe der auch "Buchhalter von Auschwitz" genannte Gröning den Massenmord unterstützt, sagte Kompisch.

Dieter Graumann (Foto: dpa)
Dieter Graumann, Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses
Ob der gesundheitlich angeschlagene Gröning haftfähig ist und tatsächlich hinter Gitter kommt, muss die Staatsanwaltschaft prüfen, sobald das Urteil rechtskräftig ist. Verteidigung und auch Staatsanwaltschaft wollen prüfen, ob sie in Revision gehen. Nach Ansicht des ehemaligen Zentralratspräsidenten Dieter Graumann ist es jedoch unerheblich, ob Gröning seine Strafe tatsächlich antreten müsse. Das Urteil signalisiere, dass Gerechtigkeit keine Verfallszeit kenne, sagte Graumann bei "bild.de". Zudem sei es wichtig, in einer Zeit, in der es immer wieder Holocaust-Leugner gebe, NS-Täter zur Rechenschaft zu ziehen, erklärte der Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses.
Auch der Präsident des Jüdischen Weltkongress äußerte Zustimmung. "Obwohl verspätet, ist Gerechtigkeit geschehen", sagte Ronald S. Lauder in New York. "Herr Gröning war nur ein kleines Rad in der Todesmaschine der Nazis, aber ohne die Hilfe von Menschen wie ihm wäre der Massenmord an Millionen von Juden und anderen nicht möglich gewesen." Wer zum Völkermord beitrage, dürfe nicht straffrei ausgehen. Im Vergleich zu den unbeschreiblichen Verbrechen, an denen er beteiligt gewesen sei, habe Gröning eine kleine Strafe erhalten.

Historiker Wolffsohn: unzulänglicher Prozess
Kritik am Strafmaß äußerte auch der Oberrabiner von Russland, Berel Lazar, und das Internationale Auschwitz Komitee. "Vier Jahre Haft sind nicht angemessen. Eine solche Strafe wird schon für Finanzverbrechen verhängt", sagte Lazar. "Einzig der Ausspruch einer lebenslangen Haftstrafe wäre angemessen gewesen", meinte der Vizepräsident des Internationalen Ausschwitz Komitees Christoph Heubner. Dennoch sei der Prozess für die Überlebenden auch mit Blick auf ihr Verhältnis zu Deutschland enorm wichtig gewesen: "Er hat ihnen neue Wege nach Deutschland eröffnet."
Der Historiker Michael Wolffsohn kritisierte den Prozess dagegen als unzulänglich. Das Urteil stehe in keinem Verhältnis zu der Tat, sagte er dem rbb-Inforadio. Man habe zeigen wollen: "Wir sind ja so korrekt. Aber im Grunde genommen ist das absurdes Theater gewesen." Wolffsohn plädierte für eine breite gesellschaftliche Debatte über die NS-Täter. Mit einem Verurteilten, der von der Öffentlichkeit ausgeschlossen in seiner Zelle sitze, sei keine gesellschaftliche Erziehung zu erreichen.
Nebenkläger "erleichtert und sehr glücklilch"
Die rund 70 Nebenkläger, Auschwitz-Überlebende und ihre Nachkommen, äußerten sich dagegen positiv über den Schuldspruch. "Ich bin erleichtert und sehr glücklich", sagte ihr Anwalt Thomas Walther. "Es erfüllt uns mit Genugtuung, dass nunmehr auch die Täter Zeit ihres Lebens nicht mehr vor einer Strafverfolgung sicher sein können."
Aus Sicht von Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil war der Auschwitz-Prozess von Lüneburg wichtig für die Überlebenden des Konzentrationslagers. "Vor allem die Opfer haben in dem Prozess die Möglichkeit gehabt, ihre Leiden zu schildern", sagte der SPD-Politiker. Zwar lägen die Massenmorde schon mehr als 70 Jahre zurück. Der Prozess habe dennoch der Glaubwürdigkeit der Justiz bei der Verfolgung von NS-Verbrechern einen Schub gegeben. Efraim Zuroff, Leiter des Simon-Wiesenthal-Zentrums in Jerusalem, hofft, "dass dies die deutschen Behörden ermutigen wird, weitere Fälle zu verfolgen".
Weiterer Ausschwitz-Prozess in Hanau
Wie beispielsweise im Bundesland Hessen, wo die Staatsanwaltschaft am Mittwoch mitteilte, dass sich ein 92 Jahre alter ehemaliger Wachmann des Konzentrationslagers Auschwitz vor der Jugendkammer des Landgerichts Hanau wegen Beihilfe zum Mord verantworten muss. Die Anklage sei vor der Jugendkammer erhoben worden, weil der Beschuldigte zur Tatzeit erst 19 beziehungsweise 20 Jahre alt gewesen sei.
ww/wl (dpa, KNA, epd)
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Kommentar: Symbolisches Urteil

Ob Oskar Gröning wirklich ins Gefängnis muss, ist nicht wichtig. Bei dem Prozess gegen den SS-Mann im KZ Auschwitz ging es um ganz anderes. Und wirklich entscheidend ist die Botschaft des Urteils, meint Felix Steiner.
15.07.2015
Es ist eher selten vor deutschen Gerichten, dass das Urteil höher ausfällt, als es von der Staatsanwaltschaft gefordert worden war. Aber im Fall Oskar Gröning ist das eigentlich unerheblich. Denn in Relation zur Tat - der Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen - wirkt die Strafe so oder so lächerlich gering. Ganz gleich, ob sie nun dreieinhalb oder vier Jahre Haft beträgt.
Außerdem: Eine mehrjährige Haftstrafe gegen einen 94-Jährigen zu verhängen, das wirkt ähnlich absurd, wie die Phantasie-Strafmaße von mehr als 100 Jahren Gefängnis, zu denen in vielen Staaten zum Beispiel Serien-Täter verurteilt werden. Und da das moderne Deutschland einen sehr humanen Strafvollzug pflegt, ist es ohnehin mehr als unwahrscheinlich, dass der greise Gröning angesichts seiner labilen Gesundheit überhaupt noch ins Gefängnis muss.
Ehrenrettung für die deutsche Justiz
Die Bedeutung dieses Urteils ist also eine rein Symbolische. Dieses Urteil ist in erster Linie eine Ehrenrettung für die deutsche Justiz. Eine Justiz, die geschafft hat, von den rund 7.000 SS-Leuten, die in Auschwitz Dienst taten, nicht einmal 100 vor Gericht zu stellen. Eine Justiz, die bereits 1977 gegen Oskar Gröning ermittelte, das Verfahren aber 1985 einstellte. Wegen eines Mangels an Beweisen für einen hinreichenden Tatverdacht, wie die Oberstaatsanwaltschaft Frankfurt damals meinte.
Felix Steiner
DW-Redakteur Felix Steiner
Dabei waren bereits in den 1960er Jahren schon viele Auschwitz-Täter namentlich bekannt, die man also in deutlich jüngerem Lebensalter hätte belangen können. Viele, die sich wie Oskar Gröning nicht versteckten, sondern ganz normal in Deutschland lebten und offen über das sprachen, was sie getan und erlebt hatten. Aber niemand in der deutschen Justiz wollte sie anklagen.
Was hierfür ausschlaggebend war, wurde erstmals 1987 in einem inzwischen zum Standardwerk aufgestiegenen Buch von Ingo Müller beschrieben: "Furchtbare Juristen - Die unbewältigte Vergangenheit unserer Justiz". Detailliert werden darin die Verbrechen der Juristen im Nationalsozialismus analysiert und wie viele der damaligen Täter nahtlos in den Staatsdienst der Bundesrepublik wechselten. Die Lektüre lohnt bis heute.
Die Überlebenden von Auschwitz vor Gericht
Dass das Verfahren gegen Oskar Gröning zu Stande kam und wie es abgelaufen ist, hat zum Teil mit der Tatsache zu tun, dass inzwischen eine neue Generation Richter und Staatsanwälte in Amt und Würden ist. Es ist aber vor allem dem Engagement einiger weniger, zum Teil längst pensionierter Juristen zu verdanken, die bei der Verfolgung der NS-Täter nicht locker lassen. Und die zum Beispiel dafür sorgten, dass bei diesem Prozess deutlich mehr Zeugen gehört wurden, als für die Ermittlung der Schuld von Oskar Gröning benötigt worden wären.
Vor allem in diesem Punkt entfaltete der Prozess seine größte Symbolik: dass den inzwischen ebenfalls greisen Überlebenden von Auschwitz ein vermutlich letztes Mal Gelegenheit gegeben wurde, öffentlich über ihr Leid zu berichten und es vor Gericht zu Protokoll zu geben. Das war vielen von ihnen weitaus wichtiger, als das jetzt verhängte Urteil.

Nie mehr sicher sein
Auch Oskar Gröning selbst hat einen wesentlichen Beitrag zur Symbolik dieses Prozesses geleistet. Anders als viele Angeklagte in früheren NS-Prozessen hat er nichts bestritten und geleugnet, sondern sich klar und eindeutig zu seiner Schuld bekannt. "Auschwitz war ein Ort, an dem man nicht mitmachen durfte" - dieser Satz Grönings in seinem Schlusswort sollte allen Neonazis und Holocaust-Leugnern in den Ohren klingeln.
Die letztlich entscheidende Botschaft dieses Urteils bleibt indessen: Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verjähren nie! Wer daran mitwirkt - und sei es auch nur indirekt - soll sich nie mehr sicher vor Strafe fühlen können!
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Die Überlebenden und der "Buchhalter von Auschwitz"

Der ehemalige SS-Mann Oskar Gröning hat vor Gericht um Verzeihung für seine Mitschuld am Massenmord in Auschwitz gebeten. Nicht alle Überlebenden des Vernichtungslagers sind dazu bereit. Von Ben Knight, Lüneburg.
21.04.2015
"Ich kann ihm nicht vergeben". Mit diesen Worten fasst Max Eisen, Auschwitz-Überlebender aus Toronto, seinen Eindruck vom ersten Prozesstag in Lüneburg zusammen. Der 86-jährige Eisen ist einer der Nebenkläger im Prozess gegen den ehemaligen SS-Mann und mutmaßlichen NS-Kriegsverbrecher Oskar Gröning. Zum Auftakt des Prozesses gegen ihn vor dem Landgericht Lüneburg hat Gröning eine "moralische Mitschuld" an den Verbrechen im Vernichtungslager Auschwitz eingestanden.
Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen vor. Gröning habe im Frühjahr 1944 Spuren der Massentötung von Juden aus Ungarn verwischt, indem er das Gepäck der ankommenden Häftlinge wegschaffte. "Durch seine Tätigkeit unterstützte der Angeklagte das fortlaufende Tötungssystem", so Staatsanwalt Jens Lehmann.
Der Überlebende Max Eisen beim Auschwitz-Prozess in Lüneburg - Foto: Ben Knight (DW)
Nazi-Opfer Max Eisen: "Gröning hat viel gelogen"
Gröning, heute 93 Jahre alt, räumte zumindest eine moralische Mitschuld am Massenmord in Auschwitz ein. "Zu dieser moralischen Schuld bekenne ich mich auch hier mit Reue und Demut vor den Opfern", sagte der ehemalige SS-Unterscharführer vor Gericht. "Über die juristische Schuld müssen Sie entscheiden." Zu Grönings Aufgaben hatte unter anderem gehört, Geld aus dem Gepäck der Gefangenen an Hitlers paramilitärischer "Schutzstaffel" (SS) weiterzuleiten. Er sei auch Zeuge einer Vergasung geworden, sagte Gröning. Mit der Bewachung der Häftlinge habe er jedoch nichts zu tun gehabt.
Ekel und Erleichterung
An diesem ersten Prozesstag habe Gröning viel gelogen, meint dazu der Auschwitz-Überlebende Max Eisen. "Er hat den Eindruck erweckt, dass er nicht wirklich Bescheid wusste", berichtet Eisen. "Er sagt, er sei durcheinander gewesen, als er nach Auschwitz kam. Ich war 15, als ich dort ankam, und ich war nicht durcheinander." Eisens Großeltern, Mutter und Geschwister waren in Auschwitz direkt nach ihrer Ankunft vergast worden. Er verspüre Ekel darüber, dass Gröning der Frage des Richters ausgewichen sei, ob seine damalige Arbeit zur Vernichtung der Juden beigetragen habe.
"Er versucht, mit seiner Schuld umzugehen", sagt dagegen Eva Kor, Auschwitz-Überlebende aus den USA, zum Auftritt des früheren SS-Manns vor Gericht in Lüneburg. "Er hätte sich wie tausende andere Nazis im Schatten verbergen können", so Kor. "Wenige hatten den Mut, nach vorne zu treten."
Auschwitz-Überlebende Eva Kor - Foto: Julian Stratenschulte (AFP)
Ausschwitz-Überlebende Eva Korr: "Versuch, mit der Schuld umzugehen"
Nach einem langen Tag verließ Gröning heute als einer der Ersten den Gerichtssaal, wirkte gebrechlich, als ihm Pfleger in ein Auto halfen. "Es war sehr ermüdend für ihn", so sein Anwalt Hans Holtermann. "Aber ich glaube, er war erleichtert, über seine Taten zu sprechen." Holtermann wollte sich nicht dazu äußern, ob Gröning gesund genug ist, um an allen 27 Prozesstagen teilnehmen zu können.
Holocaust-Leugner beim Auschwitz-Prozess
Der Prozess in Lüneburg könnte einer der letzten gegen mutmaßliche NS-Kriegsverbrecher sein. Zahlreiche Reporter sind aus dem Ausland angereist, in der warmen Aprilsonne standen Kamerateams vor dem Gebäude, in dem der Prozess stattfindet, Dolmetscher übersetzen das Verfahren auf Englisch, Hebräisch und Ungarisch. Schon am Morgen vor Prozessbeginn herrschte vor dem Eingang Unruhe. In der langen Warteschlange vor dem Gebäude standen rund 40 Vertreter einer antifaschistischen Initiative und etwa zehn Neonazis. Erstere waren gekommen, um stellvertretend anzustehen für Angehörige von Auschwitz-Überlebenden. Damit wollten sie den Familien der Nebenkläger Plätze im Gerichtssaal sichern.
Koffer von Auschwitz-Häftlingen im Museum des ehemaligen Vernichtungslagers - Foto: Pawel Ulatowski (Reuters)
Koffer von Holocaust-Opfern in Auschwitz: Geld aus dem Gepäck für Hitlers SS
Wegen des großen Interesses musste das Gericht eigens einen Veranstaltungsraum, die "Ritterakademie" mieten, dennoch reichten die Plätze nicht aus. Als "späte Siegerjustiz der Alliierten", bezeichnet Thomas Wulff, einer der Neonazis vor dem Gebäude, den Prozess. "Oskar Gröning ist ein Opfer des deutschen Justizsystems", so der Anführer der kleinen Gruppe, die Journalisten und antifaschistische Aktivisten in hitzige Debatten über den Holocaust verwickelte. Polizisten forderten die Gruppe von Neonazis schließlich auf, das Gelände zu verlassen. Das Leugnen des Holocaust ist in Deutschland strafbar.
Der Prozess gegen Gröning könnte eine Kehrtwendung für die Justiz in Deutschland bedeuten, meint Anwalt Thomas Walther, der mehr als 40 Auschwitz-Überlebende vertritt. Er hat jahrelang daran gearbeitet, mutmaßliche Täter vor Gericht zu bringen. Von den geschätzt 6500 SS-Leuten in Auschwitz wurden nur ungefähr 50 in Deutschland verurteilt. "Die Strafe spielt für die Betroffenen keine oder nur eine untergeordnete Rolle", sagt Walther im DW-Interview. Wichtig sei ihnen, dass das Gericht und die deutsche Justiz ihnen zuhörten und dass eine Antwort der Justiz im Sinne der Gerechtigkeit erfolge. Auch Walther zeigte sich enttäuscht vom Auftreten Grönings und dessen Eingeständnis einer "moralischen Schuld". "Wie würden sie sich bei diesem Begriff fühlen, wenn es um den Mord an Ihren Eltern geht?", so der Anwalt. Ein Urteil im Fall Gröning wird für Ende Juli erwartet.
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Westfalen-Blatt: Im NRW-weit womöglich letzten Justizfall zu Verbrechen im NS-Vernichtungslager Auschwitz hat die Staatsanwaltschaft Dortmund einen 93-jährigen ehemaligen SS-Mann aus Lage (Kreis Lippe) angeklagt.

14.02.2015 – 04:00
Westfalen-Blatt
Bielefeld (ots)
Im NRW-weit womöglich letzten Justizfall zu Verbrechen im NS-Vernichtungslager Auschwitz hat die Staatsanwaltschaft Dortmund einen 93-jährigen ehemaligen SS-Mann aus Lage (Kreis Lippe) angeklagt. Das berichtet das in Bielefeld erscheinende Westfalen-Blatt (Samstagsausgabe). Der 93-Jährige wird dem Bericht zufolge der Beihilfe zum Mord beschuldigt. Das bestätigte die für Ermittlungen zu NS-Verbrechen federführende Staatsanwaltschaft in Dortmund der Zeitung am Freitag. Die Akten liegen nun beim Landgericht in Detmold, das über die Zulassung der Anklage entscheiden muss. Dem Westfalen-Blatt-Bericht zufolge waren die Ermittler dem hochbetagten Mann nach akribischer Archivarbeit auf die Spur gekommen. Sein Name tauchte auf Bekleidungslisten des Konzentrationslagers Auschwitz auf. Deshalb wurde auch gegen zwei weitere Männer aus NRW ermittelt. Die Verfahren seien mittlerweile aber eingestellt worden, sagt der Dortmunder Oberstaatsanwalt Andreas Brendel der Zeitung. »Die Beweislage war in beiden Fällen zu dünn.« Der Beschuldigte hatte nach Angaben der Ermittler eingeräumt, von Anfang 1942 bis 1944 Wachmann im KZ Auschwitz gewesen zu sein. Eine Beteiligung an Tötungshandlungen habe er allerdings abgestritten, heißt es in dem Bericht weiter. In Auschwitz waren während des Zweiten Weltkrieges mindestens 1,1 Millionen Menschen, meist jüdische Häftlinge, ermordet worden.
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Westfalen-Blatt
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Verhaftung eines mutmaßlichen NS-Täters

Die Zentrale Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen sucht nach mehr als 50 ehemaligen KZ-Wärtern, die bislang straffrei geblieben sind. Ein Verdächtiger wurde jetzt verhaftet.
08.05.2013
Hans Lipschis wohnt in einer kleinen beschaulichen Ortschaft in Süddeutschland. Über seine Vergangenheit spricht der 93-Jährige mit der dicken Hornbrille nicht gerne. Experten glauben, dass er während des Zweiten Weltkriegs an unfassbaren Gräueltaten beteiligt gewesen sein könnte. Denn Lipschis wurde von 1941 bis 1945 im Konzentrationslager Auschwitz eingesetzt - möglicherweise als Wachmann und damit mitverantwortlich für den Tod von Tausenden Menschen. Lipschis selbst sagt, er sei nur Koch gewesen, habe nichts mit den Morden zu tun gehabt.
Vor Kurzem spürte ihn ein Reporter der Zeitung "Die Welt" auf. Am Montag (06.05.2013) wurde Lipschis verhaftet. Offiziell will die Staatsanwaltschaft keinen Namen nennen - die Ermittlungsbehörde spricht nur von einem 93-Jährigen, gegen den derzeit eine Anklageschrift vorbereitet wird. Auf Anfrage der Deutschen Welle wollte die Staatsanwaltschaft Meldungen, dass es sich um Lipschis handelt, aber nicht dementieren. Nach der Durchsuchung seiner Wohnung sei er der Haftrichterin vorgeführt und in Untersuchungshaft genommen worden. Ein Arzt habe festgestellt, dass der 93-Jährige haftfähig ist.
Über 50 ehemalige KZ-Wächter sollen laut der Zentralen Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen noch leben. Auch in diesen Fällen laufen Ermittlungen.
Seine Behörde arbeite schon seit einiger Zeit am Fall Lipschis, sagt Kurt Schrimm, Leiter der Zentralen Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen. Nähere Auskünfte zu Lipschis kann die Behörde mit Sitz in Ludwigsburg nicht geben, der Fall wurde an die Staatsanwaltschaft Stuttgart abgegeben.
Schon in den 1980er Jahren hatte die Zentrale Stelle gegen Lipschis ermittelt, doch einen Mord konnte man ihm nicht nachweisen. Doch seit dem Fall Demjanjuk hat sich die Rechtsprechung in Deutschland entscheidend geändert.
Neue Rechtsprechung
Der frühere KZ-Wachmann John Demjanjuk - Foto: Tobias Hase (dpa)
John Demjanjuk : Verurteilt wegen Beihilfe zum Mord in über 28.000 Fällen
Der Prozess gegen den früheren KZ-Wächter John Demjanjuk des Vernichtungslagers Sobibor gilt als historischer Wendepunkt. Denn erstmals stand mit Demjanjuk ein nichtdeutscher NS-Befehlsempfänger vor Gericht, dem keine konkrete Tat nachgewiesen werden konnte. 2011 verurteilte das Landgericht München den Ukrainer dennoch wegen Beihilfe zum Mord in über 28.000 Fällen. Allein der Nachweis, dass Demjanjuk als Wachmann in dem Konzentrationslager gearbeitet hat, reichte dem Gericht dafür aus. Angetreten hat er die Haft-Strafe von fünf Jahren jedoch nicht. Demjanjuk ging in Revision und starb, bevor das Urteil vom Bundesgerichtshof bestätigt werden konnte.
Mit dem Demjanjuk-Urteil im Rücken hofft die Zentrale Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen auf weitere Verurteilungen. "Wir gehen heute davon aus, dass man einem Aufseher - also einem Gehilfen - nicht mehr einen individuellen Tatbeitrag zu einer Tötung von einem oder mehreren Häftlingen nachweisen muss, sondern es reicht der Nachweis, dass er durch seine Tätigkeit in einem Vernichtungslager dazu beigetragen hat, dass die gesamte Todesmaschinerie dort funktioniert hat", sagt der Leiter der Zentralen Stelle, Schrimm.
Klarsfeld: "Justiz macht sich lächerlich"
Die Suche nach den ehemaligen NS-Schergen ist kompliziert. Schrimms Mitarbeiter recherchieren in Archiven, durchforsten alte Prozessakten. Auch in Osteuropa und Südamerika fahndet die Zentrale Stelle nach Hinweisen, wie etwa Einreisedokumenten. Häufig reisten Nazi-Verbrecher mit Papieren des Internationalen Roten Kreuzes in ihr neues Heimatland.
Denn die Täter sind - falls noch nicht gestorben - zumindest im Greisenalter. Eine Verurteilung wird damit unwahrscheinlich. Die Journalistin Beate Klarsfeld, die sich im Nachkriegsdeutschland einen Namen als "Nazi-Jägerin" machte, sieht die juristische Aufarbeitung im Jahr 2013 deshalb kritisch. "Es macht die Justiz lächerlich, denn sie hatte ja die Möglichkeit, gute Prozesse zu führen", sagt sie. Viel entscheidender sei es, die Erinnerung an die Verbrechen durch Mahnmäler und Gedenkstätten aufrechtzuerhalten. Klarsfeld wurde berühmt, weil sie 1968 den damaligen Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger auf einem CDU-Parteitag wegen seiner NSDAP-Vergangenheit ohrfeigte und als Nazi beschimpfte.
Die Toten nicht vergessen
Konzentrationslager Auschwitz - Foto: EPA
Konzentrationslager Auschwitz: "Unrecht verjährt nicht"
Für die Angehörigen der Opfer sind die Ermittlungen dennoch von moralischer Bedeutung. "Die Gerechtigkeit ist ein hohes Gut, und wenn die Strafverfolgungsbehörde jetzt eine Möglichkeit sieht, Lipschis vor Gericht zu bringen, dann soll und muss sie dieses tun", sagt der Geschäftsführende Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees (IAK), Christoph Heubner, der DW. "Die Untaten von Auschwitz verjähren nicht, die der anderen Lager auch nicht.". Den Verweis auf das Alter betrachtet er als "zynische" Lustlosigkeit. "Um das Alter der Kinder, die in die Öfen gebracht wurden, hat sich auch niemand gekümmert."
Auch Kurt Gutmann, ein Nebenkläger im Demjanjuk-Prozess, sagte der Deutschen Welle: "Es bringt Genugtuung, das noch erlebt zu haben, dass doch etwas geschieht, dass die Toten nicht vergessen sind, dass man hinter den Verbrechern auch im hohen Alter noch hinterher ist." Ob und wann dem möglichen KZ-Aufseher Lipschis eine Verurteilung droht, ist jedoch noch unklar.
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Vorabmeldung "Kontraste", 16.05.2013, Auschwitz-Ermittlungen: Strafrechtler kritisieren Ermittlungspraxis der Zentralen Stelle in Ludwigsburg

16.05.2013 – 17:00
rbb - Rundfunk Berlin-Brandenburg
Berlin (ots)
Falsche Rechtsauffassung ließ Täter ungeschoren davonkommen
Im Fall der neuen Ermittlungswelle gegen Nazi-Verbrecher in Deutschland kritisiert der Strafrechtler Cornelius Nestler, dass die Zentrale Stelle zur Verfolgung von NS-Gewalttaten in Ludwigsburg über Jahrzehnte einer fehlerhaften Rechtsauffassung gefolgt ist. Es sei "vollkommen falsch" gewesen, nicht schon früher gegen ehemalige Angehörige der SS-Wachmannschaften des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau zu ermitteln, sagte Nestler dem ARD-Magazin "Kontraste" (Donnerstag, 16. Mai, 21.45 Uhr). Die Zentrale Stelle habe trotz anderslautender Urteile des Bundesgerichtshofes aus den sechziger und siebziger Jahren die Auffassung vertreten, dass Angehörige eines Vernichtungslagers nur dann verfolgt werden könnten, wenn ihnen konkrete Einzeltaten nachgewiesen werden. Mit dieser Haltung hätten die Ermittler letztlich jahrzehntelang "juristischen Blindflug" begangen.
Nestler hatte im Verfahren gegen den ehemaligen KZ-Wärter John Demjanjuk die Nebenklage vertreten. Das Landgericht München sprach Demjanjuk 2011 wegen Beihilfe zum Mord an mehr als 28.000 Menschen für schuldig, ohne eine direkte Tatbeteiligung nachzuweisen. "Damals gab es immer den Vorwurf, das wäre etwas ganz Neues", sagte Nestler. Doch die Rechtsprechung habe sich mit dem Urteil nicht geändert: Bereits in den sechziger und siebziger Jahren hätten Gerichte in den Urteilen zu den Vernichtungslagern in Sobibor und Treblinka "ausdrücklich" festgestellt, dass auch all jene Tätigkeiten als Beihilfe bewertet werden müssten, die "funktional" zu den Morden in den Vernichtungslagern der Nazis beigetragen hätten.
Die 1958 eingerichtete Zentrale Stelle ermittelt derzeit - fast 70 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg - gegen 50 Verdächtige, die im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau gearbeitet haben sollen. Der Leiter der Zentralen Stelle, Kurt Schrimm, wies im Gespräch mit der ARD den Vorwurf zurück, zu lange mit den Ermittlungen gewartet zu haben. Er beharrt darauf, dass sich die Rechtsprechung erst mit dem Fall Demjanjuk geändert hätte: "Ein Neu-Überdenken jetzt im Anschluss an Demjanjuk hat uns dazu gebracht zu sagen, vielleicht war diese Rechtsprechung doch falsch, und wir werden versuchen, eine neue Rechtsprechung herbeizuführen."
Der Strafrechtler und Leiter des Amsterdamer Forschungsprojekts "Justiz und NS-Verbrechen", Christiaan F. Rüter, wirft der Zentralen Stelle vor, mit dafür verantwortlich zu sein, dass tausende Angehörige der Wachmannschaften der Vernichtungslager jahrzehntelang ungeschoren davonkamen. Rüter sagte dem ARD-Politikmagazin: "Die Zentrale Stelle hat bestimmt auch gute Arbeit geleistet. Aber die Zentrale Stelle ist gegründet worden, um die Masse der Beihilfe-Leute unverfolgt davonkommen zu lassen."
Sendung: "Kontraste", im Ersten, 16. Mai 2013, 21.45 Uhr
Internet: www.rbb-online.de/kontraste
Pressekontakt:
rbb-Redaktion "Kontraste", Reinhard Borgmann, (030) 97993 22800
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Späte Suche nach Sühne: Justiz ermittelt gegen 51 KZ-Wärter von Auschwitz

Fast 70 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz sollen sich ehemalige KZ-Wärter verantworten. Der Präsident des Zentralrats der Juden spricht von einem wichtigen Signal und mahnt Versäumnisse an.
08.04.2013
"Gerechtigkeit kennt keine Verfallszeit", sagt Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden. Es sei eine gute Nachricht, dass nun, etwas mehr als 68 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers (KZ) Auschwitz-Birkenau, gegen die damaligen KZ-Wächter des größten Vernichtungslagers Verfahren eingeleitet werden, erklärte Graumann im DW-Gespräch.
Der Präsident des Zentralrates der Juden, Dieter Graumann, spricht am 16.01.2013 in Düsseldorf (Foto: Caroline Seidel/dpa)
Dieter Graumann plädiert für späte Gerechtigkeit
Die "Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen" in Ludwigsburg will nach Informationen der WAZ-Mediengruppe Vorermittlungen gegen 51 frühere KZ-Wächter einleiten. Die Verdächtigen leben in ganz Deutschland verteilt und sind 90 Jahre und älter. Der Vorwurf lautet auf Beihilfe zum Mord.
Die Zahl der Tatverdächtigen dürfte sich laut Kurt Schrimm, der die Zentralstelle in Ludwigsburg leitet, noch auf 80 bis 90 erhöhen. Denn die Ludwigsburger Zentrale plane auch im Falle anderer Vernichtungslager zu ermitteln, sagt der Oberstaatsanwalt gegenüber dem "Deutschlandfunk".
Warum wird erst jetzt ermittelt?
Der Auslöser der aktuellen Ermittlungen ist der Fall des früheren KZ-Aufsehers John Demjanjuk. 2011 verurteilte das Landgericht München den Ukrainer wegen Beihilfe zum Mord zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren. Der Prozess gegen ihn galt als historisch, weil mit Demjanjuk erstmals ein nichtdeutscher NS-Befehlsempfänger vor Gericht stand, dem die Justiz keine individuelle Tat nachweisen konnte. Allein der Nachweis, dass er als KZ-Wachmann gearbeitet hat, hatte dem Gericht ausgereicht, um ihn zu verurteilen.
Porträt dese ehemaligen KZ-Wachmanns John Demjanjuk
Der frühere KZ-Wachmann John Demjanjuk
Die Ludwisburger Zentrale will nun mit dem Demjanjuk-Urteil im Rücken gegen weitere ehemalige KZ-Aufseher ermitteln. Aber: "Die Tatsache, dass jemand Aufseher war, reicht uns nicht", erklärt Schrimm gegenüber dem "Deutschlandfunk": "Wir müssen nach wie vor nachweisen, dass diese Männer tatsächlich als Aufseher tätig waren."
Die Verurteilung Demjanjuks wurde übrigens nie rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung hatten Revision gegen das Urteil eingelegt. Jedoch verstarb der ehemalige KZ-Wärter, bevor es zu weiteren Verhandlungen kam.
Fraglich, ob es zu Verurteilungen kommt
Die Zentralstelle in Ludwigsburg steht noch am Anfang ihrer Ermittlungen. Überhaupt ist es fraglich, ob es in Zukunft verurteilte KZ-Aufseher geben wird: "Wir müssen überprüfen, ob diese Männer überhaupt noch verfolgt werden können", sagt Schrimm. "Wenn sie bereits vor Gericht standen und freigesprochen oder verurteilt wurden, dann sind sie unserem Zugriff entzogen. Niemand darf zwei Mal wegen der gleichen Sache vor Gericht gestellt werden."
Porträt von Kurt Schrimm, Leiter der Ludwigsburger Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen. (Foto: picture-alliance/dpa)
Nazijäger Kurt Schrimm
Ein anderer Knackpunkt ist das hohe Alter der Verdächtigen. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland kann sich vorstellen, dass den Betroffenen keine Haftstrafe mehr abverlangt werden könne. "Aber ein Prozess um die Wahrheit muss den Betreffenden zugemutet werden", so Dieter Graumann im DW-Interview.
Der Jurist Mathias Schmoeckel von der Universität Bonn geht davon aus, dass die Chancen der Verdächtigen, den Prozess bis zum Urteil durchzustehen, sehr gering seien. Machen Prozesse so viele Jahre nach der Ausschwitz-Befreiung dann überhaupt noch Sinn? Ja, sind sich Graumann und Schmoeckel einig. "Denn das Gericht leistet dabei doch zum einen Aufklärungsarbeit", ist Schmoeckel überzeugt, "und darüber hinaus erfolgt auch eine gewisse Sühnefunktion durch dieses Gericht, da in der Gesellschaft etabliert wird, was für Verbrechen begangen wurden."
"Man hätte viel früher damit beginnen müssen"
Laut Graumann geht es bei dem Prozess nicht in erster Linie darum, dass die ehemaligen KZ-Wärter ihre Strafe erhielten, "sondern um Gerechtigkeit." Und für diese sei es noch nicht zu spät. Dennoch übt er scharfe Kritik an den Versäumnissen der deutschen Justiz: "Das wirkliche Problem ist, dass sie (die ehemaligen Wärter, Anm. d. Red.) erst jetzt eventuell belangt werden, dass es schwere Versäumnisse der Nachkriegsjustiz gegeben hat, dass man in Deutschland viel zu lange, jahrzehntelang gewartet hat, um sie zu belangen", sagt er im Gespräch mit der DW und fügt hinzu: "Man hätte viel früher damit beginnen müssen, aber besser spät als gar nicht."
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50 ehemalige KZ-Aufseher aufgespürt

Auch 68 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg müssen Nazi-Täter mit Strafverfolgung rechnen. Laut Medienberichten sind Ermittler 50 früheren Aufsehern des Vernichtungslagers Auschwitz auf der Spur - wegen Beihilfe zum Mord.
06.04.2013
Die Ludwigsburger Zentralstelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen will in den nächsten Wochen Vorermittlungen gegen 50 frühere KZ-Aufseher des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau einleiten. Das berichten die Zeitungen der WAZ-Mediengruppe in ihren Samstag-Ausgaben. Der Tatvorwurf laute auf Beihilfe zum Mord.
Den Ermittlern lägen die Namen und die Angaben zu den Wohnorten der Tatverdächtigen vor, bestätigte der Behördenleiter, der Leitende Oberstaatsanwalt Kurt Schrimm, den Zeitungen. Die Verdächtigen lebten über ganz Deutschland verteilt und seien um die 90 Jahre alt.
Schrimm sieht gute Chancen
Schrimm hält es seit dem Urteil gegen John Demjanjuk, einen Wachmann im Lager Sobibor, für aussichtsreich, auch gegen Aufseher in Konzentrationslagern (KZ) Prozesse zu führen - selbst, wenn ihnen unter anderem aus Mangel an Zeugen keine direkte Tatbeteiligung nachgewiesen werden kann.
Der Leiter der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen, Kurt Schrimm (Foto: dpa)
Oberstaatsanwalt Kurt Schrimm hat 50 Verdächtige im Visier
Demjanjuk war 2011 wegen Beihilfe zum Mord in 20.000 Fällen zu fünf Jahren Haft verurteilt worden, das Landgericht München bezeichnete ihn damals als "Teil der Vernichtungsmaschinerie". Anders als früher reiche seit diesem Spruch "jede Tätigkeit in einem Konzentrationslager aus, um wegen der Beihilfe zum Mord zu verurteilen", sagte Schrimm.
Brasilianische Akten unter der Lupe
Die Ludwigsburger Zentrale Stelle wird seit 1958 von den Bundesländern unterhalten. Sie hat seither insgesamt 7485 Vorermittlungsverfahren geführt. Man ist zuversichtlich, weitere Täter auch außerhalb Deutschlands zu enttarnen. Die Staatsanwälte durchforsten derzeit brasilianische Einwanderungsakten aus der unmittelbaren Nachkriegszeit. Damals waren zahlreiche Nazi-Schergen nach Südamerika geflohen. Schrimm: "In Brasilien stehen die Dinge nicht schlecht."
Das Lager Auschwitz-Birkenau im besetzten Polen war zwischen 1942 und 1945 das größte deutsche Vernichtungslager. Hier brachten die Nazis 900.000 Juden in den Gaskammern um. Weitere 200.000 starben bei Hinrichtungen durch die SS oder durch Hunger, Entbehrungen und Krankheiten. Vor fast genau 50 Jahren, am 16. April 1963, wurde die erste Anklage gegen Verantwortliche des Lagers erhoben.
kle/sti (dpa, afp, epd, ots)
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Exklusiv NS-Verbrechen: Ermittlungen gegen weiteren Auschwitz-Wachmann

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt gegen einen Mann, der zwischen 1941 und 1945 Wachmann im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau gewesen sein soll.
Von Claudia von Salzen
27.02.2013, 15:02 Uhr
Die deutsche Justiz ermittelt gegen einen weiteren früheren Wachmann aus dem NS-Vernichtungslager Auschwitz. Nach der Staatsanwaltschaft im bayerischen Weiden untersuchen nun auch Stuttgarter Staatsanwälte einen entsprechenden Fall. „Es gibt ein Ermittlungsverfahren“, sagte Staatsanwalt Jan Dietzel am Mittwoch dem Tagesspiegel. Die Zentrale Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg hatte die Akte zuvor an die Stuttgarter Staatsanwaltschaft übergeben.
Der 93-Jährige, gegen den sich die Ermittlungen richten, lebt nach Tagesspiegel-Informationen in Baden-Württemberg. Er soll zwischen 1941 und 1945 den Wachmannschaften in Auschwitz-Birkenau angehört haben. Der Fall kam in Ludwigsburg durch Recherchen über den in den USA lebenden Ex-Wachmann Johann B. ans Licht, mit dem sich derzeit die Staatsanwaltschaft Weiden befasst.
Diese späten Fälle juristischer Aufarbeitung von NS-Verbrechen sind indirekt eine Folge des Prozesses gegen den früheren SS-Wachmann John Demjanjuk. Nach dem Urteil des Münchner Landgerichts im Mai 2011 wegen Beihilfe zum Mord nahmen die Ermittler auch andere Wachleute in den Blick. Gegen sie war in den vergangenen Jahrzehnten in der Bundesrepublik nicht ermittelt worden, weil ihnen keine Einzeltat nachgewiesen werden konnte.
https://www.tagesspiegel.de/


Auschwitz-Prozesse
Schwerpunktthema: Der Holocaust vor Gericht

Am 20. Dezember 1963 begann in Frankfurt am Main das größte Strafverfahren der Nachkriegszeit. Vor aller Öffentlichkeit wollte Generalstaatsanwalt Fritz Bauer beweisen, wie in der NS-Mordmaschinerie ein Rädchen ins andere griff und vom Kommandanten bis zum Koch alle Beteiligten schuldig wurden.
Von Regina Kusch und Andreas Beckmann | 19.12.2013
Zwar entfachte die Verhandlung längst überfällige Debatten über den Mord an den Juden, aber das Gericht verurteilte am Ende nur solche Angeklagten, denen es eine individuelle Teilnahme an Tötungen nachweisen konnte. Diese juristische Linie führte in der Folgezeit zu zahlreichen milden Urteilen gegen NS-Täter. Anlässlich des 50. Jahrestages bilanzieren Historiker und Juristen die Auswirkungen des Auschwitz-Prozesses.
„Die Verhandlung vor dem Schwurgericht am Landgericht in Frankfurt am Main ist eröffnet.“
22 Männer sind an diesem 20. Dezember 1963 des gemeinschaftlichen Mordes angeklagt, begangen in Tausenden von Fällen in Auschwitz. Mehr als 360 Zeugen werden aussagen, über 180 Verhandlungstage sind angesetzt, etwa 20.000 Besucher werden im Laufe des Verfahrens kommen.
Initiiert hat diesen Mammutprozess ein einziger Mann: Fritz Bauer, der damalige Generalstaatsanwalt von Hessen: „Ziel des Verfahrens kann nicht sein, lediglich rückwärts zu blicken. Es ist die Aufgabe, neue Werttafeln zu errichten und an der Zukunft mitzuarbeiten. Aus Deutschlands Schutt und Asche ist ein neuer Staat und eine Wirtschaft erwachsen. Auch eine neue menschliche Gesinnung ist notwendig.“
Ronen Steinke: „Man muss sich vorstellen, der Prozess findet statt im Rathaus von Frankfurt, weil das der größte Saal ist. Fritz Bauer lädt 200 Journalisten ein. Gleichzeitig mit dem Prozess findet eine Ausstellung in der Paulskirche, es finden Premieren an 12 Theatern gleichzeitig statt, des Theaterstücks ‚Die Ermittlung‘ von Peter Weiss, das den Auschwitz-Prozess aufgreift. Also, Bauer tut alles, um diesen Prozess in die Öffentlichkeit zu bringen, um dafür zu sorgen, dass man darüber spricht, dass dieser Prozess etwas auslöst in diesem Land und eben nicht nur in einem kleinen Kammerspiel von Gerichtssaal.“
Der Münchener Jurist Ronen Steinke porträtiert Fritz Bauer in einer neuen Biografie als einen Mann, der juristische Innovationen in der Bundesrepublik durchsetzen wollte. Das Gericht sollte nach seinen Vorstellungen nicht nur Wahrheitsfindung betreiben, sondern historische Aufklärung.
Bevor der erste Zeuge aufgerufen wurde, traten deshalb renommierte Historiker des Münchener Instituts für Zeitgeschichte als Gutachter auf. Sie sollten im Vorfeld der Beweisaufnahme erklären, in welchem Umfeld die Taten geschahen und was Auschwitz war: ein Vernichtungslager, in dem ein Rädchen ins andere griff, eine Tötungsfabrik, in der jeder Beteiligte seinen Beitrag zum Massenmord leistete. Ronen Steinke:
„Fritz Bauer hat die Historiker eingeladen, alle technischen Möglichkeiten auszuschöpfen, große Projektoren zu benutzen, die Gutachten möglichst an die Wand zu werfen und dadurch fürs Publikum nachvollziehbar zu machen, weil er eben das Anliegen hatte, deren Botschaft an die breite Öffentlichkeit zu bringen.“
Es waren nicht allein Hitler und ein paar andere führende Nationalsozialisten, die den Mord an den Juden ausführten. Es waren Millionen Deutsche beteiligt: Soldaten, die die Menschen zusammentrieben, Reichsbahner, die die Transporte organisierten, SS-Leute in den Konzentrationslagern. Das war die Botschaft, die damals in Deutschland kaum jemand hören mochte.
Um diese Botschaft zu untermauern, wollte Fritz Bauer die Taten der Angeklagten nicht isoliert beurteilen lassen. Deshalb brachte er sie nicht einzeln vor Gericht, sondern alle gemeinsam. Und deshalb wählte er gezielt höhere wie niedere Dienstgrade aus, vom persönlichen Adjutanten des KZ-Kommandanten, also dem zweiten Mann in der KZ-Hierarchie, bis hinunter zum einfachen Bediensteten in der Kleiderkammer.
Ronen Steinke: „Insofern zielt Bauers Anklage nicht auf eine einzelne Person, sondern auf ein soziales Phänomen, auf die Zusammenarbeit, auf das reibungslose Zusammenwirken verschiedenster Menschen, die erst gemeinsam dieses Verbrechen begehen konnten.“
Devin Pendas: „Das Problem ist, dass das Recht nicht dazu geeignet ist, es hat seine eigene Logik, es fragt nach individueller Schuld und nicht nach historischem Kontext. Und einen Prozess als Lehrstück zu benutzen ist immer sehr schwierig, weil es ist irgendwie zu grob auf der einen Seite, was die Geschichte betrifft und zu fein geschnitten, was die individuellen Täter betrifft.“
Die Skepsis des Rechtshistorikers Devin Pendas vom Boston College, ob sich ein Völkermord wie der Holocaust überhaupt juristisch adäquat aufarbeiten lässt und die Bewunderung Ronen Steinkes für den scharfsinnigen Ankläger – zwischen diesen Polen oszillieren die Betrachtungen der Historiker, die sich zum 50. Jahrestag des Auschwitz-Prozesses zu Wort melden.
Alle Betrachter sind sich dabei einig, dass in dem Verfahren nicht nur wegen seines Umfangs Rechtsgeschichte geschrieben wurde:
Annette Weinke: „Ein weiterer wichtiger Punkt war die Beiziehung von Zeugen. Ich denke, das Vorbild war der Eichmann-Prozess, denn dieser Jerusalemer Prozess hatte ja nicht zuletzt deshalb so eine große Aufmerksamkeit hervorgerufen, weil dort zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte aus der Perspektive von Opfer-Zeugen geschildert wurde, was ihnen im Einzelnen zugestoßen war.“
Im Auschwitz-Prozess, erläutert die Jenaer Zeithistorikerin Annette Weinke, wurden zum ersten Mal von einem deutschen Gericht die Geschehnisse in einem Konzentrationslager aufgerollt.
In allen vorherigen Verfahren, in denen es um Verbrechen während der NS-Zeit ging, waren ausschließlich Taten angeklagt worden, die im direkten Zusammenhang mit Kriegshandlungen standen – der systematische Massenmord aus rassischen Beweggründen kam allenfalls am Rande vor, erklärt Annette Weinke:
„Das hing damit zusammen, dass man sich nach Gründung der Bundesrepublik bewusst dagegen entschieden hatte, internationales Völkerrechtsstrafrecht in das bundesdeutsche Strafrecht zu transformieren. Man wollte Verbrechen gegen die Menschlichkeit, also alliierte Straftatbestände nicht in das bundesdeutsche Strafrecht aufnehmen. Das hätte sicherlich die Überführung vieler Täter ungemein erleichtert. Das wollte man nicht, weil es als alliiertes Relikt, als alliierter Fremdkörper betrachtet wurde.“
Wo kein Kläger, da kein Richter – nach diesem Motto verhielt sich fast die gesamte deutsche Justiz zwei Jahrzehnte lang zum Tatkomplex Judenmord. Weinke:
„Es gab in der Bundesrepublik keine rechtsdogmatischen Diskussionen über diese ganze Problematik. Es gab nur einzelne wissenschaftliche Außenseiter, die sich überhaupt der Thematik der NS-Strafverfahren angenommen haben.“
Die Rolle des Außenseiters kannte Fritz Bauer schon aus der Zeit der Weimarer Republik. Weil er Sozialdemokrat war, galt er damals in Baden-Württemberg als „Roter Richter“. Weil er Jude war, wurde er unmittelbar nach Hitlers Machtergreifung von der SA in ein Lager verschleppt.
Ende 1933 kam Bauer wieder frei. Er floh nach Dänemark und später weiter nach Schweden, berichtet sein Biograf Ronen Steinke:
„Nach dem Krieg kommt Fritz Bauer zurück und hat einen für uns heute unvorstellbaren Enthusiasmus. Er stellt sich vor, dieses Land, was in Trümmern liegt, kann man wieder aufbauen, der ganze alte Schutt kommt weg, jetzt kann man ein neues, modernes, besseres Deutschland aufbauen. Er glaubt an das Gute in den Deutschen, an eine bessere Zukunft und kehrt zurück, kehrt auch in die Justiz zurück und erlebt, dass in der Justiz das Personal im Wesentlichen unverändert ist.“
Heimlich, aber entschlossen treibt Bauer als Staatsanwalt Ermittlungen gegen Nazitäter voran. Er ist es, der die entscheidenden Nachforschungen zum Aufenthaltsort Adolf Eichmanns anstellt. Aber er teilt seine Erkenntnisse nicht mit deutschen Stellen, weil er fürchtet, sie könnten den Organisator des Holocaust warnen. Er überlässt seine Information dem israelischen Geheimdienst, der Eichmann nach Jerusalem bringt.
Vom Bundesgerichtshof lässt sich Bauer die Zuständigkeit für Ermittlungen in Sachen Auschwitz übertragen. Als dann aber der Prozess beginnt, überlässt er anderen die Bühne.
Ronen Steinke: „Viele haben sich gewundert, wo denn eigentlich dieser Fritz Bauer ist, den man aus dem Fernsehen kennt, mit seinen flammenden weißen Haaren und seiner sehr markanten Erscheinung, aber Fritz Bauer war nicht im Gerichtssaal. Fritz Bauer kam einmal nur zur Eröffnung und hat sich später rein im Hintergrund aufgehalten. Das hängt auch mit einer gewissen Symbolik zusammen.“
Devin Pendas: „Viele Deutschen haben den Prozess abgelehnt, die haben gesagt, das geht nur weiter mit diesen Siegerprozessen, die haben Bauer selbst als Jude abgelehnt.“
Ronen Steinke: „Man stelle sich vor, auf der einen Seite hat man 20 Jedermänner, die Angeklagten, die sozusagen aus der Mitte der deutschen Gesellschaft gegriffen waren, eine Existenz bürgerlicher als die andere. Und auf der Gegenseite hätte man den Staatsanwalt Fritz Bauer, mit einer Biografie, wie sie in Deutschland einzigartig ist. Man kann sich die Frage stellen, wem hätten die Sympathien des breiten Publikums in Deutschland eher gegolten? Ich glaube, Fritz Bauer hat sich da keinen Illusionen hingegeben.“
Devin Pendas: „Bauer hat viele Drohbriefe bekommen und der war selbst von vielen seiner Kollegen abgelehnt worden. Der war ein mutiger Mann.“
Ronen Steinke: „Die Staatsanwälte, die Fritz Bauer vertreten haben im Gerichtssaal, waren alle jung, Anfang 30, gerade am Anfang ihrer Karriere und standen mit ihrer Erscheinung auch für eine neue Generation, die der alten Generation der Väter Fragen stellt. Er hat die Staatsanwälte, die den Prozess geleitet haben, gelenkt aus dem Hintergrund, er hat sie wöchentlich zu sich einbestellt und mit ihnen die neuesten taktischen Vorgaben abgesprochen.“
Fritz Bauer: „Entscheidend ist, dass Hitler und seine Mannen einen verbrecherischen Befehl, einen Mordbefehl gegeben haben, und dass an der Durchführung dieses Befehls einige Leute beteiligt waren. Sie waren dabei und haben mitgewirkt, zum Beispiel den Befehl zur Liquidierung aller Juden durchzuführen. Das war keine fremde Tat und das sind für mich Mittäter.“
Wer in Auschwitz eine deutsche Uniform trug, ist Täter, nicht etwa nur Gehilfe Hitlers oder der SS – darauf besteht Fritz Bauer. Und er ergänzt: Das gilt für alle, nicht nur für diejenigen, die eigenhändig gemordet haben.
Ronen Steinke: „Die Richter haben den Staatsanwälten praktisch den Vogel gezeigt. Das ist ja auch eine steile These, wenn man das zum ersten Mal hört. In dieser Auswahl von Angeklagten ist auch ein SS-Mann dabei, der nur dafür verantwortlich war, Häftlingskleidung auszugeben. Wo man sagt, das Ausgeben von Kleidung ist ja an sich kein Verbrechen, das ist auch der Einwand, den die Verteidiger erhoben haben, aber Fritz Bauer sagt eben, man arbeitet mit verteilten Rollen an einem gemeinsamen Ziel und das ist die Vernichtung der Menschen. Da zählt es genauso dazu, dass der eine in der Kleiderkammer arbeitet, wie dass der andere in der Gaskammer arbeitet. Erst das arbeitsteilige Zusammenwirken macht es möglich, dass in einer Weise effizient gemordet wurde in Auschwitz wie noch nie in der Weltgeschichte.“
Fritz Bauer: „Die Prozesse sollten uns wieder etwas zu lehren, was wir in Deutschland im Laufe der vergangenen 100 Jahre völlig vergessen haben: die klare Erkenntnis, dass es gewisse Dinge gibt, die man auf Erden nicht tun kann, weil sie natürlich wider alle Religion und alle Moral sind. Wenn etwas befohlen wird, sei es Gesetz, sei es Befehl, was rechtswidrig ist, dann musst du Nein sagen.“
Dass die Verteidigung dagegen einwandte, die Angeklagten hätten seinerzeit in Auschwitz unter Befehlsnotstand gehandelt, kann auch 50 Jahre später kaum überraschen.
Eher schon, dass es sich ihr Wortführer Hans Laternser erlauben konnte, viele Zeugen allein deshalb als unglaubwürdig abzuqualifizieren, weil sie Juden waren:
„So müssen Sie bei den jüdischen Zeugen daran denken, dass sich ein tiefer Hass gegen alle diejenigen richtet, die mit dem Verbrechen gegen das jüdische Volk im Zusammenhang standen. Das aber ist gerade die schlechteste Grundlage für Zeugenaussagen. Das Gericht wird daran denken müssen, wenn es die Aussagen jüdischer Zeugen bewertet.“
Zeuge: „Die Zwischenrufe, die also durch die Verteidiger kamen, waren so bedrückend und so ja, ich bin völlig aus dem Konzept gebracht worden, weil man also angezweifelt hat, dass das, was ich da erzähle, der Wahrheit entspricht.“
Devin Pendas: „Das Gericht wollte sehr, sehr präzise Informationen von den Zeugen und es war höflich, aber es hat nicht die Schwierigkeit für die Überlebenden, über diese traurigen Vorfälle in Auschwitz auszusagen, das hat das Gericht wirklich nicht gut verstanden, würde ich sagen. Heutzutage, bei solchen Prozessen ist es normal, dass man Psychologen dabei hat, um die Zeugen zu betreuen, damals gab es so etwas nicht. Das Gericht hat dafür überhaupt nichts getan.“
Die Richter blieben stets korrekt und ernsthaft an der Wahrheitsfindung interessiert. So fasst Devin Pendas vom Boston College seine umfassende Analyse des Auschwitz-Prozesses zusammen, die jetzt in deutscher Übersetzung erschienen ist.
Pendas untersucht in seinem Buch auch die politischen Auswirkungen des Verfahrens. Das verhalf der Bundesrepublik zu einem besseren Image, sowohl in Israel wie bei allen europäischen Nachbarn, auch denen im Osten. Nur ein Staat zeigte sich beunruhigt, so Pendas:
„Damals hat die DDR ziemlich starke Propagandaangriffe auf die Bundesrepublik gemacht, genau über die Frage der NS-Täter, die in der westdeutschen Gesellschaft reintegriert worden waren. Und für die war der Auschwitz-Prozess ein Problem, weil dann müssen sie sagen, jetzt machen die Westdeutschen etwas gegen die Nazis.“
Christian Dirks: „Diese Aktivitäten hat man in Ost-Berlin natürlich ganz genau wahrgenommen und man kam unter Druck. Selbst hatte man keinen solchen NS-Prozess zum Komplex Auschwitz aufzuweisen.“
Der Berliner Historiker und Kurator Christian Dirks schildert in seiner Dissertation die Bemühungen der SED-Führung, diese Scharte im Propagandakrieg auszuwetzen. Der ostdeutsche Staat hatte sich stets als das anti-faschistische Deutschland präsentiert, das kompromisslos mit den Nazitätern gebrochen hatte. Deshalb war es gar nicht so einfach, jetzt plötzlich einen DDR-Bürger zu präsentieren, der an Verbrechen in Auschwitz beteiligt gewesen war.
Am 11. Juni 1965, als in Frankfurt bereits die Schlussplädoyers gehalten wurden, konnten die DDR-Medien dann aber doch einen Verdächtigen präsentieren: Horst Fischer, der als SS-Arzt in Auschwitz Tausende ins Gas geschickt hatte.
O-Ton DDR-Fernsehen: „20 Jahre konnte sich Fischer unter uns verbergen. Er fälschte Fragebögen, verschwieg seine Zugehörigkeit zur SS und zur Hitlerpartei. Unsere Untersuchungsorgane aber hatten ihn dennoch ermittelt, diesen KZ-Arzt Fischer.“
Christian Dirks: „Das war ein Schauprozess. Schauprozess in dem Sinne, als dass der gesamte Ablauf vom Ministerium für Staatssicherheit festgelegt, mit der Generalstaatsanwaltschaft und dem Obersten Gericht abgesprochen war. Unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten betrachtet, was das eine Farce, ein großes Theaterstück. Und so ist es dann auch abgelaufen, wie geplant.“
An Fischers Schuld konnte kein Zweifel bestehen, bestätigt Christian Dirks, der sämtliche Verhörprotokolle der Stasi gelesen hat. Fischer war sofort geständig. Nichts deutet darauf hin, dass er unter Druck gesetzt oder gar gefoltert worden wäre. Er kooperierte, um die Vernehmer milde zu stimmen.
Die wollten unbedingt verhindern, dass Fischer bei seinem Auftritt vor dem Ostberliner Gericht auf Verständnis, Sympathien oder auch nur Mitgefühl von Seiten der Zuschauer hoffen durfte. Die DDR-Behörden wollten ein Verfahren, in dem der Angeklagte uneingeschränkt als bösartig zu erkennen sein sollte – und das sich damit eindeutig vom Frankfurter Prozess unterschied.
Auch unter den dortigen Angeklagten war ein SS-Arzt, Franz Lucas. Ebenso wie Fischer hatte er in Auschwitz Menschen in den Tod geschickt. Ebenso wie Fischer hatte er gestanden, allerdings erst, nachdem Zeugen ihn belasteten.
Und ebenso wie Fischer hoffte auch Lucas auf Milde. Denn ausgerechnet mehrere Überlebende von Auschwitz sagten in Frankfurt zu seinen Gunsten aus.
Franz Lucas habe ihnen heimlich Medikamente und Essen zugesteckt, berichteten diese Zeugen:
„Doktor Lucas war im Lager ein Mensch. Und wir haben, wenn ich mich so poetisch ausdrücken darf, durch ihn den Glauben an einen deutschen Menschen wiederbekommen.“
Szenen wie diese waren genau das, was die Propagandisten in Ostberlin schon im Vorfeld ihres Auschwitz-Prozesses ausschließen wollten.
Sprecherin DDR-Rundfunk und Wolfgang Vogel: „Im Prozess gegen den KZ-Arzt Fischer sprach heute Nachmittag Rechtsanwalt Dr. Vogel, als er feststellte, die Aufgabe der Verteidigung im Namen von Recht und Gesetz sei eine andere als jenes traurige Schauspiel, das sich im Frankfurter Auschwitz-Prozess abgespielt habe: ‚Eine solche makabere Rolle der Verteidigung wollen wir Recht und Gerechtigkeit, den Prozessbeteiligten, den lebenden und toten Opfern, dem Ansehen der Verteidigung an sich und nicht zuletzt auch dem Angeklagten ersparen.‘“
Wolfgang Vogel hatte sich damals schon einen Namen gemacht als Vermittler beim Agentenaustausch zwischen Ost und West. Später arrangierte er den Freikauf von Tausenden von politischen Gefangenen der DDR.
Auch im Fischer-Prozess konnte sich die SED-Spitze auf ihn verlassen, stellt Christian Dirks fest:
„Vogel hatte sehr gute Verbindungen zum Parteiapparat und dem MfS und er war Teil dieses Spiels. Und er hat mitgespielt. Er hat zum einen schon versucht, seinen Mandanten zu verteidigen das war aber ganz klar, dass dem Grenzen gesetzt sind. Im Vorfeld hat er intensive Gespräche mit der Ehefrau von Fischer geführt. Und Frau Fischer hat versucht, Entlastungszeugen heranzukarren und ihrem Mann Schützenhilfe zu leisten. Und das hat Vogel verhindert.“
Wolfgang Vogel riet seinem Mandanten, den Ermittlern und Richtern genau jene Fakten zu liefern, die sie hören wollten. Christian Dirks:
„Die Staatssicherheit hat interessiert, Fakten zusammenzutragen, Aussagen zusammenzutragen, die Fischer belasten und in einen unmittelbaren Zusammenhang stellen mit der IG Farben. Das war das Hauptaugenmerk der Propagandisten aus Berlin, dort die Verantwortlichkeit der IG Farben zur Sprache zu bringen. Über das Instrument Fischer sozusagen hat man die Gelegenheit gesehen, einen Propagandacoup zu machen und über die IG Farben die Bundesrepublik als Ganzes zu beschuldigen.“
O-Ton DDR-Fernsehen: „Als Lagerarzt im IG-Farben-eigenen KZ Molowitz senkte er den Krankenstand, indem er Häftlinge aus dem Revier und aus den Baracken in die Gaskammern überstellte. Die Häftlinge wurden von der SS an die IG-Farben vermietet wie ein Werkzeug, wie ein Zugtier. Kranken billigte die IG Farben nur 14 Tage Aufenthalt im Häftlings-Krankenbau zu. Nur drei Monate war die Überlebenserwartung für Häftlinge im IG-Farben-KZ.“
Die Fakten stimmten. Mit ihrer Hilfe versuchten das Gericht wie das DDR-Fernsehen die These zu untermauern, nicht die SS sei die treibende Kraft in Auschwitz gewesen, sondern Chemiekonzerne wie BASF oder Bayer, die von 1925 bis 1945 in der IG Farben zusammengeschlossen waren.
Devin Pendas: „Die Überlebenden haben nicht sehr viel über IG Farben gesagt.“
Nach Ansicht des Rechtshistorikers Devin Pendas wurde der wirtschaftliche Aspekt von Auschwitz im Frankfurter Prozess vernachlässigt. Die Ankläger gingen auf dieses Thema kaum ein: „Das hatte weniger mit den Vernichtungsaktionen zu tun und genau die wollte Bauer thematisieren. Also Vernichtung und nicht so sehr Ausbeutung.“
Der Tenor der beiden Verfahren prägte lange Zeit die Debatten über den Holocaust in den beiden deutschen Staaten. In der DDR wurde die Naziherrschaft als Auswuchs des Kapitalismus interpretiert, in dem profitgierige Konzerne buchstäblich über Leichen gingen. In der Bundesrepublik rückte nach jahrelangem Leugnen der Antisemitismus ins Zentrum der Diskussion.
So unterschiedlich wie die Analysen fielen auch die Urteile aus. Hans Hofmeyer, der Vorsitzende Richter in Frankfurt, verkündete seines am 19. August 1965.
„Im Namen des Volkes! Es sind schuldig:
der Angeklagte Mulka der gemeinschaftlichen Beihilfe zum gemeinschaftlichen Mord in mindestens vier Fällen an mindestens je 750 Menschen,
der Angeklagte Höcker der gemeinschaftlichen Beihilfe zum gemeinschaftlichen Mord in mindestens drei Fällen an mindestens je 1.000 Menschen ...“
Nur sechs Angeklagten legte das Gericht Mord zur Last. Drei wurden freigesprochen, die übrigen der Beihilfe für schuldig befunden.
„... Der Angeklagte Doktor Lucas der gemeinschaftlichen Beihilfe zum gemeinschaftlichen Mord in mindestens vier Fällen an mindestens je 1.000 Menschen.
Es werden danach verurteilt:
der Angeklagte Mulka zu einer Gesamtzuchthausstrafe von 14 Jahren,
der Angeklagte Höcker zu einer Gesamtzuchthausstrafe von sieben Jahren ...“
Weil das Gericht in den meisten Fällen den Tatvorwurf abgemildert hatte, wurden die Beschuldigten auch nur zu milden Strafen verurteilt.
„... Der Angeklagte Doktor Lucas zu einer Gesamtzuchthausstrafe von drei Jahren und drei Monaten.“
Nach Meinung von Devin Pendas konnte ein bundesdeutsches Gericht damals kaum härtere Strafen aussprechen:
„Das deutsche Rechtssystem definiert Mord in Bezug auf ganz spezifische Motive der Täter. Nach deutschem Recht, wenn man Täter ist, muss man niedrige Beweggründe haben, wenn nicht, ist man nur Gehilfe, und Gehilfen werden weniger bestraft als die Täter. Also wenn zum Beispiel der ehemalige Adjutant von Auschwitz, Robert Mulka, verurteilt wurde, weil er an der Rampe an Selektionen teilgenommen hat, in Auschwitz, aber das Gericht sagte, man kann nicht beweisen, dass er selbst niedrige Beweggründe hatte, der wollte möglicherweise nur Befehle befolgen und deswegen wird er nur als nur Gehilfe verurteilt und hat nur 14 Jahre Haft bekommen statt lebenslänglich.“
Das Oberste Gericht der DDR unterlag solchen juristischen Beschränkungen nicht.
O-Ton DDR-Fernsehen: „Der Präsident des Gerichts, Dr. Töplitz eröffnet die letzte Sitzung gegen den SS-Arzt Dr. Fischer.
‚Im Namen des Volkes, der Angeklagte wird wegen fortgesetzt begangener Verbrechen gegen die Menschlichkeit zum Tode verurteilt.‘“
Das Ostberliner Urteil stand bereits vor Beginn des Verfahrens fest, wie Christian Dirks anhand der Prozessakten recherchiert hat. Horst Fischer stellte zwar noch ein Gnadengesuch, wurde aber am 8. Juli 1966 in Leipzig mit der Guillotine hingerichtet.
Die DDR-Führung glaubte, damit ein weiteres Ausrufezeichen im anti-faschistischen Kampf gesetzt zu haben. Ihre Bevölkerung aber zeigte ungewöhnlich deutlich ihren Unmut. Christian Dirks:
„Das sind schon einige Hundert Zuschriften, die wir gefunden haben, da kann man schon sagen, dass das auch eine gewisse Strömung in Teilen der DDR-Bevölkerung war, ganz analog der Mentalität in der Bundesrepublik, die von einem Schlussstrich gesprochen hat. Es müsse doch auch gut sein, und 20 Jahre danach, wie lange wolle man denn noch? Das ist durchaus vergleichbar.“
Auch zahllose IM-Berichte bestätigen diese Stimmung. Partei und MfS zogen ihre Konsequenzen für den weiteren Umgang mit der deutschen Vergangenheit.
Christian Dirks: „Durch die intensiven Ermittlungstätigkeiten des MfS ist nicht nur Fischer aufgeflogen, sondern in dem Zusammenhang sind auch andere damals in der DDR lebende NS-Täter aufgeflogen. Das war von der DDR-Seite aber nicht Anlass nach eigenen Defiziten in der Ahndung von NS-Verbrechen zu suchen, sondern mit dem ersten großen Auschwitz-Prozess in der DDR war zugleich auch das Ende der Ahndung dieses Verbrechenskomplexes beschlossen. Das war der erste und letzte Prozess, der Auschwitz zum Thema hatte in der DDR.“
In Frankfurt, erzählt Ronen Steinke, legte Fritz Bauer gegen die milden Urteile Revision ein, die sich über Jahre hinziehen sollte:
„Die Mitarbeiter Bauers, die ich sprechen konnte, schildern, dass sich seine Stimmung immer mehr verdüstert hat, dass er immer mehr geraucht hat, ja, gegen Ende der 60er häuften sich die Niederlagen. Die milden Urteile, die Gerichte folgten der Gehilfenrechtssprechung weiterhin, die sehr nachsichtig war, sie folgten nicht den innovativen juristischen Ansätzen von Fritz Bauer. Fritz Bauer erlebte, wie er immer isolierter wurde in der Justiz, wie eben nicht ein Aufbruch in der Justiz in Gang kam und sich viele ihm anschlossen, sondern im Gegenteil, bei Deutschen Juristentag 1966 ganz isoliert am Rande war, angefeindet wurde von allen Seiten und verbittert dann darüber.“
Fritz Bauer: „Ich muss Ihnen sagen, die Welt würde aufatmen, ich glaube, Deutschland würde aufatmen und die gesamte Welt und die Hinterbliebenen derer, die in Auschwitz gefallen sind, und die Luft würde gereinigt werden, wenn endlich einmal ein menschliches Wort fiele.“
Am 1. Juli 1968 starb Fritz Bauer einsam in seiner Wohnung, wenige Wochen vor seinem 65. Geburtstag.
So konnte er nicht mehr erleben, wie in den 70er-Jahren die deutsche Jugend, auf die er so sehr gehofft hatte, langsam doch Worte der Trauer fand. Dabei ging der Wandel in der Haltung der Deutschen ganz wesentlich auf ihn zurück, meint die Jenaer Zeitgeschichtlerin Annette Weinke:
Das Thema Auschwitz war auf jeden Fall präsent seitdem. Das kann man in jedem Fall sagen, dass dieser Prozess dazu beigetragen hat, dass das Vernichtungslager Auschwitz zu einem Erinnerungsort der bundesdeutschen Gesellschaft wurde, dass Auschwitz gewisserweise eine Chiffre wurde für die Judenpolitik des Dritten Reichs.
Fritz Bauer musste nicht mehr miterleben, wie die Frankfurter Urteile in späteren Instanzen noch weiter abgemildert wurden, so sehr, dass etwa Franz Lucas sogar freigesprochen wurde. Der Versuch, den Holocaust vor Gericht aufzuarbeiten, schien damit weitgehend gescheitert.
Devin Pendas: „Die Überlebenden haben nicht sehr viel über IG Farben gesagt.“
Nach Ansicht des Rechtshistorikers Devin Pendas wurde der wirtschaftliche Aspekt von Auschwitz im Frankfurter Prozess vernachlässigt. Die Ankläger gingen auf dieses Thema kaum ein: „Das hatte weniger mit den Vernichtungsaktionen zu tun und genau die wollte Bauer thematisieren. Also Vernichtung und nicht so sehr Ausbeutung.“
Der Tenor der beiden Verfahren prägte lange Zeit die Debatten über den Holocaust in den beiden deutschen Staaten. In der DDR wurde die Naziherrschaft als Auswuchs des Kapitalismus interpretiert, in dem profitgierige Konzerne buchstäblich über Leichen gingen. In der Bundesrepublik rückte nach jahrelangem Leugnen der Antisemitismus ins Zentrum der Diskussion.
So unterschiedlich wie die Analysen fielen auch die Urteile aus. Hans Hofmeyer, der Vorsitzende Richter in Frankfurt, verkündete seines am 19. August 1965.
„Im Namen des Volkes! Es sind schuldig:
der Angeklagte Mulka der gemeinschaftlichen Beihilfe zum gemeinschaftlichen Mord in mindestens vier Fällen an mindestens je 750 Menschen,
der Angeklagte Höcker der gemeinschaftlichen Beihilfe zum gemeinschaftlichen Mord in mindestens drei Fällen an mindestens je 1.000 Menschen ...“
Nur sechs Angeklagten legte das Gericht Mord zur Last. Drei wurden freigesprochen, die übrigen der Beihilfe für schuldig befunden.
„... Der Angeklagte Doktor Lucas der gemeinschaftlichen Beihilfe zum gemeinschaftlichen Mord in mindestens vier Fällen an mindestens je 1.000 Menschen.
Es werden danach verurteilt:
der Angeklagte Mulka zu einer Gesamtzuchthausstrafe von 14 Jahren,
der Angeklagte Höcker zu einer Gesamtzuchthausstrafe von sieben Jahren ...“
Weil das Gericht in den meisten Fällen den Tatvorwurf abgemildert hatte, wurden die Beschuldigten auch nur zu milden Strafen verurteilt.
„... Der Angeklagte Doktor Lucas zu einer Gesamtzuchthausstrafe von drei Jahren und drei Monaten.“
Nach Meinung von Devin Pendas konnte ein bundesdeutsches Gericht damals kaum härtere Strafen aussprechen:
„Das deutsche Rechtssystem definiert Mord in Bezug auf ganz spezifische Motive der Täter. Nach deutschem Recht, wenn man Täter ist, muss man niedrige Beweggründe haben, wenn nicht, ist man nur Gehilfe, und Gehilfen werden weniger bestraft als die Täter. Also wenn zum Beispiel der ehemalige Adjutant von Auschwitz, Robert Mulka, verurteilt wurde, weil er an der Rampe an Selektionen teilgenommen hat, in Auschwitz, aber das Gericht sagte, man kann nicht beweisen, dass er selbst niedrige Beweggründe hatte, der wollte möglicherweise nur Befehle befolgen und deswegen wird er nur als nur Gehilfe verurteilt und hat nur 14 Jahre Haft bekommen statt lebenslänglich.“
Das Oberste Gericht der DDR unterlag solchen juristischen Beschränkungen nicht.
O-Ton DDR-Fernsehen: „Der Präsident des Gerichts, Dr. Töplitz eröffnet die letzte Sitzung gegen den SS-Arzt Dr. Fischer.
‚Im Namen des Volkes, der Angeklagte wird wegen fortgesetzt begangener Verbrechen gegen die Menschlichkeit zum Tode verurteilt.‘“
Das Ostberliner Urteil stand bereits vor Beginn des Verfahrens fest, wie Christian Dirks anhand der Prozessakten recherchiert hat. Horst Fischer stellte zwar noch ein Gnadengesuch, wurde aber am 8. Juli 1966 in Leipzig mit der Guillotine hingerichtet.
Die DDR-Führung glaubte, damit ein weiteres Ausrufezeichen im anti-faschistischen Kampf gesetzt zu haben. Ihre Bevölkerung aber zeigte ungewöhnlich deutlich ihren Unmut. Christian Dirks:
„Das sind schon einige Hundert Zuschriften, die wir gefunden haben, da kann man schon sagen, dass das auch eine gewisse Strömung in Teilen der DDR-Bevölkerung war, ganz analog der Mentalität in der Bundesrepublik, die von einem Schlussstrich gesprochen hat. Es müsse doch auch gut sein, und 20 Jahre danach, wie lange wolle man denn noch? Das ist durchaus vergleichbar.“
Auch zahllose IM-Berichte bestätigen diese Stimmung. Partei und MfS zogen ihre Konsequenzen für den weiteren Umgang mit der deutschen Vergangenheit.
Christian Dirks: „Durch die intensiven Ermittlungstätigkeiten des MfS ist nicht nur Fischer aufgeflogen, sondern in dem Zusammenhang sind auch andere damals in der DDR lebende NS-Täter aufgeflogen. Das war von der DDR-Seite aber nicht Anlass nach eigenen Defiziten in der Ahndung von NS-Verbrechen zu suchen, sondern mit dem ersten großen Auschwitz-Prozess in der DDR war zugleich auch das Ende der Ahndung dieses Verbrechenskomplexes beschlossen. Das war der erste und letzte Prozess, der Auschwitz zum Thema hatte in der DDR.“
In Frankfurt, erzählt Ronen Steinke, legte Fritz Bauer gegen die milden Urteile Revision ein, die sich über Jahre hinziehen sollte:
„Die Mitarbeiter Bauers, die ich sprechen konnte, schildern, dass sich seine Stimmung immer mehr verdüstert hat, dass er immer mehr geraucht hat, ja, gegen Ende der 60er häuften sich die Niederlagen. Die milden Urteile, die Gerichte folgten der Gehilfenrechtssprechung weiterhin, die sehr nachsichtig war, sie folgten nicht den innovativen juristischen Ansätzen von Fritz Bauer. Fritz Bauer erlebte, wie er immer isolierter wurde in der Justiz, wie eben nicht ein Aufbruch in der Justiz in Gang kam und sich viele ihm anschlossen, sondern im Gegenteil, bei Deutschen Juristentag 1966 ganz isoliert am Rande war, angefeindet wurde von allen Seiten und verbittert dann darüber.“
Fritz Bauer: „Ich muss Ihnen sagen, die Welt würde aufatmen, ich glaube, Deutschland würde aufatmen und die gesamte Welt und die Hinterbliebenen derer, die in Auschwitz gefallen sind, und die Luft würde gereinigt werden, wenn endlich einmal ein menschliches Wort fiele.“
Am 1. Juli 1968 starb Fritz Bauer einsam in seiner Wohnung, wenige Wochen vor seinem 65. Geburtstag.
So konnte er nicht mehr erleben, wie in den 70er-Jahren die deutsche Jugend, auf die er so sehr gehofft hatte, langsam doch Worte der Trauer fand. Dabei ging der Wandel in der Haltung der Deutschen ganz wesentlich auf ihn zurück, meint die Jenaer Zeitgeschichtlerin Annette Weinke:
Das Thema Auschwitz war auf jeden Fall präsent seitdem. Das kann man in jedem Fall sagen, dass dieser Prozess dazu beigetragen hat, dass das Vernichtungslager Auschwitz zu einem Erinnerungsort der bundesdeutschen Gesellschaft wurde, dass Auschwitz gewisserweise eine Chiffre wurde für die Judenpolitik des Dritten Reichs.
Fritz Bauer musste nicht mehr miterleben, wie die Frankfurter Urteile in späteren Instanzen noch weiter abgemildert wurden, so sehr, dass etwa Franz Lucas sogar freigesprochen wurde. Der Versuch, den Holocaust vor Gericht aufzuarbeiten, schien damit weitgehend gescheitert.
Zumal sich auch der ostdeutsche Versuch als nicht Erfolg versprechend erwiesen hatte. Einen Schauprozess zu inszenieren, um ein politisch korrektes Lehrstück zu erzwingen; Menschen hinzurichten, um das grenzenlose Unrecht von Auschwitz mit der maximal möglichen Strafe zu sühnen – dieser Ansatz erwies sich nicht einmal in einer Diktatur als gangbarer Weg.
Weil die SED den Fischer-Prozess in Vergessenheit geraten ließ, ging auch der begrenzte Erkenntnisgewinn verloren, den die Ostberliner Verhörprotokolle durchaus hätten bieten können, erklärt der Berliner Historiker Christian Dirks:
„Wenn man sich mal auf den Angeklagten Fischer konzentriert und seine Aussagen nimmt, ist das schon ein bleibendes Ergebnis. Diese Aussagen sind erhalten geblieben und auch zentral wichtig für die Forschung. Wie funktionierte die Vernichtungsmaschinerie in Auschwitz aus der Sicht eines SS-Mediziners? Auch darüber hinaus das ganze Umfeld, wie haben die gelebt? Also gut ausgebildete Akademiker, die in den 40er-Jahren nach Auschwitz gekommen sind, in der Regel ihre Familien nachgeholt haben, in Häusern wohnten unmittelbar in der Umgebung des Stammlagers, wo vorher polnische Familien gewohnt hatten, die vertrieben und verfolgt wurden. Die haben sich dort häuslich eingerichtet im Schatten der Krematorien. Wie ging das? Wie haben die ihren Alltag gestaltet? Das sind doch Informationen, die äußerst interessant, einzigartig sind, die lange Zeit nicht so bekannt waren in der Detailtiefe und die uns viel sagen über das Funktionieren von NS-Tätern.“
Bis auf die gesellschaftliche Aufarbeitung eine juristische Wende folgte, vergingen noch einmal Jahrzehnte, bilanziert Annette Weinke:
„Der Umschwung hat eingesetzt in den 90er-Jahren, als erstmals das Thema der völkerstrafrechtlichen Aufarbeitung von DDR-Kriminalität auf die Tagesordnung rückte. Die Auseinandersetzung mit DDR-Kriminalität hat dazu beigetragen, dass die Versäumnisse in der Auseinandersetzung mit NS-Verbrechen problematisiert worden sind.“
Erst 1996 stellte der Bundesgerichtshof in einem Grundsatzurteil fest, dass es falsch war, Mitglieder von KZ-Wachmannschaften solange nicht als Täter anzusehen, wie ihnen kein Mord persönlich zuzurechnen sei.
Im Mai 2011 sprach das Landgericht München II den ehemaligen Wachmann John Demjanjuk wegen Beihilfe zum Mord an mehr als 28.000 Menschen für schuldig, obwohl ihm keine einzelne Tat nachgewiesen werden konnte. Dem Gericht reichten Belege, wonach Demjanjuk unzweifelhaft 1943 zu den Aufsehern im Vernichtungslager Sobibor gehört hatte. Damit war zum ersten Mal eine Schwurkammer in Deutschland der Rechtsauffassung Fritz Bauers gefolgt.
Doch weil die Verteidigung in Revision ging und Demjamjuk starb, bevor diese verhandelt werden konnte, wurde das Urteil niemals rechtskräftig. Somit bleibt offen, ob sich die von Bauer angestrebte Innovation des deutschen Strafrechts jemals durchsetzen wird. Dennoch hält Devin Pendas den Auschwitz-Prozess keineswegs für gescheitert:
„Es war symbolisch sehr wichtig, dass gerade in Deutschland so ein großer Prozess zur NS-Vergangenheit geführt worden war. Früher dachte man, dass das nur möglich wäre vor einem internationalen Tribunal, dass ein Land überhaupt nicht seine eigene Geschichte vor Gericht stellen könnte und der Auschwitz-Prozess hat das Gegenteil bewiesen. Ich will nicht übertreiben, Deutschland hat das nicht perfekt gemacht, aber es hat es versucht und das ist wichtig. Also, dass der Versuch manchmal wichtiger ist als der Erfolg, könnte man sagen.“
50 Jahre danach beschreiben Historiker wie Rechtswissenschaftler den Auschwitz-Prozess als epochalen Einschnitt in der Geschichte Deutschlands.
Ronen Steinke: „Der Auschwitz-Prozess hat eine ganz wichtige Rolle gespielt für das Geschichtsbewusstsein, das wir heute haben.“
Für Fritz Bauers Biografen Ronen Steinke wäre es deshalb an der Zeit, auch den Initiator entsprechend zu würdigen.
Zwar gibt es in Frankfurt ein nach ihm benanntes Forschungsinstitut und an einigen Gerichten wird seiner gedacht. Aber eine offizielle staatliche Ehrung hat er nie erfahren.
https://www.deutschlandfunk.de/


Hans Hofmeyer
Vorsitz in Auschwitz-Prozess: Das grausame Geheimnis des deutschen Vorzeige-Richters

FOCUS-online-Autor Harald Wiederschein
Donnerstag, 05.12.2019, 16:33
Als Vorsitzender Richter leitete Hans Hofmeyer den ersten Frankfurter Auschwitzprozess. Ein Meilenstein der juristischen Aufarbeitung von Nazi-Verbrechen. Doch neuentdeckte Dokumente aus dem „Dritten Reich“ zeichnen ein verstörendes Bild des Vorzeige-Juristen.
Peter Kalb hat den Richter Hans Hofmeyer im Auschwitzprozess live erlebt. Von Januar 1964 bis zur Urteilsverkündung im August 1965 betreute er als junger Mann Holocaust-Überlebende, die gegen ihre Peiniger vor dem Geschworenengericht im Frankfurter Römer und im Haus Gallus aussagten. „Hofmeyer hat den Prozess sehr sensibel und souverän geleitet“, betont er gegenüber FOCUS Online. „Nicht nur ich, auch die Zeugen, die vor ihm als deutschem Richter Angst hatten, fanden ihn ganz toll.“
Deshalb wollte er zunächst auch nicht glauben, was ihm ein junger Forscher vor etwa eineinhalb Jahren mitteilte. Matias Ristic, Jurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Köln, war auf Dokumente gestoßen, die belegen, dass Hans Hofmeyer als Richter im „Dritten Reich“ unmenschliche Entscheidungen getroffen hatte. Ristic selbst war, als er seine Entdeckung machte, wie vor den Kopf gestoßen. Seine Doktorarbeit über den 1992 verstorbenen Hofmeyer sollte eigentlich von einem Helden handeln – doch sie entwickelt sich allem Anschein nach zu einer großen Entlarvung.
Ergreifende Schlussworte Hofmeyers im Auschwitzprozess
Wer sich Tonbandmitschnitte des Frankfurter Prozesses anhört, erlebt einen Vorsitzenden, der behutsam mit traumatisierten Zeugen umgeht, der unverschämte Angeklagte und deren Verteidiger in die Schranken weist, der sicher durch den Prozess führt und sich auch durch den enormen Druck, der auf ihm lastet, nicht beirren lässt. Immerhin war die internationale Aufmerksamkeit gewaltig – erstmals wurden vor einem deutschen Gericht NS-Verbrechen in solch großem Ausmaß verhandelt. 360 Zeugen, viele von ihnen Auschwitz-Überlebende, waren aus aller Welt angereist. 19 SS-Angehörige, die einst in den Lagern von Auschwitz Dienst getan hatten, und ein Funktionshäftling wurden schließlich verurteilt.
Die Zuhörer waren ergriffen, als Hofmeyer am 20. August 1965 gegen Ende seiner Urteilsbegründung den eindrücklichen Satz sprach: „Es wird wohl mancher unter uns sein, der auf lange Zeit nicht mehr in die frohen und gläubigen Augen eines Kindes sehen kann, ohne dass im Hintergrund und im Geist ihm die hohlen, fragenden und verständnislosen, angsterfüllten Augen der Kinder auftauchen, die dort in Auschwitz ihren letzten Weg gegangen sind.“
Zwangssterilisierung vermeintlich „Erbkranker“
Entsprechend fassungslos war Matias Ristic, als er eine Reihe von Akten aus dem Hessischen Staatsarchiv sichtete. Die Dokumente stammen aus Verfahren nach dem „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 14. Juli 1933“. In Kraft getreten war es am 1. Januar 1934 und bestimmte, dass vermeintlich „Erbkranke“ unfruchtbar gemacht werden sollten. Dazu zählte das Gesetz Personen, die erbbedingt geistig oder körperlich behindert waren, aber auch psychisch Kranke.
Darüber, ob solche Menschen zwangssterilisiert werden sollten, entschieden die Erbgesundheitsgerichte. Deren Beschlüsse führten dazu, dass bis Mai 1945 zwischen 300.000 und 400.000 Personen unfruchtbar gemacht wurden. Tausende verloren durch Komplikationen nach dem Eingriff ihr Leben, vor allem Mädchen und Frauen. Denn ihnen wurde bei meist nur lokaler Betäubung die Bauchhöhle aufgeschnitten, um die Eileiter zu entfernen oder zu zerquetschen. Den Männern wurden oft die Samenleiter durchtrennt, nicht selten sogar die Hoden abgenommen.
Unterschrift unter verstörenden Dokumenten
Diese Erbgesundheitsgerichte waren Amtsgerichten angegliedert, so auch in Gießen, wo Hofmeyer von 1936 bis 1939 als Richter tätig war. Schriftstücke, die zu Zwangssterilisationen führten, und Beschlüsse, die solche anordneten, tragen seine Unterschrift. Ein Fall betraf ein 14-jähriges Mädchen. Zwei Mal hatte es an Krämpfen gelitten. Der zuständige Amtsarzt hatte daraufhin beantragt, den Teenager wegen „erblicher Fallsucht“ unfruchtbar zu machen. „Fallsucht“ war die damals gebräuchliche Bezeichnung für Epilepsie.
Verzweifelt schrieb die Mutter des Mädchens einen Brief an das Gericht, um die Zwangssterilisierung zu verhindern. Und deren Hausarzt Dr. Lohnes sandte dorthin ein Attest. „Es liegt keine erbbiologische Erkrankung vor“, stellte er darin fest. Vielmehr hätten die krampfartigen Anfälle des Mädchens mit ihren Monatsblutungen zu tun. Daraufhin wies Hofmeyer den Antrag des Amtsarztes zwar ab. Allerdings ließ er an das Gesundheitsamt melden, dass trotzdem ein „angeborener Schwachsinn“ nicht auszuschließen sei. Das führte zu einem neuen Verfahren – nun wegen dieses angeblichen „Schwachsinns“. Nach einiger Zeit wurde das Mädchen tatsächlich sterilisiert.
„Widerwärtiges Gesetz besonders perfide angewendet“
Matias Ristic findet dieses Vorgehen Hofmeyers empörend. „Es hätte im Alltag so viele Spielräume gegeben, um Unrecht zu verhindern“, sagt er. Der bereits genannte Dr. Lohnes sei für ihn so ein Held im Kleinen. Beispielsweise habe er einem Patienten einen riesigen Abszess am Fuß attestiert, damit dieser nicht zum Amtsarzt gehen musste. Der hätte ihn auf Erbkrankheiten untersuchen sollen.
„Hofmeyer hingegen hat das widerwärtige Gesetz besonders perfide angewendet“, urteilt Ristic. Was auch der am Erbgesundheitsgericht Gießen behandelte Fall eines Geschwisterpaares aus dem Jahr 1937 zeige. Hier entschied der Jurist aufgrund der amtsärztlichen Untersuchung direkt und eindeutig auf „angeborenen Schwachsinn“. Obwohl die Mutter der beiden einwandte, erst eine Hirnhautentzündung habe bei ihrer 17-jährigen Tochter zu geistiger Schwächung geführt. Für deren 19-jährigen Bruder genügte Hofmeyer die Mitteilung des Amtsarztes, er habe die Intelligenzprüfung des jungen Mannes abgebrochen. Dieser hatte weder sein Alter noch sein Geburtsjahr nennen können oder wollen. Beide Jugendlichen, so verfügte der Richter, seien unfruchtbar zu machen.
Kann das ein und dieselbe Person sein?
„Wie lassen sich diese Fälle, in denen Hofmeyer solche Beschlüsse fasste, mit seinem späteren Verhalten im Auschwitzprozess in Einklang bringen?“, fragt sich Ristic. „Und mit seinem Satz über die angsterfüllten Augen der Kinder von Auschwitz? Wie Hofmeyer sich in dem Prozess äußerte und wie er sich dort verhielt war meiner Meinung nach nicht gespielt“, sagt der Forscher. „Er traf fast immer den richtigen Ton, ich bin stets von Neuem begeistert und auch gerührt, wenn ich mir die Tonaufnahmen von damals anhöre.“
Kann das tatsächlich ein und dieselbe Person sein? Matias Ristic steht vor einem Rätsel. Doch die Frage lässt ihn nicht los. Noch sind seine Nachforschungen nicht zu Ende. „Ich hoffe eigentlich, dass ich noch eine positive Seite von Hofmeyer entdecke, die einen wieder gerechteren Richter zeigt“, bekennt Ristic. „Nach alledem halte ich das zwar nicht für ausgeschlossen, aber doch für sehr unwahrscheinlich.“
Zumal der Forscher bereits eine weitere verstörende Entdeckung gemacht hat. Während des Zweiten Weltkriegs bekleidete Hofmeyer zuletzt eine wichtige Position bei der Heeresjustiz. Die Abteilung, der er angehörte, setzte die sogenannten „Fliegenden Standgerichte“ ein, die zahllose Todesurteile verhängten.
Der Forscher will den Richter an seinen eigenen Maßstäben messen
Ristic macht es sich in seinem Urteil über Hofmeyer nicht einfach. Er möchte dessen Wirken nicht bequem aus heutiger Perspektive bewerten, sondern im Rahmen seiner früheren Lebensumstände begreifen. Für den Forscher bedeutet das zugleich, ihn an seinen eigenen Maßstäben zu messen. „‘Verantwortungsbewusstsein‘ war eines der Lieblingswörter Hofmeyers, er hat es gern und oft benutzt“, konstatiert Ristic. „Das hat er von allen anderen rigoros eingefordert.“
Mit seinen unmenschlichen Beschlüssen stand der Gießener Richter allerdings keineswegs allein. Zahlreiche Juristen hatten im „Dritten Reich“ den Unrechtsstaat der Nazis legitimiert und massenhaft verbrecherische Urteile gefällt. Doch nach dem Krieg konnten die meisten von ihnen ihre Karrieren relativ problemlos fortsetzen. So auch Hofmeyer, dem es gelang, die dunklen Flecken in seiner früheren Laufbahn geschickt zu verschleiern.
Nach dem Auschwitzprozess wurde der Jurist sowohl von den Beteiligten als auch von der Presse hochgelobt. Der eingangs zitierte Peter Kalb sah in ihm ein leuchtendes Beispiel der Menschlichkeit. „Heute bin ich einerseits von Hofmeyer enttäuscht, andererseits bin ich aber auch zufrieden, dass seine Vergangenheit aufgeklärt wird“, sagt er. „Zur Zeit des Prozesses kam ich leider – wie so viele andere – nicht auf die Idee, zu fragen, was die beteiligten Richter früher getan hatten. Das mache ich mir nach wie vor zum Vorwurf.“
https://www.focus.de/wissen/mensch/geschichte/nationalsozialismus/

Auschwitz vor Gericht - "Meine Lebensaufgabe"

Der erste Auschwitz-Prozess sollte zeigen, was Auschwitz war. Für Gerhard Wiese eine Lebensaufgabe. Er ist der letzte noch lebende Ankläger des Prozesses in Frankfurt von 1963 bis 1965.
06.12.2019
DW: Sie waren einer der drei jungen Staatsanwälte, die Ankläger im ersten Auschwitz-Prozess wurden. Wie kam es dazu?
Gerhard Wiese: Darüber gehen die Meinungen auseinander. Mein Vorgesetzter, Chef der Frankfurter Staatsanwaltschaft, informierte mich, dass die Kollegen Vogel und Kügler Unterstützung brauchen. Die Ermittlungen waren abgeschlossen, die Anklageschrift musste noch fertig werden. Andere sagen, der Generalstaatsanwalt in Hessen, Fritz Bauer, hätte das angeordnet. Es ist nie geklärt worden.
Sie haben an Ermittlungen nicht teilgenommen. Was erzählten Ihre Kollegen über diese Etappe?
Die Ermittlungen waren nicht einfach. Allein die technischen Möglichkeiten waren begrenzt.
Wollten Polizeistellen und andere Behörden mit Ihnen zusammenarbeiten?
Das war schwierig. Wir hatten aber eine große Hilfe. Hermann Langbein, der Vorsitzende des Internationalen Auschwitz Komitees, war selbst Häftling in Auschwitz und dort Schreiber beim Arzt. Nach dem Krieg hat er angefangen Adressen zu sammeln, mit früheren Häftlingen Kontakt aufzunehmen. Die Ergebnisse hat er uns mitgeteilt. Für Zeugenvernehmungen mussten auch andere Polizeistellen eingeschaltet werden und es kam schon vor, dass manche schlecht reagiert haben. Ein klärendes Gespräch hat dann geholfen. Aber offenen Widerstand oder Restriktionen gab es nicht.
Staatsanwälte in den Auschwitz-Prozessen Gerhard Wiese (l) und Gerhard Zack
Staatsanwälte in den Auschwitz-Prozessen: Gerhard Wiese (li.) und Gerhard Zack
Verdächtige gab es viele, nur 22 wurden in Frankfurt angeklagt. Warum?
Fritz Bauer wollte einen Querschnitt durch das Lager haben, vom Kommandanten bis zum Kapo. So wurde das Verfahren aufgebaut. Später kam es noch zu weiteren Auschwitz-Prozessen. Wir wollten die Komplexe, zum Beispiel Ärzte und politische Leitung, nicht trennen. Erstens wegen der Zeugen, die mehrmals aussagen müssten, und zweitens weil dieser Prozess das gesamte Auschwitz zeigen sollte.
Haben Sie Auschwitz besucht?
Ja, während der Hauptverhandlung. Ich nahm an der Ortsbesichtigung und Vernehmung der Zeugen, die nicht nach Frankfurt kommen konnten, teil.
Was haben Sie gespürt, als Sie zum ersten Mal im ehemaligen Vernichtungslager standen?
Der Ort hat großen Eindruck auf mich gemacht. Wenn man durch das Tor mit der Aufschrift "Arbeit macht frei" schreitet, kurz danach die Gebäude erreicht, dann die Baracken sieht und weiß, was da passiert ist, ist es schon bedrückend. Während der Ortsbesichtigung waren viele Rechtsanwälte da. Anfangs sahen manche diese Dienstreise als eine Art "Betriebsausflug" an. Je intensiver wir uns mit den Aufgaben vor Ort beschäftigten, desto ruhiger wurden sie. Sie konnten nicht verbergen, dass das, was sie gesehen haben, auch ohne Häftlinge, sie sehr bedrückt hat.
Gerhard Wiese im DW-Gespräch
Gerhard Wiese im DW-Gespräch
Wie viel wussten Sie über Auschwitz, bevor Sie Ankläger wurden?
Wenig. Ich war in russischer Gefangenschaft in Fürstenwalde. Auf dem Hof war eine große Tafel aufgestellt, wo die Tageszeitung angeheftet war. In der Presse waren Bilder von den befreiten KZs. Ich habe nur staunend davor gestanden. Das kann nicht sein, dass Deutsche so was angerichtet haben - dachte ich. Das ist mit Sicherheit russische Propaganda. Ich irrte mich sehr. Nicht viel später wurde ich eines Besseren belehrt, insbesondere durch die Nürnberger Prozesse. Einzelheiten habe ich aber erst in Gesprächen mit meinen Kollegen und beim Aktenstudium kennengelernt.
Und die Angeklagten? Welchen Eindruck haben sie auf Sie gemacht?
Eine Gruppe biederer Menschen, nichts Auffälliges: Geschäftsleute, Bankangestellte, Ärzte... Keiner von Ihnen konnte bestreiten, dass er in Auschwitz war. Aber jeder machte aus sich den "Guten", der nichts Böses getan hat. Von Reue keine Spur.
Welche Momente vom Prozess sind Ihnen in Erinnerung geblieben?
Das Schicksal der Familie Berner. Im Frühjahr 1944 wurden ungarische Juden nach Auschwitz transportiert. In acht bis zehn Wochen 400.000 Juden. Tag und Nacht. Unter ihnen die Familie Berner. In Auschwitz angekommen, wurden sie getrennt: Männer nach rechts, Frauen und Kinder nach links. Plötzlich sah Berner einen Bekannten - Victor Capesius, einen SS-Arzt. In der Jacke hatte er noch seine Visitenkarte. "Können Sie dafür sorgen, dass ich und meine Frau mit den Zwillingen und der Tochter im Lager bleiben können?", fragte er.
Als Capesius "Zwillinge" hörte, ging er mit ihnen zu Mengele (Arzt in Auschwitz, Anm. d. Red.), der auch an der Rampe stand. Mengele machte nur eine Handbewegung: Die Kinder müssen zur Mutter zurück. Damit war das Schicksal der Familie besiegelt. Nach dieser Aussage war es im Sitzungssaal mucksmäuschenstill und es hat eine ganze Weile gedauert, bis sich der normale Geräuschpegel wieder eingestellt hat.
Auf Archivbildern sehen wir Schlangen vor dem Gerichtssaal, ganze Schulklassen… Haben sich die Deutschen für den Prozess interessiert?
Das Interesse war groß. Ich werde immer wieder von jemandem angesprochen, der damals im Publikum saß. Aber wenn ich dann frage, was haben Sie erlebt, kommt eigentlich nicht viel. Die Schulklassen sollten vor dem Besuch vorbereitet sein. Nicht immer haben sie einen "interessanten" Tag getroffen. Wir drei Staatsanwälte haben versucht in den relativ kurzen Sitzungspausen mit den Schülern zu sprechen. Die Zeit war sehr knapp. Jetzt hole ich das nach.
Gerhard Wiese, der ehemaliger Staatsanwalt beim ersten Auschwitzprozess 1963-1965.
Erinnerungen: Der ehemalige Staatsanwalt beim ersten Auschwitzprozess.
Im Vergleich mit den Verbrechen war die Zahl der Verurteilten nicht groß. Warum?
Ich kann das nur ganz allgemein beantworten. Die Neigung, das von Grund auf aufzurollen, war nicht zu groß.
Sie haben für jeden Angeklagten lebenslänglich beantragt. Am Ende bekamen es nur sechs. Waren Sie enttäuscht?
Wir waren doppelt enttäuscht. Als sich das Verfahren dem Ende näherte, hatten wir uns mit dem Generalstaatsanwalt Fritz Bauer darauf geeinigt, einen Antrag zu stellen, dass alle Angeklagten wenigstens wegen Beihilfe zu bestrafen seien. Auschwitz war ein industrieller Vernichtungsbetrieb.Und jeder, der daran teilgenommen hat, war eingebettet in die Mordmaschine. Die Strafe sollte sich nach der Funktion richten. Das Schwurgericht ist unserer Rechtsauffassung nicht gefolgt, sondern hat ganz streng nach dem Strafrecht gearbeitet. Was hat er gemacht? Können wir das beweisen? Wenn ja, wird er verurteilt. Wenn nicht, freigesprochen. Deswegen die drei Freisprüche.
Das Gespräch führten Katarzyna Domagala-Pereira und Bartosz Dudek.
Gerhard Wiese (91) ist ein deutscher Jurist. Er war Ankläger beim ersten Frankfurter Auschwitzprozess 1963 bis 1965.
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Das war die Aufgabe seines Lebens. Der größte Prozess in der deutschen Nachkriegsgeschichte. >>>


AKTUELL DEUTSCHLAND
Anklage fordert im Auschwitz-Prozess sechs Jahre Haft für Ex-Wachmann

Der 94-Jährige habe sich der Beihilfe zum Mord an mindestens 100.000 KZ-Häftlingen schuldig gemacht, so die Staatsanwaltschaft. Dass die Anklage bereits ihr Abschluss-Plädoyer hielt, war so nicht erwartet worden.
Datum 20.05.2016
Der angeklagte ehemalige SS-Wachmann Reinhold Hanning habe am Vernichtungszweck des Lagers mitgewirkt, erklärte die Staatsanwaltschaft vor dem Landgericht Detmold. Der Tatbestand der Beihilfe sei erfüllt, weil der Angeklagte durch seinen Wachdienst zu einem Teil der grausamen Tötungsmaschinerie geworden sei, führte Oberstaatsanwalt Andreas Brendel aus. Es habe zur Aufgabe der Wachleute gehört dafür Sorge zu tragen, dass Häftlinge das Lager nicht lebend verließen. Durch das Ableisten seines Dienstes habe sich der ehemalige SS-Mann mit den Zielen seiner Auftraggeber solidarisiert.
Der angeklagte ehemalige SS-Wachmann Reinhold Hanning habe am Vernichtungszweck des Lagers mitgewirkt, erklärte die Staatsanwaltschaft vor dem Landgericht Detmold. Der Tatbestand der Beihilfe sei erfüllt, weil der Angeklagte durch seinen Wachdienst zu einem Teil der grausamen Tötungsmaschinerie geworden sei, führte Oberstaatsanwalt Andreas Brendel aus. Es habe zur Aufgabe der Wachleute gehört dafür Sorge zu tragen, dass Häftlinge das Lager nicht lebend verließen. Durch das Ableisten seines Dienstes habe sich der ehemalige SS-Mann mit den Zielen seiner Auftraggeber solidarisiert.
Zu dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft war es am Detmolder Landgericht überraschend noch am 15. Verhandlungstag gekommen, nachdem die Kammer einen Befangenheitsantrag aus den Reihen der Nebenkläger zurückgewiesen hatte. Diese hatten sich damit gegen die Entscheidung des Gerichts wehren wollen, einen aus den USA angereisten Lager-Überlebenden nicht als Zeugen zu hören. In der kommenden Woche sollen die Plädoyers der Nebenkläger beginnen. Abschließend ist die Verteidigung an der Reihe.
cw/stu (dpa, epd)
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Auschwitz: Letzte KZ-Helfer kommen vor Gericht

Stand: 15.04.2016 17:26 Uhr  | Archiv

von Oliver Diedrich, NDR.de
Am 27. Januar 1945 nahmen Soldaten der Sowjetarmee das NS-Konzentrationslager Auschwitz ein und befreiten die überlebenden Gefangenen. Der Tag wird international als Holocaust-Gedenktag begangen. Doch auch 71 Jahre nach der Auschwitz-Befreiung ist die juristische Aufarbeitung des Massenmordes an Juden, Sinti und Roma, Kriegsgefangenen und anderen Nazi-Opfern nicht bewältigt. Die letzten noch lebenden mutmaßlichen Helfer der SS sollen zur Rechenschaft gezogen werden. Allein in Norddeutschland geht es zurzeit um drei Fälle im Zusammenhang mit den Auschwitz-Verbrechen. In dem Lager im ehemals besetzten Polen hatten die Nazis mindestens 1,1 Millionen Menschen ermordet.
In Schleswig-Holstein geht es aktuell um den Fall einer inzwischen 92-jährigen Frau aus Neumünster. Sie soll von Ende April bis Anfang Juli 1944 als Funkerin der Kommandantur in Auschwitz beim Juden-Mord geholfen haben. Sie war zur Tatzeit noch Heranwachsende, daher ist für den möglichen Prozess die Jugendkammer zuständig. Nun teilte das Kieler Landgericht mit, dass das Hauptverfahren gegen Helma M. vorerst nicht eröffnet werde. Ein Gutachter sei zu dem Ergebnis gekommen, dass sie vorläufig nicht verhandlungsfähig sei. Frühestens nach drei Monaten könne die Seniorin erneut untersucht werden, "um zu klären, ob der Zustand dauerhaft oder vorübergehend ist", sagte eine Gerichtssprecherin. Die Kammer werde nun über das weitere Vorgehen entscheiden.
Prozesse gegen mutmaßliche SS-Helfer häufen sich
Jens Rommel steht zwischen Archivschränken. © picture alliance / dpa Foto:   Marijan Murat
"Weigerung hätte keine großen Nachteile gebracht"
71 Jahre nach der Auschwitz-Befreiung stehen die letzten mutmaßlichen NS-Helfer vor Gericht. Chef-Ermittler Jens Rommel erklärt, warum sich nun auch Gehilfen verantworten müssen.
Die Generalstaatsanwaltschaft in Schleswig geht davon aus, dass es einen hinreichenden Tatverdacht gegen Helma M. wegen Beihilfe zum Mord gibt. Sie selbst sagte in einer früheren Vernehmung: "Ich hatte niemals Gelegenheit, das mindeste Verbrechen zu begehen, denn ich habe nur am Funkgerät gesessen", wie die "tageszeitung" zitierte. Prozesse gegen SS-Helfer, denen wohl keine direkte Beteiligung an Mordfällen nachgewiesen werden kann, sondern lediglich eine allgemeine Beteiligung am "Mordsystem Auschwitz", häufen sich zurzeit. Früher hätte es in solchen Fällen wenig Aussicht auf eine Verurteilung gegeben. Doch die Rechtsprechung hat sich geändert, wie Oberstaatsanwalt Jens Rommel von der Zentralen Stelle zur Aufarbeitung der NS-Verbrechen NDR.de sagte: "Seit dem Prozess gegen John Demjanjuk wird der Beitrag der Gehilfen anders gewertet."
Diese neue Auffassung sei zuletzt vom Landgericht Lüneburg im Fall Gröning bestätigt worden, so Rommel: "Dort wurde festgestellt, dass jede Handlung eines Gehilfen, die die Gesamttat erleichtert, für eine Verurteilung wegen Beihilfe ausreichend ist." Beim Landgericht Kiel meldeten sich für die mögliche Eröffnung der Hauptverhandlung gegen Helma M. bereits mehrere potenzielle Nebenkläger - Überlebende oder Angehörige von Opfern des Lagers Auschwitz.
Neubrandenburg: Früherer SS-Sanitäter angeklagt
Im zweiten norddeutschen Fall geht es um den 95-jährigen Hubert Z. aus Mecklenburg-Vorpommern. Er war SS-Sanitäter in Auschwitz. Ein Prozess gegen ihn wegen Beihilfe zum Mord in 3.681 Fällen sollte Ende Februar vor dem Landgericht Neubrandenburg beginnen. Der Start musste aber verschoben werden, weil der Beschuldigte wegen gesundheitlicher Probleme nicht verhandlungsfähig war. Er soll 1944 einen Monat lang in der SS-Sanitätsdienststaffel Auschwitz-Birkenau als Unterscharführer tätig gewesen sein. Laut Anklage der Staatsanwaltschaft Schwerin wusste er, dass es sich um ein Vernichtungslager handelte. Er sei als Sanitäter dabei gewesen, als mindestens 14 Züge mit Deportierten ankamen. Unter ihnen soll auch Anne Frank gewesen sein, Verfasserin der bekannten Tagebücher, die später im KZ Bergen-Belsen starb.
Jüdische Deportierte aus Ungarn stehen vor Bahnwaggons, mit denen sie gerade im Todeslager Auschwitz-Birkenau angekommen sind. © picture alliance / AP Photo
Auschwitz - Geschichte einer Todesfabrik
Von 1940 bis 1945 sterben in Auschwitz mindestens 1,1 Millionen Menschen. Hunderttausende ermorden die Nazis mit Giftgas. Andere werden erschossen, zu Tode gefoltert oder sie verhungern.
Prozess gegen Hubert Z. soll nun Mitte Mai beginnen
Da sich Hubert Z. "in die Lagerorganisation unterstützend" eingefügt habe, habe er an der Vernichtung in Auschwitz-Birkenau mitgewirkt und diese befördert, argumentiert die Staatsanwaltschaft. Die Verteidigung bestreitet dies.
Inzwischen teilte das Landgericht Neubrandenburg mit, dass der Prozess gegen Hubert Z. am 17. Mai neu angesetzt sei. Bis dahin soll die gerichtlich angeordnete Untersuchung des 95-Jährigen abgeschlossen sein. Von dem Ergebnis der umfassenden medizinischen Untersuchung hängt laut Gericht der weitere Prozessverlauf ab.
Auch Verfahren in Neubrandenburg umstritten
Auch im Fall Hubert Z. war eine Anklage lange umstritten. Die Schweriner Staatsanwaltschaft hatte im Oktober 2013 von Rommels Behörde Hinweise auf die Vergangenheit des Mannes erhalten. Mitte 2015 hatte das Landgericht Neubrandenburg noch von der Eröffnung eines Verfahrens abgesehen. Der Mann sei an Altersdemenz erkrankt, die bei ihm zu starken kognitiven Einschränkungen führe. Dagegen hatte die Generalstaatsanwaltschaft jedoch Rechtsmittel eingelegt und sich schließlich durchgesetzt.
Hubert Z. war 1948 bereits von einem polnischen Gericht wegen seiner SS-Zugehörigkeit zu mehr als drei Jahren Haft verurteilt worden, die er auch verbüßte. Danach kehrte er in den damaligen DDR-Bezirk Neubrandenburg zurück. Er arbeitete dort in der Landwirtschaft. Im Zuge der neuen Ermittlungen kam Hubert Z. im Frühjahr 2014 für drei Wochen in Untersuchungshaft. Er wurde aber aus gesundheitlichen Gründen und mangels Fluchtgefahr wieder freigelassen.
"System funktionierte nur, weil viele ihren Beitrag leisteten"
Aus Sicht des Leiters der Zentralen Stelle zur Aufarbeitung der NS-Verbrechen wäre eine Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord sowohl im Fall Helma M. wie auch im Fall Hubert Z. nicht ausgeschlossen: Die Beschuldigten seien zwar sicherlich keine Haupttäter gewesen. "Aber die Nazi-Verbrechen waren 'arbeitsteilig' organisiert. Und sie haben nur funktioniert, weil viele Personen beteiligt waren und ihren - wenn auch vielleicht kleinen - Beitrag geleistet haben."
Einspruch gegen Haftstrafe für Oskar Gröning
Weltweit Schlagzeilen machte bereits im vergangenen Jahr der Fall des früheren SS-Mannes Oskar Gröning. Er musste sich in Lüneburg wegen seines Einsatzes in Auschwitz in den 1940er-Jahren verantworten. Das Landgericht wies Gröning eine zumindest indirekte Beteiligung an der Ermordung von 300.000 ungarischen Juden nach und verurteilte den 94-Jährigen zu vier Jahren Haft. Doch sowohl Gröning als auch mehrere Nebenkläger legten dagegen Einspruch ein. Vertreter von Auschwitz-Opfern fordern eine Verurteilung wegen Mordes und nicht nur wegen Beihilfe. Die Anwälte Grönings wollen dagegen ein milderes Urteil erreichen.
Revisionsverfahren gegen 94-Jährigen verzögert sich
Gröning hatte im Lüneburger Prozess detailliert über seine Rolle in Auschwitz ausgesagt und eine "moralische Mitschuld" für den Massenmord eingeräumt. Bis zur Rechtskraft des Urteils bleibt Gröning auf freiem Fuß. Aber auch wenn der Bundesgerichtshof die Haftstrafe bestätigt, könnte Gröning aus gesundheitlichen Gründen vom Strafantritt befreit werden.
Im Januar wurde bekannt, dass sich die geplante Revision vor dem Bundesgerichtshof wegen eines Formfehlers verzögert. Chef-Ermittler Rommel sagte NDR.de damals, er erwarte eine Entscheidung des BGH bis Mitte des Jahres. Von dem Urteil hänge auch ab, wie viele Prozesse gegen weitere mutmaßliche NS-Helfer noch geführt werden könnten.
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Auschwitz-Wachmann Hanning: Schuldig oder nicht?

In Detmold soll das Urteil über einen ehemaligen Auschwitz-Wachmann fallen. Reinhold Hanning wird Beihilfe zum Massenmord vorgeworfen. Er könnte der Letzte sein, der wegen der Nazi-Gräuel zur Rechenschaft gezogen wird.

16.06.2016
Konnte man als SS-Mann im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau sein, ohne sich des hunderttausendfachen Mordes zumindest mitschuldig zu machen? Seit Februar diesen Jahres versucht das Landgericht Detmold, auf diese Frage eine Antwort zu finden - mehr als 70 Jahre nach Ende der NS-Diktatur.
Deutschlands Justiz ließ Menschen wie Reinhold Hanning jahrzehntelang unbehelligt. Von etwa 6000 nach dem Krieg noch lebenden Auschwitz-Bediensteten wurden nur etwa 800 verurteilt - die meisten vor polnischen Gerichten. In der Bundesrepublik waren es ganze 43. Lange galt hierzulande die Auffassung: Nur wem eine direkte Beteiligung an Tötungen oder Misshandlungen nachgewiesen werden konnte, musste sich vor Gericht verantworten - ein Nachweis, der nur selten erbracht werden konnte.
Besser spät als nie
Die Wende kam erst 2011: Auch ohne solch einen Nachweis verurteilte das Landgericht München den früheren SS-Mann John Demjanjuk wegen Beihilfe zum Mord in Tausenden Fällen. Für das Gericht reichte es damals aus, dass Demjanjuk im Vernichtungslager Sobibór als Wachmann eingesetzt war. Allerdings wurde das Urteil nie rechtskräftig. Demjanjuk starb, bevor der Bundesgerichtshof über dessen Revision entscheiden konnte.
So wie zuvor schon John Demjanjuk sieht sich auch Reinhold Hanning selbst nur als "kleines Rad im Getriebe". 1942 sei er "zum Innendienst" nach Auschwitz versetzt worden, nachdem er bei einem Fronteinsatz verwundet worden war. Als Mitglied des Wehrbataillons sollte der damals 20-Jährige sicherstellen, dass kein Häftling flieht. Hanning hat zugegeben, schon früh von dem Massenmord gewusst zu haben. Selbst daran beteiligt gewesen, sei er allerdings nie - auf diese Feststellung legen Hanning und seine Anwälte großen Wert.
"Vernichtung durch die Lebensverhältnisse"
Am Ende aber könnte das völlig unerheblich sein. Denn die Kammer in Detmold hat bereits durchblicken lassen: Der Massenmord in Auschwitz war mehr als das Selektieren auf der Rampe oder das Einleiten von Zyklon B in die Gaskammern. Er umfasse auch die "Vernichtung durch die Lebensverhältnisse", wie es in der Anklageschrift heißt. Mit anderen Worten: Durch die harte Arbeit bei nur unzureichender Ernährung wurden Tausende Häftlinge systematisch ermordet - nicht nur durch den Einsatz von Revolverkugeln oder Giftgas.
Als Wachmann hat Reinhold Hanning geholfen, die Mordmaschinerie von Auschwitz am Laufen zu halten. Während des Prozesses räumte er seine moralische Schuld ein: "Ich bereue zutiefst, einer verbrecherischen Organisation angehört zu haben, die für den Tod vieler Menschen verantwortlich ist. Ich schäme mich dafür, dass ich Unrecht sehenden Auges habe geschehen lassen.“
Am Freitag entscheidet sich, ob sich Hanning auch im juristischen Sinne schuldig gemacht hat.
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Nach deutschem Haftbefehl: KZ-Wachmann in USA festgenommen

Der heute 89-Jährige soll in den Lagern Buchenwald und Auschwitz-Birkenau an der Ermordung Hunderttausender beteiligt gewesen sein. Um ihn anzuklagen, will Deutschland die Auslieferung des früheren SS-Mannes.
Datum 19.06.2014
Der 89 Jahre alte mutmaßliche KZ-Wachmann Johann Breyer ist in den USA auf deutschen Haftbefehl hin festgenommen worden und könnte für ein Strafverfahren an Deutschland ausgeliefert werden. Das zuständige Bundesbezirksgericht in Philadelphia ordnete eine Untersuchungshaft ohne Kaution an, bis über den entsprechenden Antrag der Bundesrepublik entschieden ist.
Haft in USA bis mindestens Mitte August
Die Staatsanwaltschaft Weiden in der Oberpfalz ermittelt seit 2012 gegen Breyer. Er soll in den Konzentrationslagern Buchenwald und Auschwitz-Birkenau an der Ermordung von mindestens 344.000 Menschen in den Gaskammern beteiligt gewesen sein. Laut Anklageschrift geht es um 158 Züge voller Juden aus Deutschland, Ungarn und der ehemaligen Tschechoslowakei.
Breyer erschien am Mittwoch in Philadelphia vor dem Bezirksgericht. Er solle mindestens bis zum nächsten Gerichtstermin Mitte August in Haft bleiben, teilte eine Anwaltssprecherin mit. Breyer räumte ein, als 17-Jähriger Mitglied der Waffen-SS geworden zu sein. Er bestreitet aber, als Wachmann in Auschwitz tätig gewesen zu sein. Seinen Angaben zufolge diente er in der Nähe von Auschwitz in der Feldartillerie der Waffen-SS und desertierte später von der Einheit. 1952 emigrierte Breyer, der als Sohn einer Amerikanerin in der Tschechoslowakei geboren wurde, in die USA.
US-Außenminister Kerry muss entscheiden
Breyers Anwalt Dennis Boyle verwies auf den schlechten Gesundheitszustand seines Mandanten. Dieser leide unter Demenz und habe Herzprobleme. Nach seiner ersten Nacht im Gefängnis sei er gebrechlich und verwirrt vor Gericht erschienen. "Er bestreitet jegliche Verwicklung in Kriegsverbrechen", sagte Boyle. "Er war nie ein Nazi." Sein Mandant sei zum Kriegsende ein in sowjetischer Gefangenschaft gewesen. "Er war genau so ein Opfer der Nazis wie jeder andere", sagte Boyle. "Er war kein Freiwilliger in der SS, er wollte nicht in der SS sein, er desertierte von der SS." Über eine Auslieferung Breyers an Deutschland muss letztlich US-Außenminister John Kerry entscheiden.
sti/cw (afp, dpa, rtr)
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Mutmaßliche Auschwitz-Wachmänner verhaftet

Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Nazi-Jäger wollen auch knapp 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs noch ehemalige Nazi-Kriegsverbrecher dingfest machen. Nun haben sie wieder zugeschlagen.
Datum 20.02.2014
Bei einer bundesweiten Razzia sind drei mutmaßliche ehemalige Auschwitz-Aufseher festgenommen worden. Es handelt sich um Männer im Alter zwischen 88 und 94 Jahren. Sie sollen während der Zeit des Nationalsozialismus im Konzentrationslager Auschwitz an der Tötung Deportierter beteiligt gewesen sein. Das teilten die Staatsanwaltschaft Stuttgart und das Landeskriminalamt am Donnerstag mit.
Die Fahnder hatten in mehreren Bundesländern Wohnungen von mutmaßlichen ehemaligen Wachmännern des KZ Auschwitz durchsucht. Die Ermittlungen gehen auf die Recherchen der Zentralstelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg zurück, erklärte die Staatsanwaltschaft Stuttgart. Die Zentralstelle ist eine von den Bundesländern betriebene Vor-Ermittlungsstelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen.
In Auschwitz, dem größten der nationalsozialistischen Todeslager, wurden mehr als eine Million jüdische Häftlinge ermordet. Der Leiter des Simon-Wiesenthal-Zentrums, Efraim Zuroff, sagte in Jerusalem: "Das hohe Alter der Verbrecher darf eine strafrechtliche Verfolgung nicht verhindern". Sie hätten kein Mitleid verdient. Im Herbst hatte auch das Simon-Wiesenthal-Zentrum mit einer Plakatkampagne die Suche nach NS-Verbrechern begonnen (Artikelbild).
SP/pg (dpa)
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AKTUELL DEUTSCHLAND
Anklage gegen ehemaligen SS-Wachmann - Mit 93 vor Gericht?

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart will den mutmaßlichen NS-Verbrecher Lipschis vor Gericht stellen. Ihr Vorwurf: Beihilfe zum Mord in mehr als 10.000 Fällen. Der ehemalige Wachmann im KZ Auschwitz ist heute 93 Jahre alt.

26.09.2013
Der Beschuldigte hatte in der Zeit zwischen 1941 und 1943 Wachbereitschaft im Konzentrationslager Auschwitz. Durch seine Tätigkeit habe er "den Lagerbetrieb und damit die Vernichtungsaktionen unterstützt", begründen die Stuttgarter Staatsanwälte ihre Anklage. Während seiner Wachzeit seien in Auschwitz zwölf Transporte mit tausenden Gefangenen eingegangen. In vielen Fällen seien nicht arbeitsfähige Menschen sofort aussortiert und in den Gaskammern getötet worden. Der Vorwurf gegen den mutmaßlichen Nazi-Verbrecher lautet auf Beihilfe zum Mord.
Bei dem Beschuldigten handelt es sich um den gebürtigen Litauer Hans Lipschis. Seit Mai sitzt er in Untersuchungshaft. Zu den Vorwürfen hat er sich nach Angaben der Behörden bisher nicht geäußert. Zuständig ist das Landgericht Ellwangen, da der Mann zuletzt im Ostalbkreis wohnte. Dort muss über die Eröffnung eines Hauptverfahrens entschieden werden.
In den USA aufgeflogen
Nach Kriegsende lebte er zunächst in Norddeutschland, wanderte 1956 aber nach Chicago (USA) aus. Nachdem dort Anfang der 80er Jahre bekanntgeworden war, dass der Angeschuldigte entgegen seinen Angaben im Einbürgerungsverfahren als SS-Mitglied zur Lagermannschaft von Auschwitz gehörte, wurde ihm in einem Ausbürgerungsverfahren die amerikanische Staatsbürgerschaft aberkannt, hieß es. Ende 1982 wurde er dann ausgewiesen und kam auf die Schwäbische Alb. Beim Simon-Wiesenthal-Zentrum stand Lipschis auf der Liste der zehn meistgesuchten Kriegsverbrecher.
Bei sechs der Transporte aus Holland nach Auschwitz waren laut Staatsanwaltschaft 4429 Gefangene sofort nach ihrer Ankunft umgebracht worden, bei zwei Transporten aus Berlin 1005 Menschen. "Aus Theresienstadt erreichten während des Wachdienstes des Angeschuldigten zwei Transportzüge Auschwitz, von denen 3303 Gefangene sofort in den Gaskammern ermordet wurden", schreibt die Behörde. Bei einem weiteren Transport aus Belgien seien 1375 Menschen umgebracht worden, bei einem aus Frankreich 398.
Wende kam mit Demjanjuk
Bisher blieben viele mutmaßliche NS-Täter straffrei, weil der Bundesgerichtshof 1969 im Fall Auschwitz festgelegt hatte, dass für eine Verurteilung der Wächter wegen Beihilfe zum Mord die individuelle Schuld nachgewiesen werden müsse. Dies war vielfach nicht möglich. In den Vorermittlungen für den Prozess gegen John Demjanjuk, Aufseher im Vernichtungslager Sobibor, hat die NS-Fahndungsstelle in Ludwigsburg die Beihilfe zum Mord im KZ Auschwitz aber neu definiert. Demnach ist jeder belangbar, der in einem KZ dazu beigetragen hat, dass die Tötungsmaschinerie funktionierte - egal ob an den Gaskammern oder als Koch.
Im September kündigte die Fahndungsstelle an, 30 Verfahren an Staatsanwaltschaften in ganz Deutschland abzugeben.
Ein Fall davon ist der Fall Lipschis...
SC/gmf (dpa, afp, rtr, SWR)
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KZ-Aufseher verhaftet

Die Polizei in Baden-Württemberg hat einen ehemaligen Aufseher des Konzentrationslagers Auschwitz verhaftet. Eine Anklageschrift werde derzeit vorbereitet, teilte die Staatsanwaltschaft mit.
06.05.2013
Der 93-Jährige stehe im dringenden Verdacht, in der Zeit von Herbst 1941 bis zur Auflösung des Lagers im Frühjahr 1945 die Morde in dem Vernichtungslager der Nazis unterstützt zu haben, heißt es in der Erklärung der Staatsanwaltschaft Stuttgart. Der Mann, der zuletzt in Aalen lebte, habe während seiner Zeit in Auschwitz unter anderem als Aufseher gearbeitet. Seine Wohnung wurde durchsucht. Nach der Vorführung vor dem Haftrichter kam er in Untersuchungshaft.
Der Mann soll nach Angaben der Anklagebehörde wegen Beihilfe zum Mord angeklagt werden. Zwar gingen die Ermittler davon aus, das der Verdächtige in seiner Funktion als Aufseher nicht selbst Menschen getötet, wohl aber mit seinen Handlungen die Täter dort unterstützt habe, sagte eine Sprecherin der Anklagebehörde. Ein Arzt habe den Rentner trotz seines hohen Alters für haftfähig erklärt. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft hatte seit November gegen den Mann ermittelt.
Video abspielen1:41 min
Alexandra Borisowa überlebte drei Konzentrationslager
Anfang April hatte die Zentralstelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg zunächst mitgeteilt, noch in diesem Jahr müssten sich möglicherweise 50 mutmaßliche Aufseher aus den NS-Vernichtungslagern Auschwitz und Auschwitz-Birkenau wegen Beihilfe zum Mord vor Gericht verantworten. Die Namen und Angaben zu den Wohnorten der Tatverdächtigen lägen den Ermittlern vor, sagte der Leiter der Behörde, der leitende Oberstaatsanwalt Kurt Schrimm. Sie lebten über ganz Deutschland verteilt und seien um die 90 Jahre alt.
Keine Gnade trotz hohem Alter
Wenig später erklärte Schrimm, seine Fahnder würden ihre Ermittlungen ausdehnen. Man schaue jetzt auch, wer in Treblinka, Soribor, Belzec und Majdanek Dienst getan habe, sagte er. Die Zahl der Verdächtigen könne sich so auf knapp 100 erhöhen.
Schrimm rechnet nach seinen Worten mit erfolgreichen Prozessen gegen die Täter. Das hänge freilich auch von ihrem Alter und ihrer Gesundheit ab. Nach dem Urteil gegen John Demjanjuk, der Wachmann im KZ Soribor war, reiche "jede Tätigkeit in einem Konzentrationslager aus, um wegen Beihilfe zum Mord zu verurteilen", selbst wenn keine direkte Tatbeteiligung nachgewiesen werden könne, so der Behördenleiter.
Demjanjuk war 2011 in München wegen Beihilfe zum Mord in 20.000 Fällen zu fünf Jahren Haft verurteilt worden.
Wiesenthal-Zentrum erfreut
Das Simon-Wiesenthal-Zentrum in Israel begrüßte die Verhaftung. Der Leiter der Einrichtung, Efraim Zuroff, sprach von einem positiven ersten Schritt. Man hoffe, "dass es noch eine ganze Reihe weiterer erfolgreicher juristischer Schritte der deutschen Behörden gegen KZ-Personal und Mitglieder der Einsatzrtruppen geben wird", sagte Zuroff.
Die rund 1000 Konzentrations- und Vernichtungslager der Nationalsozialisten dienten zwischen 1933 und 1945 der Unterdrückung und Ermordung von Millionen von Menschen, darunter Juden, Sinti und Roma sowie politischer Gegner und Behinderte. Schätzungen zufolge starben etwa zwei Drittel der sechs Millionen Juden, die dem Holocaust zum Opfer fielen in solchen Lagern, entweder durch Mord oder durch systematisches Aushungern, Misshandlungen und Zwangsarbeit oder an unbehandelten Krankheiten.
gmf/wl (afp,dpa,rtr)
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Anklage gegen Alt-Nazis könnte scheitern

Die deutsche Justiz ermittelt seit September gegen 30 ehemalige KZ-Aufseher von Auschwitz. Doch es ist noch lange nicht sicher, ob es überhaupt zur Anklage gegen die hochbetagten Verdächtigen kommt. Die Zeit drängt.
Datum 08.12.2013
Autorin/Autor Annika Zeitler
"Wir haben eigentlich mit 49 Verfahren begonnen, aber davon leben einige im Ausland und mindestens neun der Beschuldigten sind schon verstorben. Darunter sind übrigens nicht nur Männer, sondern auch sieben Frauen", sagt Kurt Schrimm von der Zentralen Stelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg. Die Beschuldigten sollen als Wachleute im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau gearbeitet und damit den Massenmord an Millionen Menschen überhaupt erst ermöglicht haben.
Die zuständigen Staatsanwaltschaften müssen jetzt schnell handeln, wenn es noch zur Anklage gegen die mutmaßlichen 30 Täter aus Deutschland kommen soll. Denn sie sind mittlerweile zwischen 87 und 97 Jahren alt. "Ich bin überzeugt, dass die Kollegen bestrebt sind, die Verfahren möglichst schnell zu bearbeiten, aber es wird sich trotzdem über einige Monate hinziehen", erklärt Schrimm.
Simon-Wiesenthal-Zentrum hat 111 Hinweise auf Verdächtige
Das ist auch im Interesse von Efraim Zuroff. Er ist der Leiter des Simon-Wiesenthal-Zentrums in Jerusalem. Seine Organisation beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der Aufarbeitung des Holocaust - auch mit der Frage, ob die Täter von damals zur Verantwortung gezogen werden: "Wir erwarten und hoffen, dass diese Fälle so schnell wie möglich vor Gericht kommen und Gerechtigkeit gesprochen wird. Die Menschen müssen verurteilt werden, bevor sie sterben." Mit der Plakatkampagne unter dem Motto "Spät, aber nicht zu spät" in den Städten Berlin, Hamburg und Köln erhielt seine Organisation aus der Bevölkerung in den vergangenen Monaten Hinweise auf 111 Verdächtige, darunter wohl mindestens vier, bei denen es zu einer Anklage kommen könnte.
In zwei Fällen soll bereits nach Angaben verschiedener Medien die Zentrale Stelle in Ludwigsburg ermitteln. "Wenn wir Hinweise von Herrn Zuroff erhalten, dann gehen wir diesen selbstverständlich nach. Mir ist aber bisher nichts bekannt, ich habe schon mehrfach in der Presse gelesen, wir hätten zwei Verfahren erhalten, aber weder mein Stellvertreter noch ich wissen davon", sagt Schrimm. Das Simon-Wiesenthal Center setzt unterdessen seine Kampagne fort und hat weitere Plakate in München, Leipzig, Stuttgart, Magdeburg, Rostock, Dresden, Nürnberg und Frankfurt am Main geplant.
Wachleuten musste individuelle Schuld nachgewiesen werden
Das ist auch im Interesse von Efraim Zuroff. Er ist der Leiter des Simon-Wiesenthal-Zentrums in Jerusalem. Seine Organisation beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der Aufarbeitung des Holocaust - auch mit der Frage, ob die Täter von damals zur Verantwortung gezogen werden: "Wir erwarten und hoffen, dass diese Fälle so schnell wie möglich vor Gericht kommen und Gerechtigkeit gesprochen wird. Die Menschen müssen verurteilt werden, bevor sie sterben." Mit der Plakatkampagne unter dem Motto "Spät, aber nicht zu spät" in den Städten Berlin, Hamburg und Köln erhielt seine Organisation aus der Bevölkerung in den vergangenen Monaten Hinweise auf 111 Verdächtige, darunter wohl mindestens vier, bei denen es zu einer Anklage kommen könnte.
In zwei Fällen soll bereits nach Angaben verschiedener Medien die Zentrale Stelle in Ludwigsburg ermitteln. "Wenn wir Hinweise von Herrn Zuroff erhalten, dann gehen wir diesen selbstverständlich nach. Mir ist aber bisher nichts bekannt, ich habe schon mehrfach in der Presse gelesen, wir hätten zwei Verfahren erhalten, aber weder mein Stellvertreter noch ich wissen davon", sagt Schrimm. Das Simon-Wiesenthal Center setzt unterdessen seine Kampagne fort und hat weitere Plakate in München, Leipzig, Stuttgart, Magdeburg, Rostock, Dresden, Nürnberg und Frankfurt am Main geplant.
John Demjanjuk wurde vom Landgericht München wegen Beihilfe zum Mord verurteilt
2011 gab es dann in der Rechtsprechung einen Wendepunkt: Das Münchener Landgericht verurteilte den ehemaligen Aufseher im Vernichtungslager Sobibor, John Demjanjuk, wegen Beihilfe zum Mord in mehr als 28.000 Fällen zu fünf Jahren Haft. Ihm musste seine individuelle Schuld nicht nachgewiesen werden, es reichte seine Tätigkeit als Wächter im Vernichtungslager Sobibor. "Dieser Fall hat die Rechtslage verändert und die Aufnahme neuer Verfahren erst möglich gemacht, ohne ihn wäre auch unsere Plakatkampagne gar nicht erst möglich gewesen", sagt Efraim Zuroff.
Die Zentrale Stelle in Ludwigsburg hatte über acht Monate im Fall Demjanjuk ermittelt und in ukrainischen und russischen Archiven recherchiert. Das zeigt, dass Kurt Schrimm und seine Kollegen weit mehr als Ermittler und Juristen sind. Auf der Suche nach Beweisen forschen sie wie Historiker, wahrscheinlich wäre die Aufarbeitung von NS-Verbrechen anders gar nicht möglich.
Demjanjuk legte damals Rechtsmittel gegen das Urteil beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe ein, verstarb jedoch vor einer erneuten Verhandlung. "Wir wissen nicht, wie der Bundesgerichtshof entschieden hätte. Es kann sein, dass die bloße Anwesenheit eines Wächters in Auschwitz nach wie vor für eine Täterschaft nicht ausreicht, das würde bedeuten, dass unsere Ermittlungen umsonst waren", so Schrimm.
Hinzu kommt im Falle Auschwitz, dass der Lagerkomplex nicht ausschließlich ein Vernichtungs-, sondern auch ein Konzentrationslager umfasste, unterteilt in das "Stammlager" Auschwitz I und das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Während ein Großteil der Deportierten im Vernichtungslager unmittelbar nach ihrer Ankunft durch Giftgas ermordet wurden, hatten die Gefangenen im Konzentrationslager eine Überlebenschance, wenn auch eine sehr geringe. Während bei Demjanjuk fest stand, dass er in einem Vernichtungslager gearbeitet hatte, könnte dies bei den Aufsehern von Auschwitz schwierig zu beweisen sein.
Wie wird der Bundesgerichtshof entscheiden?
Es bleibt also offen, ob die 30 mutmaßlichen NS-Kriegsverbrecher überhaupt verurteilt werden können, wenn sie beim Bundesgerichtshof Revision einlegen. Weiter ist nicht geklärt, ob die deutsche Gerichtsbarkeit gilt. Diese Frage stellt sich immer dann, wenn der Täter kein deutscher Staatsbürger ist, unter den Opfern kein deutscher Staatsbürger war, und die Tat zudem im Ausland begangen wurde.
Demjanjuk, zum Beispiel, war weder deutscher Staatsbürger, noch haben die ihm vorgeworfenen Taten auf deutschem Boden stattgefunden. Aber ihm konnte nachgewiesen werden, dass unter seinen Opfern Deutsche waren. So konnte sein Fall vor einem deutschen Gericht verhandelt werden. Doch was passiert, wenn keine der drei Bedingungen zutrifft? Dann muss die Anklage im Ausland erfolgen. Und hier kommt wieder der Faktor Zeit ins Spiel: Werden die mutmaßlichen Täter im fortgeschrittenen Alter ihre Anklage im Ausland dann noch erleben? Vermutlich geht hier wieder viel kostbare Zeit ins Land.
Für Kurt Schrimm und sein Amt zur Aufklärung von NS-Verbrechen bleibt nach den Ermittlungen zu Wachleuten in Auschwitz auch weiterhin viel zu tun. "Wir haben bisher nur auf Auschwitz geschaut, weil es diese Liste gab. Die gibt es für andere Lager wie Treblinka oder Sobibor leider nicht. Das wird eine mühsame Arbeit, die aber zu bewältigen ist. Wir werden auch alle Akten, die bei uns im Hause lagern, die sich mit Vernichtungslagern befassen, noch einmal zur Hand nehmen und überprüfen."
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Verbrechen des Klassenfeinds
Die Auschwitz-Prozesse in der DDR

Der Angeklagte Horst Fischer (r) bei Prozessbeginn  im Jahr 1966.
Horst Fischer (r) wurde nach einem kurzen Prozess zum Tode verurteilt. Danach wurden in der DDR keine Verfahren gegen weitere NS-Verbrecher eröffnet. © picture alliance / dpa
Von Regina Kusch und Andreas Beckmann · 29.06.2016
Nicht nur in Westdeutschland gab es Auschwitz-Prozesse, sondern auch in der DDR. Aber die unbequemen Wahrheiten dahinter wurden geheim gehalten.
„Herr Präsident, Oberstes Gericht der Deutschen Demokratischen Republik. Den Arzt Dr. med. Horst Fischer klage ich an, als SS-Lagerarzt im Konzentrationslager Auschwitz Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen und dadurch das Leben Zehntausender Menschen vernichtet zu haben.“
10. März 1966: eine Sensation für die Weltpresse. In Ost-Berlin eröffnet das Oberste Gericht der DDR einen Prozess, in dem es um Verbrechen in Auschwitz geht. Angeklagt ist Horst Fischer, Lagerarzt in Auschwitz. Ankläger ist Josef Streit, Generalstaatsanwalt der DDR.
„Der Angeklagte hat während der von ihm eigenverantwortlich durchgeführten Selektionen nach seinen eigenen Schätzungen etwa 55.000 bis 75.000 Menschen zur Vernichtung ausgesondert, die dann in den Gaskammern getötet und anschließend verbrannt wurden.“
1966 hatte die DDR eigentlich schon aufgehört, Prozesse gegen Nazi-Verbrecher zu führen. Das Kapitel NS-Vergangenheit schien abgeschlossen zu sein.
„Die DDR wollte damit einen Schnitt ziehen und die neue Gesellschaftsordnung aufbauen und gleichzeitig verlagerte die SED-Führung das NS-Täter-Problem in Richtung Bundesrepublik und behauptete kurzerhand, alle Verantwortlichen seien geflohen aus der DDR und die DDR hätte kein Problem mehr.“
Henry Leide erforscht in der Behörde des Bundesbeauftragten für Stasi-Unterlagen die Verfolgung von NS-Verbrechen durch die ostdeutsche Justiz. Für Ermittlungen zu diesem Tatkomplex war unmittelbar nach dem Krieg die Kriminalpolizei zuständig, unter der Aufsicht der sowjetischen Besatzungsbehörden. Nach der Republik-Gründung 1949 zog das Ministerium für Staatssicherheit bald alle Verfahren an sich.
„Bis 1950 waren bereits 13.000 Personen wegen NS-Delikten verurteilt worden. Das Interessante ist, dass von dieser Vielzahl von Personen 1956 nur noch 34 Personen in den Gefängnissen der DDR befindlich waren, der Rest war amnestiert worden.“
Die SED hatte ein ähnliches Problem wie die Bundesrepublik
Es gab zu viele ehemalige Nazis und Mitläufer, um ein Staatswesen ohne sie aufzubauen. Schon 1951 hatte die Partei anlässlich einer internen Untersuchung selbst in ihren eigenen Reihen etwa 200.000 Alt-Nazis gezählt. Darunter auch Ernst Melsheimer, bis 1945 im Nationalsozialistischen Rechtswahrerbund, ab 1945 in der KPD und ab 1949 Generalstaatsanwalt der DDR. 1960 starb er, dekoriert mit dem Vaterländischen Verdienstorden. Nach NS-Tätern wurde zu dieser Zeit kaum mehr gefahndet. Es galt die Linie, die Erich Honecker am 16. April 1963 in der Parteizeitung „Neues Deutschland“ so beschrieb:
„Entscheidend für die Beurteilung eines Parteimitgliedes sind seine ehrlichen, aktiven Taten für den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft und sein Verhältnis zur Partei als Ergebnis richtiger Schlussfolgerungen aus der Vergangenheit.“
Angesichts solcher Verlautbarungen konnte auch der ehemalige KZ-Arzt Horst Fischer ruhig schlafen. Er war zwar nie der SED beigetreten. Aber zwanzig Jahre nach Kriegsende schien es für ihn selbstverständlich, dass man ihn in seiner Praxis in Spreenhagen bei Berlin unbehelligt am Aufbau des Gesundheitswesens mitwirken ließ, erzählte er in seiner Vernehmung vor dem Obersten Gericht der DDR.
„In dieser ganzen Zeit, haben Sie sich da keine Gedanken darüber gemacht, dass Ihre Verbrechen entdeckt werden könnten und dass ein Strafverfahren gegen Sie eingeleitet werden könnte?
Ich habe natürlich, vor allem zu Anfang, mit einer Bestrafung und einer Verfolgung gerechnet.
Angeklagter, was hat Sie denn veranlasst, dass Sie sich nach 1945 hier im Osten Deutschlands niedergelassen haben?
Ich hatte zunächst einmal Fuß gefasst. Ich war hier den Nachforschungen entgangen, das ist ein sehr wesentlicher Punkt gewesen. Ich war froh, dass dieses Kapitel abgeschlossen war.
Glaubten Sie, dass Sie den Nachforschungen hier leichter entgehen als in Westdeutschland?
Ja, nein, in der Form nicht. Wissen Sie, ich war der Meinung, für mich war das Kapitel abgeschlossen.“
Dabei war er durchaus auf der Hut gewesen, berichtete Horst Fischer dem Richter Heinrich Toeplitz. Stets hatte er in den Medien auf Berichte über Prozesse gegen NS-Täter geachtet. Aber in den letzten Jahren waren ihm nur Meldungen zu zwei Verfahren in der DDR aufgefallen: 1960 gegen Theodor Oberländer und 1963 gegen Hans Globke. Beide Angeklagte waren nicht erschienen, denn sie saßen in Bonn im Kabinett von Bundeskanzler Konrad Adenauer. In der Nazi-Zeit hatte Oberländer als sogenannter Ostforscher Denkschriften zur ethnischen Säuberung Osteuropas verfasst und Globke in Juristischen Kommentaren zu den Nürnberger Gesetzen entscheidend zur Entrechtung der deutschen Juden beigetragen. Beide wurden in Ost-Berlin in Abwesenheit zu lebenslänglichen Zuchthausstrafen verurteilt. Die DDR-Justiz verfolgte dabei das Ziel, die „Wesensgleichheit“ der Bonner Republik mit der Nazi-Diktatur vorzuführen. Ab 1963 wurde es schwieriger, diese Behauptung aufrecht zu erhalten.
Archiv HR-Fernsehen:
„Frankfurt am Main 1964. In diesen Gefängniswagen sitzen Buchhalter, Kaufleute, Apotheker. Angeklagt wegen Mordes in vielen Tausenden Fällen, begangen im Konzentrationslager Auschwitz. In Frankfurt findet der größte Prozess der deutschen Justizgeschichte statt. 22 Täter des Holocaust müssen vor ihre Richter treten.“
„Der Frankfurter Auschwitz-Prozess wurde zunächst `63 begonnen, und einige Jahre zuvor schon vorbereitet intensiv, durch die Frankfurter Staatsanwaltschaft. Diese Aktivitäten hat man in Ost-Berlin natürlich genau wahrgenommen.“
Der Berliner Historiker und Kurator Christian Dirks hat seine Doktorarbeit über das Verfahren gegen Horst Fischer geschrieben und ist überzeugt, dass dieses ohne den Frankfurter Auschwitz-Prozess nicht zu verstehen ist.
„Man kam unter Druck. Selbst hatte man keinen solchen NS-Prozess zum Komplex Auschwitz aufzuweisen.“
Obwohl bereits ein Verdächtiger in Erfurt im Gefängnis saß, ergänzt Henry Leide von der Stasi-Unterlagenbehörde.
„Hans Anhalt war ein Angehöriger der SS-Besatzung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz, der Anfang der 50er-Jahre ins Visier der staatlichen Organe geraten war. Erst hat er geleugnet und dann regelrecht damit geprahlt, mindestens 300.000 Juden vergast zu haben.“
Zeitweilig zweifelte das MfS, das Ministerium für Staatssicherheit, an Anhalts Geisteszustand, aber ein psychiatrischer Gutachter konnte keine Persönlichkeitsstörung feststellen. Dennoch passte Hans Anhalt nicht in das Täterprofil des MfS.
„Generell galt ja Faschismus als terroristische Diktatur der am meisten reaktionären, chauvinistischen und imperialistischen Elemente des Finanzkapitals.“
Das MfS war darauf bedacht, Unternehmensführer wie die Chefs der IG Farben an den Pranger zu stellen, die im Lager Auschwitz-Monowitz Häftlinge von der SS als Sklavenarbeiter gemietet und bis zur völligen Erschöpfung ausgebeutet hatten.
„Die gab es nur noch in der Bundesrepublik. In der DDR waren ja die materiellen, die ökonomischen Voraussetzungen für den Faschismus ausgerottet, indem man Privateigentum in Volkseigentum umgewandelt hat. Da in der Bundesrepublik sich die Gesellschaftsordnung nicht geändert hatte, war das aus ideologischen Gründen praktisch die Fortführung des Nationalsozialismus.“
Diese politische Linie zu untermauern, war für die Stasi das Ziel jeder Ermittlung. Weil sie keine Vertreter der Wirtschaftselite anklagen konnte, suchte sie nach Tätern, die eng mit ihr zusammengearbeitet hatten. Hans Anhalt passte nicht in dieses Bild, weil er gar nicht in Auschwitz-Monowitz Dienst getan hatte, sondern im benachbarten Lager Birkenau, das nicht der Ausbeutung, sondern ausschließlich der Vernichtung der Gefangenen gedient hatte. Anhalt war ein Sadist, der aus reiner Mordlust abertausende Juden ermordet hatte, ohne jedes ökonomische Interesse. Deshalb passte er nicht in das ideologische Muster der Kommunisten, die im Faschismus vor allem ein System extremer Ausbeutung sahen. Weil sich Anhalt in seinem Heimatdorf mit seinen Taten gebrüstet hatte, war für die Stasi klar, dass er lebenslang in Haft bleiben musste.
„Der Prozess wurde in aller Heimlichkeit durchgeführt. Der ist vom Bezirksgericht Erfurt verurteilt worden und man hat das einfach so gemacht, dass alle Teilnehmer an dem Prozess Genossen des MfS waren oder ausgewählte SED-Mitglieder.“
Da man kein Verfahren eröffnen konnte, das den eigenen Zielen gerecht wurde, sollte der Frankfurter Auschwitzprozess für eigene Propagandazwecke genutzt werden, entschied der Minister für Staatssicherheit, Erich Mielke. Dafür wurde Friedrich Karl Kaul als Nebenklage-Vertreter an den Main geschickt. Er war einer der wenigen DDR-Juristen, die auch eine westdeutsche Anwaltslizenz besaßen. Durch Zeugenbefragungen und eigene Beweisanträge sollte Kaul das Augenmerk auf die Rolle der IG Farben lenken. Doch weil die Frankfurter Staatsanwälte sich für diesen Komplex wenig interessierten, blieben seine Auftritte weitgehend unbeachtet. Aber nach dem 148. Verhandlungstag übermittelte Kaul am 11. Juli 1965 eine brisante Information an Erich Mielke: ein Zeuge habe in Frankfurt von einem KZ-Arzt namens Horst Fischer berichtet.
„Dieser Fischer lebt unangefochten im Bezirk Frankfurt/Oder, wo er als Arzt tätig sein soll. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann der Gegner darüber informiert sein wird.“
Für den Fall Fischer galt zunächst strengste Geheimhaltung
Kaul fürchtete einen schweren Image-Schaden für die DDR. Er konnte nicht wissen, dass das MfS Fischer bereits einen Monat zuvor, am 11. Juni 1965, verhaftet hatte. Denn auch für den Fall Fischer galt zunächst strengste Geheimhaltung. Es sollte noch bis zum September 1965 dauern, ehe die DDR-Behörden entschieden, Fischer anzuklagen. Erst dann durften die Medien über den Fall berichten.
„Zwanzig Jahre konnte sich Fischer unter uns verbergen. Unsere Untersuchungsorgane aber hatten ihn dennoch ermittelt, diesen KZ-Arzt Fischer.“
„Das war Zufall. Er hatte Westverwandtschaft und nach der Analyse dieser Kontakte hat man erste Informelle Mitarbeiter auf Fischer angesetzt und hat seine Vita überprüft.“
Aus den Berichten der IM, so Christian Dirks, ging hervor, dass Fischer sich in der DDR gelegentlich regimekritisch geäußert habe. Und ein Stasi-Zuträger behauptete, Fischer sei in Auschwitz gewesen. Daraufhin schauten die zuständigen Offiziere auch in ihren umfangreichen Aktenbeständen zur Nazi-Zeit nach, die sie schon lange besaßen, aber nie systematisch ausgewertet hatten. In Unterlagen aus Auschwitz fanden sich Hinweise auf Horst Fischer.
„Fischer war durchaus bereit auszupacken, sag ich mal salopp, und das unterscheidet ihn doch von vielen anderen. In dem Ausmaß sind mir keine Aussagen bekannt von ranghohen SS-Tätern, die so umfangreich zu ihren Verbrechen Stellung nehmen.“
In Verhören des MfS gestand Fischer, in Auschwitz an Selektionen teilgenommen zu haben. Nichts deutet daraufhin, dass er unter Druck gesetzt worden sein könnte. Ihm war klar, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit mit dem Tode bestraft werden konnten. Er hoffte auf Milde, wenn er kooperierte. Also erzählte er alles, was er wusste. Aber das war nicht das, was die Stasi hören wollte.
„Bericht der Hauptabteilung IX/10 über wesentliche Untersuchungsergebnisse im Ermittlungsverfahren gegen Dr. Horst Fischer vom 25.11.1965:
Die Aufklärung des Zusammenwirkens des Beschuldigten Fischer mit leitenden Angestellten des IG Farbenwerkes Monowitz sowie mit Vertretern anderer faschistischer Konzerne der Außenlager des KZ Auschwitz bereitet noch Schwierigkeiten, da der Beschuldigte nicht mit derartigen Personen Verhandlungen geführt haben will.“
„Die Staatssicherheit hat interessiert, Fakten zusammenzutragen, Aussagen zusammenzutragen, die Fischer belasten und in einen unmittelbaren Zusammenhang stellen mit den IG Farben. Das war das Hauptaugenmerk der Propagandisten in Ost-Berlin, dort die Verantwortlichkeiten der IG-Farben-Manager zur Sprache zu bringen.“
Das Ministerium für Staatssicherheit trug umfangreiche Dokumente zusammen, aus denen hervor ging, dass die IG Farben Millionenprofite aus der Ausbeutung der Gefangenen in Auschwitz-Monowitz gezogen hatte. Die konnte sie in das Verfahren einführen, nachdem Horst Fischer am zweiten und dritten Verhandlungstag noch einmal ausführlich seine Beteiligung an den Selektionen schilderte, die in Auschwitz tagtäglich unmittelbar nach der Ankunft deportierter Juden stattgefunden hatten.
„Sagen Sie dem Gericht noch einmal zusammenfassend, aus welchen Gründen diese Deportierten-Transporte selektiert wurden?
Es sollten die Deportierten, die noch arbeiten konnten, von der Industrie bis zu ihrer Erschöpfung ausgebeutet werden, um dann ebenfalls vernichtet zu werden.
Und die anderen wurden sofort vernichtet?
Die anderen wurden sofort vernichtet. Das war das System.“
Horst Fischer war ein Massenmörder. Etwa 70.000 Menschen hat er in die Gaskammern geschickt, das wurde in der Verhandlung zweifelsfrei belegt. Durch Fischers Geständnis, durch Gutachten und durch Zeugenaussagen
„Ich kannte die SS-Ärzte nahezu alle, die zu der Zeit dort waren.“
Hermann Langbein war der beste Zeuge, den man sich für einen Prozess gegen Horst Fischer vorstellen konnte. Als österreichischer Kommunist hatte er Widerstand gegen den Anschluss seines Landes ans Deutsche Reich geleistet und war zunächst nach Dachau, später nach Auschwitz deportiert worden. Dort hatte man ihn als Häftlingsschreiber eingesetzt, als Sekretär des Standort-Arztes Eduard Wirths und seines Stellvertreters Horst Fischer. In dieser Funktion hatte Langbein alles protokolliert, was die Ärzte taten oder veranlassten.
Hermann Langbein wurde nicht als Zeuge geladen, aus Prinzip nicht. Er war persona non grata in der DDR. Er hatte sich 1956, nach dem Aufstand in Ungarn, von der KPÖ losgesagt. Als Mitbegründer des Internationalen Auschwitz Komitees besaß er große moralische Autorität, wenn es um die Aufklärung von NS-Verbrechen ging. Seine Schilderungen fielen stets differenzierter aus, als den DDR-Ermittlern lieb war. Auch wenn es um die Rolle der SS-Ärzte ging.
„Es gab solche, die mehr machten, als man von ihnen verlangte. Und es gab einzelne, die da und dort versucht haben, das eine oder andere abzuschwächen. Wobei es die Möglichkeit gab dadurch, da es in der Zentrale zwei Stellen gab, die unterschiedliche Befehle manchmal gaben. Das Reichssicherheitshauptamt, also dort, wo Eichmann das große Wort führte, das war: Alle vernichten! Und es gab das Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt, die sagten, möglichst viele Arbeitskräfte für die Rüstungsindustrie. Und die Zahl derer, die sollte immer höher werden, trotz der großen Sterblichkeit. Dadurch gab es die Möglichkeit für einen SS-Arzt, sich auf einen Befehl zu berufen, wenn man etwas abschwächte. Und diese Möglichkeit haben manche versucht auszunützen. Im positiven Sinn für uns.“
Zu denen habe auch Horst Fischer gehört, schrieb Hermann Langbein viel später, 1980, in seinem Buch „Menschen in Auschwitz“. Aber für Widerstand, und sei er noch so zaghaft gewesen, habe ihm sowohl die Umsicht als auch das Rückgrat gefehlt.
„Das Gericht war dezidiert nicht interessiert, entlastende Momente zu Fischer mit ins Feld zu führen. Das ist vor Gericht sehr kurz zur Sprache gekommen und dann sehr schnell abgewürgt worden vom Obersten Gericht, das sei hier nicht Thema.“
Fast drei Stunden sprach der Generalstaatsanwalt. In verschiedenen Passagen seines Plädoyers würdigte er die Aussagen der wenigen Zeugen. Viel ausführlicher zitierte er aus Protokollen von Besprechungen zwischen SS und IG Farben, in denen der Angeklagte freilich nie vorkam. Dafür aber NS-Funktionäre und Wirtschaftsleute, die inzwischen in der Bundesrepublik schon wieder zu Ansehen und Stellung gekommen waren. Damit wollte Josef Streit deutlich machen, wer hier eigentlich auf der Anklagebank saß: das kapitalistische System. Am Ende forderte er die Todesstrafe für Horst Fischer.
Wolfgang Vogel, der Verteidiger, stand damals noch ganz am Anfang seiner Karriere – später wurde er weltberühmt als Vermittler beim deutsch-deutschen Häftlingsfreikauf oder beim Agentenaustausch zwischen Ost und West. Das Verfahren gegen Horst Fischer war sein erster großer Auftritt als Rechtsanwalt. In seinem Plädoyer lobte er die vorherigen Leistungen der DDR-Justiz, insbesondere in den beiden spektakulären Verfahren gegen Hans Globke und Theodor Oberländer.
„Beide wurden nicht zum Tode verurteilt, sondern zu lebenslangem Zuchthaus. Wir bitten zu erwägen, ob all das, was damals gegen die Todesstrafe sprach, es rechtfertigt, in diesem Verfahren ebenfalls von der Todesstrafe abzusehen.“
Christian Dirks:
„Es war von Anfang an ein Schauprozess. Schauprozess in dem Sinne, als dass der gesamte Ablauf vom Ministerium für Staatssicherheit festgelegt, mit der Generalstaatsanwaltschaft und den Obersten Gericht abgesprochen war. Und das ging so weit, dass sogar das Urteil vorher schon feststand und man sich da im Vorfeld darauf geeinigt hat.“
Verlesen wurde es vom Gerichtspräsidenten Heinrich Toeplitz am 25. März 1966.
„Im Namen des Volkes, der Angeklagte wird wegen fortgesetzt begangener Verbrechen gegen die Menschlichkeit zum Tode verurteilt.“
Ein Todesurteil, war noch nicht das letzte Wort
Doch ein Urteil, gerade auch ein Todesurteil, war noch nicht das letzte Wort. Nach der Verfassung der DDR besaß deren höchster Repräsentant, der Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht, ein Gnadenrecht. Er konnte das Strafmaß auf lebenslänglich herabsetzen. Darum ersuchte Wolfgang Vogel ihn unmittelbar nach der Urteilsverkündung. Horst Fischer verließ den Gerichtssaal nicht in Richtung Todeszelle, sondern kam wieder in ein Untersuchungsgefängnis des Ministeriums für Staatssicherheit. Dort verhörten ihn die Offiziere weiter.
Christian Dirks:
„Wie funktionierte die Vernichtungsmaschinerie in Auschwitz aus der Sicht eines SS-Mediziners? Wie haben die gelebt? Also gut ausgebildete Akademiker, die in den 40er-Jahren nach Auschwitz gekommen sind, in der Regel ihre Familien nachgeholt haben, in Häusern wohnten unmittelbar in der Umgebung des Stammlagers, wo vorher polnische Familien gewohnt hatten, die vertrieben und verfolgt wurden. Daraufhin kamen deutsche SS-Familien, sind dort eingezogen, mit Mann und Maus, haben ihr Geschirr, ihre Tischdecken, Gardinen aus Berlin mitgebracht und haben sich dort häuslich eingerichtet im Schatten der Krematorien. Wie ging das? Wie haben die ihren Alltag gestaltet?
Fischer erzählte von einem gutbürgerlichen Leben, das er sich zu Hause kaum hätte leisten können. Von polnischen Hausangestellten, die seiner Frau das Kochen und Waschen abnahmen und seine Familie auch sonst umsorgten. Von Möbeln, die er sich aussuchen durfte, nachdem sie offenbar polnischen oder jüdischen Familien geraubt worden waren. Aber auch von weinseligen Gemeinschaftsabenden im SS-Führerheim.
„Das sind doch Informationen, die äußerst interessant, einzigartig sind, die lange Zeit nicht so bekannt waren in der Detailtiefe und die uns viel sagen über das Funktionieren von Tätern.“
Historiker sollten noch Jahrzehnte brauchen, bis sie auf solche Erkenntnisse stießen. Das MfS legte diese Informationen zu den Akten. Unterdessen ging beim Obersten Gericht der DDR eine Flut von Briefen ein, die auf das Urteil gegen Horst Fischer reagierten.
„Es gab viel Zustimmung und entsprechende Zuschriften, die sich eher mit Genugtuung äußerten. Es gab aber auch sehr viele kritische Zuschriften. Gerade hier in der Region vor den Toren von Berlin, wo Fischer lebte, rund um Spreenhagen, in dem Ort, wo er seine Praxis hatte, hat das für Unmut gesorgt. Dort kannte man ihn als den freundlichen, netten Landarzt und hat SED und MfS unterstellt, etwas konstruiert zu haben.“
Christian Dirks hat die Briefe an das Oberste Gericht der DDR in den 90er-Jahren in den Stasi-Unterlagen zum Fischer-Prozess gefunden.
„Anhand dieser Aussagen, und es sind schon einige hundert Zuschriften, die wir da gefunden haben, kann man schon sagen, dass das auch eine gewisse Strömung in Teilen der DDR-Bevölkerung war, ganz analog der Mentalität in der Bundesrepublik, die von einem Schlussstrich gesprochen hat. Es müsse doch auch gut sein, und 20 Jahre danach, wie lange wolle man denn noch? Das ist durchaus vergleichbar. Es gab zum einen Zuschriften, die das formuliert haben und dann gibt es aber auch eine ganze Reihe von Stimmungsberichten, die IMs dann formuliert haben, und die in entsprechenden Stasi-Akten überliefert sind.“
„Die ganzen Leute, die im Nationalkomitee Freies Deutschland zusammengefasst worden wären und die heute zum Teil in der NDPD seien, wären ja bekanntlich Nazis und Militaristen und dergleichen gewesen, die heute gewisse Funktionen bekleiden und die sicherlich früher aufgrund ihrer Dienststellung auch an Gräueltaten beteiligt waren.“
Bericht des Geheimen Mitarbeiters „Sulky“ vom 23.März 1966
Das Nationalkomitee Freies Deutschland und die Nationaldemokratische Partei NDPD waren einst auf Befehl Stalins gegründet worden, um im sowjetischen Machtbereich als Auffangbecken für Alt-Nazis und ehemalige Wehrmachtskämpfer zu dienen. Die NDPD gehörte von Anfang bis Ende der DDR zu jenen Blockparteien, mit denen die SED in der „Nationalen Front“ regierte.
Was der Geheime Mitarbeiter „Sulky“ an Vermutungen kolportierte, musste das MfS alarmieren, denn der Geheimdienst wusste genau, welche Leute in der NDPD untergekommen waren, berichtet Henry Leide von der Stasi-Unterlagenbehörde.
„Martin Roßbach ist Personalchef der IG Farben in Auschwitz gewesen und hat in der DDR gelebt und hat dort Karriere gemacht in der NDPD, und sein Name fiel natürlich auch im Auschwitzverfahren in der Bundesrepublik, wo er als Zeuge geladen werden sollte. Die DDR hat das verhindert und hat ihn nicht behelligt.“
Roßbach hatte für die IG Farben-Verwaltung Auschwitz laufend mit der SS über den Einsatz der Häftlinge verhandelt. Er musste genau über deren Ausbeutung Bescheid gewusst haben und er hätte Auskunft geben können über das Zusammenspiel von Wirtschaft und NS-Behörden. Aber er war hauptamtlicher Funktionär der NDPD und Leiter einer Fabrik in Bad Tennstedt. Deshalb hatte Erich Mielke schon im Februar 1965 entschieden, dass Roßbach weder in der DDR angeklagt werden noch als Zeuge nach Frankfurt am Main reisen sollte.
Im Fall Fischer setzte Erich Mielke dagegen auf Härte. Auf seine Empfehlung hin entschied Walter Ulbricht am 26. April 1966, kein Gnadenverfahren einzuleiten. Der Verurteilte erfuhr davon, ebenso wie die Öffentlichkeit, erst am Tag der Urteilsvollstreckung. Am 8. Juli 1966 starb Horst Fischer in Leipzig unter dem Fallbeil. In ihren Medien ließ sich die Staatsführung für diese, wie es hieß, einzig angemessene Reaktion auf die Verbrechen des SS-Arztes in Auschwitz feiern.
Fast zeitgleich schloss dagegen die Hauptabteilung XX des MfS in einem geheimen Vermerk ein Ermittlungsverfahren gegen eine andere Gruppe von Ärzten, die sich an Euthanasieverbrechen in der Heilanstalt Stadtroda beteiligt hatten:
Zitat:
„Da sich der damalige Leiter der Heilanstalt bereits in Westdeutschland gerichtlichen Untersuchungen aussetzen musste, andererseits Beschuldigte aus der DDR in höheren Positionen des Gesundheitswesens stehen (Frau Dr. Albrecht – Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Jena), könnte bei Auswertung ein unseren gesellschaftlichen Verhältnissen widersprechendes Ergebnis erreicht werden.“
Es wäre offensichtlich geworden, dass NS-Täter nicht nur im Westen ihre Karrieren bruchlos fortsetzen konnten, sondern dass es solche Fälle auch in der DDR gab. Also verschwanden die Akten mit einem Sperrvermerk in den Archiven der Stasi. Und aus Frau Doktor Albrecht, die am Euthanasie-Programm der Nazis mitgewirkt hatte, wurde Frau Professor Rosemarie Albrecht, die in die Akademie der Wissenschaften der DDR berufen und 1972 mit dem Vaterländischen Verdienstorden in Gold ausgezeichnet wurde.
Es wurde nie wieder ein Täter angeklagt
Angesichts der ablehnenden Reaktionen in der Bevölkerung auf das Urteil gegen Horst Fischer scheint das Ministerium für Staatssicherheit zu dem Schluss gekommen zu sein, weitere Prozesse wegen Verbrechen, die in Konzentrationslagern begangen worden waren, seien in der DDR nicht opportun. Zwar findet sich nirgendwo in den Akten ein derartiger Beschluss, aber es wurde auch nie wieder ein Täter angeklagt.
„Josef Settnik war Angehöriger der Politischen Abteilung in Auschwitz und, wie Zeugen bekundet haben, auch an Folterungen, Vergasungen und Selektionen beteiligt. Die Staatssicherheit hat über diese Vergangenheit im großen und ganzen Bescheid gewusst und hat ihn angeworben und damit war die Strafverfolgung durch seine inoffizielle Mitarbeit ersetzt worden.“
Die Unterschrift unter eine Verpflichtungserklärung bei der Staatssicherheit wurde in manchen Fällen als Wiedergutmachung bezeichnet, berichtet Henry Leide. Aber das galt nicht für alle.
„Johannes Adam ist laut Original-Akten aus Auschwitz Angehöriger der SS-Besatzung des Konzentrationslagers Auschwitz gewesen. Die Staatssicherheit hat das seit 1964 gewusst, hat das auf einer Karteikarte notiert und nichts weiter unternommen.
Von 1942 bis `45 war Johannes Adam Wachmann in demselben KZ gewesen, in dem Horst Fischer Dienst getan hatte. In der DDR stieg Adam zum Professor für medizinische Statistik an der Universität Halle-Wittenberg auf. 1980 erhielt er den Vaterländischer Verdienstorden in Bronze.
„Ein Verfahren, welches gegen ihn eingeleitet wurde lange nach der friedlichen Revolution, musste eingestellt werden aus Gründen der Verhandlungsunfähigkeit.“
Henry Leide von der Stasi-Unterlagenbehörde zieht eine für beide deutsche Staaten ernüchternde Bilanz:
„Die gesellschaftlichen Voraussetzungen waren in beiden deutschen Staaten grundverschieden, auch die rechtlichen Voraussetzungen waren grundverschieden, das Ergebnis ist aber dasselbe, erstaunlicherweise: Die NS-Täter sind in der Mehrzahl ungeschoren davon gekommen.“
https://www.deutschlandfunkkultur.de/



4.1 Statistiken zum Nazi-KZ Auschwitz

Die Toten von Auschwitz

NS-RASSSENWAHN
von
Matthias Janson,
06.12.2019
Bundeskanzlerin Angela Merkel besucht heute zum ersten Mal in ihrer Amtszeit die Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz. Auschwitz spielte in der Geschichte des nationalsozialistischen Rassenwahns eine zentrale Rolle. Die Statista-Grafik zeigt auf Basis einer Schätzung (PDF-Download) des Museums Auschwitz-Birkenau die Opferzahlen der im Lager getöteten Personengruppen. Demnach waren Angehörige jüdischen Glaubens mit einer Million Toten die mit Abstand größte Opfergruppe. Die Zahlen der anderen Opfer bewegen sich zwischen 70.000 und 10.000. Die meisten Juden wurden aus Ungarn und Polen nach Auschwitz deportiert, insgesamt 730.000 Menschen. Aus Deutschland und Österreich gelangten 23.000 Juden nach Auschwitz. Das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz wurde 1940 errichtet und in den Folgejahren immer weiter ausgebaut. Höhepunkt der Deportationswelle von Juden wurde mit über 228.000 Deportierten im Mai 1944 erreicht. Das Lager wurde am 27. Januar 1945 von der Roten Armee befreit.
https://de.statista.com/


Dossier: Gegen das Vergessen

GESCHICHTE

Auschwitz ist zum Inbegriff für den Massenmord an über sechs Millionen Menschen geworden: an Juden, Roma und Sinti. Dem Rassenwahn fielen auch Homosexuelle, Menschen mit Behinderungen und andere NS-Verfolgte zum Opfer.
Datum 31.01.2013
Autorin/Autor Birgit Görtz
Auschwitz ist zum Inbegriff für den Massenmord an mehr als sechs Millionen Menschen geworden: an Juden, Roma und Sinti. Rassenwahn und Verfolgung fielen auch Homosexuelle, Menschen mit Behinderungen, Zeugen Jehovas und andere NS-Verfolgte zum Opfer. Kurz nach dem Machtantritt Hitlers Ende Januar 1933 begann das Regime mit der Errichtung von Konzentrationslagern. Doch mit Beginn des Krieges begann das, was wir unter Holocaust verstehen: der systematische Genozid in Deutschland und in den besetzten Gebieten Europas. Lesen Sie in unserem Dossier Wissenswertes zum Thema.
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DIE REDAKTION EMPFIEHLT
Nahaufnahme in Auschwitz
Wie überlebt man in einem Todeslager? Das haben Nachwuchsjournalisten ehemalige Häftlinge des KZ Auschwitz gefragt - vor Ort. Das Begegnungsprojekt des Maximilian-Kolbe-Werks hat alle tief berührt. (05.02.2013)
Auf den Spuren des Holocaust in Minsk
Der Holocaust geschah nicht nur in den Konzentrationslagern. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion ermordeten die deutschen Besatzer zwei Millionen Menschen vor Ort. Heute leben nur noch wenige Zeitzeugen.
Als Auschwitz befreit wurde
Auschwitz ist zum Inbegriff für den Massenmord an Juden, Roma, Sinti und anderer NS-Verfolgter geworden. Am 27. Januar 1945 befreite die Rote Armee das Konzentrationslager. Der Jahrestag ist internationaler Gedenktag.
Warum der Holocaust uns heute beschäftigt
Ein Gespräch mit der Antisemitismus-Forscherin Juliane Wetzel. Sie erklärt, dass wir längst nicht alles über den Holocaust wissen und wie sich Antisemitismus heute äußert.
Der ganz alltägliche Antisemitismus
Judenwitze, Beschimpfungen bis hin zu körperlichen Angriffen: Antisemitismus ist in Deutschland weit verbreitet – auch unter muslimischen Jugendlichen. Das zeigt eine Spurensuche in Synagogen.
Inge Deutschkrons "zerrissenes Leben"
Im Bundestag spricht die Holocaust-Überlebende Inge Deutschkron beim Gedenken an die Opfer des NS-Regimes - 80 Jahre nach der Machtübernahme Adolf Hitlers. Noch heute plagen sie Schuldgefühle.
Gegen das Vergessen: Inge Deutschkron
Der Bundestag gedachte am heutigen Mittwoch (30.1.2013) der Opfer des Nationalsozialismus. Inge Deutschkron hielt eine Rede. Die Holocaust-Überlebende hat sich das Erinnern zur Lebensaufgabe gemacht.
Gebete für die Opfer von Auschwitz
Holocaust-Überlebende und Politiker haben in Polen und in Deutschland der Opfer des Holocaust gedacht. Ihre Botschaft: das ehemalige KZ muss eine Warnung für alle künftigen Generationen sein.
Buchenwald: Publikumsmagnet und Lernort
Vor 75 Jahren, im Juli 1937, wurde das Konzentrationslager Buchenwald auf dem Ettersberg bei Weimar errichtet. Die heutige Gedenkstätte zieht Menschen aus aller Welt an. Eine Ortsbesichtigung.
Buchenwald: Publikumsmagnet und Lernort
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Oper gegen das Vergessen
Anlässlich des internationalen Gedenktages der Opfer des Nationalsozialismus inszeniert die Werkstatt der Berliner Oper Viktor Ullmanns Widerstandsoper "Der Kaiser von Atlantis". (25.01.2013)
Sinti- und Roma-Orchester erinnert an Holocaust
Mit einer leise verhallenden Totenglocke endet das "Requiem für Auschwitz". Roger Moreno Rathgeb schrieb es für die Opfer des Nazi-Völkermordes, vor allem aber für eine vergessene Gruppe unter ihnen, die Sinti und Roma. (30.11.2012)
"Requiem für Auschwitz"
Roger Moreno Rathgeb hat ein musikalisches Werk gegen das Vergessen komponiert. Ein Gespräch über Teufelsgeiger-Klischees und den Mut zur Erinnerung (30.11.2012)
"Stolpersteine" als Orte des Erinnerns
Kleine Messingplatten vor Hauseingängen erinnern in Deutschland an die Opfer des Holocaust. Eine Idee des Künstlers Gunter Demnig, der im November auch in Leipzig seine "Stolpersteine" legte. (09.11.2012)
Kann ein Denkmal Diskriminierung stoppen?
Über Jahrzehnte haben deutsche Sinti und Roma für ihr Denkmal gekämpft. Weil sie Opfer eines zweiten Genozids waren, und weil sie noch heute diskriminiert werden: vielerorts in Europa. Jetzt wurde das Mahnmal eingeweiht. (02.11.2012)
AUDIO UND VIDEO ZUM THEMA
Auschwitz - ein Ort, der wie kein anderer für das Menscheitsverbrechen Holocaust steht
Holocaust-Überlebende erinnert an NS-Opfer
Kämpferin gegen das Vergessen - Inge Deutschkron



5. Stellungnahme der vom Amtsgericht Mosbach beauftragten forensischen Sachverständigen aus Kitzingen zu historischen Nazi-KZ Auschwitz-Verfahren und -Prozessen sowie zu gegenwärtigen NS-Prozessen im 21.Jahrhundert

FRAGESTELLUNG
ZUR ROLLE DER DEUTSCHEN JUSTIZ
IN DER NS-VERGANGENHEITSBEWÄLTIGUNG


Das Familiengericht-Amtsgericht Mosbach, Hauptstraße 110, 74281 Mosbach, beauftragt die forensische Sachverständige aus Moltkestr. 2, 97318 Kitzingen, in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 unter 6F 202/21, die Anti-Nazi-Aktivitäten des KVs und Antragstellers in einer ergänzenden Stellungnahme gutachterlich einzuschätzen und zu bewerten. Dazu zählen laut Anweisungen dieser amtsgerichtlichen Verfügungen SOWOHL die seit Sommer 2022 vom Antragsteller beim Amtsgericht Mosbach initiierten NS- und Rechtsextremismus-Verfahren ALS AUCH seine außergerichtlichen und gerichtlichen Aufklärungs- und Aufarbeitungsbemühungen zu Nationalsozialistischem Unrecht und Nationalsozialistischen Verbrechen aus dem Zeitraum um 2008, d.h. konkret von 2004 bis 2011, im Rahmen seiner sogenannten "Nazi-Jäger"-Aktivitäten im sachverhaltsbezogenen Kontext zur Problematik des Nationalsozialismus vor und nach 1945 und dessen Aufarbeitung bis heute. Siehe dazu auch Kapitel 1 auf dieser Seite.


Während die vom Familiengericht-Amtsgericht Mosbach beauftragte forensische Sachverständige aus Moltkestr. 2, 97318 Kitzingen, zunächst EINERSEITS ein familienpsychologisches Sachverständigengutachten in einem Umfang von über 100 Seiten zum 07.04.2022 unter 6F 202/21 erstellt hat, entschließt sich dieselbe Gutachterin sodann, ANDERERSEITS eine ergänzende Stellungnahme von zwei ganzen DIN A4-Seiten im sachverhaltsbezogenen Kontext zur Problematik des Nationalsozialismus vor und nach 1945 und dessen Aufarbeitung bis heute, insbesondere zum Kontext der historisch nachgewiesenen Beteiligungen an NS-Massenmordverbrechen in Mosbach wie Judenverfolgung und Holocaust, NS-Verfolgung von Sinti und Roma, Nazi-Euthanasie unter 6F 202/21 zum 31.08.2022 an das Amtsgericht Mosbach zu generieren. Die forensische Sachverständige aus Moltkestr. 2, 97318 Kitzingen, ERWÄHNT LEDIGLICH MIT EINEM WORT DEN "NATIONALSOZIALISMUS" auf Seite 2, Absatz 2 und erwähnt lediglich mit einem Satz auf Seite 2, Absatz 2, dass der Antragsteller von NS- und Rechtsextremismus-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach sich gegen den Nationalsozialismus wendet. Die forensische Sachverständige aus Kitzingen hat hier die GERICHTLICH BEAUFTRAGTE EINDEUTIGE GELEGENHEIT gehabt, mit einer entsprechend beim Amtsgericht Mosbach beantragten Fristverlängerung SICH SACHLICH UND FACHLICH auch auf über 100 Seiten bezüglich der Nazi-Thematik bzw. der Nazi-Problematik vor einem deutschen BRD-Gericht EXPLIZIT ZU ÄUSSERN. Diese Gelegenheit für eine sachliche und fachliche gutachterliche Expertise zum Nationalsozialismus und nationalsozialistischen Verbrechen, deren Auswirkungen und Aufarbeitungen nach 1945, u.a. auch in Mosbach, besteht zukünftig weiterhin jederzeit für die forensische Sachverständige aus Kitzingen.
Siehe dazu auch:


Das Amtsgericht Mosbach BEAUFTRAGT EXPLIZIT in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 unter 6F 202/21 die forensische Sachverständige aus Kitzingen, eine GUTACHTERLICHE STELLUNGNAHME ZU DEN NAZI-VERBRECHER-PROZESSEN am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach in 2022 mit seinen jahrelangen Bemühungen um die außergerichtliche und gerichtliche Aufarbeitung von Nationalsozialistischem Unrecht und Nationalsozialistischen Verbrechen an das deutsche BRD-Amtsgericht Mosbach im Jahr 2022 zu erstellen.


Das Amtsgericht Mosbach BEAUFTRAGT EXPLIZIT in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 unter 6F 202/21 am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach die forensische Sachverständige aus Kitzingen, eine GUTACHTERLICHE STELLUNGNAHME ZU DEN JURISTISCHEN NS-VERFAHREN ALS TEIL DER NS-VERGANGENHEITSBEWÄLTIGUNG INKLUSIVE DER ROLLE DER DEUTSCHEN BRD-JUSTIZ, d.h. sowohl zu den seit 1945 bis heute im 21. Jahrhundert geführten NS-Prozessen als auch zu den in 2022 noch laufenden NS-Prozessen und zu den künftigen NS-Prozessen, an das deutsche BRD-Amtsgericht Mosbach im Jahr 2022 zu erstellen.


Das Amtsgericht Mosbach BEAUFTRAGT EXPLIZIT in seiner Verfügung vom 17.08.2022 unter 6F 202/21 am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach die forensische Sachverständige aus Kitzingen, eine GUTACHTERLICHE STELLUNGNAHME ZU NS-Verfahren und NS-Prozessen, u.a. zu Nazi-Massenmordaktionen, zu deutschen Massakern unter dem Nazi-Terror- und Vernichtungsregime und zu deutschen Kriegsverbrechen während des Zweiten Weltkrieges, etc., ALS TEIL DER NS-VERGANGENHEITSBEWÄLTIGUNG an das deutsche BRD-Amtsgericht Mosbach im Jahr 2022 zu erstellen. Dazu zählen auch die bereits durchgeführten bzw. nicht-durchgeführten Prozesse und Verfahren der deutschen BRD-Justiz im Zusammenhang mit dem Nazi-Konzentrationslager AUSCHWITZ.

Das Amtsgericht Mosbach BEAUFTRAGT EXPLIZIT in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 unter 6F 202/21 die forensische Sachverständige aus Kitzingen, eine GUTACHTERLICHE STELLUNGNAHME ZU sogenannten NAZI-JÄGER-AKTIVITÄTEN MIT NS-PROZESSEN, VERURTEILUNGEN VON NS-TÄTER*INNEN, auch zu NS-Prozessen im 21. Jahrhundert, d.h. auch in 2022 laufenden und noch künftigen NS-Prozessen, etc. IN DER NS-VERGANGENHEITSBEWÄLTIGUNG NACH 1945 am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach mit seinen jahrelangen Bemühungen um die außergerichtliche und gerichtliche Aufarbeitung von Nationalsozialistischem Unrecht und Nationalsozialistischen Verbrechen an das deutsche BRD-Amtsgericht Mosbach im Jahr 2022 zu erstellen.


EINERSEITS:
Mit den Verfügungen des Familiengerichts-Amtsgericht Mosbach vom 17.08.2022 unter 6F 202/21 hat die gerichtlich beauftragte forensische Sachverständige aus Kitzingen nicht nur die Möglichkeit, sondern auch die Chance und das gerichtliche explizite Angebot, sich sachlich und fachlich zur NS-Vergangenheitsbewältigung seit 1945 bis heute, auch zur NS-Vergangenheitsbewältigung und Nazi-Kontinuität in Mosbach und in Baden-Württemberg, AUSFÜHRLICH EXPLIZIT gutachterlich zu äußern.


ANDERERSEITS:
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 ZU DEN JURISTISCHEN NS-VERFAHREN ALS TEIL DER NS-VERGANGENHEITSBEWÄLTIGUNG, d.h. sowohl zu den seit 1945 bis heute geführten NS-Prozessen als auch zu den in 2022 noch laufenden NS-Prozessen und zu den künftigen NS-Prozessen.
UND DIES OBWOHL diese Sachverhalte zu dieser NS-Thematik bzw. NS-Problematik frei verfügbar sind im öffentlichen Diskurs über entsprechende Medienberichte; über künstlerisch-kulturelle Themenaufarbeitungen; über die juristische, politische und wissenschaftliche Fachliteratur; über Publikationen von BRD-Institutionen der Justiz und Politik.
UND DIES OBWOHL das Amtsgericht Mosbach in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 die forensische Sachverständige aus Kitzingen EXPLIZIT BEAUFTRAGT, eine GUTACHTERLICHE STELLUNGNAHME ZU NS-PROZESSEN am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach seit 2022 mit seinen jahrelangen Bemühungen um die außergerichtliche und gerichtliche Aufarbeitung von Nationalsozialistischem Unrecht und Nationalsozialistischen Verbrechen an das deutsche BRD-Amtsgericht Mosbach im Jahr 2022 zu erstellen.


ANDERERSEITS:
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 ZU DEN JAHRZEHNTELANGEN VERNACHLÄSSIGUNGEN VON NS-VERFAHREN DURCH DIE BRD-JUSTIZ aus gezieltem Desinteresse an einer juristischen NS-Aufarbeitung ALS TEIL DER NS-VERGANGENHEITSBEWÄLTIGUNG, was dazu führt, dass heute im 21. Jahrhundert noch einige NS-Prozesse gegen hochbetagte 80, 90 bzw. 100-jährige alte NS-Täter*innen im Zeitraum um das Jahr 2022 und nicht früher eröffnet bzw. durchgeführt werden, wobei die Kritik sich gegen Untätigkeit, Verfahrensverschleppung und/oder zu milde Urteile der zuständigen deutschen BRD-Justizbehörden richtet.
UND DIES OBWOHL diese Sachverhalte zu dieser NS-Thematik bzw. NS-Problematik frei verfügbar sind im öffentlichen Diskurs über entsprechende Medienberichte; über künstlerisch-kulturelle Themenaufarbeitungen; über die juristische, politische und wissenschaftliche Fachliteratur; über Publikationen von BRD-Institutionen der Justiz und der Politik.  
UND DIES OBWOHL das Amtsgericht Mosbach in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 die forensische Sachverständige aus Kitzingen EXPLIZIT BEAUFTRAGT, eine GUTACHTERLICHE STELLUNGNAHME ZUR ROLLE DER DEUTSCHEN JUSTIZ IM ZUSAMMENHANG MIT NS-PROZESSEN am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach in 2022 mit seinen jahrelangen Bemühungen um die außergerichtliche und gerichtliche Aufarbeitung von Nationalsozialistischem Unrecht und Nationalsozialistischen Verbrechen an das deutsche BRD-Amtsgericht Mosbach im Jahr 2022 zu erstellen.
Siehe dazu:


ANDERERSEITS:
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zum konkreten Sachverhalt der Rechtsaufassung des baden-württembergischen Justizministeriums unter JUMRIX-E-1402-41/878/4 vom 20.06.2022 EINERSEITS, dass auch noch heute und künftig NS-Verbrechen von der deutschen Justiz verfolgt würden, was aber ANDERERSEITS der Rechtsauffassung des Amtsgericht Mosbach in seiner Verfügung vom 17.08.2022 unter 6F 9/22 diametral entgegensteht, dass es "angeblich" nicht Aufgabe des Gerichts sei, die NS-Vergangenheit aufzuarbeiten.
UND DIES OBWOHL hier das Amtsgericht Mosbach in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 diese Gutachterin mit der Sachverständigen-Aufklärung der seit Sommer 2022 vom Antragsteller beim Amtsgericht Mosbach initiierten NS- und Rechtsextremismus-Verfahren EXPILZIT BEAUFTRAGT.
Siehe dazu auch:


ANDERERSEITS:
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zum konkreten historisch nachgewiesenen Sachverhalt, dass beispielsweise im Jahr 2017 erstmals in der bundesdeutschen Rechtsgeschichte einem kompletten Schwurgericht mit drei deutschen BRD-Richtern in einem Auschwitz-Fall das Verfahren wegen Befangenheit in der Prozessführung entzogen wurde.
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zum konkreten historisch nachgewiesenen Sachverhalt, dass beispielsweise im Jahr 2018 deutsche BRD-Richter wegen zweijähriger Verfahrensverschleppung und anschließender Einstellung eines Auschwitz-Prozesses wegen Rechtsbeugung angezeigt wurden.
UND DIES OBWOHL diese Sachverhalte zu dieser NS-Thematik bzw. NS-Problematik frei verfügbar sind im öffentlichen Diskurs über entsprechende Medienberichte; über künstlerisch-kulturelle Themenaufarbeitungen; über die juristische, politische und wissenschaftliche Fachliteratur; über Publikationen von BRD-Institutionen der Justiz und Politik.
UND DIES OBWOHL hier das Amtsgericht Mosbach in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 diese Gutachterin mit der Sachverständigen-Aufklärung der NS-Vergangenheitsbewältigung anhand von NS-Prozessen inklusive der Rolle der deutschen BRD-Justiz am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach EXPILZIT BEAUFTRAGT.


ANDERERSEITS:
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zum konkreten historisch nachgewiesenen Sachverhalt, dass beispielsweise im Jahr 2004 durch eine Justizpanne ein wegen mehrfachen Mordes im KZ Auschwitz verurteilter SS-Unterscharführer flüchtet und somit eine Nazi-Jagd auslöst.
UND DIES OBWOHL diese Sachverhalte zu dieser NS-Thematik bzw. NS-Problematik frei verfügbar sind im öffentlichen Diskurs über entsprechende Medienberichte; über künstlerisch-kulturelle Themenaufarbeitungen; über die juristische, politische und wissenschaftliche Fachliteratur; über Publikationen von BRD-Institutionen der Justiz und Politik.
UND DIES OBWOHL hier das Amtsgericht Mosbach in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 diese Gutachterin mit der Sachverständigen-Aufklärung der NS-Vergangenheitsbewältigung am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach EXPILZIT BEAUFTRAGT.
UND DIES OBWOHL hier das Amtsgericht Mosbach in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 diese Gutachterin mit der Sachverständigen-Aufklärung der sogenannten "Nazi-Jäger-Aktivitäten" am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach EXPILZIT BEAUFTRAGT.
Siehe dazu auch:


ANDERERSEITS:
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zu den deutschen Auschwitz-Prozessen wie z.B. zum ersten großen Auschwitz-Prozesses in Frankfurt von 1963 -1965; zum Wuppertaler Auschwitz-Prozess aus 1986; zum Neubrandenburger Auschwitz-Prozess aus 2015; zu den Lüneburger Auschwitz-Prozessen aus 2015 mit dem Urteil des Bundesgerichtshofes aus 2016; zum Schleswig-Holsteiner Auschwitz-Prozess aus 2016; zum Detmolder Auschwitz-Prozessen aus 2016, zum zwei Jahre lang verschleppten und dann eingestellten Neubrandenburger Auschwitz-Prozess aus 2018; etc.
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zu den Auschwitz-Prozessen im Ausland, wie 1947 in Polen, 1961 in Israel, etc.
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zu den Auschwitz-Prozessen der Alliierten im besetzten Deutschland nach 1945.
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zu den im öffentlich Diskurs diskutierten Sachverhalt, dass nach Schätzungen mehrere Tausend Täter NIE für ihre Mitwirkung in der größten Nazi-Mordfabrik Auschwitz durch die nicht durchgeführten Prozesse der deutschen BRD-Justiz bestraft worden sind.
UND DIES OBWOHL diese Sachverhalte zu dieser NS-Thematik bzw. NS-Problematik frei verfügbar sind im öffentlichen Diskurs über entsprechende Medienberichte; über künstlerisch-kulturelle Themenaufarbeitungen; über die juristische, politische und wissenschaftliche Fachliteratur; über Publikationen von BRD-Institutionen der Justiz und Politik.
UND DIES OBWOHL hier das Amtsgericht Mosbach in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 diese Gutachterin mit der Sachverständigen-Aufklärung der NS-Vergangenheitsbewältigung am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach EXPILZIT BEAUFTRAGT.


ANDERERSEITS:
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zum Sachverhalt der Schwierigkeiten bei der Organisation und Durchführung zu Tatbeteiligungen an NS-Konzentrationslagern wie AUSCHWITZ und der "Problematik der Zu-Milden-Urteile".
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zur problematischen BRD-Justiz-Rechtsaufassung der Nachkriegszeit zur strafrechtlichen Verfolgung der Tatbeteiligungen an Planung und Organisation, Aufrechterhaltung und Betrieb von NS-Konzentrationslagern sowie der Tatbeteiligungen an Verbrechen bei der Auflösung und Beweis-Vertuschung der NS-Konzentrationslager gegen Kriegsende während dem Vormarsch der Alliierten, die lange Zeit mit mehr als 50 Jahren in der BRD vorherrschte.
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zum Sachverhalt, dass es infolge einer veränderten Rechtsauffassung seit 2015 in Deutschland zu mehreren erstinstanzlichen Prozessen gegen frühere SS-Männer im Konzentrationslager Auschwitz kam, denen keine konkrete Mordtat nachzuweisen war, wobei deswegen ihre Beihilfe und ihr Tatanteil an dem Massenmord verhandelt wurde bzw. wird.
UND DIES OBWOHL diese Sachverhalte zu dieser NS-Thematik bzw. NS-Problematik frei verfügbar sind im öffentlichen Diskurs über entsprechende Medienberichte; über künstlerisch-kulturelle Themenaufarbeitungen; über die juristische, politische und wissenschaftliche Fachliteratur; über Publikationen von BRD-Institutionen der Justiz und Politik.
UND DIES OBWOHL hier das Amtsgericht Mosbach in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 diese Gutachterin mit der Sachverständigen-Aufklärung der NS-Vergangenheitsbewältigung am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach EXPILZIT BEAUFTRAGT.

ANDERERSEITS:
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zum Sachverhalt, dass der Antragsteller von NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach seit Sommer 2022, den diese Gutachterin gerichtlich beauftragt mit seinen öffentlich nachweisbaren Anti-Nazi-Aktivtäten begutachten soll, sich selbst im vom Amtsgericht Mosbach angewiesenen Begutachtungszeitrum um 2008 an der Nazi-Verbrecher-Verfolgung und an dem NS-Prozess zum KZ-Wächter "John Demjanjuk" konkret beteilig hat. Und zwar an dem NS-KZ-Prozess, der zur veränderten Rechtsauffassung seit 2015 in Deutschland beigetragen hat, auch bei keinem direkten Nachweis konkreter Mordtaten dann aber wegen Beihilfe und Tatanteil am Massenmord gerichtlich zu verhandeln und zu urteilen.
Unter 45 Js 3/08 leitet die Staatsanwaltschaft Dortmund am 16.02.2009 die Strafanzeige des  Antragstellers von NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach gegen den Ukrainer John Demjanjuk wegen Mord und Beihilfe zu Mord auf Grund seiner Tätigkeiten als Mitglied der SS-Hilfstruppen in Nazi-Konzentrationslagern an die Staatsanwaltschaft München weiter. Und dies noch vor Einleitung des Auslieferungsverfahrens. John Demjanjuk wurde in 2009 von der USA an die BRD ausgeliefert und als erster nicht-deutscher NS-Befehlsempfänger vor ein deutsches Gericht gestellt und am 12.05.2011 durch das Landgericht München wegen Beihilfe zum Mord an 28.060 Menschen verurteilt.
UND DIES OBWOHL diese Sachverhalte zu dieser NS-Thematik bzw. NS-Problematik frei verfügbar sind im öffentlichen Diskurs über entsprechende Medienberichte; über künstlerisch-kulturelle Themenaufarbeitungen; über die juristische, politische und wissenschaftliche Fachliteratur; über Publikationen von BRD-Institutionen der Justiz und Politik.
UND DIES OBWOHL hier das Amtsgericht Mosbach in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 diese Gutachterin mit der Sachverständigen-Aufklärung der außergerichtlichen und gerichtlichen Aufklärungs- und Aufarbeitungsbemühungen zu Nationalsozialistischem Unrecht und Nationalsozialistischen Verbrechen des Antragstellers von NS- und Rechtsextremismus-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach aus dem Zeitraum um 2008, d.h. konkret von 2004 bis 2011, im Rahmen seiner sogenannten "Nazi-Jäger"-Aktivitäten im sachverhaltsbezogenen Kontext zur Problematik des Nationalsozialismus vor und nach 1945 und dessen Aufarbeitung bis heute EXPLIZIT BEAUFTRAGT.
Siehe dazu:


ANDERERSEITS:
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zum konkreten historisch nachgewiesenen Sachverhalt der Tatbeteiligungen in MOSBACH am Nazi-Massenmord an Sinti und Roma; der Tatbeteiligungen an der Nationalsozialistischen Verfolgung der Sinti und Roma vor 1945 in Mosbach; der Tatbeteiligungen an der Deportation von Sinti und Roma vor 1945 auch von Kindern in Nazi-Konzentrationslager von und aus Mosbach, AUCH NACH AUSCHWITZ.
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zum konkreten historisch nachgewiesenen Sachverhalt, dass u.a. auch im Nazi-Konzentrationslager Neckarelz-Mosbach Sinti und Roma vor 1945 interniert gewesen sind.
UND DIES OBWOHL diese Sachverhalte zu dieser NS-Thematik bzw. NS-Problematik frei verfügbar sind im öffentlichen Diskurs über entsprechende Medienberichte; über künstlerisch-kulturelle Themenaufarbeitungen; über die juristische, politische und wissenschaftliche Fachliteratur; über Publikationen von BRD-Institutionen der Justiz und Politik.
UND DIES OBWOHL hier das Amtsgericht Mosbach in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 diese Gutachterin mit der Sachverständigen-Aufklärung der NS-Vergangenheitsbewältigung am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach EXPILZIT BEAUFTRAGT.

Siehe dazu auch:


ANDERERSEITS:
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zum Sachverhalt, dass nach bisherigen öffentlichen Kenntnissen die baden-württembergische BRD-Justiz in Mosbach zum konkreten historisch nachgewiesenen Sachverhalt der Tatbeteiligungen in MOSBACH am Nazi-Massenmord an Sinti und Roma; der Tatbeteiligungen an der Nationalsozialistischen Verfolgung der Sinti und Roma vor 1945 in Mosbach; der Tatbeteiligungen an der Deportation von Sinti und Roma vor 1945 auch von Kindern in Nazi-Konzentrationslager von und aus Mosbach, AUCH NACH AUSCHWITZ, nach 1945 UNTÄTIG GEBLIEBEN IST.
UND DIES OBWOHL diese Sachverhalte zu dieser NS-Thematik bzw. NS-Problematik frei verfügbar sind im öffentlichen Diskurs über entsprechende Medienberichte; über die juristische, politische und wissenschaftliche Fachliteratur.
UND DIES OBWOHL hier das Amtsgericht Mosbach, das diese Gutachterin mit der Sachverständigen-Aufklärung zur NS-Thematik beauftragt, selbst örtlich zuständig ist.
UND DIES OBWOHL das Amtsgericht Mosbach in seiner Verfügung vom 17.08.2022 unter 6F 202/21 die forensische Sachverständige aus Kitzingen am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach EXPLIZIT BEAUFTRAGT, eine GUTACHTERLICHE STELLUNGNAHME ZUR NS-VERGANGENHEITSBEWÄLTIGUNG an das deutsche BRD-Amtsgericht Mosbach im Jahr 2022 zu erstellen.


ANDERERSEITS:
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zum konkreten Antrag vom 13.08.2022 des Antragstellers für Strafanzeigen vom 13.08.2022 an das Amtsgericht Mosbach gegen Verantwortliche der Internierungen und Deportationen von Sinti und Roma aus Landkreis und Stadt Mosbach in Nazi-Konzentrationslager, AUCH NACH AUSCHWITZ.
UND DIES OBWOHL hier das Amtsgericht Mosbach in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 diese Gutachterin mit der Sachverständigen-Aufklärung der seit Sommer 2022 vom Antragsteller beim Amtsgericht Mosbach initiierten NS- und Rechtsextremismus-Verfahren EXPILZIT BEAUFTRAGT.
Siehe dazu auch:

Prozessbeobachtung: NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach
Strafanzeigen vom 13.08.2022 unter 6F 9/22 gegen Verantwortliche der Inhaftierungen und Deportationen von Sinti und Roma aus Landkreis und Stadt Mosbach in Nazi-Konzentrationslager
220813_uhl_ag_mos_ja_sinti_roma_mosbach.pdf (165.9KB)
Prozessbeobachtung: NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach
Strafanzeigen vom 13.08.2022 unter 6F 9/22 gegen Verantwortliche der Inhaftierungen und Deportationen von Sinti und Roma aus Landkreis und Stadt Mosbach in Nazi-Konzentrationslager
220813_uhl_ag_mos_ja_sinti_roma_mosbach.pdf (165.9KB)



ANDERERSEITS:
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zum Sachverhalt der konkreten Strafanzeige aus 2010 des Antragstellers von NS- und Rechtsextremismusverfahren beim Amtsgericht Mosbach gegen die Schändung des Nazi-Konzentrationslagers AUSCHWITZ
UND DIES OBWOHL hier das Amtsgericht Mosbach in seinen Verfügungen vom 17.08.2022 diese Gutachterin mit der Sachverständigen-Aufklärung der außergerichtlichen und gerichtlichen Aufklärungs- und Aufarbeitungsbemühungen zu Nationalsozialistischem Unrecht und Nationalsozialistischen Verbrechen des Antragstellers von NS- und Rechtsextremismus-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach aus dem Zeitraum um 2008, d.h. konkret von 2004 bis 2011, im Rahmen seiner sogenannten "Nazi-Jäger"-Aktivitäten im sachverhaltsbezogenen Kontext zur Problematik des Nationalsozialismus vor und nach 1945 und dessen Aufarbeitung bis heute EXPLIZIT BEAUFTRAGT.

Siehe dazu auch:


ANDERERSEITS:
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zum menschenverachtenden System der Nazi-Konzentrationslager, zu AUSCHWITZ, zu den Nazi-KZs in Mosbach und in Baden-Württemberg, und der Aufarbeitung der NS-Konzentrationslager von 1945 bis heute.
UND DIES OBWOHL diese Sachverhalte zu dieser NS-Thematik bzw. NS-Problematik frei verfügbar sind im öffentlichen Diskurs über entsprechende Medienberichte; über die juristische, politische und wissenschaftliche Fachliteratur.
UND DIES OBWOHL das Amtsgericht Mosbach in seiner Verfügung vom 17.08.2022 unter 6F 202/21 die forensische Sachverständige aus Kitzingen am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach EXPLIZIT BEAUFTRAGT, eine GUTACHTERLICHE STELLUNGNAHME ZUR NS-VERGANGENHEITSBEWÄLTIGUNG an das deutsche BRD-Amtsgericht Mosbach im Jahr 2022 zu erstellen.
Siehe auch:


ANDERERSEITS:
Die forensische Sachverständige aus Kitzingen ÄUSSERT SICH JEDOCH EXPLIZIT NICHT in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach als ein BRD-Gericht im Jahr 2022 zu den in den Medien und in der Öffentlichkeit frei verfügbaren Erfahrungsberichten der Überlebenden der Nazi-Konzentrationslager seit 1945 bis heute. Die forensische Sachverständige aus Kitzingen VERZICHTET DAMIT EXPLIZIT DARAUF, den Opfern der Nazi-Konzentrationslager und den Nazi-KZ-Überlebenden sowie ihren Familienangehörigen eine Stimme mit Anerkennung und Respekt für Opfer und Verfolgte des NS-Regimes vor einem deutschen Gericht im Jahr 2022 in ihrer gutachterlichen ergänzenden Stellungnahme vom 31.08.2022 unter 6F 202/21 an das Amtsgericht Mosbach zu geben.
UND DIES OBWOHL diese Sachverhalte zu dieser NS-Thematik bzw. NS-Problematik frei verfügbar sind im öffentlichen Diskurs über entsprechende Medienberichte; über die juristische, politische und wissenschaftliche Fachliteratur.
UND DIES OBWOHL das Amtsgericht Mosbach in seiner Verfügung vom 17.08.2022 unter 6F 202/21 die forensische Sachverständige aus Kitzingen am Beispiel des Antragstellers von NS-Verfahren beim Amtsgericht Mosbach EXPLIZIT BEAUFTRAGT, eine GUTACHTERLICHE STELLUNGNAHME ZUR NS-VERGANGENHEITSBEWÄLTIGUNG an das deutsche BRD-Amtsgericht Mosbach im Jahr 2022 zu erstellen.

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